Dann schließe ich die Wahlhandlung. Die Wahlergebnisse werden gleich ermittelt. Ich werde sie Ihnen im Laufe der Sitzung bekanntgeben.
Ich rufe jetzt auf Punkt 37 unserer Tagesordnung, Drucksache 21/3016, Antrag der AfD-Fraktion: Paralleljustiz im Milieu islamischer Migranten.
Die Fraktion der AfD möchte diese Drucksache an den Ausschuss für Justiz und Datenschutz überweisen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der liberale Rechtsstaat ist die größte Errungenschaft seit 1945. Wer diesen Rechtsstaat nicht achtet und wer dessen Justiz nicht respektiert, sondern als Religionsgemeinschaft oder als ethnische und kulturelle Minderheit seine eigenen Rechtsgrundsätze aufstellt und in unserem Land eine Form von Paralleljustiz etablieren möchte, gefährdet unstreitig die inneren Grundlagen unserer Staatlichkeit. Politik und staatliche Organe sind daher gut beraten, alle Ansätze von Paralleljustiz aufzuklären und mit allen Mitteln konsequent zu bekämpfen.
Der Berliner Senat hat im vergangenen Jahr bereits einen Schritt in die richtige Richtung getan, als er in dieser Hinsicht eine wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben hat, die Aufschluss über Formen von Paralleljustiz in Berlin geben soll. Im Zentrum dieser Studie, mit der der renommierte Jurist und Islamwissenschaftler Professor Rohe von der Universität Erlangen-Nürnberg beauftragt wurde, stehen die muslimischen Communitys Berlins unterschiedlichster ethnischer Herkunft. Diese Studie ist aufgebaut auf insgesamt 93 Interviews mit Vertretern islamisch-religiöser Milieus, mit Organisationen unterschiedlicher ethnischer und kulturell-religiöser Hintergründe. Es haben auch Gespräche mit Großfamilien stattgefunden, es haben Expertengespräche mit Politik, Staatsanwaltschaft und säkularen NGOs stattgefunden. Mit wissenschaftlichen Methoden konnte belegt werden, was viele Menschen, vielleicht mit Ausnahme der Politiker der etablierten Parteien, längst wissen: Soziokulturell segregierte Milieus mit patriarchalischen Strukturen, wie sie insbesondere in muslimischen
Wer diese aktuelle Berliner Studie analysiert, fühlt sich an die Studie des Bundesinnenministeriums aus dem Jahre 2007 erinnert, "Muslime in Deutschland". Dort war zu lesen, dass die Befolgung der Gebote des Islam für 47 Prozent der Befragten wichtiger ist als die Ge- und Verbote des demokratischen Rechtsstaats.
Wenn in der aktuellen Studie von Paralleljustiz die Rede ist, so geht es hier nicht um die gesellschaftlich erwünschten legalen Formen von Streitbeilegung, von Mediation und von Schiedsgerichtsbarkeit. Paralleljustiz liegt insbesondere immer dann vor, wenn staatliche Justiz und staatliche Rechtsordnung eben nicht anerkannt, sondern bewusst negiert werden sollen.
Das ist nicht die Meinung der AfD, sondern das ist die Bewertung aus der wissenschaftlichen Studie. Hören Sie bitte einmal zu.
Paralleljustiz stützt sich auf enge Bindungen in patriarchalisch geformten Großfamilienverbänden mit stark ausgeprägter interner sozialer Kontrolle. Individuen, insbesondere Frauen, wird wenig oder überhaupt keine Selbstständigkeit zugebilligt.
Frau Schneider, stellen Sie doch eine Zwischenfrage, wenn Sie möchten, aber rufen Sie nicht immer dazwischen.
Im Konfliktfall entscheiden Männer über Frauen. Formen von Paralleljustiz sind hauptsächlich im Familienrecht bei Eheschließungen und Scheidungen zu erkennen, also in Rechtsgebieten, in denen muslimische Frauen häufig massiv benachteiligt werden. Bei der Entscheidungsfindung orientiert man sich entweder an den religiösen, meist islamischen Geboten der jeweiligen Glaubensgemeinschaft oder an den soziokulturellen Kodizes der eigenen Volksgruppe.
