Protocol of the Session on November 25, 2015

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir wollen die Menschen ernst nehmen in ihrer Absicht, tatsächlich ihr Zielland zu erreichen, und das vielleicht auch aus der schlichten Erkenntnis heraus, liebe CDU, dass ungefähr 1 000 Menschen pro Tag ankommen. Wollen Sie täglich 1 000 Menschen registrieren, und wollen Sie täglich 1 000 Menschen in eine öffentliche Unterbringung bringen?

(Jörg Hamann CDU: Nein, wir wollen nur helfen! Wer hat Ihnen die Rede aufgeschrie- ben? Unerträglich! Sie hätten sie mal vorher lesen sollen!)

Denken Sie das einmal bitte zu Ende. Lassen Sie uns also die Details im Ausschuss besprechen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Als Nächste erhält das Wort Karin Prien von der CDUFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Zuruf: Herr Präsident!)

Herr Präsident, Entschuldigung. Ich war noch so eingenommen von der Rede von Frau BlandowSchlegel, dass ich mich einfach nicht konzentrieren konnte.

Ich war deshalb so eingenommen davon, weil ich mir gerade überlegt habe, ob das jetzt die offizielle Verabschiedung der SPD von Dublin III gewesen sein soll. Ich habe das irgendwie nicht ganz verstanden. Das machen Sie offensichtlich bei Bedarf, und darin scheinen Sie sich mit Ihrer Bundesregierung nicht ganz einig zu sein.

(Beifall bei der CDU – Farid Müller GRÜNE: Wovon reden Sie überhaupt?)

Wir erwarten zu Recht von den europäischen Staaten, die sich zwischen der griechischen und der italienischen Grenze und uns befinden, dass sie die Flüchtlinge registrieren. Wir wollen, dass Dublin III durchgesetzt wird. Das erwarten wir von den anderen Staaten, und dann können wir uns nicht wegducken, wenn es uns gerade passt und der Radar uns zu gefährlich erscheint,

(Ksenija Bekeris SPD: Darüber wollen Sie jetzt reden, Frau Prien? Das ist doch voll- kommen an der Situation vorbei!)

sondern das Recht muss angewendet werden.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von Christiane Schneider DIE LINKE)

Wir versuchen es aber doch gerade, es wieder in Kraft zu setzen, Frau Schneider. Wenn man dann an einer Stelle, wo es einem gerade passt, es dann doch nicht macht, dann ist das kein guter Weg.

Das heißt aber nicht, dass wir die humanitäre Situation am Hauptbahnhof verkennen würden. Wir haben nicht umsonst in unserem Antrag die humanitäre Hilfe in den Vordergrund gestellt, das ist der erste Punkt unseres Petitums. Auch wir halten es für dringend erforderlich, dass sich die Situation am Hauptbahnhof verändert, übrigens in allererster Linie wegen der in Hamburg gestrandeten Menschen. Aber auch deshalb, weil der Hauptbahnhof nun einmal das Hauptverkehrskreuz der Bahn in Norddeutschland ist und weil wir einen Hauptbahnhof brauchen, der vernünftig funktioniert, wo die Leute gern ankommen und wieder abreisen. Ich bin heute Mittag absichtlich noch einmal dort gewesen, und die Zustände sind eben nicht so, wie wir sie als Visitenkarte für unsere Stadt gern hätten.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt beide Aspekte, und das ist schwierig. Natürlich ist das eine Gratwanderung.

(Farid Müller GRÜNE: Ihr Antrag nicht!)

Ich nehme an, dass Sie mit "unter dem Radar fliegen" meinen, dass hier eine Lösung gefunden wer

(Hendrikje Blandow-Schlegel)

den muss, die beiden Aspekten gerecht wird. Ja, das muss man, dazu bekenne ich mich ausdrücklich, auch wenn es rechtlich schwierig ist. Was aber nicht geht, ist, dass der Senat sich in dieser Frage aus der Verantwortung zieht.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Joachim Körner AfD)

Und genau das erleben wir seit Monaten am Hauptbahnhof. Da, Frau Schneider, sind wir nicht weit auseinander. Nur damit zu argumentieren, man hätte rechtliche Schwierigkeiten und es würde doch auch ein Bus zur Erstaufnahme fahren, das reicht einfach nicht. Es muss jetzt eine Lösung gefunden werden, und ich bin die Letzte, die sich pragmatischen Lösungen verschließen würde. Es muss ein Weg gefunden werden, der sowohl die Einhaltung des Rechts als auch eine humanitäre Versorgung der Flüchtlinge gewährleistet.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Und das soll die- ser Antrag gewährleisten?)

Ja, das soll dieser Antrag gewährleisten.

Wenn man das als Senat selbst nicht kann, dann muss man trotzdem die Verantwortung übernehmen. Ich freue mich darauf, dass wir dann im Ausschuss über die Einzelheiten einer pragmatischen Lösung miteinander sprechen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächste erhält das Wort Antje Möller von der GRÜNEN Fraktion.

