Der dritte Punkt: Völlig unnötig haben Sie es juristisch noch komplizierter und gefährlicher gemacht. In Paragraf 3 Absatz 3 haben Sie ursprünglich neun, jetzt noch acht Regelungen eingeführt, die alle neu sind und die juristisch, gerichtlich noch nicht getestet sind. Jede einzelne dieser Regelungen, über die man diskutieren kann, birgt die Gefahr, dass auch dieses Gesetz wiederum vom Oberverwaltungsgericht kassiert wird. Warum gehen Sie das Risiko ein, anstatt das zu machen, was Herr Weber und viele andere empfohlen haben? Deshalb lehnen wir dieses Gesetz ebenfalls ab.
Und dann die Sache mit dem Bandbreitenmodell. Das ist besser als die KapVO, das will keiner bestreiten, aber hören Sie doch auch da einmal zu, was Ihnen die Experten dazu gesagt haben. Da gibt es Herrn Lüthje, den ehemaligen Präsidenten der Universität Hamburg und von der SPD, soweit ich weiß, und in die Deputation der Wissenschaftsbehörde benannt. Er hat sich dazu geäußert, was er vom Bandbreitenmodell hält, nämlich gar nichts. Er sagt, es sei besser als die KapVO, aber viel schlechter, als es ursprünglich besprochen war. Ihr eigener Mann findet das schlecht. Oder: Professor Brüggemann, der bei der Expertenanhörung für die Universität Hamburg anwesend war, hat die Idee des Bandbreitenmodells ebenfalls völlig zerrissen. Das Bandbreitenmodell mag einen Sinn haben in Flächenstaaten, aber zumindest in Stadtstaaten ist es ungeeignet. Das ist der vierte Grund, warum wir dieses Gesetz ablehnen.
Nun aber zur Frage des Verfahrens. Da kann ich es Ihnen nun wirklich nicht ersparen, aus dem Beschluss des Akademischen Senats der Universität Hamburg zu berichten. Das ist eine längere Ausführung, ich will es einmal abkürzen. Erstens wird das Verfahren gerügt. Der Akademische Senat der Universität Hamburg wurde nicht beteiligt, das wird ausdrücklich gerügt. Und zu dem Gesetz sagen sie, es sei nicht geeignet für die Problematik dieser Hochschulen – eine klare und eindeutige vom Akademischen Senat beschlossene Meinung. Dieses Gesetz ist nach Meinung der Universität Hamburg – nicht der Einzelpersonen, doch des entscheidenden Gremiums – nicht geeignet und vom Verfahren her schlecht gelaufen. So ist die Wahrheit und nicht das, was Herr Tode uns erzählt hat.
Dann wurde von Herrn Tode erzählt, es sei doch eine offizielle Beteiligung vorgenommen worden. Das hat uns die Senatorin auch mehrfach erzählt. Ich habe mir erlaubt nachzufragen. Drucksache 21/3798, Fragen 1 bis 4 und 6 bis 7, das können Sie nachlesen. Da kam heraus, es gab überhaupt keine offizielle Beteiligung. Nebenbei in einem Standardgespräch wurde gesagt: Übrigens arbeiten wir am neuen Kapazitätsgesetz, vielleicht könnt ihr dazu auch etwas beitragen. Das war die Realität. Es gab nie eine offizielle Einladung, liebe Hochschulen, bitte schickt einmal jemanden, der da mitreden kann.
Dann habe ich gefragt, ob denn ein geschlossener Gesetzentwurf vorgelegt und mit den Hochschulen diskutiert wurde. Antwort des Senats aus derselben Drucksache, Frage 11, wörtliches Zitat:
Sie haben ein bisschen Schattenboxen mit den Universitäten gespielt, aber Sie haben nicht ernsthaft über diesen Gesetzentwurf diskutiert. Es ist schlicht und einfach ein Skandal, was Sie uns alles erzählen.
Nächster Punkt: Die Universität Hamburg bittet um eine Anhörung nach dem 21. April 2016, denn danach seien sie sprechbereit. Was beschließt die rot-grüne Mehrheit im Ausschuss gegen alle anderen Fraktionen? Sie setzen eine öffentliche Anhörung genau am 8. April 2016 durch und die Beschlussfassung am 19. April 2016. Meine Damen und Herren! Nach diesem Brandbrief, den Sie vom Akademischen Senat der Universität Hamburg bekommen haben, ist das nichts anderes als ein Schlag ins Gesicht der akademischen Selbstverwaltung. So geht man mit den Leuten nicht um. Das allein ist schon ein Grund, dieses Gesetz abzulehnen.
