Protocol of the Session on September 7, 2016

Kein Bundesland investiert so viel Geld in Bildung wie Hamburg, kein Bundesland hat eine so gute Personalausstattung. Das ist die Grundlage. Aber jetzt machen wir uns auch daran, mit den Lehrerinnen und Lehrern den Unterricht Schritt für Schritt zu verbessern. Wenige Punkte seien genannt: Mathematikoffensive, Offensive zur Begabungsförderung, Rechtschreibung verbessern, Beratungsteams für die unterrichtenden Kollegen, aber auch Anspruch.

Ja, wir riskieren etwas und sagen, wir wollen ein Bundesabitur in Hamburg. Und das ist schon etwas – das sage ich Ihnen offen –, was sich nicht alle Kolleginnen und Kollegen anderer Bundesländer trauen. Sie haben selbst darauf hingewiesen, dass die Bundesländer auswählen können bei den Prüfungen. Wir haben gesagt, wir machen mit, ohne Wenn und Aber, und geben uns redlich Mühe, denn wir müssen darauf setzen, dass in Hamburg Bildung wichtig ist. Sie öffnet die Türen in eine erfolgreiche Stadtgesellschaft für viele Kinder. Das ist der eine Punkt, der uns sehr, sehr wichtig ist. Und da bleibt viel zu tun.

Und ein zweiter Punkt, mit dem ich schließen möchte: Wir wollen rund 7 000 Flüchtlingskindern eine Zukunft geben, und gute Bildung ist der Schlüssel dafür. Dazu haben wir Dinge gemacht, die bundesweit durchaus für Aufmerksamkeit gesorgt haben.

In den Erstaufnahmeeinrichtungen gibt es richtigen Schulunterricht, nicht irgendeine Freizeitorganisation, sondern richtig 25 bis 30 Schulstunden mit echten Lehrern, mit richtigen Fächern, sogar Tests werden dort geschrieben. Und wir haben über 550 Pädagogen nur in diesen besonderen Klassen eingesetzt für Flüchtlinge. Das ist schon eine gewaltige Kraftanstrengung, weil wir von Anfang an – und da, Herr Wolf, bin ich gespannt, was die AfD dazu eigentlich sagen will, ob Sie die Hälfte der Schüler gar nicht in die Schule schicken wollen – gesagt haben, sobald jemand in Hamburg ankommt, es ist egal, welchen Status er hat, es ist egal, wo er untergebracht wird, es muss sofort Unterricht beginnen. Das ist aus meiner Sicht ein sehr wichtiger Beitrag für die Integration in der Stadt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Zwei Dinge gehören dazu: Die Sprache muss gelernt werden, und Deutsch ist eine verflixt schwierige Sprache. Aber noch schwieriger als die Spra

(Senator Ties Rabe)

che ist unsere Gesellschaft. Das, was wir sozusagen alle von selbst mit gelernt haben, das muss die Schule auch mit den Flüchtlingen lernen: eine Zivilgesellschaft, die auf Toleranz, Weltoffenheit, Religionsfreiheit und Gleichberechtigung baut, eine Gesellschaft auch, die anstrengend ist, weil sie das Engagement, die gute Bildung und den Leistungswillen eines jeden Einzelnen voraussetzt.

Deswegen investieren wir sehr, sehr viel Geld für einen richtigen Schulunterricht. Die Aufgabe ist nicht leicht, aber ich will zum Schluss sagen, dass wir davor keine Angst haben und keine Angst machen sollten.

Als ich in meiner Jugend die "Tagesschau" gesehen habe – das machte ich, als ich etwas älter war –, da hießen die Nachrichtensprecher nach meiner Erinnerung Karl-Heinz Köpcke, Wilhelm Wieben oder Werner Veigel. Wenn ich heute Nachrichten sehe, dann heißen sie Ingo Zamperoni, Pinar Atalay und Linda Zervakis. Liebe AfD, ich sage einmal, der Weltuntergang ist ausgeblieben. Im Gegenteil, wir können stolz auf dieses Zusammenleben sein. Und ich darf zum Schluss sagen, Linda Zervakis hat ihr Abitur an einem Hamburger Gymnasium gemacht. So wünschen wir uns Integration. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Senator, Sie haben das Doppelte der Redezeit in Anspruch genommen, das den Abgeordneten im Rahmen der Aktuellen Stunde zur Verfügung steht. – Das Wort bekommt jetzt erneut Frau Prien von der CDU-Fraktion. Bitte.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Senator, wir sind uns in vielem nicht einig, aber in einem will ich Ihnen ausdrücklich zustimmen. Es ist richtig, dass wir in Hamburg Schülerinnen und Schüler unter den Geflüchteten vom ersten Tag an beschulen. Es ist richtig, dass wir Jugendlichen unter den Flüchtlingen die Möglichkeit geben, einen Einstieg in eine Ausbildung zu finden, und zwar gerade dann, wenn man unser Asyl- und Flüchtlingsrecht ernst nimmt, und gerade dann, wenn man der Auffassung ist, dass viele von denen, die heute hier sind, auch wieder zurück in ihre Heimat gehen sollen. Denn es ist richtig, Kindern und Jugendlichen, die auf der Flucht sind, die Möglichkeit zur Bildung zu geben. Da gibt es kein Wenn und Aber, und das lassen wir uns von Ihnen auch nicht kaputtreden.

