Protocol of the Session on June 22, 2011

Die FDP kann sich mit jedem dieser Ziele, das wird Sie vielleicht überraschen, also konzernunabhängige Energieversorgung, Energiewende und sichere Arbeitsplätze, anfreunden.

(Beifall bei Katja Suding FDP)

Nur können Sie kein einziges dieser Ziele durch Rekommunalisierung der Netze erreichen. Wer sich mit der Netzproblematik beschäftigt hat und dies trotzdem behauptet, redet wider besseres Wissen.

(Beifall bei der FDP)

Oder mit anderen Worten: Der täuscht die Hamburger und Hamburgerinnen. Wer außerdem zu den beträchtlichen finanziellen Risiken einer Rekommunalisierung schweigt, handelt auch noch politisch verantwortungslos.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Herr Kerstan, Frau Heyenn, Sie, Ihre Fraktionen und die Volksinitiative werben mit dem Argument, dass die Stadt durch eine Rekommunalisierung der Netze die Kontrolle über die Energiepolitik erhält. Das ist schlicht unzutreffend, denn auch für einen städtischen Netzbetreiber gilt Paragraf 20 Energiewirtschaftsgesetz. Danach sind die Betreiber von Energieversorgungsnetzen verpflichtet, jedem Stromanbieter diskriminierungsfrei den Netzzugang zu gewähren, kontrolliert von der Netzagentur und der EU-Kommission. Frau Heyenn, dann sagen Sie den Bürgern bitte auch ganz offen, dass Sie 2 Millionen Euro Steuergelder in die Hand nehmen und die Netze verstaatlichen wollen.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das ist völlig falsch!)

Wir sind dann aber am Ende des Tages dennoch verpflichtet, Strom aus französischen oder tschechischen Atomkraftwerken über diese Netze zu schicken. Eine Energiewende sieht anders aus.

(Beifall bei der FDP)

Schenken Sie den Bürgern auch reinen Wein über die Folgekosten ein, denn die Entschädigungszahlungen an die derzeitigen Netzbetreiber sind nur ein Aspekt. Was aber geschieht, wenn die Stadt die Netze übernommen hat? Wer trägt dann die Kosten für den Ausbau und die Modernisierung der Netze, für intelligente Netze und Elektromobilität?

Es liegt doch auf der Hand, dass sich unter den Bedingungen der Energiewende sowohl die technischen Anforderungen an die Netzarchitektur als auch der Regulierungsrahmen erheblich verändern werden. Man braucht kein Prophet zu sein, um zu wissen, dass auf einen zukünftigen Netzbetreiber daher Investitionen in einer dreistelligen Millionenhöhe zukommen werden.

Wer als Netzbetreiber dieses Geld nicht in die Hand nimmt – man könnte sagen, man lässt alles so, wie es ist –, der geht ebenfalls ein ganz erhebliches wirtschaftliches Risiko ein, denn durch die seit 2009 geltende Anreizregulierung sind die Preise für die Durchleitung von Energie und damit auch die zu erzielenden Erlöse gedeckelt. Wer also Netze inneffizient betreibt, wird Geld verlieren und Verluste einfahren. Daher ist es auch ein rot-rot-grünes Märchen, dass der Betrieb von Netzen eine risikolose Gelddruckmaschine ist. Wer so argumentiert, stellt ungedeckte Wechsel auf die Zukunft aus, weil er gar nicht weiß, wie sich die technischen Anforderungen an den Netzbetrieb oder der Regulierungsrahmen in den nächsten zehn oder 20 Jahren ändern werden. Das nennt man unter Juristen Wechselreiterei und die ist strafbar.

(Beifall bei der FDP)

Was ist eigentlich mit den Beschäftigten der jetzigen Netzbetreiber? Ist Rekommunalisierung ein Betriebsübergang im Sinne des Paragrafen 613a BGB? Werden das dann Mitarbeiter der Stadt und, wenn ja, zu welchen Bedingungen? Fragen über Fragen, aber keine Antworten. Wer rekommunalisiert, geht somit sehenden Auges das Risiko ein, Verluste zu vergesellschaften. Wir wollen für die Stadt keine solchen Investitions- und Verlustrisiken, und zwar ganz gleich, ob die Netze von der Stadt selbst oder einem städtischen Unternehmen betrieben werden. Daher gilt: Hände weg von einer Rekommunalisierung der Netze. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herr Dr. Bischoff, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mindestens drei Argumente, die eben vorgebracht worden sind, können so nicht stehenbleiben.

Erstens ist es, Herr Scheuerl, doch ein bisschen schäbig, wenn Sie diesen Ausdruck gestatten, wenn Sie jetzt mit dem Hinweis anfangen, dass wir erst morgen das Ergebnis wüssten. Die Zwischenergebnisse sind beeindruckend und Sie reden diese schlecht. Schauen Sie sich morgen das Ergebnis an und dann würde ich sagen – nichts anderes ist ausgedrückt worden –, dass sich ein Großteil der Hamburger Bevölkerung für diesen Weg aus

(Dr. Thomas-Sönke Kluth)

spricht, immer in Rechnung gestellt, wer sich überhaupt bei solchen Prozessen engagiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist richtig – da kommen wir auch nicht drum herum, Herr Kluth –, dass die Bürgerinnen und Bürger in Hamburg mit der Privatisierungspolitik, auch das ist als Argument vorgebracht worden, ganz schlechte Erfahrungen gemacht haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Insofern gibt es – und das nicht nur in Hamburg – eine große Bereitschaft der Bevölkerung, die Rekommunalisierung auf den Weg zu bringen und zu prüfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb lassen Sie uns das einmal ganz gelassen angehen.