(Zuruf von Jörg Hamann CDU)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Hamann und Herr Lenders, es freut mich, dass ich Ihnen Freude bereite.

Frau Prien, ich würde das gern aufgreifen mit der Visitenkarte. Ich glaube nämlich, wie überall im richtigen Leben gibt es solche und solche Visitenkarten. Der Hamburger Hauptbahnhof ist gerade eine Visitenkarte, und zwar für die Menschen, die hierher kommen, die auf der Durchreise sind, die erschöpft sind, Unterkunft, Beratung und Hilfe brauchen oder einfach nur eine Pause machen wollen. Und auch das ist eine wichtige Visitenkarte, ob man sie gut oder schlecht findet.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Man kann tatsächlich immer noch beide Augen zudrücken, nach dem Motto "Was ich nicht sehen will, das gibt es auch nicht" durch den Hauptbahnhof gehen

(Karin Prien CDU: Genau das machen Sie! Das kritisieren wir!)

und im Übrigen denken, das ist ja mal wieder echt voll hier. Man kann sich aber auch der Realität stellen. Dann kann man annehmen, dass der Hauptbahnhof seit zwei Monaten das ist, was viele andere europäischer Bahnhöfe großer Städte, Hauptstädte oder Grenzstädte und viele Fährhäfen sind: Ein Ort der Hoffnung, an dem Menschen ankommen, pausieren, weiterziehen oder bleiben. Mailand oder Rom kennen diesen Zustand seit Jahren. Wir zum Glück nicht; bisher war die Situation anders. Aber Hamburg ist für Norddeutschland nun einmal hier und heute genau in dieser Funktion.

Das einzige, was in dieser Hinsicht zurzeit die Visitenkarte von Hamburg sein kann, aber auch sein muss, ist die notwendige humanitäre Unterstützung, die diese Menschen brauchen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Genau das meine ich mit der Realität. Die Frage, wie es weitergeht mit Dublin III, oder die Frage, wie es weitergeht mit europäischen Kontingenten, die Frage, wie es weitergeht mit der Registrierung, mit der Entwicklung in Syrien oder der Entwicklung auf der sogenannten Balkanroute und so weiter – das alles sind wichtige Themen, die wir immer wieder angehen und begreifen müssen. Das können wir im Ausschuss auch tun.

DIE LINKE hat die Frage, um die es heute geht, sehr politisch und sehr deutlich vorgetragen. Die Kollegin von der SPD hat es schon gesagt; auch die GRÜNEN sprechen durchaus mit den Menschen, sie sind vor Ort, sie helfen vor Ort. Das wissen Sie genau, liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN. Auch unterschiedliche Abgeordnete von uns verbringen ihre Nächte dort und unterstützen die ankommenden Menschen. Deswegen sehe ich hier eigentlich nicht den großen Konflikt. Ich erhoffe mir nur Einigkeit in Bezug auf diese eine große Frage: Aus humanitären Gründen muss Hilfe her, und es muss mehr Hilfe her und wahrscheinlich auch in anderer Form, als sie bisher geleistet wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb gehe ich aber noch lange nicht mit allen Punkten mit, die DIE LINKE in ihrem Antrag formuliert hat.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Nein, das ist ja auch klar!)

In dem Antrag, den Sie heute von den Fraktionen der SPD und der GRÜNEN – kurzfristig, das gebe ich zu – vorgelegt bekommen haben, geht es uns vor allem um fünf Punkte.

Wir wollen sicherstellen, dass diejenigen, die hier bleiben wollen, die registriert werden wollen, die zum Beispiel Verwandte hier haben und deswegen Hamburg als Ziel hatten, auch aufgenommen werden können, ohne dass die Ehrenamtlichen sie

(Karin Prien)

den Weg Richtung Zentrale Erstaufnahme in der Poststraße begleiten müssen, was in vielen Fällen geschehen ist, unter Inkaufnahme der Selbstbezahlung der Fahrkarten und so weiter. Das wollen wir nicht mehr. Das ist inzwischen auch schon gewährleistet, und das, finde ich, ist ein gutes und wichtiges Signal gewesen für die Menschen, die hier bleiben wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ein anderer Punkt ist der zunächst langsam, aber nun tatsächlich gut in Gang gekommene und gut laufende Gesprächskreis; Frau Blandow-Schlegel hat eben schon auf den Runden Tisch hingewiesen.

Ein weiterer Punkt ist – und darüber können Sie sich freuen oder es kritisch sehen – eine Fortsetzung dieses Themas im Rahmen des Forums Flüchtlingshilfe. Dort werden viele dieser Fragen, etwa ob man Versicherungen für Ehrenamtliche abschließen kann oder wie wir mit Dolmetschern durch die Stadt unterstützen können, sicherlich geklärt werden.