Herr Dolzer hat es schon erwähnt, wir halten es für dringend erforderlich, zunächst einmal die Interimsregelung zu verlängern, um das sowohl mit den akademischen Gremien als auch juristisch zu besprechen. Deshalb hatten wir den Antrag gestellt – der von Ihnen abgelehnt worden ist –, diese Interimsregelung zu verlängern. Meine Damen und Herren, Frau Senatorin! Ganz offen: Sie pokern extrem hoch. Sie peitschen ein von vielfältigem Rat angegriffenes Gesetz einfach durch die Bürgerschaft. Wenn Sie damit scheitern, auf gut Deutsch, wenn das Oberverwaltungsgericht auch dieses Gesetz einkassiert, kann ich nur eines empfehlen: Sie müssen zurücktreten. Denn wer so vorgeht, gegen allen Rat ein Gesetz zu beschließen, der hat im Amt nichts mehr zu suchen.
Nun habe ich ein kleines bisschen Verständnis für die Senatorin. Es gibt ein Zitat aus der schon mehrfach erwähnten öffentlichen Anhörung am 8. April 2016, das eigentlich alles sagt über ihre Kompetenz, zumindest was dieses Gesetz angeht. Das können Sie nachlesen auf Seite 35 des Wortprotokolls, da sagt unsere Senatorin – das ist kein Witz, wörtliches Zitat –:
Aber wir sollen ein völlig schlechtes Gesetz plötzlich verabschieden. Diese Äußerung ist peinlich, aber vielsagend. Wir lehnen dieses Gesetz ab. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir brauchen ein Kapazitätsgesetz, und zwar zur Sicherung der Qualität der Lehre, die bei gegebenen Mitteln eine Begrenzung erfordert. Aber die gegebenen Mittel sind das Problem. In einer Situation, wo die Universitäten nicht vernünftig finanziert sind, ist ihnen die Begrenzung zu eng und die Gefahr ist groß, dass zu wenige Studenten studieren können und die Lehre nicht gut genug ist. Aber jedes Kapazitätsgesetz ist in der Praxis eben auch ein Instrument der Politik, die Verantwortung für eine mangelhafte Finanzierung, die eigentlich der Senat, die Wissenschaftsbehörde zu tragen hat, auf die Universitäten abzuwälzen. Da zitiere ich einmal DIE LINKE, das tue ich am liebsten. Sie schreiben, das ist in der Drucksache auf Seite 6:
"[…] da mit dem Scheinargument der Hochschulautonomie die Verantwortung der Mangelverwaltung an die Hochschulen gegeben werden soll."
Das ist zweifellos richtig, da stimme ich der LINKEN zu. Die Idee der LINKEN ist aber, dass, wer immer an die Universität kommt, natürlich einen Studienplatz erhalten soll, quasi koste es, was es wolle. Das ist natürlich nicht vertretbar. So könnte man das machen, wenn wir private Universitäten hätten und jeder Studienplatz gewissermaßen selbst finanziert würde. In dem Augenblick, wo das nicht der Fall ist und wir aus Steuermitteln Kapazitäten schaffen, muss man sich sehr gut überlegen, welche Kapazitäten man schafft und in welcher Qualität sie angeboten werden können.
Ich will das jetzt nicht zu lang ausführen, weil ich nur drei Minuten habe. Die Frage ist also, was mit diesem Gesetz ist. Es ist keine Tatsache, dass alle dafür waren, wie Sie gesagt haben, Herr Tode, sondern es ist eher so, wie es die anderen Redner, Herr Ovens und Herr Schinnenburg, erläutert haben, dass es durchaus gemischte Positionen dazu gab. Ich habe mit verschiedenen meiner früheren Kollegen gesprochen, und die haben alle gesagt: Warum macht man das jetzt, was gibt es für einen Zeitdruck, warum diskutiert man nicht vernünftig? Genau das ist schon verschiedentlich zitiert worden; auf Seite 4 der Vorlage ist zu lesen, dass der Akademische Senat am 18. März 2016 gesagt hat, warum man nicht einfach die Interimsregelung verlängere und einmal vernünftig diskutiere, anstatt das jetzt übers Knie zu brechen. Aber da wir schon wissen, dass der Senat das jetzt auf Gedeih und Verderb übers Knie brechen will, können wir natürlich dem Gesetz nicht zustimmen, und wir werden uns enthalten. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte auf die beiden großen Punkte eingehen, die angesprochen wurden. Das ist einmal die Frage des Verfahrens und dann natürlich noch die Frage der Inhalte dieses Kapazitätsrechts. Das wird ein bisschen durcheinandergewirbelt in der Debatte. Herr Ovens, Ihre vorsichtige Andeutung, dass sich die Universitäten hätten kaufen lassen für eine Zustimmung oder positive Voten in den Anhörungen, sollten Sie vielleicht noch einmal überdenken, weil das doch ein recht fragwürdiges Bild ist, das Sie hier von den Hochschulen und von den Präsidien zeichnen.
