Protocol of the Session on February 12, 2020

(Glocke)

Frau Senatorin, Entschuldigung. – Ich bin mir sicher, dass Sie jetzt alle Kinderbetreuungsmodelle diskutieren, aber es ist insgesamt zu laut.

Es ist tatsächlich auch ein Thema, bei dem man sich geistig ein bisschen beweglich zeigen muss, um es in seiner vollen Breite zu erfassen; das mag vielleicht nicht jeder. Es ist sehr viel mehr als nur die Abwesenheit von Sanktionen, was wir für Familien an bestimmten Stellen tun können, sondern man muss sich schon sehr individuell damit auseinandersetzen, warum eine Familie zum Beispiel einen erzieherischen Hilfebedarf hat. Nicht regelmäßig, aber ab und zu kann man einer Familie, was ihre innere Dynamik und ihren Erziehungshilfebedarf betrifft, dabei helfen, das zu erreichen, zum Beispiel dann, wenn es gelingt, den Familienvater in ein Beschäftigungsprojekt zu bringen. Auf diese Weise können Jugendamt und Jobcenter sehr gut für Familien zusammenarbeiten und genau das erreichen, was ihnen manchmal fehlt, nämlich das Erleben von Selbstwirksamkeit, daraus Stärke zu gewinnen und diese auch im erzieherischen Alltag zu Hause einzubringen. Damit erreicht man sehr viel für die Menschen in dieser Stadt. Das haben wir auch schon erfolgreich in Wilhelmsburg und Eimsbüttel und jetzt noch in zwei weiteren Bezirken, und wir wollen es auf die ganze Stadt ausweiten.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Weil wir nicht an jeder Stelle einfach nur mehr vom Selben brauchen, um zum Erfolg zu kommen, sondern manchmal auch etwas anderes, tun wir das individuell vor Ort durch besondere Unterstützungsangebote für alleinerziehende Frauen, zum Beispiel mit Jobclub Soloturn, indem wir ihnen besondere Coachings zur Verfügung stellen, um ihnen eine Ausbildung zu ermöglichen, auch wenn sie allein sind. Denn bei Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht es nicht nur um das Anwesendsein von guter Kinderbetreuung – das ist überhaupt keine Frage –, sondern auch darum, wie man Misserfolge überwindet, wie man sich entlastet fühlt, wie man es schaffen kann, wenn man keinen Partner hat, mit dem man auch seine Probleme und Schwierigkeiten teilen kann. Da tun wir sehr kon

(Harald Feineis)

kret etwas, und es ist völlig irrelevant, von wem diese Projekte finanziert werden. Es ist gut, dass sich der ASD daran beteiligt, es ist gut, dass wir in Hamburg davon profitieren, es ist kein Malus, sondern etwas Positives.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Keine Frage, die Abschaffung des Ehegattensplittings wäre prima, aber dafür muss auch innerhalb der FDP noch viel geworben werden, ist mein Eindruck, da gibt es noch große Uneinigkeit im Bundestag. Und keine Frage, wir sind bei der Kindertagesbetreuung in Hamburg richtig weit vorangekommen. Ich glaube, wir sind es übrigens auch dadurch, dass wir gesagt haben, fünf Stunden plus Mittagessen seien gebührenfrei, weil davon in aller Regel diejenigen profitieren, die bisher Mühe hatten, ein aufwendiges Antragsverfahren für Gebührenerleichterung oder -befreiung durchzulassen, und dass in besonderem Maß deren Kinder von guter Bildung und Betreuung profitieren. Es ist zwar richtig, dass Hamburg vorangegangen ist, und ich bin sehr froh, dass wir es auf diese Weise geschafft haben, dass seit 2011 19 000 zusätzliche Betreuungsplätze in Hamburg geschaffen wurden. Das kann aber nur ein Schritt sein und nicht der einzige. Insofern: Wir brauchen diese strukturierte Zusammenarbeit zwischen Jobcenter und Jugendamt für die Familien und nicht gegen sie, für die, die schon Hilfe bekommen, damit sie auch wirkt, denn Arbeit ist so viel mehr, als nur Einkommen zu erzielen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, dann stelle ich fest, dass die vom Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration erbetene Kenntnisnahme erfolgt ist.

Nun kommen wir zum Punkt 120 unserer Tagesordnung, dem Antrag der CDU-Fraktion: Grüne Doppelmoral verhindern – Klares Bekenntnis zum strafbaren Vermummungsverbot!

