Protocol of the Session on September 16, 2015

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die aktuellen Planungen zur Schließung des Freibads Ohlsdorf sind ein weiterer Beleg dafür, dass dieser Senat absolut keinen Wert auf Partizipation und Mitgestaltung durch seine Bürgerinnen und Bürger legt.

(Beifall bei der LINKEN)

2009 hat sich eine überwältigende Mehrheit von 84,5 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in einem Bürgerentscheid gegen den Wohnungsbau auf einem Teilstück des Schwimmbads Ohlsdorf und für den Erhalt des Freibads ausgesprochen. Nun beabsichtigen Bäderland und der Senat, genau das umzusetzen, was die Bürgerinnen und Bürger in einem direktdemokratischen Verfahren mit überwältigender Mehrheit abgelehnt haben. Statt den Bürgerwillen ernst zu nehmen und eine ergebnisoffene Planung mit breiter Beteiligung zu initiieren, wird mit einer Senatsanweisung nach Gutsherrenart über die Köpfe der Menschen hinweg entschieden. Diese kalte Evokation ist höchst undemokratisch, setzt sich über den Bürgerwillen hinweg und missachtet den Bürgerentscheid von 2009 aufs Gröbste.

(Beifall bei der LINKEN)

Es war in der letzten Regierungszeit von Bürgermeister Olaf Scholz ein undemokratischer Brauch, dass umstrittene Bauvorhaben ohne echte Bürgerbeteiligung durchgepeitscht wurden. Es zeichnet sich ab, dass sich auch mit den GRÜNEN in der Regierung, die sich in Oppositionszeiten Bürgerbeteiligung ganz groß auf die Fahne schreiben, diese Arroganz der Macht fortsetzt.

(Zurufe von den GRÜNEN: Oh!)

Nach der Erteilung der Baugenehmigung für die höchst umstrittene Bürobebauung auf dem Gelände des Zeise-Parkplatzes, ohne dass das Bezirksparlament und die Bürgerinitiative beteiligt wurden, wird nun auch im Falle des Freibads Ohlsdorf das Bezirksparlament Hamburg-Nord bevormundet und ergebnisoffene Bürgerbeteiligung verhindert.

(Beifall bei der LINKEN)

(Erster Vizepräsident Dietrich Wersich)

Die Wahlergebnisse sind auf Seite 872 f zu finden.

Am schädlichsten für die demokratische Kultur in unserer Stadt aber ist, dass Sie sich über den demokratisch legitimierten Bürgerwillen hinwegsetzen. Ihr Verhalten befördert die Parteienverdrossenheit in unserer Stadt und führt dazu, dass Menschen sich frustriert von der Politik abwenden.

(Beifall bei der LINKEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Die Bäderland Hamburg GmbH plant zur Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen, einen erheblichen Teil der Freiflächen an einen privaten Investor für Wohnungsbau zu verkaufen. Darüber gibt es im Bezirk Hamburg-Nord verständlicherweise großen Unmut bei den Bürgerinnen und Bürgern. Wenn der Charakter des Bads erhalten bleiben soll, sind jedoch alle bisherigen Flächen für die Freibadnutzung erforderlich. Eine Verbesserung der ganzjährigen Nutzung, günstige Eintrittspreise auf dem bisherigen Niveau und ein hoher Freiflächenanteil sind wichtige Eckpunkte für ein erfolgreiches Konzept.

(Beifall bei der LINKEN)

"Eine Bebauung oder anderweitige mit dem Badebetrieb konkurrierende Nutzung auf dem bisherigen Freibadgelände sind damit unvereinbar."

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, vielleicht haben Sie bemerkt: Auch wenn ich hinter diesen Ausführungen stehe, sind das nicht meine Worte gewesen. Ich habe eben den Wortlaut Ihres Antrags aus 2009 vorgelesen. Wenn Parteien in der Opposition Forderungen aufstellen und in der Regierung das Gegenteil praktizieren, dann führt das zu Parteienverdrossenheit und beschädigt das Vertrauen der Bevölkerung in die Parlamente.

(Beifall bei der LINKEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Ich bin sehr gespannt, wie Sie gleich der interessierten Öffentlichkeit Ihren Sinneswandel begründen wollen.

Das Freibad Ohlsdorf ist als ein Naherholungsgebiet, als Freizeitstätte und Sportstätte ein wesentlicher Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge im Bezirk Hamburg-Nord. Es leistet als zentrale Anlaufstelle einen wichtigen Beitrag für die soziale und kulturelle Integration der Bürgerinnen und Bürger. Für viele Familien mit Kindern und für Jugendliche, die sich keinen Urlaub an der See leisten können, ist ein Besuch im Freibad ein Urlaubsersatz. Es kommen jedes Jahr Tausende von jungen Familien, mitunter auch viele Flüchtlingsfamilien, in unsere Stadt. Auch diese Menschen haben großen Bedarf an niedrigschwelligen Freizeitangeboten. Das wird in naher Zukunft die Besucherzahlen steigen lassen.

In den vergangenen 25 Jahren wurden bereits das Freibad Lattenkamp, das Bille-Bad, das Stadion

bad und das Dulsbergbad geschlossen. Alle diese Freibäder hatten ein Schwimmerund Nichtschwimmerbecken, Sprungtürme, Rutschen, Planschbecken und ausreichend Platz zum Spielen. Es wäre sozialpolitisch unverantwortlich, wenn nun auch das Freibad Ohlsdorf geschlossen und das ohnehin geringe Angebot an Freibädern in unserer Stadt weiter reduziert werden würde. Deshalb: Verzichten Sie auf den Verkauf der Teilfläche, und setzen Sie sich für den Erhalt des Freibads mit den Sprungtürmen ein, um die Freizeitmöglichkeiten für unsere Kinder, Jugendlichen und Familien zu erhalten.