Ich will daher inhaltlich noch einmal kurz darstellen, um welche vier Punkte es tatsächlich geht bei diesem neuen Kapazitätsrecht. Wir wollen zum einen wieder Rechtssicherheit herstellen und schlagen daher mit dem Bandbreitenmodell eine Variante vor, die in mehreren Ländern, auch das ist schon angesprochen worden, erfolgreich praktiziert wird. Wir wollen den Hochschulen mehr Planungssicherheit geben und sehen daher im Gesetz Regelungen vor, um die Zahl der außerplanmäßigen Zulassungen zu senken. Wir wollen den Hochschulen mehr Autonomie geben und sie selbst über ihre Schwerpunktsetzungen entscheiden lassen. Auch das ist in den Diskussionen immer wieder ein wichtiger Punkt gewesen. Und nicht zuletzt wollen wir die staatliche Verantwortung für das Gesamtsystem wahren.
Vielleicht noch einmal zum Verfahren, weil auch hier einiges meiner Meinung nach durcheinandergelaufen ist. Es hat Anfang des Jahres 2015 die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts gegeben und wir haben dann – ich mit meiner Amtsvorgängerin Dorothee Stapelfeldt – noch in den Koalitionsverhandlungen an einer schnellen und guten Lösung gearbeitet, um den Hochschulen in der Interimsphase Rechtssicherheit zu geben. Die Abgeordneten des Ausschusses werden sich erinnern, dass es auch Inhalt unserer allerersten gemeinsamen Sitzung gewesen ist, das Interimsgesetz auf den Weg zu bringen, um eben die Rechtssicherheit zu gewährleisten. Diese Regelung hat sich als gerichtsfest erwiesen. Wir haben aber damals auch angekündigt, und das ist jetzt tatsächlich über ein Jahr her, dass wir eine Neuregelung brauchen, die sich zum einen mit den Entwicklungen im Hochschulsystem auseinandersetzt und gleichzeitig eine dauerhafte Rechtssicherheit gewährleistet. Das
heißt, wir haben damals schon gesagt, dass wir bewusst die Hochschulen am Entstehungsprozess beteiligen wollen. Das haben wir dem Ausschuss mitgeteilt, das haben wir auch den Hochschulen mitgeteilt und dies auch intensiv getan. Die verschiedenen Punkte sind von den Abgeordnetenkollegen schon angesprochen worden.
Was ich noch einmal deutlich machen möchte: Wir haben, anders als bei üblichen Beteiligungsverfahren, den Hochschulen nicht nur die Gelegenheit gegeben, zu einem bereits ausgearbeiteten Gesetzentwurf Stellung zu nehmen, sondern wir haben sie in einem sehr frühen Stadium konkret mit den Inhalten konfrontiert und ihnen auch die Möglichkeit gegeben, Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung zu nehmen. Das war mir in diesem Fall sehr wichtig. Die einzelnen Runden sind vorhin schon angesprochen worden: das Parlament umfassend beteiligt, eine Expertenanhörung am 16. Februar 2016, eine öffentliche Anhörung am 8. April 2016 mit anschließenden Senatsbefragungen unter anderem am 22. März 2016, und dann eine weitere Sitzung zur Beratung am 19. April 2016. Das ist wirklich eine sehr umfängliche, nicht nur universitäre, sondern auch Ausschussbefassung gewesen.
