Das sage ich selten, aber es ist sehr deutlich meine Auffassung, und da bitte ich Sie wirklich, einmal in sich zu gehen und damit aufzuhören und sich hier, verdammt noch mal, nicht immer als Opfer darzustellen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Gefahr, die vom Antisemitismus ausgeht, ist eine Gefahr für unsere Demokratie insgesamt. Werte wie Toleranz und Demokratie fallen nicht vom Himmel, sondern sie müssen täglich neu erkämpft werden. Fakt ist, dass gerade Rechtsextremismus immer noch der wichtigste Träger der antisemitischen Vorurteile ist und für 90 Prozent der antisemitischen Straftaten in der Bundesrepublik verantwortlich. Daher ist es mir wichtig, noch einmal zu sagen: Bekämpfung des Antisemitismus ist Bekämpfung des Rechtsextremismus. Die beiden können wir voneinander nicht trennen. Und eine Partei mit drei Buchstaben, die sich hier hinstellt und in die Opferrolle begibt,
(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Da ha- ben wir viele von! – Dr. Anjes Tjarks GRÜ- NE: Wir haben mehr!)
die AfD, deren wichtigste Figuren einen Geschichtsrevisionismus betreiben und den Massenmord an Juden relativieren, kann sich nicht hier als Opfer darstellen, sondern das ist eine Quelle des Antisemitismus in der Bundesrepublik.
Bekämpfung des Antisemitismus ist für mich und für uns ein sehr wichtiges Anliegen. Deshalb haben wir uns im Sozialausschuss sehr intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt, und wir haben uns auch mit der Zivilgesellschaft, mit den Akteuren in diesem Bereich in dieser Stadt, hingesetzt, ausgetauscht und beraten. Auch die BASFI hat einen Fachtag veranstaltet, weil wir nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg eine Entscheidung
treffen wollen, sondern mit den Beteiligten selbst, insbesondere mit den jüdischen Einrichtungen und Gemeinden, gemeinsam eine Strategie entwickeln möchten, die auch hält, die auf Akzeptanz stößt und nicht von oben herab ein Papier oder eine Strategie nach vorn oder nach unten diktiert. Deshalb haben wir uns sehr intensiv mit diesem Thema beschäftigt, und der Senat hat jetzt die Weiterentwicklung der Bekämpfung des Rechtsextremismus fortgesetzt. Ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist auch die Bekämpfung des Antisemitismus.
Ich möchte zum Schluss sagen: Diese Debatte war eine sachliche Debatte, unabhängig von der AfDFraktion; sie hat gezeigt, dass wir alle in diesem Haus das Thema sehr ernst genommen haben und sehr ernst nehmen, und diese Diskussion hat mir sehr gut gefallen. Gerade bei dem Thema macht es auf jeden Fall Sinn, dass die demokratischen Parteien beisammenbleiben. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ja, es ist schon wirklich bemerkenswert, und mich stört es genauso wie Frau von Treuenfels, dass immer die gleichen Mechanismen, insbesondere von der AfD, angeschlagen werden. Gerade diesen wirklich fassungslos machenden Fall, wo es zwei ermordete Menschen gibt, wo es verunsicherte jüdische Gemeinden in ganz Deutschland gibt, zu benutzen, um sich selbst als Opfer darzustellen, um diese Märtyrerrolle wieder einzunehmen, das ist wirklich … Da fehlen einem manchmal die Worte, um das zu beschreiben. Und es zeigt auch den Unterschied zwischen den Parteien der Mitte und Ihnen, da zeigen Sie mit dem Finger wirklich auf sich selbst.
