Protocol of the Session on February 12, 2020

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN, der LINKEN und der FDP)

Wer die Demokratie so verachtet, zeigt in Wahrheit, wie verantwortungslos er ist. Für uns als CDU Hamburg ist daher völlig klar, dass es eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht gab, nicht gibt und auch in Zukunft nicht geben wird.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Ich sage aber auch insbesondere in Richtung SPD und GRÜNE sehr klar, dass Sie allein die Rechtspopulisten nicht aufhalten können. Dafür brauchen Sie, dafür brauchen wir starke, aufrechte bürgerliche Kräfte. Bei der Verteidigung unserer Freiheit und Demokratie müssen wir in diesem Punkt klar zusammenstehen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich habe die Sorge, dass die Bereitschaft, sich für unsere Gesellschaft zu engagieren, in letzter Zeit

nicht zugenommen hat. Das gilt nicht nur für die Spitzen unserer Parteien, sondern beginnt schon beim normalen Mitglied. Wir haben in den letzten Tagen erlebt, dass Menschen, die sich in demokratischen Parteien engagieren, sich an Infoständen beschimpfen lassen müssen oder bedroht werden. Ich finde, auch darauf müssen wir gemeinsam in gegenseitigem Respekt eine klare Antwort finden. Das hat unsere Demokratie verdient. Und bei allen Dingen, die in der letzten Zeit passiert sind, bin ich trotzdem optimistisch, dass wir es geschafft haben, in Deutschland eine freiheitliche, eine wehrhafte Demokratie aufzustellen, die diesen Kampf auch gewinnen wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Für die GRÜNE Fraktion bekommt Herr Dr. Tjarks das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal sehr klar sagen, dass Sie, liebe FDP, natürlich recht haben, wenn Sie das Zerstören Ihrer Plakate oder auch das Anfeinden von Aktiven der FDP im Wahlkampf als Nazis beklagen. Ich finde, das ist absolut inakzeptabel, und Menschen, die dies tun, setzen sich selbst ins Unrecht.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der CDU, der LINKEN und der FDP)

Ich möchte Ihnen natürlich auch sagen, dass wir Ihre Anmeldung für die Aktuelle Stunde, "Demokraten müssen zusammenstehen – im Parlament und auf der Straße", vollumfänglich teilen. Allerdings ist das eigentliche Thema, dass die CDU und die FDP in Thüringen und bei der FDP auch Herr Lindner und Herr Kubicki an dieser Stelle leider versagt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Mir ist dabei wichtig, dass wir uns von dem einen wie von dem anderen klar abgrenzen. Mir ist dabei auch wichtig, dass wir nicht Ursache und Wirkung miteinander verwechseln. Zerstörte Plakate und Anfeindungen sind falsch und inakzeptabel, aber das, was in Thüringen passiert ist, ein Ministerpräsident von Gnaden eines Faschisten, war der Dammbruch für die Demokratie in Deutschland,

(Dr. Alexander Wolf AfD: So eine Verleum- dung!)

und das ist das eigentliche Thema dieser Debatte hier.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Gerade weil wir feststellen mussten, dass nach diesem Desaster die Brandmauer nach rechts nicht immer intakt ist, sollte dieses Desaster auch

(André Trepoll)

Anlass dazu geben, in Hamburg und im Bund einmal ein paar grundsätzliche Fragen zu klären. Die erste und wichtigste Frage wäre aus meiner Sicht: Ist es eigentlich wirklich sinnvoll, zu jeder Zeit und in jedem Bundesland LINKE und AfD gleichzusetzen? Sie verfolgen seit Jahren diese Extremismusoder auch Hufeisentheorie, und ich will ehrlicherweise gar nicht abstreiten, dass auch ich der Meinung bin, dass gerade bei der LINKEN in Hamburg eine Reihe von Fragen im Argen liegt, aber mit Blick auf Thüringen ist diese Theorie, wenn ich das auch einmal sagen darf, grotesk.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der LIN- KEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Wir haben einerseits einen Ministerpräsidenten von der LINKEN, der sogar bei Ihren Wählerinnen und Wählern beliebt ist und vor allem in den letzten Jahren im Rahmen der parlamentarischen Demokratie gearbeitet und gewirkt hat, und wir haben andererseits einen Faschisten,

(Dr. Alexander Wolf AfD: Jetzt hören Sie aber auf!)

dessen Wirken darauf abzielt, die parlamentarische Demokratie zu diskreditieren, zu desavouieren und abzuschaffen. Das ist ein Unterschied und zeigt, wie grotesk diese Annahme im Fall von Thüringen ist. Es wäre gut, wenn Sie das in Ihren Parteien jetzt auch einmal diskutieren würden.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Der entscheidende Punkt ist, dass diese Situation der AfD in Thüringen doch auch bis Hamburg reicht. Man muss doch konstatieren, dass in der AfD Herr Höcke längst kein Einzelfall mehr ist und es auch in Hamburg solche Tendenzen gibt.

(Dr. Alexander Wolf AfD: Quatsch!)

In der Feiertagsdebatte haben Sie behauptet, das Ende des Hitlerregimes und des Holocausts sei nicht positiv besetzt. Herr Wolf, Sie haben in Ihrer Studierendenzeit kriegsverherrlichende Lieder der Hitlerjugend verlegt, Sie haben in dieser Legislaturperiode behauptet, Kampnagel zugunsten einer Sauberkeitsinitiative schließen zu wollen, und damit im Kern versucht, den Freiheits- und Kunstbegriff des Grundgesetzes abzulehnen.

(Dr. Alexander Wolf AfD: Quatsch!)

