Protocol of the Session on December 9, 2015

Sie haben nämlich zu keinem Zeitpunkt Überzeugungsarbeit geleistet. Vielmehr haben Sie gedroht, erpresst und die Menschen in die guten Ja-Sagerinnen und Ja-Sager, die Mut zur Zukunft haben, und in die bösen Nein-Sagerinnen und Nein-Sager, die die Zukunft Hamburgs verspielen, gespalten. Sie wurden nicht müde zu versichern, dass Hamburg nur mit dem Schub der Olympischen Spiele nach vorn kommt. Sie sagten im "Hamburger Abendblatt"-Interview wörtlich, dass auch der soziale Zusammenhalt infrage gestellt werde, wenn Olympia nicht komme. Wenn Sie so das Wohl und Wehe der Stadt mit Olympia verknüpfen, haben Sie jetzt im Grunde eine große Erklärungsnot, und es ist Ihnen eigentlich die Geschäftsgrundlage für Ihre Regierung entzogen.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit Ihrer Arroganz der Macht haben Sie die Hamburgerinnen und Hamburger wirklich autoritär beschallt

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Auch das noch!)

und jetzt festgestellt, dass Sie zu Ihrem wahren Kern zurückkommen. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie die 200 Millionen Euro jetzt für ausreichend bezahlbaren Wohnraum, für den Zusammenhalt in der Stadt, für die, die jetzt in Hamburg sind …

(Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Die Lampe leuchtet schon sehr lange.

Vielen Dank.

(Lang anhaltender Beifall bei der LINKEN)

Als Nächste erhält das Wort Katja Suding von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Hamburg hat am vorletzten Sonntag eine riesengroße Chance vergeben.

(Doris Müller SPD: Dann hättet ihr mal was tun sollen!)

Olympia hätte einen unglaublichen Schub für unsere Stadtentwicklung, für den Sport und nicht zuletzt auch für unseren Ruf in der Welt gegeben. Eine knappe Mehrheit wollte sie allerdings nicht nutzen. Wir als FDP-Fraktion bedauern das Ergebnis sehr. Wir haben mit vielen in der Stadt für eine Bewerbung gekämpft und sind am Ende unterlegen. Das Ergebnis akzeptieren wir selbstverständlich. Olympia wird es in Hamburg und auch in Deutschland für lange Zeit nicht geben. Aber einfach zur Tagesordnung überzugehen, so wie es jetzt SPD und GRÜNE versuchen, das geht nicht. Sie, Herr Bürgermeister, haben Olympia als wichtigstes Projekt der Legislaturperiode bezeichnet, und jetzt halten Sie es nicht einmal für notwendig, das Scheitern kurz danach im Parlament zu debattieren, stattdessen lassen Sie den unausgegorenen Länderfinanzausgleich anmelden.

(Beifall bei der FDP – Dr. Anjes Tjarks GRÜ- NE: Was wir debattieren, entscheiden wir schon selbst!)

Das ist ein sehr schwaches und hilfloses Bild, das der Bürgermeister hier abgibt.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Herr Bürgermeister, ich kann verstehen, dass Sie Ihre klassische Taktik des stillen Abheftens ungelöster Probleme auch hier verfolgen. Denn auch Sie wissen, dass diese Olympia-Entscheidung nicht nur eine Absage an die Spiele ist; sie ist auch eine Absage an Ihre politische Führung, Herr Scholz.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

So etwas wollen Sie natürlich nicht diskutieren. Aber das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Wir erwarten von Ihnen, Herr Bürgermeister, dass Sie uns erklären, wie es zu dieser Olympia-Blamage kommen konnte.

(Gabi Dobusch SPD: Bei solchen Partnern!)