Als zweiten Punkt bringen Sie das Argument, dann wäre das Haushaltsrecht des Parlaments verletzt. Auch da ist viel zu weit gesprungen, das ist völlig offen. Es ist bislang immer betont worden, wenn wir diesen Schritt machten, dann müsse das ohne Beschneidung des Haushaltsrechts des Parlaments geschehen. Und wenn das Begehren erfolgreich sein sollte, dann werden wir die nächsten Schritte diskutieren können.

Herr Kluth, damit das nicht so im Raum stehen bleibt: Wir müssen erst einmal zur Kenntnis nehmen, dass die Bundesnetzagentur und das Kartellamt einen Leitfaden herausgegeben haben, wie denn bei der Rekommunalisierung zu verfahren sei. Das haben sie deshalb gemacht, weil in Tausenden Fällen die Konzessionen für die Netze auslaufen und ein Neuregelungsbedarf besteht. Und auch die Bundesnetzagentur und das Kartellamt nehmen zur Kenntnis, dass es nicht nur in Hamburg, sondern auch an anderer Stelle die Grundüberlegung gibt, das in öffentliche Hand zurückzuholen, also zu rekommunalisieren. Sie würden keinen solchen Leitfaden herausgeben und entsprechende Vorschläge machen, wie das zu handhaben ist, wenn das alles abseitig wäre.

(Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP: Das ist ein ganz anderer Aspekt!)

Schauen Sie sich auch an, was da drin steht.

(Finn-Ole Ritter FDP: Thema verfehlt!)

Das hätte in Hamburg schon längst bewegt werden können. Die Grundvoraussetzung für die Fortführung ist, dass die entsprechenden jetzigen Nutzer dieser Eigentumsrechte die Bedingungen offen auf den Tisch packen. Wenn wir das richtig deuten, ist es so, dass sich die Energiekonzerne völlig dagegen stellen und eine offene gesellschaftliche Auseinandersetzung über Alternativen nicht möglich machen.

Drittens kommen Sie immer mit dem Schreckgespenst dieser 2 Milliarden Euro. Es gibt bekanntlich eine Machbarkeitsstudie, es gibt Hinweise, wie das im einzelnen Fall zu machen ist, und es ist auch modellhaft in Hamburg durchgerechnet worden. Insofern sind diese 2 Milliarden Euro und was Sie alles anführen, meines Erachtens Vorurteile und keine Argumente in der Sache.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Andreas Dres- sel SPD: Zahlen nennen Sie aber auch nicht!)

Was glauben Sie eigentlich, wenn das ein so hoch risikobehaftetes Geschäft ist, warum die großen Konzerne sich dann unbedingt diesen Rieseneinfluss sichern wollen?

(Beifall bei der LINKEN)

Und dann kommen Sie noch mit dem Argument, dass diese kapitalstark wären und den Ausbau und die Modernisierung der Netze betreiben könnten. Das ist eigentlich ein Widerspruch in sich. Bislang haben die bisherigen Nutzer der Netze nicht alles ausgeschöpft, um ein modernes Netzsystem zu entwickeln. Dass wir da noch vor ganz anderen Herausforderungen stehen, wird doch hier oder in der Initiative keiner bestreiten. Also lassen Sie uns das Ergebnis nüchtern betrachten und dann die nächsten Schritte mit dem Parlament und der Initiative zusammen gehen. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt nun der Abgeordnete Völsch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Erstens: Wir können davon ausgehen, dass das Volksbegehren erfolgreich ist, jedenfalls nach allen Nachrichten, die wir hören.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das können wir wohl!)

Dann können wir aber auch davon ausgehen, dass unsere Verfassung gilt, und diese Verfassung sieht eine Befassung in unserem Parlament und in den zuständigen Ausschüssen vor, und die wird auch stattfinden.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Joachim Bi- schoff DIE LINKE)

Da sollten wir uns auch nichts vergeben, weil es unsere Aufgabe als Parlament ist, auf diese Art von Gesetzgebung zu reagieren und diese Gespräche dann zu führen.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das müssen wir tun! – Anja Hajduk GAL: Wir haben uns so- gar schon damit befasst!)

(Dr. Joachim Bischoff)

Zweitens: Wenn wir die Netze kaufen wollen, egal wie viele, dann müssen wir die Frage beantworten, wo wir das Geld hernehmen. Es ist dabei erst einmal relativ gleichgültig, ob es sich am Ende um eine halbe Milliarde, um eine Milliarde oder um zwei Milliarden Euro handelt.

(Beifall bei Finn-Ole Ritter FDP)

Wir müssen die Frage beantworten, woher dieses Geld kommt. Ich habe bei Herrn Kerstan heute die Aussage vermisst, man könne es über die Rücklagen von HAMBURG WASSER finanzieren, aber diesmal hat Frau Heyenn das Argument angeführt. Das, davon bin ich fest überzeugt, wird nicht funktionieren. Es wird Gebührenzahler geben, die dagegen klagen werden, dass wir diese Gelder dafür zweckentfremden.