Protocol of the Session on December 9, 2015

(Beifall bei Stephan Jersch DIE LINKE und Jörg Hamann CDU)

Sie denken sich jetzt etwas aus, um irgendjemanden in irgendeine Ecke zu rücken. Sie selbst haben das gebraut, und zwar in einer völlig anderen Situation.

(Beifall bei der LINKEN und der CDU)

Jetzt sage ich einmal, was Sie vorhaben. Es ist bekanntermaßen ein großes Problem, wenn Quartiere gebildet werden, in denen sich sehr viele Leute mit vergleichbaren Problemlagen befinden. Das ist schwierig. Es ist noch gar nicht so lange her, da habe ich Herrn Hakverdi sagen hören, wie schwierig und stigmatisierend es zum Beispiel in Wilhelmsburg sei, wenn die Leute sagen, woher sie kommen.

(André Trepoll CDU: Vor allen Dingen für Herrn Hakverdi!)

Natürlich ist es in Jenfeld oder sonst wo ein Problem, wenn sehr viele Leute mit ähnlichen Problemlagen zusammenwohnen. Das führt leicht dazu, dass so ein Stadtteil abgehängt wird. Das wissen wir alle, wer will das denn bestreiten? Jetzt ist das Problem aber verschärft. Da sind nicht nur Leute in ähnlichen Problemlagen – zum Beispiel wird ein größerer Teil nicht so leicht Arbeit finden –, das noch größere Problem ist, dass zum Beispiel allein das Deutschlernen unwahrscheinlich erschwert wird, wenn Leute in Quartieren leben, in denen keiner Deutsch spricht

(Jörg Hamann CDU: Das weiß jeder! – André Trepoll CDU: Unter sich!)

die sprechen unterschiedliche Sprachen –, aber im Alltag auf eine Kommunikation angewiesen sind, damit sie lernen, Deutsch zu sprechen. Wenn so viele Leute in so einem Quartier wohnen, dann schafft das Probleme, und solche Probleme kann man meiner Meinung nach, ohne dass es die Leute stigmatisiert, durchaus als Gettobildung betrachten. Man muss es meiner Meinung nach so betrachten, weil man dem entgegenwirken muss.

(Beifall bei der LINKEN und der CDU – Gabi Dobusch SPD: Wollen Sie lieber Zelte?)

Da Sie nach unseren Alternativen gefragt haben: Wir haben zum Beispiel gefordert, dass der Vertrag mit der SAGA GWG aufgestockt wird. Die SAGA GWG vermietet jedes Jahr 8 000 bis 9 000 Wohnungen neu – ich habe die genauen Zahlen jetzt nicht im Kopf, weil ich nicht im Stadtentwicklungsausschuss bin –, und wir haben gesagt, das solle aufgestockt werden. Das haben Sie weggestimmt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Damit hast du 1 000 Leute untergebracht, mit deinem Vorschlag!)

Das ist ja auch nur ein Vorschlag. Und Entschuldigung, wenn man das zum Beispiel auf 1 000 Wohnungen aufstocken würde, dann wären es nicht 1 000 Leute, sondern dann sind das vielleicht 1 000 mal drei Leute – das sind also schon einige.

Dann haben wir gesagt, in dem Wohnungsbauprogramm solle der Anteil von Sozialwohnungen aufgestockt werden. Das führe zur Gettobildung, haben wir gehört. Wir haben gesagt, dass der Anteil des geförderten Wohnungsbaus auf städtischen Grundstücken 100 Prozent betragen solle. Nicht einer dieser Schritte löst alle Probleme, aber die Summe der von uns vorgeschlagenen Schritte würde einen großen Teil der Probleme lösen und uns ersparen, so viele größere Quartiere nur für Flüchtlinge am Stadtrand einzurichten.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist infam, Herr Dressel, wenn Sie sagen, es gebe Gemeinsamkeiten zwischen uns und der AfD. Auch Ihnen ist völlig klar, dass Sie sich das einfach so ausgedacht haben, um Kritik zu diskreditieren. Unser Ansatz ist: Wir brauchen eine solidarische Stadtgesellschaft, zu der die Beteiligung aller gehört. Integration ist auch keine Aufgabe, die nur eine Seite leistet, sondern eine Aufgabe, die alle Seiten leisten. Das ist unser Gesichtspunkt, und das unterscheidet uns so etwas von fundamental von der AfD, dass es wirklich unredlich ist, wenn Sie das in einen Topf werfen.

(Beifall bei der LINKEN)

(Jennyfer Dutschke)

Jetzt hat sich noch Herr Kienscherf von der SPD-Fraktion gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Schneider,

(Zuruf von der CDU: Heute hatte sie recht!)

ich glaube feststellen zu können, dass ich als Sozialdemokrat, der früher einmal ein bisschen weiter links außen war, mir nie hätte vorstellen können, dass man das Thema Gettobildung und Konzentration von Flüchtlingen noch einmal so in diesem Haus ansprechen kann, wie Sie es getan haben.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der LIN- KEN und der CDU – Martin Dolzer DIE LIN- KE: Das ist eine Frechheit, was Sie ma- chen!)