Jetzt will ich noch einmal auf die einzelnen Punkte eingehen. Den Hochschulen mehr Autonomie geben, das heißt, dass die Hochschulen sich künftig über die sogenannten Curricularwerte selbst gestalten. Das funktioniert in vielen anderen, nämlich acht Bundesländern, außerordentlich gut und kann auch in Hamburg gut funktionieren. Den Gedanken, der auch in einigen Ausschusssitzungen immer wieder Geltung verliehen bekommen hat, dass ein Zuwachs von Hochschulautonomie nur bei einem gleichzeitigen Zuwachs von Geld, Herr Dolzer, sinnvoll ist, teile ich nicht, denn niemand kann besser über die kluge Organisation der Lehre entscheiden als die Hochschulen selbst.
Wir wollen den Hochschulen mehr Planungssicherheit geben, das heißt, die Anzahl der außerplanmäßigen Zulassungen durch Gerichtsentscheidungen senken. Auch hier sind schon einige der Sonderregelungen genannt worden, zum Beispiel zu vakanten Stellen und auch zu Lehraufträgen. Und weil der AStA vorhin mehrfach angeführt wurde als eine der kritischen Stimmen: Der AStA hat in seiner Stellungnahme ausdrücklich gelobt, dass wir uns hier auch mit diesen Sonderregelungen auseinandergesetzt haben.
Nicht zuletzt haben wir die staatliche Verantwortung für das Gesamtsystem, die wir wahren wollen. Das ist nicht nur politisch richtig, weil Bürgerschaft und Senat die Mittel für die Hochschulen bereitstellen, es ist auch verfassungsrechtlich erforderlich,
weil der Staat eine Schutzpflicht für das Grundrecht aus Artikel 12 des Grundgesetzes hat. Das beste System hierfür sind Ziel- und Leistungsvereinbarungen, die für beide Seiten eine sinnvolle Synthese aus staatlicher Verantwortung und Autonomie darstellen, und genau das bildet dieses Gesetz ab.
Jetzt möchte ich noch einmal deutlich sagen, worum es bei der Neuregelung nicht geht, denn auch das ist hin und wieder durcheinandergewürfelt worden. Mit der Kapazitätsverordnung werden keine Studienanfängerzahlen festgelegt. Das legt der Titel vielleicht nahe, aber die Studienanfängerzahlen werden in den Ziel- und Leistungsvereinbarungen im Dialog, in der Diskussion zwischen Behörde und den jeweiligen Hochschulen festgesetzt, und das ist auch jedem und jeder klar, der und die sich mit Hochschulrecht auskennt. Da jetzt immer wieder eine Vermischung herzuleiten, sowohl was die Hochschulfinanzierung als auch die Festlegung von Studienanfängerzahlen angeht, wird dem Gesetz einfach nicht gerecht.
Ich habe auch schon in der öffentlichen Anhörung gesagt, dass man dieses arme Kapazitätsrecht jetzt nutzt, um wirklich alle möglichen finanziellen Forderungen wie auch die Frage nach der Erhöhung der Anfängerkapazitäten dort zu diskutieren. Wir haben hier eine klare Regelung getroffen, wie die Kapazitäten innerhalb der Hochschulen verteilt werden, und das ist Sinn und Ziel dieses Gesetzes.
Zu guter Letzt möchte ich noch einmal sagen, dass in Hamburg derzeit so viele Menschen studieren wie nie zuvor. Es wird auch politisches Ziel dieses Senats sein und bleiben und genauso mein Ziel als Wissenschaftssenatorin, dass wir nicht nur in den anstehenden Haushaltsberatungen, sondern auch perspektivisch gesehen eine hohe Zahl von jungen Menschen an die Universität bringen und eine gute, qualitativ hochwertige Ausbildung ermöglichen. Dafür werden wir kämpfen, völlig unabhängig von der Frage, wie dieses Gesetz ausgestaltet ist.
Ich bitte Sie um Zustimmung zu dem Kapazitätsrecht und freue mich auf weitere Debatten Richtung Haushalt, was Finanzierung und Studienplatzzahlen angeht, aber das hat hier mit der Kapazitätsrechtsdebatte nichts zu tun. – Vielen Dank.
Wer möchte gern der Empfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Gleichstellung folgen und das Gesetz zur Änderung kapazitätsrechtlicher Regelungen aus Drucksache 21/2519 mit den vom Ausschuss beschlossenen Änderungen beschließen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das Gesetz in erster Lesung beschlossen worden.