Protocol of the Session on February 10, 2016

Herr Kienscherf, natürlich können wir darüber reden, wie viel Wohnungsbau es bei der CDU und den GRÜNEN gab und wie viel Wohnungsbau es jetzt bei Ihnen gibt. Wir können darüber reden, dass die Zahlen der Obdachlosigkeit während unserer Regierungszeit gesunken sind, und zwar deutlich. Das wissen wir auch alles. Aber helfen wir den 13 000 Menschen, die jetzt Probleme haben, eine Wohnung zu finden, und teilweise auf der Straße übernachten, damit, wenn wir uns vorhalten, was früher nicht gut gelaufen ist und was jetzt nicht gut läuft? Wir müssen doch Lösungen finden. Das sind doch keine Lösungen, die Sie im Einzelnen anbieten.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der AfD)

Ihre Konzepte – und da komme ich auch gern auf die wohnungspolitischen Themen – sind, Entschuldigung, so was von ausgelutscht. Da kommen Sie schon wieder mit der Belegungsbindung und mit dem Kauf von Belegungsbindung.

(Dirk Kienscherf SPD: Wohnungsbau!)

Entschuldigen Sie, aber das wird seit 15 Jahren von allen möglichen Regierungen in allen möglichen Bundesländern versucht. Das funktioniert nirgendwo, und Sie wollen uns das jetzt als Lösung präsentieren.

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Das ist doch eine!)

Es ist keine Lösung, denn es führt zu keinen Ergebnissen.

Gehen Sie einmal ins Pik As und schauen Sie, wie eng es dort ist und welche Probleme es dort gibt. Solche Unterbringungen brauchen wir, darüber müssen wir diskutieren.

(Zurufe von Dirk Kienscherf SPD und Sabine Boeddinghaus DIE LINKE)

Wie bekommen diese obdachlosen Menschen denn Wohnungen? Dazu gibt es in Ihrem Papier diesen berühmten Dreiervorschlag. Dann reden Sie doch einmal mit den Menschen. Wie viele Menschen sagen Ihnen: Dreiervorschlag? Sie waren 10-mal, 20-mal, 30-mal beim Vermieter, und nie haben sie eine Wohnung bekommen. Und denen legen Sie jetzt so etwas vor. Herr Kienscherf, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten und gerade auch von den GRÜNEN, dieses Papier ist mangelhaft.

Ich sage überhaupt nicht, dass Ihnen das nicht nahegeht und Sie es nicht gern besser machen würden. Ich weiß selbst, wie schwierig das alles ist; das wissen wir alle. Aber wir müssen doch zumindest darüber diskutieren und uns bemühen, diese Punkte auch wirklich ernsthaft aufzugreifen und gemeinsam Lösungen und Konzepte zu entwickeln, anstatt dieses vorgefertigte Papier vorzulegen und zu sagen, man baue ja Wohnungen und müsse das nicht im Ausschuss diskutieren, es werde sich schon irgendwie richten. Nein, es richtet sich nicht. Die Zahlen werden Jahr für Jahr schlimmer, auch unter Ihrer Regierungszeit, und Sie bieten kein Konzept, um es besser zu machen. 200 oder 300 Wohnungen mehr, das ist nicht einmal der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein.

Diese Bilanz, die Sie hier vorlegen, ist katastrophal. Und wenn Sie nicht ernsthaft bereit sind, Herr Kollege Dressel, über dieses Thema zu diskutieren oder zumindest zuzuhören,

(Farid Müller GRÜNE: Tun wir doch heute!)

dann sollten Sie sich damit auch nicht beschäftigen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Detlef Ehle- bracht AfD)

Nun bekommt Herr Duge von der GRÜNEN Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Hamann, statt sich pauschal über diese Drucksache zu echauffieren, hatten Sie eigentlich die Gelegenheit, sich im Rahmen der Debatte differenziert damit auseinanderzusetzen. Die Chance haben Sie verpasst.

(Jörg Hamann)

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wenn man über Menschen spricht, die dringend eine Wohnung brauchen, dann spricht man einerseits über Menschen, die keine Wohnung haben und auf der Straße leben, man spricht andererseits jedoch auch über Menschen, die eine Wohnung haben, aber nicht mehr in dieser Wohnung leben können, weil sie beispielsweise Behinderungen haben und diese Wohnungen nicht mehr oder nur schwerlich erreichen können. Wir sprechen über Menschen, die in einem Heim oder in einem Krankenhaus sind und nicht in ihre Wohnung zurückgehen können. Wir sprechen über Menschen, die vielleicht in einer zu kleinen Wohnung leben, weil ihre Familie größer geworden ist. Sie alle sind Menschen, die einen Anspruch auf Dringlichkeitsscheine haben und dringend nach der richtigen und passenden Wohnung suchen.

