Protocol of the Session on October 1, 2015

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Bei der FDP habe ich nach dem Beitrag von Frau Dutschke die Hoffnung verloren, denn irgendein Lernfortschritt gegenüber gestern ist nicht feststellbar, bei der CDU aber schon. Deshalb schlage ich der CDU Folgendes vor: Da wir gemeinsam in Berlin für die Rahmenbedingungen Verantwortung tragen, müssen Sie Ihre Position, die Sie hier und in den Stadtteilen einnehmen, überdenken. Das ist meine Aufforderung an Sie.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Nach dem, was der Innensenator eben gesagt hat und was Sie gesagt haben, kann ich nur sagen: Ich weiß dieses Gesetz bei diesem Senat und diesem Senator in sehr guten Händen. Sie werden alles dafür tun, damit wir Massenobdachlosigkeit in diesem Winter vermeiden können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Frau Özdemir von der Fraktion DIE LINKE, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Noch einmal an die FDP und die CDU, weil ich sprachlos

(André Trepoll CDU: Schön wär's!)

und fassungslos bin angesichts dessen, wie Sie sich verhalten und welche Position Sie beziehen: Wir sind uns einig, dass das Prozedere nicht in Ordnung war und ist. Aber wir stehen vor einer Situation, in der sofort gehandelt werden muss, wie

uns die vergangenen zwei Tage und Nächte noch einmal deutlich gemacht haben. Dass Sie sich gegen das Gesetz stellen und dazu beitragen, dass es viel später beschlossen wird, halte ich einfach für unverantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Sie argumentieren immer damit, dass Sie sich überrumpelt fühlen. Wir fühlen uns auch überrumpelt, doch das passiert in dieser Zeit eben. Aber, Herr Kruse, packen Sie doch Ihre Eitelkeit einmal zur Seite, und denken Sie an die momentane Situation, an die hochschwangeren Frauen, an die Kinder, die zwei Nächte lang draußen auf der Straße bleiben mussten bei dieser Kälte.

(Michael Kruse FDP: Weil der Senat es nicht gebacken bekommt! – Gegenruf von Dr. An- dreas Dressel SPD: Ach so, ja, du Schlau- meier!)

Herr Kruse, wir finden auch, dass man frühzeitiger hätte reagieren müssen. Wir finden zum Beispiel auch, dass vor zwei Tagen, als die Flüchtlinge in der Nacht vor der Erstaufnahmestelle standen und froren, die knapp 100 Wohnungen der SAGA GWG in der Denickestraße hätten geöffnet werden können. Es ist nicht passiert. Das wäre eine Möglichkeit gewesen, um schnell zu reagieren.

Aber den Tennisclub aufzubrechen und die Flüchtlinge dort unterzubringen war eine richtige Entscheidung.

(Karin Prien CDU: Die sind da doch gar nicht untergebracht! – Gegenruf von Dr. Andreas Dressel SPD: Die Halle wird trotzdem ge- braucht in den nächsten Tagen! – Gegenruf von André Trepoll CDU: Sie gehört euch doch schon!)

Sie werden gebraucht, ob das Gesetz nun da ist oder nicht.

(Karin Prien CDU: Egal!)

Nein, das ist nicht egal, Frau Prien. Sie argumentieren hier immer mit der Rechtsordnung, aber es gibt Tausende von Menschen in der Stadt, die nicht nur an die Rechtsordnung, sondern auch an die Menschlichkeit glauben und deshalb aktiv sind.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Den Leerstand zu nutzen ist auch eine Forderung der Zivilgesellschaft, wie wir in den sozialen Medien, von Gesprächen mit den Initiativen und den unterschiedlichsten Mitbürgerinnen und Mitbürgern erfahren, die aktiv sind, die Tag und Nacht aktiv sind. Sie schenken Tee aus und kümmern sich um die Menschen. Ich finde, es ist ein richtiger Schritt, diesen Menschen Gehör zu verschaffen und diese Forderungen umzusetzen. Es geht nicht nur um die Menschen, mit denen Sie reden, die vielleicht kaum Berührung mit den Flüchtlingen haben, son

