Protocol of the Session on February 10, 2016

Diese Aussage des Diakonischen Werks sollten Sie sich hinter die Ohren schreiben. Das Diakonische Werk sagt auch, wie wir es schon seit Jahren fordern, dass Sie endlich aufhören müssen, die Freistellungsgebiete zu verlängern. Wenn die Freistellungsgebiete aufgehoben werden, ist es möglich, allein durch die Fluktuation dort 600 Sozialwohnungen jährlich an vordringlich Wohnungssuchende zu vergeben. Sie machen es aber nicht. Das, finde ich, ist ein weiteres Armutszeugnis.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch ein Wort zu Herrn Lohmann. Herr Lohmann, Sie haben eben gesagt, es stimme, dass die Sozialwohnungen weniger werden. In realen Zahlen: Wir haben Ende 2015 88 000 Sozialwohnungen gehabt. Es laufen sehr viele aus. Mit dem, was Sie als Senat im Neubauprogramm umsetzen wollen, werden wir im Jahr 2030 noch 64 000 Sozialwohnungen haben. Jetzt versuchen Sie zu beruhigen und sagen, SAGA und Genossenschaften lägen mit ihrer Miete zurzeit unter dem Sozialwohnungsmietniveau. Das stimmt, aber Sie vergessen einen wesentlichen Punkt. SAGA und Genossenschaften sind dann nicht mehr verpflichtet, diese Wohnungen Kreisen zur Verfügung zu stellen, die einen Anspruch darauf haben. Das heißt, das Kalkül geht überhaupt nicht auf. Wir haben kein Angebot für die Menschen, die vordringlich suchen. Dann nützt es nichts zu sagen, die SAGA könne doch so nett sein. Das ist kein Argument, das man auch nur ansatzweise akzeptieren kann.

Insofern freue ich mich jetzt, dass wir das im Sozialausschuss diskutieren werden, weil Sie ja zustimmen werden, und ich hoffe auf eine gute Beratung im Ausschuss.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt nun Frau Dutschke von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Der Senat hat uns nun mit deutlicher Verspätung eine Drucksache vorgelegt, die den gewaltigen Herausforderungen, die im Zusammenhang mit der Versorgung der vordringlich Wohnungssuchenden auf uns zukommen, nur schwerlich gerecht wird. Auf den ersten Seiten der Senatsmitteilung findet man zwar eine recht gute Beschreibung der bereits seit Langem bekannten Probleme – meine Vorredner haben dies bereits gut zusammengefasst –, aber die vorgeschlagenen Lösungswege sind doch mehr als dürftig; da kann ich mich den Kollegen Hamann und Sudmann nur anschließen.

Mich wundert es übrigens nicht, dass dieses Ergebnis so zustande gekommen ist; man muss sich

(Heike Sudmann)

nur einmal das Vorgehen des Senats vor Augen führen. So wurde im Juni letzten Jahres noch einstimmig beschlossen, dass der Senat gemeinsam mit dem Bündnis für das Wohnen ein Konzept erarbeitet. Für mich klingt das nach einem klaren Arbeitsauftrag. Doch was ist dabei herausgekommen? Ich zitiere aus der Drucksache:

"Ein Runder Tisch mit Vertretern der Sozialverbände, der zuständigen Fachbehörden, der Senatskanzlei und ausgewählten Bauträgern und Stiftungen hat verschiedene Maßnahmen dieses Gesamtkonzepts […] in einer Sitzung …"

in einer Sitzung –

"… am 13. Juli 2015 diskutiert und vorbereitet."

Im Anschluss fand dann ein Gespräch der zuständigen Fachbehörde mit den Spitzen der Wohnungsverbände statt, in dem die Vorschläge ebenfalls beraten wurden. Die von der Bürgerschaft geforderte gemeinsame Erarbeitung hat sich also in insgesamt zwei Gesprächsrunden erschöpft. Dass dabei keine gemeinsame Lösung entstehen kann, liegt doch auf der Hand und spiegelt sich leider auch deutlich in den Inhalten wider. Das vom rotgrünen Senat vorgestellte Gesamtkonzept präsentiert nämlich eine Lösung, zu der auch tatsächlich nur dieser Senat kommen kann. In althergebrachter SPD-Filzmanier soll nun geprüft werden,

(Ksenija Bekeris SPD: Was ist das denn für eine unsägliche Kausalkette? – Zurufe von der SPD: Oh!)

ob vielleicht noch eine zusätzliche städtische Gesellschaft gegründet werden kann, die dann sage und schreibe 300 Wohnungen pro Jahr bauen soll. Das verschlägt einem doch glatt die Sprache. Die zusätzlichen Versorgungsposten im Wasserkopf dieser Gesellschaft kosten Geld, übrigens Steuergelder, die deutlich besser in den Ankauf von Belegungsbindungen oder die Attraktivierung der Förderprogramme angelegt wären.

