Protocol of the Session on December 9, 2015

Um drohende Obdachlosigkeit von vielen Menschen in unserer Stadt zu verhindern, müssen wir umgehend mit dem Bau der Flüchtlingsunterkünfte beginnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Als Nächste erhält das Wort Birgit Stöver von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Senat und die Regierungsfraktionen versuchen den Hamburgern weiszumachen, dass die einzige Möglichkeit für die langfristige Unterbringung von Flüchtlingen der Bau von Großsiedlungen ist. Diesen Ansatz hält die CDU-Fraktion für rundweg falsch. Er ist unsozial und schafft nur weitere Integrationsprobleme.

(Beifall bei der CDU)

Daran ändert auch der Zusatzantrag mit seinen 25 Punkten nichts. Das alles sind schöne Worte, und obendrein ist er auch noch abgeschrieben. Das sind die Wünsche, die Beschlüsse der Harburger Bezirksfraktion, und das ändert überhaupt nichts an der Realität.

(Beifall bei der CDU)

Wissen Sie, was die Wahrheit ist? Die Wahrheit ist, dass der Senat und die Regierungsfraktionen mit nicht belastbaren Zahlen eine Notsituation hochsti

(Senatorin Dr. Dorothee Stapelfeldt)

lisieren wollen. Sie stilisieren eine Notsituation hoch, die Ihnen wahrscheinlich gar nicht so unwillkommen ist, die Sie vielleicht sogar selbst konstruiert haben,

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Eine Unver- schämtheit!)

und zwar, um lästige gesellschaftliche oder rechtliche Regeln umgehen zu können.

(Beifall bei der CDU)

In Notsituationen werden Bürgerbeteiligung und das ordentliche und übliche Baurecht ausgehebelt, und es wird Polizeirecht angewendet.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Das hat die CDU mit beschlossen!)

Herr Tjarks, Sie können sich später noch einmal melden. Jetzt würde ich gern noch einmal Ihre Aufmerksamkeit haben.

Das ist der eigentliche Skandal. Viele Sachen sind schon genannt worden, und ich würde gern das Augenmerk auf die neu zu bebauenden Flächen wenden wollen. Diese neu zu bebauenden Flächen sind bisher größtenteils kein Bauland. Wie die Senatorin angesprochen hat, ist es größentechnisch absolut kein Pappenstiel. Frau Senatorin spricht von einer mittelgroßen Stadt. Es sind 80 Hektar, das ist die vierfache Fläche der Binnenalster, die Sie bebauen wollen. Und die Vergabe – das ist der eigentliche Skandal – soll frei Hand und ohne Ausschreibung erfolgen. 80 Hektar städtische Fläche sollen durch die Behörde an einzelne Begünstigte vergeben werden, ohne dass sich nationale, internationale und Hamburger Investoren an den üblichen Ausschreibungen beteiligen können. Das riecht mir sehr stark nach rotem Filz wie vor 2001.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Alexander Wolf AfD – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Oh, oh!)

Darüber, dass 8 von 10 Flächen Grünflächen sind, ist schon gesprochen worden. Dass sich dort ausgerechnet die GRÜNEN winden und sagen, Menschen – und damit sind wohl eher Flüchtlinge gemeint – seien wertvoller als Frösche, ist schon ein deutlicher Paradigmenwechsel, den man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen muss.

Nichtsdestotrotz gilt es in der jetzigen Situation, kluge Entscheidungen zu treffen. Das Wort klug ist schon gefallen, und nicht klug ist die Errichtung von Großbausiedlungen. Nicht klug ist es, mit diesen Großbausiedlungen die Fehler der Siebzigerjahre zu wiederholen.

(Dirk Kienscherf SPD: Das ist doch ganz was anderes von der Dimension her!)

Die Vergangenheit hat bewiesen, dass Integration so nicht gelingen kann.

(Beifall bei der CDU)

Großbausiedlungen sind einfach nur der schnelle und bequeme Ansatz.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Bequem ist das sicherlich nicht! – Zurufe von der SPD)

Aber die Bevölkerung und auch die Wirtschaft werden hier übers Ohr gehauen – das habe ich eben breit ausgeführt. Andere Städte gehen mit solchen Notsituationen, wie Sie sie nennen, anders um. München, Berlin, Stuttgart, Dresden, Dortmund und Köln sind auch in die Planungen eingestiegen.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN – Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend):

Das Wort hat tatsächlich Frau Stöver,

(Frank Schmitt SPD: Dann soll sie sich auch an die Wahrheit halten!)

