Protocol of the Session on September 16, 2015

Ich finde, Sie müssen ein bisschen mehr handeln. Wir haben in Hamburg bisher nicht einmal den Tag des Radfahrens. Wie wäre es denn, wenn der Senat, die Senatorinnen und Senatoren, Wege auch einmal mit dem Fahrrad zurücklegen würden?

(Dirk Kienscherf SPD: Wir sind nicht im Osten!)

Herr Kienscherf, Sie wohnen im Hamburger Osten, ich weiß.

Wie wäre es denn, wenn Sie sich dafür einsetzen würden, dass mehr Rad gefahren wird? Schauen wir doch einmal in den Rathausrandbereich, wie viele Autos dort stehen und wie viele Fahrräder dort stehen. Es gibt immer weniger Platz, aber die CDU ist noch nicht einmal in der Lage, zu sagen:

Leute, wir haben alle eine HVV-Jahreskarte, wir opfern einen Autostellplatz für die Radfahrenden. Nein, darum wird gekämpft bis zum … – Ich sage nicht, bis was.

(André Trepoll CDU: Warum dürfen die Men- schen das denn nicht selbst entscheiden? – Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Was darf man noch selbst entscheiden?)

Ich entscheide, ich würde gern einen Fahrradparkplatz haben auf Ihrem Parkplatz.

Die Menschen entscheiden das ja, Herr Trepoll. Sie sehen, dass die Leute trotz des schlechten Klimas mehr Fahrrad fahren, und das kann sich nur noch verbessern. Es könnten noch mehr Menschen Rad fahren, wenn wir die eine Seite des Hauses dazu brächten, nicht immer nur Ideologien rauszuhauen, sondern auch einmal mit dem Rad zu fahren. Und die andere Seite dazu, zu sagen, wir wollen nicht nur schöne Konzepte machen, wir wollen auch dafür sorgen, dass der Rückenwind in Hamburg nicht immer aus Gegenwind besteht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Das Wort bekommt Herr Dr. Schinnenburg von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die GRÜNEN reden von der Fahrradstadt. Schauen wir einmal auf die Wirklichkeit. In Wirklichkeit ist es so: Die GRÜNEN tun ganz wenig für die Radfahrer, aber ganz viel für den grünen Stammtisch, und das ist verkehrt.

(Beifall bei der FDP, der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Schauen wir doch einmal auf die Fakten. Wir haben in Hamburg ungefähr 1 700 Kilometer Radwege. Vorsichtig geschätzt ist davon die Hälfte marode. Sie haben sich vorgenommen, pro Jahr 50 Kilometer zu sanieren. Da bräuchten Sie 17 Jahre, um die Radwege zu sanieren – nach Ihrem Plan. Jetzt schauen wir auf die Fakten, wie es tatsächlich ist. Ich habe den Senat gefragt: Wie viel habt ihr im ersten Halbjahr 2015 saniert? Antwort: 7,8 Kilometer. Wenn Sie das hochrechnen, brauchen Sie bei diesem Tempo 55 Jahre, um alle Radwege zu sanieren. Das ist nichts. Und es ist in Wirklichkeit noch schlimmer. Ich habe vorhin von geschätzt der Hälfte maroder Radwege gesprochen. Ich habe den Senat natürlich gefragt, wie viele Kilometer Radweg saniert werden müssen. Antwort des Senats unter grüner Beteiligung: Das wissen wir nicht. Dann habe ich gefragt: Wann wisst ihr das denn? Antwort: Frühestens ab der zweiten Jahreshälfte 2016. Meine Damen und Herren, das ist nun wirklich perfektes Versagen.

(Beifall bei Detlef Ehlebracht AfD)

Die GRÜNEN werden anderthalb Jahre an der Regierung sein, und dann wissen sie überhaupt erst, welcher Handlungsbedarf für die Radfahrer besteht. Wenn das nicht eine Schlamperei ist, dann weiß ich es auch nicht.

(Beifall bei der FDP, der CDU und vereinzelt bei der AfD)

In Wirklichkeit gibt es unter den GRÜNEN nicht Rückenwind für den Radverkehr, sondern die Radfahrer werden von den GRÜNEN im Stich gelassen. Das ist die Wahrheit, und das ist die Antwort auf Ihre Debattenanmeldung.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Und deswegen wählen die alle FDP!)

Weil Sie wahrscheinlich selbst merken, dass es nicht so richtig etwas wird mit den Radwegen, schicken Sie die Radfahrer auf die Straße. Das ist gefährlich. Dann kommt wieder das Argument von Frau Sudmann, dass die Radfahrer da sicherer seien.

(Heike Sudmann DIE LINKE: So ist es!)