Erklären Sie uns, wie Sie nach dieser schallenden Ohrfeige wieder das politische Vertrauen der Hamburger gewinnen wollen, und erklären Sie, warum Sie offenbar schon bei der Präsentation Ihrer Olympia-Finanzplanung im Oktober wussten, dass der Bund niemals gute 6 Milliarden Euro lockermachen würde, und warum Sie uns das verschwiegen haben.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Erklären Sie im Detail, wann und wie Finanzminister Schäuble Ihnen bereits vor der Vorstellung der Zahlen eine Absage erteilt hat. Darauf haben wir und die Hamburger einen Anspruch, spätestens nachdem Herr Schäuble die feststehende Absage noch am Referendumsabend bei Günther Jauch begründet hat. Herr Bürgermeister, wenn Sie die Hamburger Bürger über die Chancen der Bundesbeteiligung getäuscht haben, dann fordern wir Sie auf, sich hier und heute zu entschuldigen und klar zu sagen, wie Sie verlorenes Vertrauen wieder aufbauen wollen.

(Martina Friederichs SPD: Mal auf dem Tep- pich bleiben!)

Sie können dann auch gleich die Zukunft Ihrer rotgrünen Koalition neu begründen.

(Milan Pein SPD: Neuwahlen!)

Schließlich hat ein erheblicher Teil der GRÜNEN, etwa die Abgeordnete Engels oder auch die GRÜNE JUGEND, offen gegen Olympia agitiert. Herr Dressel, es ist wirklich eine Unverfrorenheit, dass Sie die mangelnde Unterstützung der FDP bemängeln, die sich wirklich eingesetzt hat, während Ihr eigener Koalitionspartner Ihnen während der gesamten Kampagne immer wieder in den Rücken gefallen ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Heike Sudmann DIE LINKE: Sie waren Feuer und Flamme – schon vergessen?)

Das ist eine Unverfrorenheit, und wir werden auch darüber nachdenken, wie wir in Zukunft bei solchen Projekten zusammenarbeiten werden.

(Beifall bei der FDP)

Von Herrn Scholz wollen wir natürlich wissen, wie er mit den intern opponierenden GRÜNEN weiter regieren soll. Soll es ein flaues "Weiter so" geben? Wir sagen: Sorgen Sie für einen Neuanfang, beginnen Sie am besten mit einer Regierungserklärung, und danach sollten Sie per Vertrauensfrage eine neue Legitimation suchen, Herr Bürgermeister.

Wir würden auch gern wissen, wie es mit den Referenden von oben weitergehen soll. Diese haben Sie als dauerhafte Möglichkeit in die Verfassung geschrieben – übrigens gegen die Stimmen der FDP. Jetzt wollen wir wissen: Soll diese Variante

der Volksbefragung nun ungenutzt links liegen bleiben?

(Heike Sudmann DIE LINKE: Haben Sie auch 'ne Meinung?)

Wir erneuern unsere Forderung, die Volksgesetzgebung künftig auf Initiativen aus dem Volk zu beschränken. Außerdem brauchen wir höhere Quoren, etwa für die Verbindlichkeit von Bürgerentscheiden. Nur so können wir das Vertrauen in die Volksgesetzgebung und in die parlamentarische Demokratie stärken. Das ist, was wir Freien Demokraten für Hamburg wollen.

(Beifall bei der FDP – Sören Schumacher SPD: Worüber reden Sie eigentlich?)

Von Ihrer Regierungserklärung, Herr Bürgermeister, erwarten wir uns auch eine Antwort darauf, welche stadtentwicklungspolitischen, infrastrukturellen, rufsteigernden und sportpolitischen Projekte von der Olympia-Planung übrig bleiben. Was ist mit dem Sprung über die Elbe? Was ist mit dem U-Bahn-Ausbau Richtung Süden? Was ist mit der Sportstättenerneuerung? Was ist mit den Wohnungen, die als Nachnutzungen im Olympia-Quartier möglich sein sollten? Und wie stärken wir den Ruf Hamburgs in der Welt ohne Olympia? Etwas mehr als die Fahrradwege, die sich die GRÜNEN vorstellen, müsste von Olympia doch schon übrig bleiben.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Hast du eben zu- gehört, oder was?)