und, Herr Schmitt, ich bitte darum, auch wenn Sie über 70 Abgeordnete stellen, den Respekt gegenüber den Rednern aller Fraktionen zu gewährleisten.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der LIN- KEN)

Danke schön. – Die eben von mir genannten Städte sind bereits in die Planungen eingestiegen, aber wesentlich unaufgeregter, als Hamburg es im Moment tut. Das klare Votum ist: keine Wohnbausiedlungen ausschließlich für Flüchtlinge. Die Alternative, den Wohnungsbau massiv und nachhaltig anzukurbeln, bedeutet deutlich mehr Anstrengungen und Bemühungen,

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Wie viele Wider- sprüche in einem Satz waren das denn jetzt?)

bedeutet kleinteiligere und intensivere Planungen, bedeutet Baurecht zu verschlanken und zu beschleunigen, und bedeutet, Flächenpotenziale der Stadt zu nutzen und Grünzüge zu schonen. Aber angesichts der massiven Nachteile solcher Großbausiedlungen lohnen sich diese Anstrengungen.

Um Zeit für die Stadtplanung zu gewinnen, ist schon das Wohnortzuweisungsgesetz angesprochen worden. Das würde tatsächlich Zeit schaffen, um die Stadtplanung voranzutreiben. Das Wohnortzuweisungsgesetz sieht vor, dass Zuwanderer bei Ankunft in Deutschland nach einem festgelegten Verteilerschlüssel auf die Bundesländer verteilt werden. Ziel ist es dann, dass die Zuwanderer nicht mehr vorrangig in die ohnehin schon belaste

ten Gebiete ziehen. Auch der VNW, der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen, bestätigt in seinem Statement, dass ohne Wohnortzuweisungsgesetz nicht nur die Gefahr neuer sozialer Brennpunkte besteht, sondern er verweist auch auf eine steigende Unsicherheit in den Kommunen. Immer mehr Bürgermeister scheuen sich davor, notwendige Investitionsentscheidungen zu treffen, weil sie nicht sicher sind, ob die Flüchtlinge wirklich in ihren Kommunen bleiben.

Herr Dressel hat gesagt, er brauche keine Nachhilfe in Bürgerbeteiligung. Ich glaube, das ist doch notwendig, denn was wir zur Bewältigung dieser gemeinschaftlichen Aufgabe brauchen, ist Solidarität in der Stadt. Wir brauchen den Schulterschluss mit den Bürgern, mit der Wirtschaft und mit den politischen Fraktionen. Bisher hat der Senat im Alleingang gehandelt und die Regierungsfraktionen haben die notwendige Solidarität verhindert. Im Alleingang werden Sie scheitern.

(Beifall bei der CDU)

Der Bürgermeister sollte die Flüchtlingspolitik endlich zur Chefsache machen und ermöglichen, dass wir ein Zusammenwirken aller gesellschaftlichen Kräfte vorbereiten können.

In Hamburg ist Staat nur mit den Hamburgern zu machen, nicht ohne sie und schon gar nicht gegen sie. Ziehen Sie aus Olympia die Lehre und handeln Sie vor allen Dingen mit klaren Planungen, klaren Visionen und Begeisterung für die Sache. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster erhält das Wort Herr Dr. Dressel von der SPD-Fraktion.

(Jörg Hamann CDU: Dürfen die anderen nicht aus Ihrer Fraktion?)

– Die Debatte geht ja noch länger, wer weiß, was noch alles kommt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde es schon ein starkes Stück, dass Frau Stöver eben gesagt hat, wir würden die Lage hochstilisieren und uns das ausdenken – das ist in Wahrheit der Vorwurf –, um irgendwelche Grünflächen plattzumachen.

(Milan Pein SPD: Weil wir filzen! Wer ver- dient denn daran?)

Und der rote Filz war noch die Oberhärte. So etwas angesichts der täglich neuen Flüchtlingszahlen zu sagen – gestern erfuhren wir die Zahlen für November: 4 000 Flüchtlinge bleiben in Hamburg – ist einfach eine bodenlose Unverschämtheit.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vor allem ist es genau das Gegenteil dessen, was Sie uns vor Monaten vorgeworfen haben, nämlich, wir seien überrollt worden, hätten nicht genügend geplant, wo denn die Kapazitäten seien. Das alles haben Sie uns vorgeworfen. Jetzt versuchen wir angesichts der hohen Zahlen ein realistisches Szenario aus diesem Herbst auf die nächsten Monate fortzuschreiben, um vorausschauend zu agieren

(Karin Prien CDU: Sie verfallen in Panik! Das ist das andere Extrem!)