In Ihrem Wahlprogramm schreiben Sie auf Seite 9 unverblümt, dass Sie das Versammlungsrecht für nichtdeutsche Menschen einschränken wollen. Und nach Thüringen haben Sie gesagt, der Flügel habe durchaus seine Berechtigung in der AfD.

(Zurufe von der SPD: Pfui!)

Deswegen muss ich feststellen, dass die AfD Hamburg Teile des Grundgesetzes ablehnt. Sie sagt, dass Faschisten eine Daseinsberechtigung in ihrer

Partei haben, und sie verklärt das NS-Regime und den Holocaust.

(Dr. Alexander Wolf AfD: Jetzt mäßigen Sie sich mal, Dr. Tjarks! Das ist eine Verleum- dung nach der anderen! Sie sind verfas- sungsfeindlich!)

Nein, das müssen Sie hier vorne einmal widerlegen, Herr Wolf. Das ist der entscheidende Punkt. Das alles sind Sachen, die Sie in dieser Legislaturperiode fabriziert haben, und Sie müssen sich zu dem Vorwurf verhalten, dass Sie in Wahrheit ein falsches Verständnis von Demokratie und Parlamentarismus haben.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der FDP – Dr. Alexander Wolf AfD: Das brauche ich mir von Ihnen nicht sagen zu lassen!)

Wir haben in Thüringen gesehen, dass der Firnis der Zivilisation dünn ist und die FDP und die CDU unsere Demokratie in den Abgrund haben gucken lassen. Ich hoffe, dass Sie dieses Desaster zum Anlass nehmen, um ein paar Fragen in Ihrer Partei zu klären. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Frau Boeddinghaus bekommt nun das Wort für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der unverzeihliche Tabubruch in Thüringen war kein Unfall, sondern Ergebnis eines perfide eingefädelten Plans der AfD. FDP und CDU haben sich vor diesen Karren spannen lassen und sind so billigend und wissentlich einen Pakt mit Rechtsextremisten, mit der AfD eingegangen, einer antidemokratischen und völkischen Partei, deren Wortführer in Thüringen, Björn Höcke, wörtlich gesagt hat: Wenn einmal die Wendezeit gekommen ist, dann machen wir Deutschen keine halben Sachen, dann werden die Schutthalden der Moderne beseitigt, denn die größten Probleme von heute sind ihr anzulasten. Dieser politische Dammbruch nach rechts geschieht ausgerechnet zum 75-jährigen Gedenken an die Befreiung von Auschwitz, einem Ort, wo vor genau 90 Jahren schon einmal ein verhängnisvoller Pakt zwischen bürgerlich-liberalen, konservativen Parteien und der NSDAP geschlossen wurde. Diese Zivilgesellschaft in Thüringen, in Hamburg und in vielen weiteren Städten hat mit ihren beeindruckenden Demonstrationen den betroffenen Parteien die Rote Karte gezeigt und das Lügengebäude einer doch scheinbar ganz normalen demokratischen Wahl endgültig zu Fall gebracht.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und ver- einzelt bei den GRÜNEN)

(Dr. Anjes Tjarks)

Chapeau an all diese Tausend Menschen. Sie geben Hoffnung dort, wo CDU und FDP gerade kopfund führungslos durch diese Krise taumeln. Unmittelbar nach der Kemmerich-Wahl jubelte CDUMann de Vries, und auch die FDP-Spitzenkandidatin stieß ins selbe Horn: Wie gut, dass Kemmerich als Kandidat der Mitte gegen zwei Kandidaten der äußeren rechten und linken Ränder angetreten sei. Und Sie setzen noch einen drauf: Im "Welt"-Interview benennen Sie die aus Ihrer Sicht vordringlichste Aufgabe in Hamburg, nämlich den Linksextremismus bekämpfen zu wollen, und sprechen Ihrem zu Recht angeschlagenen Bundesvorsitzenden auch noch das Vertrauen aus.

(René Gögge GRÜNE: Unglaublich!)

Ihre nun beschworene klare Abgrenzung zur AfD erscheint so mehr als unglaubwürdig, und die 49 Anträge der AfD, denen die FDP hier zugestimmt hat, sprechen für sich.

(Beifall bei der LINKEN)

Ihre heutige Lamento-Rede hat uns wirklich auch nicht überzeugen können.

Herr Tjarks hat es angesprochen, spätestens seit der Wahl in Thüringen wird die sogenannte Hufeisentheorie, die Gleichsetzung von rechts und links, und auch die Definition der sogenannten bürgerlichen Mitte öffentlich diskutiert. Der Sozialwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer warnt bereits seit vielen Jahren in seinen Studien über gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, dass diese ihre Wurzeln gerade in der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft hat, und zeigt damit auf, dass die Selbstverortung in dieser Mitte, wie sie auch hier immer wieder gerade von FDP und CDU betrieben wird, weder ein Persilschein noch Garant für eine aufrechte demokratische Geisteshaltung ist.

(Beifall bei der LINKEN, vereinzelt bei den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktions- los)

Gerade Thüringen, aber nicht nur Thüringen, Kollege Tjarks, zeigt, wie falsch, dumm und gefährlich diese Gleichsetzung ist und nur eines befeuert: den Applaus für die AfD, die Normalisierung ihrer rassistischen Rhetorik und ihre gezielten Angriffe auf unsere parlamentarische Demokratie.

Den Linken Bodo Ramelow mit seinen enorm hohen Zustimmungswerten und den gerichtlich bestätigten Faschisten Höcke in einem Atemzug verhandeln zu wollen, bedeutet die Verharmlosung der braunen AfD-Ideologie.