Im Grunde genommen geht es hier und heute um den berühmten Satz unseres verstorbenen Ehrenbürgers Helmut Schmidt: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. Schmidt selbst hat diesen Satz später relativiert. Er hat das als pampige Bemerkung gegenüber Journalisten gesagt. Natürlich hat er damals ganz genau gewusst, dass Politik Visionen und große Ziele braucht. Was, Herr Bürgermeister, ist im Sinne Helmut Schmidts denn Ihre Vision von der Zukunft Hamburgs nach Olympia?

(Dirk Kienscherf SPD: Lesen Sie unseren Koalitionsvertrag! Da steht das alles drin!)

Treten Sie hier und heute an das Pult und erklären Sie sich.

(Beifall bei der FDP – Wolfgang Rose SPD: Peinlich!)

Als Nächster erhält das Wort Herr Nockemann von der AfD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Trepoll, irgendwie haben Sie mich mit Ihrer Rede an die Rolle eines Primaners erinnert, der gemeinsam mit seinen Primaner-Kollegen ein

großes Projekt plant, dieses Projekt dann scheitert und Sie sich verstohlen abwenden und sagen: Der andere war es, ich habe daran nicht mitgewirkt. Ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, wie Sie in Sachen Olympia jede Rede des Bürgermeisters, jede Rede von Herrn Dressel und Herrn Tjarks mit beklatscht haben, wie Sie alle gemeinsam dieses große Schaufenster Olympia aufgebaut haben, das jetzt plötzlich zerplatzt ist. Und dann stehlen Sie sich davon. Stil, Herr Trepoll, ist etwas anderes.

Ich bin der CDU gleichwohl sehr dankbar dafür, dass sie das Thema "Mit Basta-Politik gegen die Wand – Senat scheitert mit Olympia und versagt bei der Flüchtlingsunterbringung" auf die Tagesordnung gesetzt hat. Wie Sie wohl verstehen und nachvollziehen werden, ist mein Thema eher die Flüchtlingsunterbringung, gestattet uns dieses Thema doch einmal die grundsätzliche Betrachtung der Frage, wann und warum Politik trotz beispielloser Kampagnen von Senat und Medien kläglich scheitert. Politik ist zum Scheitern verurteilt, wenn der Bürger das Gefühl bekommt, dass er nicht mehr der oberste Souverän dieses Staates, sondern lediglich Objekt staatlichen Handelns ist. Politik ist dann zum Scheitern verurteilt, wenn man als Politiker den Wahlbürgern die Eckpunkte und Ziele seines Handelns nicht mehr glaubwürdig und glaubhaft vermitteln kann und wenn die Bedenken der Bürger – das war insbesondere im Bereich der Flüchtlingsunterbringung der Fall – diskussionsund gedankenlos mit der Arroganz der Macht hinweggesäbelt werden. Glaubwürdige Politik sieht anders aus. Sie nimmt den Bürger mit, sie berücksichtigt seine Sorgen und Nöte, beantwortet seine offenen Fragen möglichst in einer fairen und ergebnisoffenen Diskussion.

Aber eine faire und ergebnisoffene Diskussion hat es insbesondere im Bereich der Flüchtlingspolitik zu keinem Zeitpunkt gegeben. Zum Beispiel hat sich der Bezirksamtsleiter Bergedorf kürzlich zu einer Großunterkunft für Flüchtlinge mit 3 000 Plätzen im sogenannten Gleisdreieck geäußert. Er wird zitiert mit einer weiteren Äußerung, nämlich der, Aussagen zu einer möglicherweise in unmittelbarer Nähe dieses Gleisdreiecks geplanten Anlage mit weiteren 900 Plätzen könne er nicht machen, denn dann hätte man sehr bald wieder eine Diskussion, die die Politik gerade nicht haben möchte. Das ist exemplarisch für Hamburger Politik. Damit zeigt man die ganze Hilflosigkeit der führenden Politiker. Das ist ein Dokument der Arroganz der Macht.

(Beifall bei der AfD)

Nein, Diskussionen über Ihre Politik ist das Allerletzte, was die rot-grünen Chefs in dieser Stadt zulassen wollen.

(Beifall bei Dr. Jörn Kruse AfD)

(Katja Suding)