Mehr Bürokratie, mehr Versorgungsposten für Parteifreunde und marginale Verbesserungen bei den Förderbedingungen werden nicht dazu führen, dass vordringlich Wohnungssuchende mit Wohnraum versorgt werden.

(Wolfgang Rose SPD: Ideologie!)

Zum Glück gibt es bereits zahlreiche Instrumente, die in der Vergangenheit mehr oder weniger funktioniert haben. Aber anstatt Maßnahmen zu benennen, mit denen bei den weniger erfolgreichen Programmen gegengesteuert werden kann, wird so getan, als ob alles in Ordnung sei. Wir werden deshalb im Ausschuss oder mithilfe von Anfragen – das hängt ganz von Ihnen ab; offensichtlich scheint eine Überweisung an den Ausschuss jetzt doch noch zu erfolgen – sehr genau nachfragen,

welche Maßnahmen der Senat plant, um den Sozialwohnungsbestand wirksam zu erhöhen, wie der Ankauf zusätzlicher Belegungsbindungen attraktiviert werden kann oder welchen Beitrag die besonderen Wohnformen zur Versorgung der Zielgruppe leisten können. Sollte es sich tatsächlich nur um die hier in der Drucksache genannten Maßnahmen handeln, wird die Situation für die vordringlich wohnungssuchenden Haushalte in Hamburg künftig deutlich schwieriger, als sie ohnehin schon ist.

Der Zusatzantrag der AfD hat in sich keinen Mehrwert, weil die Petita in anderen Worten fordern, was der Senat in seiner Mitteilung schreibt. Das Wohnungsbauprogramm des Senats für vordringlich Wohnungssuchende übernimmt nämlich genau die Aufgabe, vordringlich Wohnungssuchende mit Wohnraum zu versorgen. Der Aufbau eines Obdachlosenwohnraumprogramms ist somit erfüllt.

Seit Jahren ist Kernaufgabe von f & w fördern und wohnen, Obdachlose oder von Obdachlosigkeit bedrohte Personen unterzubringen. Der Unterstützungsbedarf ist also hinreichend bekannt, sodass wir die von Ihnen geforderte wissenschaftliche Studie nicht brauchen. Wir lehnen den Antrag der AfD deshalb ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der AfD)

Das Wort bekommt nun Herr Ehlebracht von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben sich mit Ihrem Gesamtkonzept zur Besserung der Lage von anerkannt vordringlich Wohnungssuchenden Mühe gegeben, und zwar in dem Sinne, er sei stets bemüht gewesen. Sie waren stets bemüht, die schlechte Lage zu verbessern. Die Lage ist in der Tat schlecht. Die Lage war schon schlecht, als Sie 2011 die Regierungsgeschäfte von der CDU übernommen haben, die sich in dieser Thematik ebenfalls nicht mit Ruhm bekleckert hat, denn da lag die Versorgungsquote bei schlechten 40 Prozent, wie man auch Ihrem Antrag entnehmen kann. Sie haben es in Ihrer Regierungszeit fertiggebracht, seit 2011 diese Quote auf 34 Prozent abzusenken. Jetzt langsam dämmert Ihnen, oh, da könnte etwas anbrennen, Sie müssten etwas tun.

Sie beantragen unter anderem, dass der Anteil an Wohnungen für vordringlich Wohnungssuchende erhöht werden muss, und verweisen voller Zuversicht auf die Kooperation mit der SAGA GWG und die Selbstverpflichtung, 300 WA-Wohnungen pro Jahr mehr als bisher zu bauen. Gut, ich habe nicht wirklich die Hoffnung, aber kurzzeitig hatte ich den Eindruck, dass sich da die Erkenntnis durchsetzt und die viel beschworene Drittelmixlösung bei Ihnen langsam an Bedeutung verliert und Sie anfangen umzudenken. Ich glaube, leider ist dies doch

(Jennyfer Dutschke)

nicht der Fall, wenn ich der Diskussion jetzt richtig gefolgt bin. Es wäre aber gut.

