Protocol of the Session on January 15, 2020

Ich werde Ihnen einmal sagen, wie das mit den Kennzahlen im Zusammenhang mit diesem Punkt ist. Im Jahr 2011, als die SPD die Regierung hier übernommen hat, wurden 221 Euro pro Einwohner in den Bezirken ausgegeben.

(Zuruf: Und Einwohnerin!)

Und Einwohnerin, Entschuldigung.

Im Jahre 2021 sind für genau die gleichen Aufgaben im Haushaltsplan 218 Euro vorgesehen. Was ist in der Zwischenzeit geschehen, was bedeutet das im Zusammenhang mit den Tarifsteigerungen? Das haben wir einmal ausgerechnet. Wir haben festgestellt, dass man, wenn man die Tarifsteigerung dabei mit berücksichtigt, bei 279 Euro sein müsste. Was bedeutet das in der Realität? Das bedeutet eine Kürzung in diesem Bereich von fast 30 Prozent. Das können Sie einfach einmal durchrechnen.

(Zurufe)

Ganz ruhig, bevor Sie sich das überlegen.

Ist in der Zwischenzeit irgendwo eine wichtige Aufgabe weggenommen worden aus den Bezirken? Nein, ist nicht. Die Bezirke haben die gleichen Aufgaben wie vorher. Kann man sich vorstellen, dass große Effektivitäts- oder Effizienzgewinne durch irgendetwas erreicht worden sind? Nach allem, was wir gegenwärtig feststellen, kaum. Die Situation im Zusammenhang mit allen Veränderungen im Bereich IT ist nach den Berichten, die wir und sicherlich auch Sie mitbekommen haben, eher mit Mehraufwänden in der letzten Zeit versehen gewesen und ergibt auch keine Einsparungen. Das heißt, Sie haben in diesem Bereich gekürzt.

Was ist die Wirklichkeit in den Bezirken, und was haben wir gegenwärtig dort festzustellen? Die Bauprüfabteilungen sind völlig überfordert. Die Baustellenkoordinationen arbeiten nicht mehr ausreichend. Die Straßenplanungen kommen nicht mehr hinterher. Wohngeldzahlungen haben neue Anforderungen, aber nicht mehr Personal. Der Wohnraumschutz – eine sehr wichtige Angelegenheit, die Sie hier immer gern in Debatten vorführen – findet kaum noch statt,

(Farid Müller GRÜNE: Stimmt doch gar nicht! Wir haben da doch aufgestockt!)

wie Ihnen gerade in Hamburg-Nord im Zusammenhang mit Hinz&Kunzt deutlich dargestellt und bewiesen worden ist; eine andere Mitteilung habe ich da nicht mitbekommen.

Was bedeutet das im Zusammenhang mit Grün? Etliche große Anforderungen, die Sie hier gestellt haben … Die Baumbilanz wird in kaum einem Bezirk noch richtig durchgeführt, weil dafür keine Leute mehr existieren. Was bedeutet das denn als weitere Auswirkung? Das haben Sie alle in den konkreten Auswirkungen, die wir gegenwärtig haben. Die Quartiersfonds, die als Ausgleich für diese Situation gedacht worden sind, sind völlig überlastet. In allen Bezirken sind die Quartiersfonds für die nächsten Monate schon ausgebucht im Zusammenhang mit den Aufgaben, die dort ständig anfallen. Nicht mehr das Konkrete ist dort praktisch möglich, sondern das ist in gewisser Weise auch weggefallen.

(Dirk Kienscherf SPD: Die haben doch nichts mit bezirklichen Aufgaben zu tun!)

Wie haben Sie eigentlich diese Aufgaben gelöst? Ich will es Ihnen sagen: Sie als Sozialdemokraten sind zusammen mit den GRÜNEN angetreten, um diese Situation zu verbessern. Sie haben 2011 ein Papier herausgegeben – ich kann mich noch genau daran erinnern – im Zusammenhang mit den Bezirksamtsleiterinnen und -leitern, die, glaube ich, alle aufgetreten sind – nein, Leiter waren das damals nur, aber macht nichts –: Wir brauchen 600 Stellen mehr, um in der Lage zu sein, das zu verändern. Das haben Sie damals noch unterstützt, aber nie wirklich umgesetzt.