(Dr. Andreas Dressel)

dern auch um diejenigen und ihre Forderungen, die aktiv daran beteiligt sind, die Flüchtlinge so gut wie möglich aufzunehmen und zu versorgen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich bitte Sie, sich noch einmal Gedanken darüber zu machen und auch darüber nachzudenken, dass es neben der Rechtsordnung, die jetzt verändert wird, durch Sie jedoch gestern nicht verändert werden konnte und dadurch nicht schneller reagiert werden konnte, auch das Thema Menschlichkeit gibt. Machen Sie sich bitte darüber Gedanken, und geben Sie sich vielleicht einen Ruck vor dem Hintergrund der Situation, in der wir uns gerade befinden.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Herr Dr. Tjarks von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Diese Debatte in der Aktuellen Stunde hat einen so nicht vorhersehbaren Verlauf genommen. Ich bin ein bisschen erschrocken über das, was wir gestern in der Sache diskutiert haben, ebenso angesichts der Ereignisse, die sich heute Nacht zugetragen haben. Ich glaube von daher nicht, dass alle Leute wirklich verstehen, was gerade wichtig in dieser Stadt ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte Sie fragen, was Sie denn gemacht hätten, liebe CDU? Wir haben eine Situation, in der mehrere Hunderte Menschen auf der Straße sind. Es gibt, wie der Senator zu Recht ausgeführt hat, ein Grundstück im städtischen Eigentum. Man war sich mit demjenigen, der die Tennishalle gebaut hat, handelseinig, aber er war in dieser Situation nicht erreichbar.

(André Trepoll CDU: Das haben wir alles schon gehört!)

Was hätten Sie denn getan?

(André Trepoll CDU: Ich hätte den Be- zirksamtsleiter eher angerufen?)

Hätten Sie die Leute in der Obdachlosigkeit gelassen? Diese Frage müssen Sie auch einmal beantworten, Herr Trepoll. Das tun Sie jedoch nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – André Trepoll CDU: Warum hat er den Bezirksamtsleiter nicht eher angerufen? – Gegenruf von Dr. Andreas Dressel SPD: Weil wir beides brauchen!)

Ich habe gestern versucht, das Thema nicht so emotional zu behandeln. Ich habe das eben auch im Ältestenrat versucht. Ich habe keine Schwierig

keiten damit, dass Rot-Grün einen Flüchtlingskoordinator einsetzen soll, das können Sie alles fordern, das möchte ich auch nicht kritisieren.

Aber in ganz Deutschland gibt es Zahlen von Flüchtlingen und Unterbringungsbedarfe. Ich habe es gestern gesagt, wir werden im September in Hamburg 9 000 Menschen gehabt haben, die hier registriert wurden. Wir müssen 2 700 Menschen ein Obdach verschaffen. Das sind Zahlen, die nicht seit Monaten stabil sind, sondern die dramatisch nach oben ansteigen.

(André Trepoll CDU: Was tun Sie, damit der Zustrom nicht so weitergeht?)

Mit dieser Situation müssen wir umgehen. Aber das Einzige, was ich höre, ist, dass wir alles, was wir machen, nicht richtig machen. Sie bieten keine einzige Alternative dazu an. Sie nennen nicht eine Fläche, die man benutzen kann, und jede Unterbringung solle auch noch kleiner werden. Das geht so nicht auf die Dauer.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Cansu Özdemir DIE LINKE – André Trepoll CDU: Herr Tjarks, streichen Sie Ihren Fahr- radkoordinator!)

Herr Trepoll, quasseln Sie nicht die ganze Zeit dazwischen, auch Herr Kruse. Sie können sich doch gleich melden, dann darf ich auch nicht mehr antworten, dann können Sie gern darlegen, was Sie tun wollen.

Wir sind doch in einer Situation, die davon gekennzeichnet ist, dass wir jeden Tag zusehen müssen, wie wir die Leute unterbringen. Wenn man mich fragt, ob Menschen auf der Straße schlafen müssen, dann muss ich die Entscheidung vertreten, die Herr Neumann vertreten hat. Ich würde mich ganz genauso entscheiden, denn es war genau die richtige Entscheidung in dieser Situation.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Aufgrund der Situation in der vergangenen Nacht hätte ich mir gewünscht – man kann auch Kritik am Verfahren bei diesem Gesetz äußern, man kann an der Stelle verschiedene Sachen diskutieren –, dass man hier in der Debatte emotional anders hätte auftreten sollen und vielleicht zugibt, dass man gestern die zweite Lesung nicht hätte verweigern sollen.

(Karin Prien CDU: Bitte?)

Das wäre vielleicht ein guter Schritt gewesen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Natürlich ist die Situation schwierig, natürlich machen wir auch Fehler. Aber ich glaube, so, wie Sie hier auftreten, kann man Ihnen diese Stadt nicht anvertrauen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

(Cansu Özdemir)