schon hingewiesen haben. Natürlich sind auch bei mir sofort die Bilder der Sturmflut 1962 im Kopf, einer Naturkatastrophe, die sich durch die immer wieder gezeigten Fernsehbilder, aber auch durch die Berichte meiner Eltern- und Großelterngeneration so stark in das kollektive Gedächtnis dieser Stadt eingeprägt hat, dass es selbst mir vorkommt, als wäre es erst vor Kurzem geschehen. In Wahrheit aber ereignete es sich 20 Jahre vor meiner Geburt. Helmut Schmidt, damals als anpackender Politiker, der alles in seiner Macht Stehende tat, um Menschenleben zu retten – und der sogar darüber hinaus noch das tat, was eigentlich nicht in seiner Macht stand –, ist sicherlich ein Vorbild für uns heute als aktive Politikerinnen und Politiker.
Wenn eine Stadt dann so einen angesehenen Sohn verliert, stellt sich zu Recht die Frage, wie diese Persönlichkeit angemessen bedacht und wie ihr Lebenswerk gewürdigt werden kann. Und da, finde ich, macht die Benennung des Flughafens Hamburg nach ihm aus mehreren Gründen durchaus Sinn: In seiner Amtszeit als Kanzler war der Flughafen Ausgangspunkt vieler Staatsempfänge. Helmut Schmidt hat dort Staatsgäste aus der ganzen Welt empfangen und begrüßt. Gleichzeitig war der Flughafen auch Ausgangspunkt für seine Reisen durch die Welt. 1952 hat er die Weichen dafür gestellt, dass die Lufthansa Technik sich dort ansiedelte. Er war bis zuletzt Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrats des Flughafens. Und, bei aller Wertschätzung unseres Flughafens hinsichtlich Größe und weltweiter Bedeutung, dieser Flughafen passt meiner Meinung nach auch zu seinem bescheidenen Lebensstil, den er in Langenhorn pflegte.
Noch einen anderen Aspekt möchte ich ins Gedächtnis rufen. Helmut Schmidt war nicht nur ein Staatenlenker und ein Weltenerklärer, sondern er war auch ein überzeugter Politiker, und wer politische Überzeugung vertritt, erfährt nicht immer nur Zustimmung. In den Achtzigerjahren gab es in Deutschland höchste politische Umbrüche und große Diskussionen. Das sollten wir nicht außer Acht lassen, weil dies meiner Meinung nach gravierende Auswirkungen auf die Gegenwart hat. Schmidt hat zum Beispiel die Warnung des Club of Rome vor den Grenzen des Wachstums damals für haltlos verworfen; er zweifelte damals die Wissenschaftlichkeit dieses Berichts an. Und vielleicht war es auch sein größter politischer Irrtum gewesen, damals die ökologische Bewegung insgesamt nicht ernst genommen zu haben. Unter Schmidts Verantwortung wurde die Kernenergie in Deutschland massiv gefördert und zum deutschen Exportschlager. Erst nach seiner Kanzlerschaft hat die SPD von dieser Energiepolitik Abstand genom
men. Es war, das wurde schon mehrfach erwähnt, der NATO-Doppelbeschluss, den er förderte und damit die Nachrüstung auch in Deutschland und Europa fokussierte, der zu massenhaften Demonstrationen der Friedensbewegung führte.
So haben damals viele meiner Parteikolleginnen und Parteikollegen intensiv mit Helmut Schmidt gestritten und Argumente ausgetauscht. Jüngst schrieb Jürgen Trittin in einem Nachruf, Helmut Schmidt sei wahrscheinlich einer der Gründungsväter der GRÜNEN. Daniel Cohn-Bendit ergänzte einmal, die GRÜNEN seien praktisch Kinder der Politik von Helmut Schmidt. In der Tat gingen damals die GRÜNEN aus der erstarkten Friedensbewegung und der Anti-Atomkraft-Bewegung hervor.
Aber Helmut Schmidt wäre nicht Helmut Schmidt gewesen, wenn er darüber nicht geschmunzelt hätte, lieber Kollege Dressel. In einem Interview mit "Der Zeit" sagte er einmal, was Ökologie angehe, müsse er sich keine Vorwürfe machen – Zitat –:
"[…] darin bin ich, unter dem starken Einfluss meiner Frau Loki, seit mehr als einem halben Jahrhundert ein Grüner."