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei der SPD und der FDP und bei Dr. Anjes Tjarks GRÜ- NE)

Ich schätze Ihre jedenfalls meistens sehr sachliche Herangehensweise an schulpolitische Fragen, Frau von Berg. Deshalb finde ich es auch völlig

richtig zu sagen, das Glas ist nicht nur halb leer, sondern möglicherweise ist es halb voll. Darüber kann man dann im Einzelfall streiten. Ich hätte auch überhaupt nichts dagegen gehabt, eine solche Debatte zu führen. Unsere Kritik richtete sich gegen den Aufschlag der SPD und auch das, was Frau Duden uns angeboten hat heute. Das war nämlich kein kritischer Einstieg in eine Debatte, und genau die müssen wir miteinander führen.

(Erster Vizepräsident Dietrich Wersich über- nimmt den Vorsitz.)

Und das, finde ich, haben Hamburgs Schülerinnen und Schüler auch verdient.

(Beifall bei der CDU)

Herr Senator, Sie sagen, die Menschen kommen in großer Anzahl nach Hamburg, weil das Schulsystem und unser Kindertagesstättensystem so großartig sind. Nach meiner Erfahrung ist es eher so, dass die Menschen in unsere Stadt kommen, weil Hamburg die schönste Stadt der Welt ist. Deshalb kommen die Leute hierher, aber sie kommen trotz des Hamburger Schulsystems und nicht wegen des Hamburger Schulsystems.

(Wolfgang Rose SPD: So ein Quatsch!)

Denn, Herr Rose, wechseln Sie einmal von Hamburg nach Baden-Württemberg, Bayern oder Sachsen, dann haben Sie ein Problem.

Sie müssen sehr häufig Ihre Schüler ein Jahr wiederholen lassen. Sich damit nun gerade heute zu rühmen ist, glaube ich, ein Bumerang gewesen. So werden wir nicht weiterkommen.

Auch das Argument, dass die Schülerkosten in Hamburg so hoch sind, stimmt. Die Schülerkosten sind sehr hoch in Hamburg. Sie sind im Augenblick die höchsten in Deutschland, aber entscheidend ist ehrlich gesagt nicht, was ich vorn hineinstecke, sondern entscheidend ist, was hinten herauskommt. Und wenn wir uns anschauen, was an Output herauskommt, dann lässt es eben an manchen Stellen zu wünschen übrig.

(Beifall bei der CDU)

Herr Senator, ich weiß nicht, wie abgehoben Sie inzwischen sind, aber sich jetzt die Schulstruktur in Hamburg auf das SPD-Ticket zu schreiben, ist doch wirklich absurd. Die neue Schulstruktur in Hamburg ist in der Enquete-Kommission über zwei Jahre lang intensiv beraten und beschlossen worden zu CDU-Regierungszeiten. Vieles ist umgesetzt worden zu CDU-Regierungszeiten, zusammen zum Teil mit den GRÜNEN. Das ist wirklich eine völlige Verklärung der Realität. Das nimmt Ihnen auch keiner ab. Lassen Sie doch so etwas, es bringt uns gar nicht weiter.

(Beifall bei der CDU)

(Senator Ties Rabe)

Das Gleiche gilt für kleinere Klassen. Das haben Sie beschlossen? Das wüsste ich aber, wenn es so gewesen wäre. Auch das ist Geschichtsklitterung. Auch das bringt keinen Hamburger Schüler weiter.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das hat Olaf Scholz da reingeschrieben!)

Ich finde, da sollten Sie bei der Wahrheit bleiben.

