Protocol of the Session on June 16, 2016

DIE LINKE macht das, was sie hier immer wieder gern bei solchen Themen macht: Sie zeigt mit dem Finger auf ein vermeintliches oder reales Problem und bietet dann eine schnelle Lösung an. Bei aller Sorge um die Beschäftigungssituation in der Kreativbranche sollte man auch immer darauf aufpassen, dass man die für eine florierende Kreativbranche notwendigen Rahmenbedingungen nicht so eng fasst, dass man am Ende keine Dynamik mehr hat.

Ich spreche zum Beispiel von dem Nachwuchsbereich. Im Fall von Nachwuchsprojekten können für die Filmschaffenden neben der Vergütung auch das Sammeln von Berufserfahrung, der Aufbau einer Filmografie und die Heranführung an beruflich relevante Netzwerke wesentliche Aspekte darstellen.

Die gleiche Freiheit nimmt der als kreatives Experimentfeld wichtige Low-Budget-Bereich für sich in Anspruch. Wenn Sie diese Bereiche zu stark regulieren, ersticken Sie die Kreativität.

(Beifall bei der SPD)

Wir setzen darauf, dass wir den Arbeitsmarkt generell regulieren und für alle Bereiche die Rahmenbedingungen abstimmen. Die SPD hat den Mindestlohn auf Bundesebene durchgesetzt. Die SPD sorgt auf Bundesebene dafür, dass die Künstlersozialkasse stabilisiert wird. Und es war die SPD, die die Verlängerung der ARG-I-Sonderregelung bis Mitte 2018 durchgesetzt hat. Das sind nur einige konkrete Beispiele, wie die Situation in der Branche durch uns verbessert wurde.

Die Kultur- und Kreativbranche ist ein hochkomplexes, bisweilen auch chaotisches System. Wer glaubt, er könne hier durch einfache Patentrezepte irgendwelche Probleme so schnell und einfach lö

sen, der ist auf dem falschen Dampfer unterwegs. Wir werden auch weiterhin mit konkreten Maßnahmen die soziale Lage der Kreativ- und Kulturschaffenden verbessern. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Phyliss Demirel und René Gögge, beide GRÜNE)

Herr Wersich von der CDU-Fraktion bekommt nun das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Jersch, das kommt heraus, wenn Sozialismus auf Kultur trifft: mehr Bürokratie und Unfreiheit statt Kreativität.

(Beifall bei der CDU, der FDP und bei René Gögge GRÜNE)

Dieser Antrag ist allenfalls gut gemeint, aber er ist der falsche Weg. Sie schütten das Kind mit dem Bade aus. Wo Sie doch sonst so oft mit den rechtsfreien Räumen liebäugeln: Warum wollen Sie gerade den Kreativsektor nach Recht und Ordnung strukturieren? Auch das erschließt sich mir nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie fordern Tarifverträge für Freiberufler. Sie wollen, dass das Arbeitszeitgesetz mit Pausen und Ruhezeiten eingehalten wird. Und Sie wollen die Filmförderung zur Kontrollbürokratie statt zur Kulturförderung umbauen.

Dem Drehbuchautor wird DIE LINKE abends das Licht ausknipsen, wenn er einmal wieder richtig im Schreibfluss ist, aber leider die Arbeitszeitgrenze überschritten hat.

(Beifall bei der CDU, der FDP und bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Der Set beim Außendreh wird genau in dem Moment unterbrochen, in dem die Sonne durchkommt, weil gerade eine gesetzlich vorgeschriebene Pause notwendig ist, oder er wird am besten ganz abgebrochen, damit man ihn am nächsten Tag noch einmal wieder aufbauen kann. Nein, wir brauchen eine ausreichende Kulturförderung und einen ausreichenden Stellenwert für die Kultur, aber wir brauchen auch Toleranz für den Graubereich der Kreativität. Kultur braucht Freiheit statt Sozialismus. – Danke.

(Beifall bei der CDU, der FDP und bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Herr Gögge von der GRÜNEN Fraktion bekommt nun das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Fraktion DIE LINKE beschreibt durchaus zutreffend die Situation vieler, die in der Filmbranche tä

tig sind. Für viele ist das Wort Selbstausbeutung tatsächlich zutreffend. Das ist leider aus vielen kreativen Bereichen so bekannt. Klar ist für uns, dass trotz Begeisterung und Hingabe für Film und Fernsehen alle, auch Freiberufler, von ihrer Arbeit bis ins Alter leben können sollen.

Die Zielrichtung des Antrags ist uns daher auch durchaus sympathisch. Allerdings sage ich auch, dass es nicht nötig ist, die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein zu ermahnen. Sie will ebenfalls, dass Filmschaffende fair behandelt werden. So weist zum Beispiel das Merkblatt Produktion Kino der FFHSH deutlich auf den gesetzlichen Mindestlohn hin. Klar ist aber auch, dass weder hier noch bei der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes die FFHSH eine tatsächliche Handhabe hat.