Dieser Drittelmix ist gut gewesen, um den Wohnungsneubau wieder anzuschieben, der völlig daniederlag, nachdem Sie die Regierungsgeschäfte übernommen haben. Aber er ist mittlerweile im Grunde genommen nicht mehr zeitgemäß, er hat seine Aktualität verloren. Die Entwicklung ist eine andere, und dieser passen Sie sich mit diesem Drittelmix, an dem Sie beharrlich festhalten, einfach nicht an. Er ist im Grunde genommen schon jetzt obsolet und muss geändert werden, denn mit der aktuellen Welle von Migranten wird sich die Lage dramatisch verschärfen. Mit diesem Drittelmix werden Sie auch der Situation der Obdachlosen, deren Zahl Sie derzeit auf 2 000 geschätzt haben, der jetzt schon chronischen Unterversorgung und dem Zustand, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnet, nicht mehr gerecht.

Ein Vorschlag für eine neue Devise könnte vielmehr lauten, 50:30:20 im Sinne von sozialem Wohnungsbau zu freien Mietwohnungen und zu Eigentumswohnungen. Ausgehend von der Zielvorgabe 6 000 neue Wohnungen pro Jahr wären das dann statt bisher 2 000 Wohnungen immerhin schon 3 000 neue Wohnungen jährlich im Bereich des sozialen Wohnungsbaus.

Ziel muss sein – das ist ganz einfach –, den Wohnungsbestand an mietpreisgebundenen Wohnungen deutlich zu erhöhen, wodurch sich dann automatisch auch die Masse der Wohnungen erhöhen würde, die wir für vordringlich Wohnungssuchende verwenden könnten. Speziell für die Obdachlosen wird das allein aber nicht reichen. Speziell für diese Menschen verlangen wir ein Konzept, das auch die soziale Betreuung abdeckt.

Leider kommt Ihr Konzept aber auch nicht ohne wenig hilfreiche Binsenweisheiten aus oder den Versuch, durch Konjunktivaussagen eine Verbesserung der schlechten Lage herbeizuführen. Zwei Beispiele: Unter Punkt V. stimme ich Ihrer Einleitung ja gern zu. Die Einleitungen sind gar nicht so schlecht, aber wenn es um Inhaltliches geht, sinkt das Niveau. Unter Punkt 2.b) schreiben Sie dort:

"Zur zielgerichteten Förderung des Wohnungsneubaus für vordringlich Wohnungsuchende könnte die IFB ein neues Förderprogramm 'Wohnungsneubau für vordringlich Wohnungsuchende' auflegen."

Allein in diesem Absatz kommt das Wort "könnte" fünfmal vor. Lassen Sie sich gesagt sein, mit "hätte, wenn und könnte" werden Sie dieses Problems nicht Herr werden.

Dann avisieren Sie unter 2.a) die Auswahl oder Gründung einer neuen Gesellschaft – das wurde eben schon angesprochen –, die sich speziell mit dieser Thematik befassen soll. Meine Wahrnehmung in der täglichen politischen Arbeit ist, dass

wir über sehr leistungsstarke und leistungsfähige Mitarbeiter in der Verwaltung verfügen. Ich bin der Überzeugung, dass sie, wenn man ihnen dieses Thema mit dem nötigen Spielraum überließe, sich proaktiv, verantwortungsbewusst und kompetent dieser Sache annehmen und auch Lösungen herbeiführen würden. In diesem Bereich eine weitere Firma, ein weiteres Unternehmen oder eine weitere Stelle, was auch immer Ihnen da im Detail vorschwebt, einzurichten ist ein weiterer Knotenpunkt. Es verlangsamt die Kommunikation, verlängert die Entscheidungsfindung, verlagert und zersplittert Verantwortung, macht Kompetenzen vielleicht nur noch unklarer, als sie jetzt schon sind, und ist im Grunde genommen eigentlich nur ein Ding, um den Antrag aufzufüllen.

Schwerwiegender wirkt aber, dass Sie das Pferd von hinten aufzäumen. Sie haben den Ansatz, mit einer durch Umschichtung haushaltsneutralen, selbst definierten Versorgungsverpflichtung die Krise meistern zu wollen. Das ist aber immer noch etwas ganz anderes, als den tatsächlich vorhandenen Bedarf zu ermitteln, den zukünftigen nach bestem Wissen und Gewissen zu evaluieren und dann die Gesamtsumme des Bedarfs mit allen Kräften verbindlich durch entsprechende Baumaßnahmen und Regelungen abzudecken. Bei diesem Schritt verweigern Sie sich wortreich, indem Sie eben keine verpflichtenden Regelungen treffen. Dazu gehört nämlich in erster Linie, dass Sie für diesen Zweck zur Verfügung stehende Mittel quantifizieren müssten. Das tun Sie nicht. Sie können Kooperationen und runde Tische gründen, so viel Sie wollen, im Haushalt hin und her umschichten, so viel Sie möchten. Dieser Antrag bleibt Bestandteil einer Trostpflasterpolitik, solange Sie nicht die benötigten Mittel benennen und sich diesen auch verpflichtet fühlen und sie entsprechend einsetzen.