Herr Grote, jetzt haben Sie gesprochen, und ich habe es versucht, in meiner Rede deutlich zu machen, Antisemitismus ist halt nicht nur ein Problem der Strafverfolgungsbehörden, sondern es ist tiefergehend, es ist leider verwurzelt in allen gesellschaftlichen Schichten. Deshalb kann man auf dieses Problem eben nicht nur mit diesen Maßnahmen reagieren, mit Polizei, mit Staatsanwaltschaft – auch, ja, aber eben nicht nur. Aber jeder, der dabei war, Herr Abaci, Herr Kienscherf, der die Gespräche innerhalb der Jüdischen Gemeinde in den letzten Jahren verfolgt hat, ist tatsächlich erschüttert, wie große Sorgen sich die Menschen in unserer Stadt machen. Dass sie sich nicht trauen, nach Veranstaltungen die Kippa aufzulassen, lieber das Basecap aufsetzen, dass sie angepöbelt werden in S- und U-Bahnen unserer Stadt, dass selbst der Landesrabbiner am Tor vor unserem
Rathaus in einer unflätigen Art und Weise angegangen wird. Das sind wirklich Dinge, die wir so nicht tolerieren können und nicht tolerieren dürfen. Diese Verunsicherung, auch wenn man das hört, dass Veranstaltungen dort gemacht werden, ob es von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft ist, ob es Gottesdienste sind oder Ähnliches, das ist wirklich etwas, wo wir etwas aufzuarbeiten haben. Und deshalb ist es wichtig, dass Sie jetzt in die Pötte kommen und diese Strategie vorlegen. Das finde ich schon.
Den bemerkenswerten Vorschlag von Herrn Dr. Tjarks will ich noch einmal ansprechen. Die Idee, so habe ich Sie verstanden, möglicherweise auch eine neue Synagoge in Hamburg an zentraler Stelle zu errichten, finde ich wirklich einen bemerkenswerten Vorschlag. Wer weiß, dass unsere alte Synagoge am Bornplatz 1938 von den Nazis angesteckt wurde, 1939 abgerissen wurde, der Landesrabbiner, der Oberrabbiner Dr. Carlebach, 1942 von den Nazis in Riga ermordet wurde, das ist, glaube ich, wirklich etwas, auch ein längerfristiges Projekt, über das wir mit der Jüdischen Gemeinde, mit der Stadt diskutieren sollten, wo wir das jüdische Leben viel stärker und viel sichtbarer wieder in unserer Stadt verankern können. Die Bereitschaft meiner Fraktion dazu will ich ausdrücklich aussprechen und deshalb herzlichen Dank für die Debatte.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Was für eine gute, der Situation angemessene Debatte wir hier interfraktionell führen. Ich finde das einen richtigen und wichtigen Auftakt. Es gelingt über die demokratischen Fraktionen hinweg, uns darüber zu verständigen, dass das, was in Halle passiert ist, das, was in dieser Republik passiert, nicht passieren darf und dass wir viel politisch in der Umsetzung, aber auch in dem Streit zum Beispiel mit der AfD dafür tun müssen, dass das nicht passiert.
"Mich ergreift Zorn über die nicht enden wollende Dummheit, Feigheit und Brutalität der Angriffe auf die jüdische Gemeinschaft in unserem Land."
Ich glaube, in ähnlichen Worten und vielleicht sogar mit der ähnlichen Deutlichkeit haben wir das gesagt. Es war wichtig und richtig, dass wir es immer wieder sagen. Ich hätte es nicht für möglich
gehalten, dass es in Deutschland wieder möglich wird, Attentate erleben zu müssen. Das ist beschämend und das macht zornig.
Und noch einmal darüber hinaus: Wir alle, und zwar die komplette Gesellschaft, egal, welchen ethnischen, kulturellen oder sonstigen Hintergrund sie hat, wir alle haben aus den Verbrechen der Nazis, aus dem Holocaust die unbedingte Verpflichtung, Verantwortung für den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland übernommen.
Das muss man sicherlich vielen Menschen, die einer anderen Generation als ich zum Beispiel angehören, noch erklären. Es ist auch egal, woher sie kommen oder wohin sie wollen, sie müssen es verstehen. Dazu gehört die, und ich sage es noch einmal, unbedingte Verpflichtung. Und das gelingt natürlich nicht, um noch einmal so einen kleinen Exkurs zur AfD zu machen, wenn Sie die große demokratische Errungenschaft eben nicht in dem Zusammenhalt der Gesellschaft und der Vielfalt der Gesellschaft sehen, sondern indem Sie zulassen und fördern oder unterstützen, dass es eine Ausgrenzung von Minderheiten gibt, dass Rassismus gefördert wird, dass Diskriminierung für Sie eigentlich nichts Schlimmes ist. Der Hass gegen Minderheiten wird offen im Netz geschürt und an anderer Stelle auch, und dem müssen wir uns ebenfalls entgegensetzen.