Wir haben gegenwärtig die Diskussion, dass der Haushalt neu aufgestellt wird, Herr Dressel. Mir wurde zugetragen, dass die Bezirksamtsleiterinnen und -leiter gesagt haben, sie bräuchten unbedingt 200 Stellen zusätzlich, und Sie gesagt haben, dass sie auch die nicht kriegen. Das heißt, Sie wollen diese Situation noch nicht einmal für die nächste Zeit verbessern. Ich finde, das ist ein Armutszeugnis für Ihre Politik.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde, die Bezirkspolitik muss besser aufgestellt werden. Die Bezirke müssen gestärkt werden, und nicht nur mit Blabla, sondern mit konkreten Fakten. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die SPD-Fraktion bekommt Herr Schmitt das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hackbusch hat es gesagt, wir sind im Wahlkampf. Da ist ihm wohl nichts Besseres eingefallen: Bezirke läuft da immer. Und dann bringen Sie

(Norbert Hackbusch)

so einen Antrag heraus. Wahlkampfgetöse könnte man meinen, aber dafür ist der Inhalt viel zu dünn. Vielleicht wäre Wahlkampfgeknister das passendere Wort.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ihre Rechnung ist überhaupt nicht nachvollziehbar. Wie Sie aus Gesprächen darauf kommen, wüsste ich nicht. Die Haushaltsberatungen für die beiden folgenden Jahre stehen Ende 2020 an. Ob Sie da Mäuschen gespielt haben? Keine Ahnung. Ich habe so etwas nicht gehört.

Insgesamt ist auch die Rechnung, die Sie hier aufmachen, überhaupt nicht nachvollziehbar. Sie haben auch nicht deutlich machen können, auf welche Daten sich der Antrag bezieht. Sie berücksichtigen überhaupt nicht die wandelnden Bedingungen im Haushalt. Vor allem berücksichtigen Sie bei Ihren Vergleichen über die Jahre überhaupt nicht die Umstellung auf die Doppik und die damit unterschiedliche Art und Weise der Darstellung und Berechnung der Personalkosten. Aus methodischen Gründen kann man da eben nicht das eine mit dem anderen vergleichen. Das wäre, als würde man Äpfel mit Birnen vergleichen.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Dann nennen Sie doch mal Ihre Zahlen!)

Ich nenne jetzt einmal meine Zahlen, meine Berechnung, Quelle Haushaltsrechnung und Statistisches Landesamt: Ist-Personalkosten der Bezirksämter in 2015 346 258 255 Euro. Einwohner in Hamburg 2015 1 833 930. Quotient ergibt sich daraus, 188 Euro pro Einwohner. Ist-Personalkosten der Bezirksämter in 2018 420 388 947 Euro bei 1 891 810 Einwohnern ergeben einen Quotienten von 222 Euro. Also 188 Euro pro Einwohner in den Bezirken 2015, 222 Euro pro Einwohner 2018 – eine deutliche Zunahme.

(Beifall bei der SPD)

Sie werfen auch Personalkosten, Quartiersfonds, Rahmenzuweisungen in einen Topf und vermischen das bunt.

Ich habe noch fünf Minuten Redezeit. Da stimmt etwas mit meiner Uhr nicht.

(Dirk Kienscherf SPD: Wir haben den Joker für dich gezogen!)

Das ist also auch nicht zulässig. Wir könnten einmal hergehen und rechnen, denn das war und ist so ein bisschen die Argumentation – ups, jetzt habe ich nur noch eine Minute –, wie das mit der Personalausstattung ist. Im Verhältnis zu den Einwohnern könnte man auch die korrelierende Zahl der Vollzeitäquivalente nehmen. Da kommen wir 2015 auf 298 Einwohner für ein Vollzeitäquivalent und 2018 auf 285. Das heißt, während eine Person im Bezirksamt 2015 noch für 298 Bürgerinnen und

Bürger zuständig war, teilen sich 2018 285 Einwohner einen Bezirksamtsmitarbeiter.

Zu den investiven Maßnahmen: Es ist so, dass Einzelanmeldungen durch die Bezirke erfolgen. Da wird den Bezirken das Geld immer bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt. Wir haben die Bezirke seit 2011 kontinuierlich mit überdurchschnittlichen Steigerungsraten verstärkt. Wir haben den Quartiersfonds, den wir eingeführt haben, deutlich auf 10 Millionen Euro erhöht. Wir haben zusätzliches Personal hineingegeben. Insofern sehen Sie, dass wir das ernst meinen.

Zu Ihrem Gegenvorschlag, wie Sie die 116 Millionen Euro im Jahr finanzieren wollen, haben Sie erstaunlich wenig gesagt. Das, was in dem Antrag oben in der Prosa drinsteht, eignet sich allerdings nicht, denn eine Verwendung von Erlösen für bestimmte Zwecke verstößt gegen Paragraf 8 der Landeshaushaltsordnung im verankerten Grundsatz der Gesamtdeckung und wäre daher nicht zulässig. Aber Sie haben ja noch einmal Gelegenheit, da nachzubessern und es vielleicht noch einmal zu den Haushaltsberatungen einzubringen. So ist dieser Antrag für uns nicht zustimmungsfähig. Wir wollen die Bezirke auch weiterhin stärken. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Westenberger erhält nun das Wort für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man den Leuten sagt, zukünftig hätten sie für ihre Wohnung oder ihr Mittelhaus so und so viel Prozent mehr zu zahlen, weil wir die Rahmenzuweisungen erhöhen wollen, dann weiß ich nicht, wie man das der örtlichen Bevölkerung am Infotisch mitteilen will, zumal ich glaube, dass bis auf einige wenige hier im Raum und draußen, insbesondere die Bezirksabgeordneten, wohl keiner etwas mit dem Begriff der Rahmenzuweisungen anzufangen weiß.