Ich habe den Senat auch dazu befragt. Die Antwort war, dass es dafür nicht die geringsten statistischen Belege gebe, im Gegenteil. Es gab eine Anfrage, die Drucksache 20/14144, bei der herauskam, dass von den toten Radfahrern im vergangenen Jahr genau die Hälfte auf dem Radweg fuhr, die andere Hälfte auf der Straße. Das ist genau das Gegenteil, und es ist keineswegs bewiesen, dass man auf der Straße als Radfahrer sicherer fährt. Raten Sie einmal, von wem diese Anfrage war? Sie war nicht von mir, sondern von Herrn Steffen, dem damaligen verkehrspolitischen Sprecher der GRÜNEN. Die selbst gewonnene Erkenntnis wird radikal ausgeblendet. Das ist grüne Ideologie statt Sachbezogenheit. So geht es nicht.

(Beifall bei der FDP, der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Über das Rugenfeld wurde schon gesprochen. Es gehört wohl ziemlich viel Borniertheit dazu, auf einer solchen Straße mit vielen Autos und wenigen Radfahrern, Radfahrer dort auf Radspuren fahren zu lassen.

Nun zur Radverkehrskoordinatorin. Ich habe viel Verständnis für eine gequälte grüne Seele. Der Bürgermeister hat Sie über den Tisch gezogen, Sie konnten sich nicht durchsetzen und wollten nun irgendetwas machen. Dafür habe ich Verständnis. Ich habe aber kein Verständnis dafür, dass eine Lobbyistin in eine unabhängige Behörde gesetzt wird. Das geht nicht.

(Beifall bei der FDP, der CDU und vereinzelt bei der AfD – Dr. Monika Schaal SPD: Das müssen Sie gerade sagen!)

(Heike Sudmann)

Stellen Sie sich einmal vor, wir würden die Regierung stellen, würden einen Autoverkehrskoordinator einsetzen, und dafür würden wir einen ehemaligen ADAC-Präsidenten nehmen. Es gäbe einen ohrenbetäubenden Lärm aus der grünen Ecke. Und Sie machen es genauso, das ist ein Skandal.

(Beifall bei der FDP, der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Der letzte Punkt wurde vorhin schon kurz angedeutet. Gibt es denn etwas Wichtigeres als einen Fahrradkoordinator? Wenn Sie 317 000 Euro übrig haben und einen Koordinator suchen, dann habe ich einen Vorschlag. Setzen Sie doch einen Flüchtlingskoordinator ein. Da wären die 317 000 Euro wesentlich besser aufgehoben. Dann können nämlich die Bürger endlich einmal vorher erfahren, wo als Nächstes bei Ihnen eine Flüchtlingsunterkunft eingerichtet wird.

(Beifall bei der FDP, der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Da wären die Flüchtlinge besser versorgt, dafür sollten Sie Ihr Geld ausgeben und nicht für solch eine Lobbyisten-Stelle. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der CDU und vereinzelt bei der AfD – Wolfgang Rose SPD: Das war ja ein toller Vergleich!)

Das Wort bekommt Herr Ehlebracht von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Rückenwind für den Radverkehr: Hamburg wird Fahrradstadt! Ich interpretiere diesen Satz so, dass dem Rad künftig bei allen Verkehrsprojekten deutlich mehr Raum zugestanden wird, sowohl in der Betrachtungsweise und Berücksichtigung der Belange der Radfahrer als auch tatsächlich auf der Straße vor Ort. Ob nun auf oder neben der Straße, muss je nach Lage entschieden werden, vernunftbegründet. Dass die Radfahrer nicht mehr das Schlusslicht bei allen verkehrstechnischen Fragen sind, dass der Ausbau des Radverkehrs nicht mehr als notwendiges Übel angesehen wird, sondern als Chance begriffen wird, einen gewichtigen Beitrag zur notwendigen Entlastung des motorisierten Individualverkehrs zu leisten, das, hoffe ich, ist mit diesem Satz verbunden. Und ich verbinde damit die Hoffnung, dass die Einsicht Einzug hält, dass es in mancherlei Hinsicht von großem Nutzen für alle wäre, wenn deutlich mehr als bisher in die Infrastruktur der Radwege investiert werden würde.

Was meine ich mit Nutzen? Nutzen ist zum Beispiel, welchen positiven Effekt es hätte für das Gesundheitssystem, für die Beiträge und Kosten – langfristig betrachtet –, wenn mehr Menschen auf das Fahrrad umsteigen würden. Das wäre

deutlich positiv. Und wie viel lebenswerter würde eine Stadt werden, wenn wenigstens ein Teil der Autofahrer überzeugt werden könnte, auf das Fahrrad umzusteigen? Es wäre ein Zugewinn. Das sind alles Dinge, Selbstverständlichkeiten, die muss man eigentlich gar nicht erwähnen. Ich denke, darüber besteht hier kein Dissens. Von dieser Art von Fragen könnte man zahlreiche stellen, und bei ehrlicher Beantwortung kommt das Rad dabei immer sehr, sehr gut weg.