Wir haben konkrete Anträge für die nächste Sitzung auf der Tagesordnung stehen, auch von der Koalition wird es einen Antrag geben. Sie wissen das, FDP, CDU haben Anträge, der Antrag der LINKEN liegt ebenfalls noch im Ausschuss. Ich glaube, wir tun gut daran, uns noch lange und ausführlich und möglichst konkret und am liebsten auch interfraktionell unter den demokratischen Parteien und Fraktionen in diesem Haus zu verständigen, was wir tun können, um die Zukunft des jüdischen Lebens in dieser Stadt zu verbessern, zu erhalten und ein Miteinander sehr viel mehr zu stärken, als wir es vielleicht manchmal getan haben. Viele Beispiele dazu sind hier schon genannt. Ich freue mich auf die Diskussionen im Ausschuss.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstens möchte ich natürlich sagen, dass mich die Debatte, sieht man von rechts außen ab, wirklich auch sehr gefreut hat, weil es sehr große Übereinstimmungen gibt. Ich möchte
nur einen Gedanken noch einmal stärker betonen. Ich habe im Vorfeld, in der Vorbereitung dieser Debatte, wirklich versucht, mich zu befassen mit dem, was man aus der jüdischen Community hört. Ich finde, wir haben allen Grund zur Selbstkritik. Es ist über den Antisemitismus links und rechts gesprochen worden und dankenswerterweise haben Sie auch gesagt, in der Mitte, und man wird damit konfrontiert, dass das wirklich … Wenn man hört, was Jüdinnen und Juden sagen, dass sie kaum im Zug sitzen können, im Abteil oder so, ohne auf irgendetwas zu stoßen, ohne irgendwie mit Antisemitismus einmal so beiläufig konfrontiert zu werden. Ich glaube, wir müssen uns wirklich sehr sorgfältig damit befassen, welche antisemitischen Denkmuster es gibt, die uns doch einen gewissen Blick auf die Gesellschaft geben, die unseren Blick ein bisschen prägen,
Ich will noch etwas Zweites sagen und sogar noch etwas Drittes. Von Richard C. Schneider, der das in der "Zeit" geschrieben hat – ich weiß nicht, ob Sie das gelesen haben oder wer das gelesen hat –, ist das wirklich ein sehr, sehr wichtiger Beitrag. Er sagt da zum Beispiel, und darüber müssen wir auch nachdenken:
"Das eigentliche Problem liegt im politischen Konzept der Bundesrepublik Deutschland. Für den Staat haben wir Juden seit Jahrzehnten nur eine Funktion gehabt: Wir waren und sind der Persilschein für die alte westdeutsche Republik genauso wie für das wiedervereinigte Land. Der Beweis, dass Deutschland nichts mehr mit der NS-Zeit zu tun hat. Dass es zu Recht in das westliche Bündnis eingegliedert wurde. Das ist die bittere Erkenntnis, der wir Juden in Deutschland uns stellen müssen. Wir sind nur ein Alibi. Was also muss noch passieren, bis auch wir begreifen: Es reicht?"
Und das Dritte, was ich sagen möchte, ist ein Artikel, ein Gastbeitrag im "Spiegel" von Max Czollek, den ich eben schon zitiert habe. Er hat ein wirklich sehr provokatives, interessantes und wichtiges Buch geschrieben, "Desintegriert euch!"; ich empfehle das zur Lektüre. Max Czollek schreibt im "Spiegel":
"Die Reaktion auf Halle muss selbstverständlich mehr sein als Betroffenheit. Sie braucht konkrete Vorstellungen davon, was sich verändern muss, damit sich so etwas
nicht wiederholt. Das manifestiert sich auch in einer Einsicht, die unter ostdeutschen Juden und Jüdinnen vielleicht verbreiteter gewesen ist als unter westdeutschen: Dass es nach der Shoah nicht genügt, ein paar Sicherheitskameras und dicke Türen bereitzustellen, damit die Dinge sich nicht wiederholen. Sondern, dass es einer anderen Gesellschaft bedarf. Die Einsicht, dass Antifaschismus und Antirassismus Teil sein muss der Staatsräson nach 1945, dass also links und rechts keineswegs gleich weit entfernt sind von der bürgerlichen, post-nationalsozialistischen Mitte, ist heute nicht die herrschende politische Einstellung. Sie sollte es aber sein. Denn wenn dieses Land 2019 nicht auf einem antifaschistischen Konsens basiert – dann weiß ich auch nicht, worauf."