Protocol of the Session on November 25, 2015

Ein weiterer Punkt ist – und darüber können Sie sich freuen oder es kritisch sehen – eine Fortsetzung dieses Themas im Rahmen des Forums Flüchtlingshilfe. Dort werden viele dieser Fragen, etwa ob man Versicherungen für Ehrenamtliche abschließen kann oder wie wir mit Dolmetschern durch die Stadt unterstützen können, sicherlich geklärt werden.

Der Punkt Suche nach geeigneten Räumlichkeiten ist aus unserer Sicht längst noch nicht geklärt. Es dauert zu lange. Die Unterkünfte, die angeboten werden, können nicht jede Nacht wieder belegt werden. Hier braucht es andere Regelungen, und auch hier unterstützt die Stadt. Das wissen diejenigen, die vor Ort arbeiten und ehrenamtlich tätig sind. Trotzdem gibt es weiterhin viel Kritik. Das ist auch in Ordnung, nachsteuern muss man immer, und das werden wir auch tun.

Es wird auch von uns Fraktionen immer wieder den Hinweis an die beteiligten Behörden geben, dass sie hier oder da etwas mehr tun und nachsteuern müssen. Das bedeutet noch lange nicht, dass wir den Weg gehen wollen, den Rostock oder Kiel gegangen sind, darüber wurde eben gesprochen. So wird es nicht gehen, aber das Nachsteuern findet statt.

Der fünfte wichtige Punkt – es mag nicht alle interessieren, ist aber aus unserer Sicht wichtig – ist die medizinische Versorgung vor Ort. Wir hatten lange Zeit einen Zustand, den man nur sehr schwer ertragen konnte. Die Situation hat sich verbessert, die medizinische Versorgung ist, bis auf einzelne Nächte, wo es dann doch wieder nicht geklappt hat, kontinuierlich gewährleistet. Das ist die dritte Behörde im Boot, und auch diese wird weiterhin nachsteuern, sich in diesen Prozess hineinbegeben und schlicht mit Blick auf die humanitäre Situation der Menschen, die dort im Transit auf der Durchreise ankommen, helfen – so viel, wie nötig ist, und so kontinuierlich, wie nötig ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dr. Andre- as Dressel SPD)

Ich will ein Beispiel für etwas nennen, über das sich viel streiten lässt. Es ist ein banales Beispiel, aber Sie haben es angeführt und es wird auch an anderer Stelle immer wieder angeführt. Muss man sich wirklich um den Ort und die genaue Beschreibung eines Toilettencontainers, der aufzustellen ist, streiten? Ich glaube nicht. Es gibt dort öffentliche Toiletten. Die Frage ist eine der Zugänglichkeit, der Sauberkeit und inwieweit diese Toiletten für alle nutzbar sind. Das wäre eher mein Zugang zu diesem Thema, aber dazu dann mehr im Ausschuss.

Eine ganz andere Frage ist, wie die Umverteilung von hier registrierten Flüchtlingen tatsächlich praktisch umgesetzt wird. Auch dazu ist Kritik bei uns angekommen. Es gibt sehr klare Äußerungen von einer Gruppe von Ehrenamtlichen, die sagen, wir machen das nicht mehr mit. Ich würde gern noch einmal mit einem anderen Blickwinkel darauf schauen. Die ursprüngliche Verteilungslogik ist, dass Menschen, die von hier zum Beispiel nach Braunschweig, Chemnitz oder Leipzig umverteilt werden sollen, den Weg selbst antreten. Menschen, die das nicht können – aus gesundheitlichen Gründen, weil es Familien mit kleinen Kindern sind, und so weiter –, ist das bisher nicht zugemutet worden. Jetzt reden wir in der Flüchtlingspolitik und bei der Umverteilung aber über ganz andere Zahlen, und darum ist es auch hier notwendig, mit einem anderen Blick auf die Situation zu schauen. Die Behörde kümmert sich immer wieder um besonders problematische Fälle. Wenn einem ein schwieriger Fall bekannt wird, ist es sicherlich der bessere Weg, auf die Behörde zuzugehen und zu sagen, diese Familie oder diese Gruppe von Menschen sollte nicht allein auf den Weg geschickt werden, anstatt selbst Begleitung zu organisieren, was man dann vor Wut oder Überforderung wieder aufgibt. Das finde ich kein kluges Signal. Aber ich hoffe, dass wir auch darüber ins Gespräch kommen, die Behörden, die Ehrenamtlichen und wir gern mit dabei, um dieses Problem angehen zu können. Das ist nicht nur ein Thema am Hauptbahnhof, sondern das gilt für das ganze Umverteilungsverfahren.