In demselben Interview hat er uns GRÜNEN zugestanden, erwachsen geworden zu sein und Verantwortung zu übernehmen. Joschka Fischer bestätigte er damals sogar ein staatsmännisches Format.
Gerade diese Haltung, diese Leidenschaft zur praktischen Vernunft begeisterte mich persönlich an ihm. Denn ich finde, es ist eines der höchsten Güter unserer Demokratie, dass wir Meinungsverschiedenheiten offen austragen, diese Meinungsverschiedenheiten aber persönlichen Beziehungen nicht im Wege stehen oder dazu führen, dass man inhaltlich nicht diskutieren kann, und dass wir am Ende eben dennoch die Leistung des anderen für Staat und Gesellschaft trotz dieser Meinungsverschiedenheiten würdigen und wertschätzen können. Und so können auch wir heute unabhängig von den Diskussionen der Vergangenheit sagen: Mit Helmut Schmidt starb ein großer Demokrat, der in Hamburg eine angemessene und eine dauerhafte Würdigung verdient.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Helmut Schmidt ist unbestritten ein wichtiger, weit über die Landesgrenzen hinaus wirkender Politiker gewe
sen. Es wurde schon erwähnt: Vielen Hamburgerinnen und Hamburgern bleibt er als unbürokratischer Krisenmanager während der großen Flut nachdrücklich in Erinnerung.
Helmut Schmidt war aber auch ein polarisierender und stark umstrittener Politiker – auch diese Seite ist Teil seiner Biografie. So hat er gegen alle Widerstände aus der Gesellschaft und seiner eigenen Partei und auch auf die Gefahr eines erneuten Krieges mit der Sowjetunion hin den NATO-Doppelbeschluss durchgefochten. Erhard Eppler zum Beispiel warf Schmidt vor, mit dem NATO-Doppelbeschluss die Kriegsgefahr in Europa zu schüren. Schmidt bleibt vielen Hamburgerinnen und Hamburgern aber auch als eiserner Gegenspieler der Umwelt- und der Friedensbewegung in Erinnerung und als Kanzler einer repressiven Innenpolitik. In den letzten Jahren zeigte Schmidt aber eine gewisse Altersmilde und entwickelte eine durchaus kritische Position zur NATO. Andererseits ist er, der sich bis zuletzt auch in tagespolitische Debatten eingemischt hat, unbeirrt für Hartz IV und eine weitere Deregulierung des Arbeitsmarkts, für Studiengebühren und eine Senkung des Mindestlohns, gegen Volksabstimmung und für die Nutzung der Atomenergie eingetreten. Hinter der von ihm mit beförderten Politik der Agenda 2010 steht ein Menschenbild, das für uns inakzeptabel ist. Die neoliberale Schuldenbremsenpolitik und die zutiefst ungerechte Verteilung unseres gesellschaftlichen Reichtums tragen maßgeblich zu einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich bei.
Vor diesem Hintergrund der kurzen Analyse des schmidtschen Vermächtnisses werden wir uns bei dem Antrag enthalten. Wir meinen, mit seiner Namensgebung für die Bundeswehruniversität ist seinem Lebenswerk bereits Genüge getan worden. Und ob er sich wirklich darüber gefreut hätte, nun auch noch dem vielen Hamburgerinnen und Hamburgern Lärm und Schmutz bringenden Flughafen Pate zu stehen, werden wir nicht mehr erfahren. Ich möchte daher zum Schluss daran erinnern, dass es Helmut Schmidt war, der als Leiter des Amts für Verkehr in Hamburg die Planung für einen Großflughafen in Kaltenkirchen angeschoben und die zunehmenden Belastungen eines innerstädtischen Flughafens in Hamburg-Fuhlsbüttel vorausgesehen hat. Nach dem Aus der Planung für Kaltenkirchen hat sich Schmidt sehr geärgert. Zitat:
"[…] weil sowohl die Hamburger als auch die Schleswig-Holsteiner zu kleinkariert waren; die Hamburger hatten Angst, dass ihr ganzes Geld nach Schleswig-Holstein geht, und die Kieler Politiker meinten, Kaltenkirchen würde doch nur den Hamburgern nützen."
"Statt des einen haben wir heute gleich drei Weltflughäfen: einen in Kiel, einen in Lübeck und einen in Fuhlsbüttel."
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir begrüßen das Vorhaben, den im letzten November verstorbenen Bundeskanzler a. D. Helmut Schmidt zu ehren, indem wir dem Hamburger Flughafen den Namenszusatz "Helmut Schmidt" geben. Wir werden dem Senatsantrag deshalb zustimmen.