Ich möchte noch einmal erwähnen, dass die Gewerkschaften bereits einen großen Erfolg für die Lebensbedingungen der Filmschaffenden erstritten haben. Das wurde heute ja auch schon gesagt. Tarifgebundene Filmproduzenten müssen sich an den in Kraft getretenen Tarifvertrag halten und das ist auch durchaus gut so. Allerdings gilt für freie Filmproduktionen das Tarifrecht nicht automatisch. Rechtlich ist es so, das hat der Kollege Schmidt schon erläutert, dass die Filmförderungsanstalt an den geförderten Produktionen zwar beteiligt ist, aber die Leistung nicht selbst in Auftrag gibt. Die Rechtmäßigkeit der Beschäftigungsverhältnisse kann daher nicht von der Filmförderung geprüft werden. Diese Verantwortung liegt bei den Produzentinnen und Produzenten und das ist auch richtig so.

Als schwer umsetzbar erscheinen mir außerdem Sanktionen bei einem Verstoß gegen die geforderten Vergabebedingungen. Wie genau soll denn da der Nachweis geführt werden? Wir sind uns darin einig, dass Filmschaffende eine faire, angemessene Vergütung erhalten sollen. Newcomer allerdings müssen sich einen Namen machen, Erfahrungen sammeln, eine Filmografie aufbauen und Netzwerke knüpfen können. Vieles davon würde durch eine Tarifgage schon im Keim erstickt werden. Der Low-Budget-Bereich ist eine Spielwiese, auf der vieles ausprobiert, aber sicherlich kein Vermögen verdient werden kann. Auch auf Bundesebene – darauf möchte ich hinweisen – wird derzeit die Novelle des Filmförderungsgesetzes debattiert. Hier herrscht Einigkeit bei dem Ziel, faire und angemessene Vertragsbedingungen in der Filmwirtschaft zu schaffen. Dennoch zeigt sich auch hier, dass die Filmförderung nicht die Verpflichtung übernehmen kann, die Arbeitsbedingungen zu überwachen. Sie kann informieren, beraten und Hilfestellung leisten. Die Filmförderung soll Kulturschaffenden letztlich ermöglichen, Kunst zu produzieren. Sie kann und soll nicht als Überwachungsbehörde dienen.

Die Idee des Antrags ist nachvollziehbar und durchaus sympathisch, allerdings ist die Durchfüh

(Hansjörg Schmidt)

rung tatsächlich nicht durchsetzbar. Daher bitte ich Sie, diesen Antrag abzulehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Herr Kruse von der FDP-Fraktion bekommt nun das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe LINKE, dass Sie sich Sorgen um die Verdienstmöglichkeiten und Bedingungen von Menschen machen, ist vollkommen in Ordnung und richtig. Trotzdem müssen wir uns an dieser Stelle fragen, wer eigentlich welche Aufgabe hat. Ich fand es bemerkenswert, dass gerade Sie jetzt die Aufgabe übernommen haben, den Tarifvertrag und den Abschluss, den ver.di erzielt hat, zu kritisieren. Solche Töne habe ich von den LINKEN bisher noch gar nicht gehört. Ich finde, das steht Ihnen nicht zu, denn es ist Aufgabe der Tarifparteien, Tarifverträge miteinander auszuhandeln. Wenn darin hinterher Bedingungen stehen, ist es nicht Aufgabe der LINKEN, diese zu kritisieren. Das Problem, wer welche Aufgabe hat, zieht sich ein bisschen durch Ihren Antrag. Sie wollen den Filmschaffenden jetzt vorschreiben, dass sie nicht länger als 13 Stunden arbeiten dürfen. Wenn Sie das konsequent durchziehen, haben sehr viele Selbstständige in diesem Land morgen ein Problem. Dann haben auch sehr viele unserer Abgeordneten, die nebenbei berufstätig sind, morgen ein Problem. Diese Regelung zu kritisieren macht für mich überhaupt keinen Sinn; das ist nicht zu Ende gedacht.

Was müsste die Filmförderung denn tun? Soll sie jetzt auch noch die Einhaltung der Mindestlohndokumentationsverordnung prüfen? Soll die Filmförderung jetzt zehn Wirtschaftsprüfer anstellen, die prüfen, ob die Gesellschaften, an die vergeben wird, diese und jene Verordnung einhalten? – Nein, das ist nicht die Aufgabe der Filmförderung. Dafür ist sie nicht ausgebildet und qualifiziert und das Mehr an Bürokratie, das Sie damit einrichten, nützt am Ende keinem. Sie werden damit kein Problem in den Griff kriegen. Weniger Bürokratie hilft hier besser als mehr Bürokratie.