Den Untersuchungsergebnissen kann man entnehmen, dass die zentrale Eigenschaft von Paralleljustiz in der massiven Androhung beziehungsweise Anwendung von Gewalt gegen Opfer, Konfliktbeteiligte sowie Zeugen besteht.
Diese Berliner Studie ist deshalb richtungsweisend, weil sie erstens zeigt, dass die etablierten Parteien seit vielen Jahren vor diesen unliebsamen Wahrheiten mittlerweile etablierter Paralleljustiz bewusst die Augen verschließen, und weil sie
zweitens darlegt, dass die in Berlin beschriebene Problematik wegen ihrer strukturellen Anlage auch für andere deutsche Großstädte gelten kann.
Die in der Untersuchung beschriebenen Strukturen und Lebenswelten existieren auch in Hamburg. Insoweit drängt es sich geradezu auf, dass die gewonnenen Erkenntnisse mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf Hamburg zutreffen. Fälle wie derjenige der 16-jährigen Deutsch-Afghanin Morsal, die im Jahre 2008 von ihrem Bruder ermordet wurde, weil sie sich zu sehr an den westlichen Lebensstil angepasst hatte, lassen erkennen, dass derartige Mechanismen nicht nur in Großfamilien existieren, sondern sehr wohl auch für die Sozialstruktur von Einzelfamilien gelten. Gleichzeitig darf man natürlich auch annehmen, dass die Dunkelziffer bei den Fällen, die nicht in einem Mord enden, sehr hoch ist.
Die Migrationsströme nach Deutschland werden nach wie vor nicht durch die Bundesregierung unterbunden. Selbst in diesem Jahr sind bis Anfang Februar schon wieder 100 000 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, nach den 1,2 bis 1,5 Millionen im vergangenen Jahr. Ministerpräsident Seehofer spricht in diesem Zusammenhang von Herrschaft des Unrechts. Angesichts dieser Migrationsströme ist anzunehmen, dass sich ein Teil der muslimischen Flüchtlinge, wie bislang, entgegen allen Integrationsnotwendigkeiten zu isolieren und in Parallelgesellschaften abzugleiten droht. Hier wird es sicherlich weitere schwerwiegende Fälle von Paralleljustiz geben.
Bundesjustizminister Heiko Maas sagt, Parallelgesellschaften seien unter allen Umständen zu vermeiden. Wenn man diese Parallelgesellschaften aber bereits hat, wenn sie existieren und wenn man staatsgefährdende Paralleljustiz verhindern will, dann muss man eben die entsprechenden gesellschaftlichen Gruppierungen soziologisch erforschen. Und genau das beantragt meine Fraktion hiermit.
Bei den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln und anderen Städten haben sich viele deutsche Politiker darauf berufen, dass das alles neue Entwicklungen seien, quasi Phänomene, die man nicht habe vorhersagen können. Wenn Sie sich jetzt weigern, diese Fälle von Paralleljustiz, die es ohne Zweifel gibt, wissenschaftlich in Hamburg untersuchen zu lassen, dann werden Sie sicherlich in einigen Jahren, wenn das Ganze offen zutage tritt, auch wieder sagen: Das konnten wir alles nicht wissen, das ist wieder ein neuartiges Phänomen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Aus der Farbenlehre wissen wir, wenn man alle Farben in einen Topf mischt, dann wird das Ergebnis braun. Demselben Schema scheint, das haben Sie, Herr Nockemann, gerade unter Beweis gestellt, sowohl Ihr Antrag als auch Ihre Rede zu folgen. Denn Paralleljustiz, Migrationsströme, Islamismus, Salafismus, Rotlichtmilieu, Kriminalität und Ehrenmorde werden völlig undifferenziert miteinander vermischt, und als Referenzquelle wird auf die von Ihnen zitierte Studie verwiesen, die das Land Berlin in Auftrag gegeben hat und die die AfD maximal höchst selektiv gelesen hat.