Wir haben uns dafür auch bereits unmittelbar nach seinem Tod ausgesprochen, weil es eine würdige und passende Idee ist. Seinem engagierten Einsatz als Innensenator während der Flutkatastrophe 1962 verdanken viele Hamburgerinnen und Hamburger buchstäblich ihr Leben. Als Hamburger Bundestagsabgeordneter, Fraktionsvorsitzender, Verteidigungs- und Finanzminister sowie als Bundeskanzler hat er die Politik der alten Bundesrepublik über Jahrzehnte geprägt, und sein Einsatz für die NATO-Nachrüstung gegen Ende seiner Kanzlerschaft erwies sich als historisch verdienstvoll. Seine weithin geschätzte Stimme als Buchautor und als Herausgeber "Der Zeit" prägte auch danach die politische Debatte in Deutschland bis in unsere Tage hinein, und ich denke, dass sich das Ganze auch noch weiter entwickeln wird.
Helmut Schmidt genoss einen großartigen internationalen Ruf. Er wird der Stadt durch die Umbenennung des Flughafens auch nach seinem Tod zu mehr internationaler Strahlkraft verhelfen. Zuletzt spricht seine private Verwurzelung im nahegelegenen Langenhorn dafür. Hier haben schon viele Langenhorner gesprochen, aber ich glaube, ich spreche auch im Namen aller Nicht-Langenhorner, wenn ich sage, dass das eine sinnvolle Idee ist.
Liebe Kollegen von der AfD, Ihren Zusatzantrag werden wir ablehnen. Wir halten es für völlig überzogen, den Namen eines Flughafens zum Vehikel kultureller Entfaltung oder gar zum wichtigsten Elementar nationaler und persönlicher Identität erklären zu wollen.
Und wenn ich mir diesen Satz auch noch erlauben darf: Wer hätte gedacht, dass man aus Ihrer Sicht, liebe LINKE, jemandem Genüge tun kann mit der Benennung der Bundeswehruniversität? – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir begrüßen und unterstützen ausdrücklich die Initiative, den ehemaligen Bundeskanzler und Ehrenbürger der Freien und Hansestadt Hamburg, Helmut Schmidt, zu würdigen, indem der Flughafen Hamburg künftig seinen Namen tragen wird.
Integrität. Kaum ein Politiker, der mit diesem Begriff mehr in Verbindung gebracht werden kann als Helmut Schmidt. Sein Name ist fast Synonym für Integrität. Ich wage zu behaupten, wenn wir heute noch mehr Persönlichkeiten dieser Art in der Politik hätten, wäre der Anteil der Nichtwähler deutlich geringer.
Ehrlichkeit. Er konnte und er hat eigene Fehler zugegeben, in seinen Büchern, in seinen Reden. Das ist eine Eigenschaft, die nicht jedem in der Politik gegeben ist; Hut ab.
Unbeugsamkeit und Gradlinigkeit. Er hat sich in Situationen, in die wir uns kaum hineindenken können, aufrecht und unbeugsam und gradlinig gezeigt. Er hat sich von Terroristen nicht erpressen und nicht beugen lassen.
Würde. Den Verlust seiner Kanzlerschaft und die Umstände, die dazu geführt haben, hat er mit Würde getragen. Auch das ist nicht jedem gegeben.
Ich habe meine Rede gekürzt, denn ich weiß, dass unser Zusatzantrag nicht durchkommt. Ich könnte jetzt etwas dazu sagen, warum ein AfD-Antrag nicht durchkommt. Ich lasse es, denn es geht darum, eine große Persönlichkeit zu ehren. So ist es richtig. So soll es sein. Deswegen möchte ich hier kein weiteres Wort dazu verlieren und freue mich über diesen Antrag. Wir freuen uns über diesen Antrag, dem wir selbstverständlich zustimmen werden. – Danke.
Meine Damen und Herren, mir liegen nun keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit kommen wir zur Abstimmung.
Wer möchte diesem Antrag folgen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Wer möchte sodann dem Senatsantrag aus Drucksache 21/2657 seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dies einstimmig erfolgt.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 71, Drucksache 21/2755, Antrag der CDU-Fraktion: Hamburgs Wirtschaft braucht Freihandel – Metropolregion stärken und Wachstumschancen von TTIP nutzen.