Den Beweis dafür, dass dem so sein wird, wird die Versorgungsquote in circa eineinhalb Jahren erbringen. Da würde ich gern mit Ihnen jede Wette eingehen wollen. Wir haben daher einen Zusatzantrag eingebracht, der vorsieht, dass ein bestimmter Anteil des jährlichen Gewinns der SAGA GWG verbindlich zweckgebunden für die Schaffung solcher Wohnungen verwendet wird, wobei wir über Details gern noch reden können. Sie wollen sich am Ende mit diesem Antrag nur nicht vorwerfen lassen, in dieser Sache nichts getan zu haben. Dieses Ziel mögen Sie erreichen, indem Sie jetzt mehr WA-Wohnungen pro Jahr errichten wollen und noch eine Menge Absichtserklärungen obendrauf packen, aber das Problem der akuten Unterversorgung der vordringlich Wohnungssuchenden lösen Sie damit nicht. Die Maßnahmen dieses Antrags sind aufgrund der zuvor genannten Gründe und der schlechten Ausgangssituation ein – es wurde schon gesagt – Tropfen auf dem heißen Stein und werden von den anstehenden Entwicklungen in Kürze egalisiert werden. Wetten? – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt nun Herr Kienscherf von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich wollte mich eigentlich gar nicht melden,

(Jörg Hamann CDU: Die Entscheidung wäre besser gewesen!)

aber, lieber Kollege Hamann, eines finde ich dann doch beachtenswert. Wenn Sie jetzt sagen, dieses Thema nicht im Ausschuss debattieren zu wollen, gleichzeitig aber verschweigen, dass es einen Überweisungswunsch der CDU-Fraktion an den Sozialausschuss gab, auf den hin wir signalisiert haben, dass wir ihm nachkommen, die CDU-Fraktion dann aber überrascht sagt, oh nein, so meine sie es nicht und sie ziehe den Antrag wieder zurück, dann ist das doch entlarvend, Herr Hamann, wie Sie mit diesem Thema umgehen.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Sich dann hier künstlich aufzuregen und es eben nicht in dem Ausschuss zu debattieren – ich habe noch einmal mit meiner Kollegin Bekeris gesprochen –, der sich gerade mit dem Thema Obdachlosigkeit befasst – das haben insbesondere Sie in Ihrer Rede angesprochen –, das finde ich schon wirklich grenzwertig, lieber Kollege. Im Ausschuss machen Sie das wirklich super, da gebe ich Ihnen immer recht, da sind Sie sachlich und was weiß ich, aber hier – ich will nicht sagen verlogen – sagen Sie die Unwahrheit oder erwecken den Eindruck, dass wir keine Beratung im Ausschuss wollten. Wir haben diese Beratung angeboten, und ich sage ganz deutlich – da brauchen wir auch nicht DIE LINKE –, wenn die CDU sie jetzt doch möchte, dann beraten wir das Ganze jetzt im Sozialausschuss; da gehört es auch hin.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Birgit Stöver CDU)

Ich finde es auch bezeichnend, dass alle irgendwie meinen, man wolle drum herumreden oder nur eine schöne Drucksache schreiben. Wir haben immer deutlich gemacht, dass das Thema angespannter Wohnungsmarkt, das Thema vordringlich Wohnungssuchende und das Thema Obdachlosigkeit schwierige Themen sind. Kollege Hamann, Sie selbst haben einmal gesagt, das Problem würden wir nie richtig loswerden, es sei aber gut und notwendig, sich darum zu kümmern. Im Gegensatz zu den Vorgängersenaten – jetzt nehme ich einmal die GRÜNEN davon aus, denn die haben da etwas getan –

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Er weiß Be- scheid!)

tun wir erheblich mehr und wollen dieses Thema ansprechen und es auch offensiv in der Öffentlichkeit diskutieren. Da wir es eben nicht unter den Tisch kehren wollen, schreiben wir Drucksachen, die dazu führen, dass das in diesem Haus ein Thema wird. Wir packen das Thema an.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kollegin Dutschke, gerade die FDP, der große Freund des sozialen Wohnungsbaus, der große Freund städtischer Gesellschaften – was wollten Sie denn damals, als es um die SAGA GWG und um die Neue Heimat ging? Sie wollten doch beide zerschlagen und privatisieren. Dann hätten wir heute kaum mehr Sozialwohnungen. Das ist doch die Wahrheit.