Kurz zur Studie, damit alle im Bilde sind. Eine gute und sehr ausführliche Zusammenfassung findet sich übrigens auf der Homepage der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz in Berlin. Ganz allgemein haben sich die Wissenschaftler, das finden wir auch, differenziert und sachlich mit dem durchaus bekannten Phänomen der sogenannten Paralleljustiz und deren Abgrenzung zu anderen Streitschlichtungsmechanismen auseinandergesetzt. Von einer in sich geschlossenen Struktur der Paralleljustiz in Berlin oder wo auch immer, wie es der Antrag der AfD suggeriert, lässt sich aufbauend auf der Studie demnach nicht sprechen. Methodisch, und das ist wichtig, sagen die Verfasser selbst, lässt sich eine quantitative Repräsentativität aus der Erhebung nicht ableiten. Niemand von den befragten Experten aus den Communitys, NGOs oder von Staatsseite konnte auch nur annähernd belastbare Fall- oder Prozentzahlen für Erscheinungen der Paralleljustiz benennen. Sie verweisen dann zwar sogleich darauf, dass ein Dunkelfeldcharakter für diese wenigen Erkenntnisse ursächlich sein könne, aber auch daraus lassen sich keine Schlüsse auf Hamburg ziehen, die geeignet wären, den Bereich der Spekulation oder des Fabulierens zu verlassen. Daher vermag sich mir nicht zu erschließen, wie diese nicht repräsentative Studie offenbart, dass die in Berlin beschriebene Problematik wegen ihrer strukturellen Anlage auch für andere deutsche Großstädte gilt, so wie es in Ihrem Antrag steht.
Die Studie nimmt ganz generell in verschiedenen Communitys bestehende interne Streitschlichtungskonstellationen, vor allem im Bereich des Straf- und Familienrechts, und die dort handelnden Akteure in den Blick. Diese gehen qualitativ sehr unterschiedlich mit den internen Instrumenten der Streitbeilegung um. Die Existenz irgendwelcher Scharia-Gerichte in Berlin lässt sich auch mit der Studie nicht belegen.
tenz einer strukturellen Paralleljustiz. Ich hatte gerade vor drei Stunden ein zweistündiges Gespräch mit der OLG-Präsidentin, Hamburgs oberster Richterin, und habe sie in Hinblick auf diesen Antrag danach befragt. Sie sagt, sie hätte noch nie etwas von einer Paralleljustiz in Hamburg gehört.
Gleichwohl haben wir, und darauf weist in der Tat die Studie hin, die Salafisten-Szene natürlich, auch noch aus ganz anderen Gründen, sehr genau im Blick, und da gibt es auch nichts zu verharmlosen.
Aber was die angesprochene Rotlicht- und Bandenkriminalität angeht, die Sie gleich auch noch mit in Ihren Antrag aufgenommen haben, so gibt die Berliner Studie jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass diese unter der Rubrik Paralleljustiz aufschlussreich sein kann. Lösungsansätze bietet Ihr Antrag ohnehin nicht, und daher lehnen wir ihn im Ergebnis ab.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind uns, glaube ich, hier im Hause alle einig, dass das Strafmonopol in Deutschland allein beim Staat liegt und sonst nirgendwo.
Die verstorbene Neuköllner Jugendrichterin Kirsten Heisig, die sich sehr intensiv mit dieser Problematik beruflich lange beschäftigt hat, hat eine sehr zutreffende Definition des Wortes Paralleljustiz gebracht, denn sie sagte:
"Das Recht wird aus der Hand gegeben und auf die Straße verlagert oder in ein paralleles System verschoben, in dem dann ein Imam oder anderer Vertreter des Korans entscheiden, was zu geschehen hat."
Ich meine, das ist eine gute Definition, eine Legaldefinition gibt es nämlich nicht. Wir müssen in der Tat viel genauer differenzieren, als Sie von der AfD es getan haben. Denn da ist ein buntes Potpourri an Dingen: Salafismus, Communitys, Migration – alles zusammengemischt, und dann wird so getan, als habe man ein riesiges Problem. Dieses Problem gibt es glücklicherweise in der Form, wie es hier suggeriert wird, nicht. Aber der Antrag, auch das muss man sagen, hat einen Kern, an dem man zumindest erkennen kann, dass es tatsächlich ein Problem gibt. Nur geht der Antrag am wirklichen Kern vorbei.
Eine weitere Studie brauchen wir weiß Gott nicht. Die Studie, die im Übrigen der CDU-Senator dort in
Auftrag gegeben hat, ist in der Tat zwar wissenschaftlich angehaucht, sie ist aber letztlich keine empirische Studie, sondern basiert allein auf Interviews. Das ist nicht unbedingt falsch, aber Sie können heute nicht sagen, es sei empirisch belegt, dass es so oder so ist.