(Beifall bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Wir sehen uns dazu im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort erhält jetzt Jennyfer Dutschke von der FDP-Fraktion.

Der Vortrag meiner Vorrednerin war wieder ein deutliches Signal dafür, dass die GRÜNEN in Regierungsverantwortung ein Totalausfall sind.

(Antje Möller)

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von den GRÜNEN: Oh, oh! – Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Frau Dutschke, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder eine Zwischenbemerkung der Abgeordneten Müller?

(Zurufe von der SPD: Doch!)

Dann fahren Sie bitte fort.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Temperaturen liegen inzwischen auch tagsüber im einstelligen Bereich, und ungefähr 1 000 Flüchtlinge campieren jede Nacht in den Zelten, die Freiwillige provisorisch am Hauptbahnhof aufgebaut haben. Den Hilfsorganisationen und dem ehrenamtlichen Engagement vieler Hamburgerinnen und Hamburger am Hauptbahnhof und in der ganzen Stadt gilt unser aller Dank für ihren selbstlosen Einsatz.

Ich freue mich, dass die Kollegen alle wieder wach geworden sind und meinem Vortrag so interessiert lauschen.

(Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Die Kollegen sind aber leider auch ein bisschen laut geworden. Das Wort hat Frau Dutschke.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielerorts wäre die Flüchtlingshilfe ohne Ehrenamtliche gar nicht mehr möglich. Wo Hauptamtliche an ihre Grenzen kommen, Personal und professionelle Strukturen fehlen, leisten viele Hamburgerinnen und Hamburger wichtige Unterstützung.

Anders ist die Situation am Hauptbahnhof, wo die Ehrenamtlichen weitestgehend sich selbst überlassen sind.

(Hendrikje Blandow-Schlegel SPD: Stimmt doch gar nicht!)

Wie Sie die Situation blumig schönreden, verärgert mich wirklich.

(Ksenija Bekeris SPD: Ach, Frau Dutschke! Waren Sie schon einmal da?)

Während die durchreisenden Flüchtlinge im Bahnhof campieren und Ehrenamtliche bis zur Erschöpfung die notwendigste Versorgung leisten, schaut der Senat einfach weg. Die humanitäre Situation ist ein Armutszeugnis für diese Stadt. Der Haupt

bahnhof wandelt sich zu einem Umschlagbahnhof für Flüchtlinge. Die bloße Weiterleitung von unregistrierten Personen ohne aufenthaltsrechtliche Kontrolle ist mit dem Rechtsstaat nicht mehr vereinbar.

(Beifall bei der FDP – Ksenija Bekeris SPD: Frau Dutschke, das ist wirklich ganz schön frech, was Sie hier machen!)

Wir müssen zurück zu rechtsstaatlichen Prozessen und aus der unkoordinierten illegalen Ein- und Weiterreise hin zu geordneten Strukturen. Wir Freien Demokraten fordern die unverzügliche Registrierung der Flüchtlinge, die zu uns kommen. Es kann nicht angehen, dass niemand weiß, wer sich bei uns aufhält.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Es ist nicht hinnehmbar, dass Hunderte Flüchtlinge nach eigenem Gusto entscheiden, ob und wo sie sich registrieren lassen. Es ist inakzeptabel, dass Hunderte Flüchtlinge sich bewusst nicht registrieren lassen, weil Hamburg auf ihrem Weg nach Norden nur eine Zwischenstation darstellt, und der Senat sie dafür dankend zum nächsten Zug in Richtung Skandinavien begleiten lässt. Es ist inakzeptabel, dass Hunderte Flüchtlinge mit einem ungeklärten Gesundheitszustand auf einem der höchstfrequentierten Bahnhöfe der Bundesrepublik ohne hinreichende medizinische Versorgung verbleiben.

(Beifall bei der FDP und bei Karin Prien CDU und Detlef Ehlebracht AfD)

Es ist zum Glück noch nichts Schlimmeres passiert. Es ist erstaunlich, dass größere Rettungseinsätze wie zu Beginn dieses Monats bislang eher die Ausnahme darstellten. Und auch wenn es sich bei diesem Einsatz lediglich um Fieber und Durchfall handelte, zeigt doch der TBC-Alarm am Hauptbahnhof im September, dass es auch anders kommen könnte. Der rot-grüne Senat ist in der Pflicht, endlich zu handeln.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Farid Müller GRÜNE: Ganz gewiss nicht so, wie Sie das wollen!)