Das Problem ist, glaube ich, in der Drucksache auch sehr detailliert dargestellt worden,

(Jörg Hamann CDU: Das hilft ja ungemein!)

und ich finde es gut, dass der Senat diese Situation aufgegriffen hat. Und er hat noch mehr gemacht. Er hat im Rahmen eines runden Tischs genau diejenigen angehört, die mit diesen Menschen zu tun haben, beispielsweise die freien Träger. Und er hat mit der Wohnungswirtschaft gesprochen, und beim Thema Kooperationsverträge, das schon angesprochen wurde, sind wir einen Schritt weitergekommen. Ich glaube, dass wir da auf dem richtigen Weg sind.

Unter diesem Blickwinkel müssen wir auch diese Drucksache sehen. Übrigens haben wir das auch mit anderen Sachen gemacht. Wenn Sie sich die Drucksache anschauen, können Sie lesen, dass weitere Maßnahmen in Planung sind. Ich erinnere beispielsweise an eine Gesellschaft, die speziell geförderte Wohnungen mit Bindungen herstellen und weiterentwickeln soll, auch verstärkt mit mindestens 200 Wohneinheiten – meinetwegen können es auch gern mehr werden –, dann entsprechend errichten und noch einige andere Dinge mehr.

Unter diesem Blickwinkel muss man sehen, dass wir in einem Verfahren sind, das diese Problematik aufgreift und schrittweise weiter zur Lösung führt. Wir haben das in anderen Bereichen doch auch gemacht. Denken Sie nur einmal an die Azubiunterkünfte oder an die Studierendenwohnungen; auch dort sind wir Schritt für Schritt weiter vorangegangen. Dieses Papier, das auch in Zusammenarbeit gerade mit den Trägern, die in der Problematik drinstecken, erarbeitet wurde, zeigt den Weg auf. Einiges ist schon gesagt worden. Die SAGA GWG wird sich verstärkt mit weiteren Wohneinheiten engagieren, und ich setze auch darauf, dass wir Wohnprojekte stärker nutzen, die dann Menschen einbinden – zum Teil auch mit Betreuung –, die

keinen passenden Wohnraum haben. Ich weiß, dass viele Wohnprojekte gemeinsam mit Heimträgern diskutiert werden, mit dem Ziel, dass die Menschen dann aus dem Heim in Unterkünfte kommen können. Diese Kooperation zwischen den Trägern und der Wohnungswirtschaft muss verstärkt werden, und da, glaube ich, zeigt das Papier den richtigen Weg auf. Diesen Weg werden wir weitergehen, und deswegen sollten wir dieses Papier heute beschließen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort bekommt nun Frau Sudmann von der Fraktion DIE LINKE.

Ich möchte erst einmal einen kleinen Blick zurückwerfen. Seit 2014 hat es die Gespräche am runden Tisch mit konkreten Vorschlägen gegeben. Dann ist das ein bisschen in der Schublade versackt – warum auch immer, das weiß ich nicht genau. Rot-Grün hat dann im Sommer 2015 beantragt, der Senat möge ein Sofortprogramm vorlegen. Ich weiß nicht, was Sie unter sofort verstehen. Ich hätte erwartet, dass dieses Sofortprogramm spätestens zum Herbst 2015 vorliegt. Es lag aber nicht vor. Wir sind jetzt im Februar 2016 und diskutieren nur hier in der Bürgerschaft über das Sofortprogramm. Das, finde ich, zeigt nicht, dass Sie mit sehr viel Engagement und großem Druck gesagt haben, Sie wollten das schnell fertig haben.

(Beifall bei der LINKEN und der AfD)

Herr Hamann und ich sind uns heute ausnahmsweise einmal sehr einig. Wir beklatschen uns gegenseitig.

(Zuruf)

Es stimmt ja auch wirklich.

(Dirk Kienscherf SPD: Koalition der Destruk- tiven!)