Fangen wir einmal an mit dem, was in diesem Hause über Jahre Konsens war. In der 19. Wahlperiode hat die Bürgerschaft den Bezirken Verfassungsrang geöffnet, und wenn ich die Verfassung zitieren darf, Artikel 4 Absatz 2:

"Durch Gesetz sind für Teilgebiete der Stadt Bezirksämter zu bilden, denen die selbstständige Erledigung übertragener Aufgaben obliegt."

Es sind übertragene Aufgaben, die Bezirke haben keine eigenen Aufgaben. Das ist der Preis, den der Stadtstaat in seiner kommunalen Verwaltung zahlt. Weil sie keine eigenen Aufgaben haben, leben die Bezirke von Rahmenzuweisungen, die das Parlament hier beschließt und die Fachbehörden an die

(Frank Schmitt)

Bezirke in der jeweiligen fachlichen Zuständigkeit weitergeben.

Das Einzige, wo ich der LINKEN folge – und das wissen wir alle, wenn wir ehrlich miteinander umgehen –, ist: Die Rahmenzuweisungen sind in den letzten Jahren nicht in der Form gestiegen, wie die Ausgaben der Fachbehörden gestiegen sind, sodass die Kolleginnen und Kollegen in den Bezirken, die wir alle als Bezirksabgeordnete kennen, häufig vor der Frage stehen, nicht welche Straße, welchen Straßenbaum oder welche Einrichtung der sozialen Daseinsvorsorge sie pflegen, umsetzen wollen, sondern welche sie auf die nächsten Jahre verschieben. Das ist eine Situation, die für uns als Landesparlament sehr ungünstig und auch sehr unglücklich ist, denn die letzten Jahre haben uns gezeigt, dass die Menschen vor Ort in den Stadtteilen mitreden wollen. Sie wollen mitmachen. Sie wollen an der Teilhabe, einen Status activus haben, wie sich ihr Stadtteil entwickelt. Wenn wir unsere Bezirksabgeordnetenkollegen mit Möglichkeiten versehen, die nicht ausreichend sind, um den Stadtteil so zu entwickeln, wie es eigentlich erforderlich wäre, ist das auch nicht gut für uns, es ist nicht gut für die Fachbehörden und auch nicht gut für die örtliche Ebene.

Ich glaube, es wäre ganz nett, wenn man in einer der letzten Sitzungen in diesem Rathaus unseren Kollegen in der Bezirksversammlung, die die letzten Jahre vor Ort die sogenannte wachsende Stadt, soziale Stadt, wie auch immer, auf jeden Fall die Stadt im Wachstum gehalten haben, einmal danken würde.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und der AfD)

Viele von uns waren selbst Bezirksabgeordnete. Wer einmal eine Kleingartensiedlung in einer öffentlichen Plandiskussion verlegt hat, weiß, wie intensiv das Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern sein kann. Das war meine erste öffentliche Plandiskussion, und nachdem ich ein sehr bedröppeltes Gesicht gemacht hatte, sagte der damalige Fachsprecher Stadtplanung, Olaf Ohlsen, zu mir: Junge, das ist hier nicht immer so, da musst du jetzt durch.

Wo wir gemeinsam durchmüssen, ist, dass wir die Bezirke als Partner sehen. Da gibt es auf der Fachbehördenseite leider immer noch dieses etwas skurrile Misstrauen, die Bezirke könnten es nicht, sie regierten möglicherweise an den Fachbehörden vorbei. Ich glaube, diese Sorge ist unbegründet, ansonsten hätten wir draußen seit 2004 nicht mehrere Tausend Wohnungen. Die Stadt läuft – in Anführungsstrichen – relativ gut, mit vielen, vielen Problemen, die wir natürlich haben, aber sie läuft. Das verdanken wir eigentlich den

Leuten, die ehrenamtlich als Bezirksabgeordnete und in den Stadtteilen arbeiten.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Zu dem Antrag. Er macht ein wichtiges politisches Thema auf. Vielleicht sollte sich das Haus in der nächsten Legislaturperiode noch einmal mit einer Verwaltungsreform beschäftigen, die dann vielleicht einmal nicht Bezirksreform heißt, sondern vielleicht sollten wir einmal die Fachbehörden reformieren. Denn guckt man sich einmal die Fachbehörden an, so haben wir spiegelbildlich in jeder Fachbehörde genau denselben Strukturapparat sitzen wie in den Bezirken. Die Frage ist: Muss das sein? Wer hat da den Vorrang? Die, die vor Ort arbeiten, oder die auf ministerieller Ebene begleiten wollen?