Sehen Sie zu, dass Sie wieder zu rechtsstaatlichen Verfahren zurückfinden. Tragen Sie endlich Sorge dafür, dass auch die durchreisenden Flüchtlinge am Hauptbahnhof registriert werden. Übernehmen Sie endlich Verantwortung und stellen Sie die humanitäre und vor allem die gesundheitliche Erstversorgung der Transitflüchtlinge sicher. Organisieren Sie die Verpflegung der Schutzsuchenden und sorgen Sie für ausreichende Hygienemaßnahmen. Zeigen Sie endlich Flagge am Hauptbahnhof und übernehmen Sie die Koordination, wo es notwendig ist. Unterstützen Sie die Ehrenamtlichen, und kommen Sie Ihren Pflichten nach. Handeln Sie endlich, und sichern Sie die Funktionsfähigkeit des

Hauptbahnhofs durch vernünftige Ausweichquartiere.

(Zurufe von der SPD)

Es ist unverständlich und es ist unverantwortlich, dass der rot-grüne Senat seit Monaten die Augen verschließt und dass seit Monaten nichts passiert.

Die Links-Fraktion hat mit dieser Debattenanmeldung hoffentlich endlich auch den Senat wachgerüttelt. Wir teilen die Auffassung, dass die Zustände am Hauptbahnhof nicht tragbar sind.

(Sylvia Wowretzko SPD: Aber Sie kommen zu einem anderen Schluss!)

Zwangsmaßnahmen und Beschlagnahmung, wie sie der Antrag fordert, sind aber mit Sicherheit nicht der richtige Weg, und deshalb lehnen wir die Petita auch weitestgehend ab. Aber eine Verbesserung der Zustände am Hauptbahnhof ist dringend erforderlich. Wir unterstützen daher das Überweisungsbegehren an den Sozialausschuss, damit wir dort hoffentlich eine tragfähige Lösung für diese unsägliche Situation finden.

(Ksenija Bekeris SPD: Na, Sie haben Ihre Lösung ja schon gesagt!)

Abhilfe wird durch den rot-grünen Zusatzantrag nicht geschaffen. Er stellt wieder einmal ein substanzloses Produkt blinden Reaktionismus dar. Abstrakte Absichtsbekundungen reichen in dieser Situation wirklich nicht mehr aus. Nach tagelanger Vorankündigung des Antrags und dann doch sehr kurzfristiger Versendung habe ich etwas Gehaltvolleres erwartet als ein paar Sätze im Pflichtübungsmodus. Der Vortrag von Rot-Grün ist wirklich bescheiden, und es ist ein Armutszeugnis, dass Sie sich mit Hausrechtsentschuldigungen aus der Affäre ziehen wollen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der CDU und bei Detlef Ehlebracht AfD)

Als Nächstes erhält das Wort Herr Dr. Baumann von der AfD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu später Stunde schlagen die Emotionen noch einmal hohe Wellen; es ist dem Thema angemessen. Während wir hier warm und trocken sitzen, sind Tausende Flüchtlinge unterwegs. Sie stehen vor Grenzen, an Bahnhöfen oder anderswo, und an der ganzen Sache ist die deutsche Politik nicht ganz unschuldig, auch wenn diese Flüchtlinge vom Ausgangspunkt her Bürgerkriegsflüchtlinge waren. Deswegen ziemt es sich, diesem Thema noch einmal alle Aufmerksamkeit zu widmen, von den konkreten Details ein wenig Abstand zu gewinnen, noch einmal einen Schritt zurückzutreten und darauf zu schauen, was aktuell passiert und auf das, was gerade am Hauptbahn

hof vor sich geht, maßgeblichen Einfluss hat. Schauen wir auf die entscheidende Stellschraube, die wir irgendwann in vernünftiger Weise betätigen müssen, um den Hauptbahnhof zu entlasten und alle anderen Problemfälle anzugehen, die wir haben, von Rissen über Neugraben und Klein Borstel bis hin zu dem, was auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt, in den Schulen und Kitas auf uns zukommen wird.

Ich weiß nicht, ob Sie gestern in den Nachrichten die neuesten Zahlen gesehen haben. In den ersten drei Wochen im November kamen 180 000 Flüchtlinge – nur in den ersten drei Wochen, und das sind nur die registrierten.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Alle am Hauptbahnhof?)