(Beifall bei der CDU)

Ich nehme gern noch einmal das Thema Unterrichtsausfall auf. Ich finde es wirklich super, ich finde es toll, dass Sie den Unterrichtsausfall in dieser Form dokumentieren lassen. Aber wenn Sie dann so herangehen an die Sache, dass den Schulen die Möglichkeit eröffnet wird, in dubiosen Kategorien dafür Sorge zu tragen, dass das, was als Vertretungsstunde gewertet wird, in Wahrheit nichts anderes ist, als dass Aufgaben, wenn überhaupt, in der Klasse abgegeben werden, die Lehrkräfte verschwinden und die Schüler hinterher gar nichts machen, Herr Senator Rabe, dann ist das keine Bekämpfung von Unterrichtsausfall, sondern das ist ein – ich sage es jetzt einmal vorsichtig – Schönen von Statistik. Und die ist keine, die man ernst nehmen könnte.

(Beifall bei der CDU und bei Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP)

Ein letzter Punkt. Wenn Sie es wirklich ernst meinen mit dem Testen von Bildungsqualität, warum stellen Sie diese Ergebnisse nicht der Öffentlichkeit vor? Warum machen Sie ein Geheimnis daraus? Dann könnten wir uns über den Erfolg Ihrer Politik nämlich einmal ernsthaft unterhalten. Das tun Sie nicht. Da verweigern Sie sich mit Zähnen und Klauen. Und deshalb können wir Ihnen das heute nicht abnehmen. Das läuft einfach nicht gut. Wir wüssten es nur zu gern. Sie verweigern darüber regelmäßig die Auskunft, lieber Herr Senator.

Bildungsbundesliga in Hamburg, das wünschten wir uns alle miteinander. Aber dann hätten Sie eben anfangen müssen, an den Bildungsreden zu arbeiten, und zwar nicht erst jetzt, sondern Sie hätten es schon vor Jahren tun müssen. Sie hätten im letzten Jahr anfangen müssen.

(Dirk Kienscherf SPD: 2009 hätten wir an- fangen müssen!)

Sie haben uns im letzten Jahr gesagt, Sie hätten Besseres zu tun gehabt. Ich verstehe nicht, wie man irgendetwas Besseres zu tun haben kann, als das Bildungsniveau an den Hamburger Schulen zu heben. Da gibt es Riesendefizite. Da müssen Sie heran. Und dass Sie jetzt an die Änderung des Schulgesetzes herangehen, ohne die wesentlichen Themen auch nur anzusprechen, ist ein Armutszeugnis. Wir wünschen uns eine ernsthaftere Debatte.

(Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Frau Prien, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Kommen Sie bitte zum letzten Satz.

Ich komme zum Schluss. Gern führen wir mit Ihnen eine konstruktive Debatte, werden das an den nächsten beiden Tagen auch noch an weiterer Stelle tun. Das jedenfalls war kein guter Anfang.

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin bekommt das Wort Frau Boeddinghaus von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Senator Rabe, wie verzweifelt müssen Sie eigentlich sein, dass Sie noch einmal betonen, es sei im Grunde ein Erfolg, dass Sie auf die Einhaltung des Schulgesetzes achten und dementsprechend Lehrerinnen und Lehrer einstellen? Ich begreife das wirklich nicht und finde es richtig peinlich. Sie müssen ziemlich verzweifelt sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann zu dem Aspekt der Ganztagsschulen, und noch einmal: Dass so viele Eltern die Ganztagsschulen wählen, heißt doch erst einmal, dass sie den Bedarf haben, ihre Kinder den Tag über unterzubringen und betreut zu wissen, während beide Eltern ihrem Beruf nachgehen. Das heißt doch noch gar nicht, dass sie sofort sagen, das sei eine tolle Qualität. Im Gegenteil: Wir wissen von sehr, sehr vielen Eltern, die dabei große Bauchschmerzen haben und denen es schlecht geht, weil sie wissen, dass es eben nicht gut läuft. Vielleicht können Sie an der Stelle noch einmal sagen, wie es jetzt eigentlich in der Schule Schnuckendrift weitergeht. Die Eltern waren vor der Sommerpause schier verzweifelt, weil sie nicht wussten, wie es mit der Ganztagsbetreuung nach der Sommerpause weitergeht für ihre Kinder. Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Und erst recht noch einmal: Wie gut, dass es die Volksinitiative gab.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann zum Punkt Inklusion. Es gibt immer diese Zahlenspielerei mit den Lehrerstellen, wir kriegen es nie ganz auseinandergedröselt. Ich kann nur ein konkretes Beispiel nennen. Als es noch integrative Grundschulen gab, haben die Schulen die Mittel bekommen, dass sie von montags erster Stunde bis freitags letzter Stunde eine Doppelbesetzung gewährleisten konnten in ihren inklusiv arbeitenden Klassen. Jetzt haben sie die Mittel, dass sie gerade einmal sechs Unterrichtsstunden doppelt besetzen können. Das ist die Realität. Und ich

(Karin Prien)

orientiere mich an der Realität und nicht an Zahlenspielereien.

(Beifall bei der LINKEN)