[Antrag der CDU-Fraktion: Grüne Doppelmoral verhindern – Klares Bekenntnis zum strafbaren Vermummungsverbot! – Drs 21/19955 –]

Das war eine Wortmeldung von Herrn Warnholz von der CDU-Fraktion, und er bekommt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Wochen haben Sie, die Hamburger GRÜNEN – soweit sie überhaupt vorhanden sind, ich sehe kaum wel

che – mit der Forderung nach einer Lockerung des Vermummungsverbots für Aufsehen gesorgt. Die Vermummung wie bei Versammlungen, Demonstrationen solle künftig keine Straftat, ich wiederhole, keine Straftat mehr sein, sondern nur noch eine Ordnungswidrigkeit. Das kann nicht Ihr Ernst sein, das kann man nicht glauben. Ich glaube es nicht.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Wohlweislich hat der Gesetzgeber in Paragraf 17a des Versammlungsgesetzes das Tragen von identitätsverschleiernder Kleidung und Gegenständen verboten und sogar unter Strafe gestellt. Jeder Deutsche hat nach Artikel 8 des Grundgesetzes das Recht, sich friedlich zu versammeln, für seine Rechte auf die Straße zu gehen. Die Betonung liegt auf friedlich und nicht auf Vermummung.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Wer friedlich für seine Rechte demonstriert, der braucht sich nicht verstecken, seine Identität nicht zu unterdrücken, denn ihn erwarten hieraus in Deutschland im Gegensatz zu anderen Staaten keine Unterdrückung oder Nachteile. Unsere Erfahrungen aus zahlreichen Demonstrationen, den Gipfeltreffen der vergangenen Jahre oder dem alljährlichen 1. Mai zeigen jedoch, dass Vermummung und friedliche Versammlung nicht zusammenpassen, dass nur der sich vermummen muss, der etwas zu verbergen hat oder Böses im Schilde führt.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Dann bleibt ja nicht mal die CDU!)

Ach, Frau Schneider, wir haben uns in den letzten Jahrzehnten so oft gestritten. Heute sage ich lieber nichts.

(Beifall bei der CDU und Heiterkeit bei der SPD, den GRÜNEN, der FDP und der AfD)

Ich könnte jetzt noch vieles sagen, aber dann nimmt mir wie im Innenausschuss und auch hier Frau Schneider meine gute Laune.

Ich durfte 23 Jahre diesem Parlament angehören. Vor fünf Jahren habe ich hier voller Stolz die erste Parlamentssitzung eröffnen dürfen. In diesen 23 Jahren habe ich mich hier sehr wohlgefühlt, auch in der Diskussion mit politisch Andersdenkenden. Ich habe Höhen und Tiefen erlebt, ich habe Bürgermeister, Senatoren und Abgeordnete gehen und weinen sehen. Heute sehe ich hoffentlich keinen weinen; wer weiß, was kommt? Ich sage nur, danke schön, was ich hier erleben durfte. Nicht so schön erlebt habe ich die Vorgänge in und um die Rote Flora, drei Anschläge bei mir persönlich; das war schon bitter. Nicht so schön war ein brennendes Hamburg, Stichwort G20, aber ich habe auch viele schöne Sachen gehabt, habe zwar in den 23 Jahren nie eine Reise mitmachen dürfen, weil

(Senatorin Dr. Melanie Leonhard)

ich irgendwie nicht konnte. Frau Präsidentin, das ist mein Appell: Führt mal eine vernünftige Liste, damit nicht immer die Gleichen fahren.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU, der SPD, den GRÜNEN, der FDP und der AfD)

Ein Letztes noch: Dank an alle, die hier hinter den Kulissen arbeiten. Fast 100, konnte ich gerade lesen, fast 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in diesem Rathaus für uns, für das Parlament, für unsere schöne Stadt tätig. Dazu gehören die Feuerwehrleute, die Polizisten, unten der Rathauskeller mit Essen und Trinken, leider nie umsonst.

Kurzum: Ich habe mich wohlgefühlt. Ich wünsche euch/Ihnen alles Gute. Ich bleibe euch erhalten, ab und zu hört ihr vielleicht noch einmal etwas, denn ich führe nach wie vor seit über zwei Jahrzehnten den größten Ortsverband von Hamburg, Rahlstedt. Und deswegen sage ich: Rahlstedt lässt grüßen. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN, der FDP, der AfD und vereinzelt bei der LINKEN)

Bevor ich Herrn Schumacher von der SPD-Fraktion das Wort erteile: Lieber Herr Warnholz, vielen Dank. Ich werde dem Präsidium natürlich Ihre Anregung mit auf den Weg geben, und es könnte ja sein, dass es noch Wunder gibt. Aber es gibt auch die Vereinigung ehemaliger Abgeordneter, und die reisen auch. Das war der Werbeblock.