Es ist unglaublich, Frau Schneider, und das muss ich auch einmal ganz ehrlich gegenüber der CDU sagen: Wer davon redet, dass hier in Quartieren …

(Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Ich kann die Aufregung inhaltlich nachvollziehen. Trotzdem hat Herr Kienscherf das Wort, und ich bitte Sie, ihm zuzuhören.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Das ist sehr schwer!)

Vielen Dank.

Es ist auch sehr schwer, das muss ich in Richtung CDU sagen, dass auch Sie da mitspielen. Da wird davon gesprochen, dass letztendlich eine Art Zwangseinweisung, eine Konzentration, eine zwangsweise Konzentration von Flüchtlingen auf engstem Raum vorgenommen wird.

(Jörg Hamann CDU: Ach, Herr Kienscherf, was soll denn das? – Zurufe von der CDU)

Das ist eine unglaubliche Wortwahl im Zusammenhang mit Flüchtlingen. Das sind Menschen, die hier Sicherheit suchen, die hier eine Chance und Perspektive haben wollen, und wir wollen sie ihnen bieten.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN – Anna-Elisabeth von Treuenfels- Frowein FDP: Das geht wirklich nicht! – Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Herr Kienscherf, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator?

Nein. – Das verwundert mich auch bei der LINKEN sehr. Wir wissen, was in Europa los ist. Wir kennen diese

Flüchtlingsströme. Wir kennen die Verhältnisse im Mittleren Osten.

(Zuruf von Martin Dolzer DIE LINKE)

Was hast du eigentlich für ein Problem dahinten? Benimm dich erst einmal, dann kannst du nach vorn kommen.

Wenn wir wissen, was dieses Land für ein Riesenproblem mit einer Million Flüchtlingen hat und dass wir uns um diese Menschen kümmern müssen, dann finde ich es überhaupt nicht akzeptabel, dass es in den vergangenen Wochen beim Thema Flüchtlinge Ihrerseits immer nur um Probleme geht. Die Chancen und dass wir es gemeinsam hinkriegen können, benennen Sie nie, und das ist schlimm.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Zu- ruf von Joachim Lenders CDU)

Dann kommen diese Thematiken wie Großsiedlungen. Da werden die Leute in Steilshoop stigmatisiert, in Mümmelmannsberg stigmatisiert, in Wilhelmsburg stigmatisiert.

(Beifall bei Anna Gallina GRÜNE)

Das ist einfach inakzeptabel.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Zu- rufe von der CDU)

Was sind denn das für Großsiedlungen? Schauen wir uns einmal das Beispiel Wandsbek an. Bei der Großsiedlung Mümmelmannsberg, Herr Duge hat darauf hingewiesen, reden wir von 20 000 Einwohnern. Und wenn man sich jetzt einmal ansieht, was im Bereich Wandsbek geschaffen werden soll, dann sind da zwischen 300 und 500 Wohneinheiten.

(Dennis Thering CDU: 600 in Hummelsbüt- tel! Werden Sie mal wach!)

Das ist keine Großsiedlung, sondern das bietet endlich einmal die Möglichkeit, dass wir wegkommen von den Lagerhallen, dass wir wegkommen von den Baumärkten und dass wir wegkommen von den Zelten. Das ist eine Zukunftschance.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Eines will ich Ihnen auch noch einmal mitgeben, und zwar auch Ihrem Mitarbeiter, den Sie heute dort haben und der damals mein Kompagnon in Hamm war: Als vor vier Jahren in Hamm 100 Flüchtlinge untergebracht werden sollten, hat Herr de Vries eine Veranstaltung gemacht und gesagt, Hamm gehe unter, 100 Flüchtlinge könne dieser Stadtteil nicht verkraften.

(Zurufe von der CDU und von Anna-Elisa- beth von Treuenfels-Frowein FDP)

Und genauso ist es bei Ihnen immer noch. Ihnen geht es nicht um die Lösung, sondern um die Eskalation, und das ist falsch.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben ein klares Angebot gemacht, indem wir gesagt haben, dass wir die Bürgschaften heute beschließen wollen. Über das Inhaltliche und die Art und Weise, wie diese Stadtteile entstehen, wollen wir im Ausschuss diskutieren. Darüber haben wir letztes Mal gesprochen. Wir haben auch den Vorschlag der FDP aufgegriffen, dass wir nicht nur eine Expertenanhörung vornehmen, sondern dass aus jedem Bezirk ein oder zwei Vertrauensleute – das war letztendlich Ihr Vorschlag, Frau Suding – dazukommen sollen. Das alles haben wir einvernehmlich gemacht, und das zeigt doch, dass wir uns inhaltlich mit Ihnen darüber auseinandersetzen wollen