(Beifall bei der LINKEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Die regierenden Fraktionen betonen immer wieder, dass sie im Rahmen der Olympia-Bewerbung nicht nur den Elitesport, sondern auch den Breitensport fördern werden. Die Stadt Hamburg heißt neuerdings Sportstadt Hamburg. Die DLRG hat vergangenes Jahr bekannt gegeben, dass über 10 Prozent weniger Kinder schwimmen können als noch 1980.

(Dorothee Martin SPD: Deswegen machen wir das doch!)

Das Freibad Ohlsdorf mit zwei 50-Meter-Becken für Schwimmer und Nichtschwimmer bietet als ergänzendes Angebot zu den Hallenbädern gute Voraussetzungen für das Erlernen des Schwimmens an warmen Sommertagen. Gerade angesichts der wachsenden Anzahl von Kindern, die nicht schwimmen können, sind die Pläne des Senats absolut kontraproduktiv.

(Beifall bei der LINKEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Entziehen Sie daher den Kindern nicht die Möglichkeit, wichtige Schwimmgrundlagen zu erwerben. Beweisen Sie den Hamburgerinnen und Hamburgern, dass Sie es ernst meinen mit Ihrer Absichtserklärung, den Breitensport zu fördern, denn sonst machen Sie sich unglaubwürdig.

Klar ist, dass sich sowohl das Freibad als auch das Hallenbad durch die jahrelang unterlassene Sanierung in einem maroden Zustand befinden und ein Neubau erforderlich ist. Darüber herrscht Konsens. Die Bürgerinitiative hat in Gesprächen mit der Bäderland Hamburg GmbH immer wieder die Bereitschaft signalisiert, auch schmerzhafte Kompromisse in Kauf zu nehmen, um eine Finanzierung der Neubauten zu ermöglichen.

(Dorothee Martin SPD: Wo denn? – Dirk Kienscherf SPD: Welche denn?)

Aber es darf nicht sein, dass Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge nach dem zu erwirtschaftenden Profit beurteilt werden. Es wäre genauso inakzeptabel, Bücherhallen, Sportplätze

oder Bildungseinrichtungen zu schließen, weil sie keinen Profit erwirtschaften.

(Dirk Kienscherf SPD: Die machen doch Verluste, Bäderland!)

Die leichtfertige Veräußerung öffentlicher Grundstücke zulasten eines vielseitigen qualitativen Freizeitangebots ist nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Ausspielen von verschiedenen sozialen Bedarfen gegeneinander, also in diesem Fall Wohnungsbau gegen Freizeit- und Sportstätten, ist inakzeptabel und unsäglich. Wenn die Stadt in der Lage ist, die Bewerbungskosten für die Olympischen Spiele mit mindestens 30 Millionen Euro zu finanzieren, wobei sich dieses Geld am Ende wohlmöglich in Luft auflösen wird, dann kann sie auch den Neubau sowohl des Hallenbads als auch des Freibads ohne Grundstücksverkauf stemmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Freibad Ohlsdorf gehört zur öffentlichen Daseinsvorsorge und muss erhalten bleiben. Respektieren Sie den Bürgerwillen, und sichern Sie den Erhalt des Freibads Ohlsdorf. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Das Wort erhält als Nächste Dorothee Martin von der SPDFraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Stadtteil Ohlsdorf bekommt ein neues Schwimmbad. Das über 30 Jahre alte und bei Weitem nicht mehr zeitgemäße Bad wird zu einem modernen Schwimmbad für Freizeit-, Schul- und Sportvereinsnutzung umgebaut. Es wird neugebaut und damit langfristig am Standort gehalten und gesichert. Das ist eine gute Nachricht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das, Herr Celik, ist genau das Ziel, an dem wir alle lange gearbeitet haben, schon weit vor 2009. Sie können es sich vielleicht nicht vorstellen, darum lade ich Sie ein, kommen Sie einmal mit mir auf den Fuhlsbüttler Markt, nahe am Schwimmbad gelegen. Oder wir stellen uns gemeinsam vor das Schwimmbad Ohlsdorf und zeigen dort die Pläne. Sie werden sehen, die Menschen sind begeistert. Die Menschen fragen: Wann ist es endlich so weit? Wann wird das umgesetzt?

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Im Zuge des Schwimmbadneubaus entstehen zudem durch den Verkauf eines sehr moderaten Teilstücks der wirklich großen Fläche 120 Wohnungen im bekannten Drittelmix, die wir weiterhin dringend benötigen. Auch das ist eine gute Nachricht für ganz Hamburg.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Eigentlich dachten wir bislang, dass Wohnungsbau auch im Interesse der Links-Fraktion ist.

Meine Damen und Herren! Wir als SPD wollen, dass Hamburgs Schwimmbäder von Bäderland weiterhin als attraktive Sport- und Freizeitstätten erhalten, saniert oder auch modernisiert werden. Wir erwarten aber auch, dass diese Konzepte nachhaltig und wirtschaftlich sind. Die Bäderland Hamburg GmbH hat in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich gewirtschaftet, ihr Defizit verringert und steht im Vergleich zu anderen Bädergesellschaften in Deutschland sehr gut da.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Die Mitfinanzierung des Schwimmbadneubaus über einen Teilverkauf des Freibadgeländes ist unverzichtbar – ich sage es noch einmal: unverzichtbar –, um die Belastung der öffentlichen Haushalte zu begrenzen. Genau darum geht es.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Verehrte Kollegen der LINKEN! Wer vor dem Hintergrund der Schuldenbremse weiterhin einfach laut nach der Komplettfinanzierung aus dem großen Topf des Finanzsenators schreit, der hat die Realität noch nicht verstanden