Mit diesem Satz verbinde ich aber nicht das Vorgehen, das in Teilen an den Tag gelegt wird, ein Vorgehen, das dem Rad – und das Rad ist im allgemeinen Empfinden ein Sympathieträger –, seinem Gedanken und seiner Wertschätzung nachhaltig schadet. Wurzel allen Übels ist – und jetzt kommt wieder dieses böse Wort – eine Fahrradideologie, umgesetzt dadurch, dass Sie zum Beispiel Autostellplätze vernichten, indem Sie dort einen Stellplatz für das StadtRAD errichten, obwohl 20 Meter weiter locker ausreichend Platz wäre, diese Station genau dort zu bauen. Beispiel: Alter Fischmarkt, Ecke Schopenstehl in Hamburg-Mitte. Da werden Radfahrer als lebende Verkehrsbremse in Einbahnstraßen gejagt, in denen gerade mal genügend Platz für ein fahrendes Auto ist.

Ein weiteres Beispiel ist Am Felde in Altona, und jeder kennt auch die Geschichte vom Fahrradweg an der Alster, das muss ich gar nicht ausführen, jeder kennt es, Schilda ist gegenüber dem, was dort geleistet wurde, ein Witz. Das sind Methoden, die kontraproduktiv sind. Es sind sogar gefährliche Maßnahmen. Das ist die Methode, durch die die Verkehrsteilnehmer gegeneinander aufgehetzt und ausgespielt werden, es schürt Ressentiments. Es beschädigt den Eindruck des Fahrrads als Sympathieträger. Lassen Sie das sein.

Wenn der Anteil der Radfahrer am Gesamtverkehr nachhaltig gesteigert werden soll, geht das nicht über Zwang, es geht nicht über Ideologie, sondern es geht ausschließlich über die Schaffung attraktiver Angebote.

(Beifall bei der AfD)

Sie brauchen dafür die Akzeptanz der Mehrheit der Bevölkerung. Werben Sie dafür. Versuchen Sie, die Skeptiker zu überzeugen. Bauen Sie keinen Druck auf, keine Feindbilder. Verteufeln Sie nicht den Autofahrer. Andernfalls wird Ihr Projekt scheitern.

Sie brauchen vor allem eine gut ausgebaute Infrastruktur. Sie müssen Angebote wie das StadtRAD, das HVV-Faltrad, Bike and ride, weiterentwickeln. Sie müssen die Velorouten, wie angekündigt – ich hoffe, Sie tun es –, endlich ausbauen. Es gibt 14 Velorouten, 80 Kilometer von 280 sind erst fertig. Das ist momentan eine sehr schwache Leistung. Es muss ein Vielfaches an Fahrradboxen an den U-Bahnhöfen erstellt werden, damit das Fahr

(Dr. Wieland Schinnenburg)

rad dort sicher abgestellt werden kann. An allen Verkehrsknotenpunkten sind eigentlich solche StadtRAD- und Fahrradstationen zu errichten, wie beispielsweise jetzt für den Hauptbahnhof vorgeschlagen. Aber natürlich gehört in allererster Linie eine gut ausgebaute Infrastruktur dazu, Fahrradwege, die diese Bezeichnung auch verdienen. Fahren Sie beispielsweise einmal die Friedensallee vom Bahnhof Othmarschen kommend entlang, das ist eine Rodeostrecke, das ist kein Fahrradweg, wird jedoch als Fahrradweg ausgewiesen, Herr Schinnenburg hatte es eben schon angedeutet.

Ich kenne Ihre Ankündigungen, aber an Ihren Taten werden Sie letztendlich gemessen. Wenn das in der Form, wie hier zuletzt dargestellt, weitergeht, dann wird aus dem angekündigten Rückenwind ein laues Lüftchen oder sogar noch Schlimmeres. Und ich hoffe, dass das nicht passiert. Also hängen Sie die Messlatte ruhig hoch, aber springen Sie auch darüber. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort hat nun Herr Senator Horch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Immer mehr Menschen nutzen das Fahrrad als Verkehrsmittel im Alltag. Das Fahrrad ist für den Einzelnen heute praktisch, schnell, kostengünstig, flexibel in der Nutzbarkeit, ideal also für kurze und mittlere Wege in einer Stadt. Die Verlagerung von Fahrten von motorisierten Verkehrsmitteln auf Fahrräder dient – und das ist sehr wichtig – in einer Großstadt wie Hamburg dem Klimaschutz, der Luftreinhaltung und auch der Lärmreduzierung.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ein starker Fahrradverkehr ist ein wichtiger Beitrag zur Bewältigung eines wachsenden, innerstädtischen Gesamtmobilitätserfordernisses in Hamburg. Wir brauchen umweltverträgliche Alternativen zur Nutzung des Autos und auch als Ergänzung unseres öffentlichen Nahverkehrsnetzes, dessen Kapazitäten heute schon auf der Schiene und bei den Bussen an Grenzen stoßen.

Aus der Sicht des Hamburger Senats ist der stetig wachsende Radverkehr eine erfreuliche Entwicklung, die wir ausdrücklich weiter fördern wollen.