Nein, das ist die Koalition der Opposition, die fragt, was Sie, Rot-Grün, so lange gemacht haben, warum Sie so lange gebraucht haben und warum Sie nicht bereit sind, Ihr Konzept im Ausschuss zu verteidigen. Das ist wirklich peinlich.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der CDU)

Sehen Sie sich einmal an, wie schlecht die Situation der amtlich anerkannten vordringlich Wohnungssuchenden geworden ist. Wir haben besorgniserregende Steigerungsraten seit 2006. 20 Prozent mehr anerkannte Fälle, 60 Prozent mehr unversorgte Haushalte. Nur ein gutes Drittel dieser Haushalte mit Dringlichkeitsschein oder Dringlichkeitsbestätigung wurde 2014 mit einer Wohnung versorgt. Konkret heißt das: Von den 8 000 berechtigten Haushalten haben 5 000 in die Röhre

(Olaf Duge)

geguckt. Und dann kommen Sie und sagen, Sie würden jährlich 300 Wohnungen über die SAGA an diesen Kreis vergeben und 300 Wohnungen jährlich neu bauen. Diese Rechnung geht hinten und vorn nicht auf, das ist rechnerisch unmöglich und sozialpolitisch ein echtes Armutszeugnis.

(Beifall bei der LINKEN und bei Andrea Oel- schläger AfD)

Wenn man diese Drucksache genauer liest, steht darin auch, Sie könnten dieses neue Programm, wie Sie es nennen, haushaltsneutral umsetzen. Wie soll das eigentlich gehen? Wollen Sie anderen Leuten wieder etwas wegnehmen? Ich finde, auch da bekleckern Sie sich nicht mit Ruhm. Aber ich habe jetzt gehört, Herr Kienscherf habe kritisiert, dass die CDU den Überweisungsantrag an den Sozialausschuss zurückgezogen hat. Herr Kienscherf soll kurz zuhören.

(Birgit Stöver CDU: Wir stellen den neu!)

Und ich habe gehört, dass Sie gesagt haben, Sie hätten kein Problem damit, es an den Sozialausschuss zu überweisen. Deswegen ziehe ich für DIE LINKE den Überweisungswunsch in Bezug auf den Stadtentwicklungsausschuss zurück und beantrage jetzt im Namen der LINKEN, dass die Drucksache an den Sozialausschuss überwiesen wird, und Sie werden ja zustimmen, das habe ich Ihren Worten schon entnommen.

(Beifall bei Sabine Boeddinghaus DIE LIN- KE – Zuruf)

Die CDU auch. Wunderbar.

(Beifall bei der LINKEN – Dirk Kienscherf SPD: Das ist doch lächerlich!)

Das ist überhaupt nicht lächerlich. Wir wollten es im Fachausschuss beraten, wo auch die Stadtentwicklungssenatorin ist, denn aus dem Hause kommt das Papier. Aber wenn Sie sagen, Sie wollen es im Sozialausschuss machen, haben wir kein Problem damit. Frau Stapelfeldt kommt bestimmt auch gern in den Sozialausschuss.

Ich will noch einmal bei der Kritik weitermachen, weil Sie immer so tun, als übe nur DIE LINKE Kritik oder vielleicht DIE LINKE und die CDU. Ich zitiere einmal aus der Pressemitteilung der Diakonie Hamburg vom 19. Januar 2016, die unter anderem erklärt, aus diakonischer Sicht sei das Papier unzureichend und enttäuschend:

"Der Senat hat nach langem Hin und Her halbherzig ein kleines Maßnahmenpaket beschlossen, das bestenfalls 10 Prozent der vordringlich Wohnungssuchenden helfen wird. Das ist angesichts von 8 000 unversorgten Haushalten heute und mehr als 14 000 für 2018 prognostizierten viel zu wenig. Was wir jetzt brauchen, sind nicht noch mehr Prüfaufträge, sondern Maßnahmen,

die die Wohnungsnot in fünf Jahren wirklich halbieren."

Diese Aussage des Diakonischen Werks sollten Sie sich hinter die Ohren schreiben. Das Diakonische Werk sagt auch, wie wir es schon seit Jahren fordern, dass Sie endlich aufhören müssen, die Freistellungsgebiete zu verlängern. Wenn die Freistellungsgebiete aufgehoben werden, ist es möglich, allein durch die Fluktuation dort 600 Sozialwohnungen jährlich an vordringlich Wohnungssuchende zu vergeben. Sie machen es aber nicht. Das, finde ich, ist ein weiteres Armutszeugnis.