Wenn ich noch eines sagen darf, Herr Kollege Wersich: Ich bedaure es, dass wir Sie hier nur noch selten hören. Ihre Rede war mir wirklich eine Freude. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Herr Professor Kruse von der AfD-Fraktion bekommt nun das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die deutsche und die europäische Filmwirtschaft sind in einen dra

matischen Wettbewerbsnachteil gegenüber der, ich sage mal pauschal, Hollywood-Filmindustrie geraten, und zwar aus mehreren Gründen. Zwei zentrale Gründe möchte ich nennen. Erstens: Die Amerikaner haben einen dramatischen Skaleneffekte-Vorteil, woran wir nichts ändern können. Das ist ein Faktum, das man hier nicht kompensieren kann.

Zweitens: Die amerikanische Filmwirtschaft ist kommerziell und auf Unterhaltung ausgerichtet. Die europäische Filmwirtschaft ist häufig ein Instrument der Belehrung und der politischen Botschaft. Auch wenn man das begrüßen mag, so führt es nicht zu einem kommerziellen Erfolg der Filmwirtschaft. Aus diesen Gründen wurde die Filmförderung in Deutschland auf Bundes- und Länderebene eingerichtet. Obwohl somit die kommerzielle Industrie subventioniert wird, bekenne ich mich ausdrücklich dazu, auch wenn ich mich normalerweise gegen Subventionierungen ausspreche. Ohne eine Subventionierung der Filmindustrie gäbe es eine deutsche und europäische Filmindustrie praktisch nicht mehr, allenfalls nur öffentlich-rechtliche Produktionen in Konkurrenz zu den Märkten, auf denen Hollywood anbietet.

Aber auch die Filmförderung weist spezifische Nachteile auf. Erstens: Es wird viel zu wenig Geld in sie investiert – mit der Konsequenz, dass sie mit Hollywood-Produktionsbudgets niemals konkurrieren können wird. Gemessen an den Budgets, die den öffentlichen Haushalten zur Verfügung stehen, wird man das nicht wirklich ändern können. Zweitens: Es ist das entstanden, was man in der Branche einen Gremienfilm nennt. Ein Gremienfilm ist ein Film, der deshalb existiert, weil irgendwelche Gremien zugestimmt haben. Das heißt, die Leute, die Filmproduzenten werden wollen, schreiben ihre Drehbücher und Produktionspläne so, dass es den Gremien gefällt. Das ist aus deren Sicht durchaus rational, nur führt es eben nicht dazu, dass gute Filme entstehen. Deshalb floppen die allermeisten Filme, die von der Filmförderung gefördert werden, dann auch ökonomisch.

(Hansjörg Schmidt SPD: Das ist doch dum- mes Zeug!)

Trotzdem finde ich die Geldausgaben richtig. Allein schon deshalb, weil natürlich jeder junge Filmer, und ich meine jetzt alle Kategorien, irgendetwas tun muss, um überhaupt die Qualifikationen zu erwerben. Also selbst wenn die Filme floppen, heißt das nicht, dass das Geld grundsätzlich vertan ist, denn es kann, wie zuvor schon gesagt wurde, sinnvolle Ausbildungsaufgaben beinhalten.

Jetzt zum Antrag der LINKEN: Zusätzlich zum Gremienfilm will dieser Antrag auch noch einen Beamten- und Gewerkschaftsfilm aus der Filmwirtschaft machen. Ich glaube, das ist der Tod der deutschen Filmwirtschaft. Inhaltlich hat Herr Wersich dazu Wunderschönes gesagt – Kompliment, Herr Kolle

(René Gögge)

ge. Hinzufügen möchte ich nur, dass wir, wenn wir möchten, dass die Filmindustrie ganz den Bach hinuntergeht, diesem Antrag der LINKEN zustimmen sollten; wenn nicht, sollte man ihn ablehnen. Obwohl ich normalerweise finde, dass man fast alle Anträge der Opposition an die Ausschüsse überweisen sollte, um sie dort zu diskutieren, ist dieser Antrag nicht einmal die Überweisung wert. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt nun Herr Jersch von der Fraktion DIE LINKE.

(Dennis Thering CDU: Da ist nichts mehr zu retten, Herr Jersch!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe anfangs gesagt, ich sei gespannt auf die Argumente, die ich jetzt hören werde. Ich muss sagen, das ist ein ziemlich zweidimensionales Niveau.

(Dr. Jörn Kruse AfD: Menschenfeindlich!)

Wenn ich den Kollegen Kruse jetzt deswegen ansehe, so hat das nicht viel damit zu tun. Das Niveau war allgemein zweidimensional, extrem flach. Aber dem Kollegen Wersich bin ich für seine Zitate besonders dankbar; davon werde ich noch etliche Wochen etwas haben, insbesondere so etwas wie Toleranz für den Graubereich der Kreativität. Worüber reden wir? Wir reden über Mindesteinhaltung von Arbeitsschutzbestimmungen.

(Beifall bei Sabine Boeddinghaus DIE LIN- KE)

Das heißt, nach zwölf Stunden wird das Licht ausgeschaltet, dann ist Schluss.