Jetzt bekommt Herr Schumacher das Wort.

Frau Präsidentin! – Lieber Herr Warnholz, ich habe jetzt zwölf Jahre in der Bürgerschaft hier hinter mir, und Sie waren immer da, Sie waren auch schon lange vorher da, und jetzt gehen Sie. Ich habe mich immer sehr gefreut, mit Ihnen den Smalltalk oder das nette Fachgespräch zu führen oder von Ihnen auch einen klugen Ratschlag bei verschiedenen Veranstaltungen, bei den Senatsempfängen und gerade bei den Vereidigungen von Polizisten zu bekommen. Dafür danke ich Ihnen ganz persönlich.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN und der FDP)

Nun müssen wir aber doch zum Thema kommen, das Sie angemeldet haben, und, na ja, ich halte jetzt einmal meine Rede.

Das Pferd wurde bekanntermaßen erst von den europäischen Eroberern nach Nordamerika gebracht. Sehr schnell war es aus der Kultur vieler indigener Völker nicht mehr wegzudenken, und Bezüge auf dieses nützliche Tier fand man bald in vielen Sprüchen und Weisheiten. Eine der bekanntesten, sie wird den Dakota nachgesagt, lautet:

"Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab."

(Dennis Gladiator CDU: Wie redest du über die GRÜNEN?)

Diese jahrhundertealte indianische Weisheit hat es offensichtlich nicht ganz zur CDU-Fraktion geschafft. Lassen Sie mich kurz erläutern, warum dieses Pferd mausetot ist.

(André Trepoll CDU: Wir fahren schon Auto!)

Erstens: Die im Antrag dargelegte Forderung nach einer Lockerung des Vermummungsverbots wird, so wie ich es gehört und gelesen habe, gar nicht mehr erhoben. Zweitens und viel wichtiger: Wir Sozialdemokraten haben sie niemals erhoben

(Christiane Schneider DIE LINKE: Stimmt gar nicht! Stimmt gar nicht!)

und haben auch nicht vor, dies zu tun, und zwar aus folgenden Gründen, darin sind wir uns einig, da haben Sie schon sehr viel vorweggenommen: Wir sehen keine rechtliche Notwendigkeit für eine Gesetzesänderung. Regelungen zum gesetzlichen Vermummungsverbot finden sich im Gesetz über Versammlungen und Aufzüge. Wer gegen das Vermummungsverbot verstößt, indem er an Versammlungen und Aufzügen oder auf dem Weg dahin in einer Aufmachung teilnimmt, die die Feststellung der Identität verhindert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafen bestraft. Das ist auch gut so, und nach unserer Überzeugung soll das auch so bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Dafür spricht insbesondere der Gesetzeszweck in Paragraf 17a Absatz 2 Nummer 1 Versammlungsgesetz: Das Vermummungsverbot soll primär die durch Anonymität und schutzbedingte Enthemmung gewaltbereiter Versammlungsteilnehmer unterbinden und sekundär die Strafverfolgung von Gewalttätern erleichtern.

(Vizepräsident Dr. Kurt Duwe übernimmt den Vorsitz.)

Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers und nach allen Erfahrungen der Praxis führt die Vermummung zu einem eher unfriedlichen Verhalten der Teilnehmer an einer öffentlichen Veranstaltung. Gerade dieser Unterbindungszweck ist bei einem strafbewehrten Vermummungsverbot effektiver zu erfüllen, da die Strafvorschrift eine stärkere Abschreckungswirkung hat als ein bloßer Ordnungswidrigkeitstatbestand. Eine Lockerung des Vermummungsverbots ist auch aus praktischer Sicht nicht erforderlich. Sie würde nicht zu einer Erleichterung der Polizeipraxis in dem Sinne führen, dass mehr Alternativen zur Verfügung stünden,

(Dennis Gladiator CDU: Liebe GRÜNE!)

(Karl-Heinz Warnholz)

denn die zuständige Behörde kann schon jetzt Ausnahmen vom Verbot zulassen, wenn sie die öffentliche Sicherheit und Ordnung dadurch nicht bedroht sieht. Sie hat also bereits Handlungsspielraum in Bezug auf das Einschreiten gegen vermummte Demonstrationsteilnehmer. Im Übrigen würde die Statuierung einer Ordnungswidrigkeit die Polizei vor Verhältnismäßigkeitsprobleme stellen, da versammlungsbeschränkende Maßnahmen mit Blick auf Artikel 8 Grundgesetz schwerer zu begründen wären.