Joachim Bischoff
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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst im Namen der Fraktion bei Frau Veit für den einleitenden Beitrag bedanken. Wir sehen es genauso, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dass wir eine doppelte Aufgabe vor uns haben. Auf der einen Seite muss auch in Hamburg lückenlos aufgeklärt werden und auf der anderen Seite wird man ein Problem, das sichtbar geworden ist, auf dieser Ebene allein nicht lösen können, sondern wir brauchen in der Tat einen verstärkten, umfassenden Einsatz der Zivilgesellschaft.
Herr Dressel, wir haben es schon gehört, man kann schon ein bisschen kritisch sein, ob alle Fraktionen diese Aufgabe mit Energie umsetzen wollen; wir sind jedenfalls dazu bereit.
Da Sie mich so freundlich angesprochen haben, wofür ich mich bedanke, nehme ich einmal die An
kündigung, dass Sie sich mehr um den Steuervollzug kümmern wollen, nicht nur als Blume für mich, sondern als Beitrag zur Lösung der Probleme in der Stadt. Darauf komme ich nachher noch zurück.
Ich muss Herrn Wersich in einem Punkt wirklich zustimmen.
Er wies nämlich darauf hin, dass wir es mit einer ziemlich ungewöhnlichen Haushaltsberatung zu tun haben. Ich will nicht wieder das heranziehen, was Sie selbst auf den Weg gebracht haben, sondern ich halte mich an die Drucksache 20/700, die heute zur Diskussion steht, und dort sind Steuereinnahmen ausgewiesen für das Jahr 2011 in Höhe von 7,6 Milliarden Euro
und für das Jahr 2012 in Höhe von 8,08 Milliarden Euro. Der Senat hat uns letzte Woche mit einer Mitteilung an die Bürgerschaft überrascht, nämlich: "Unterrichtung der Bürgerschaft über die Ergebnisse der November-Steuerschätzung 2011". Wenn ich also diese Einnahmesituation jetzt mit dem vergleiche, was in dieser Drucksache steht, dann reden wir in 2011 über Einnahmen von 8,5 Milliarden Euro und für 2012 von 8,8 Milliarden Euro. Pi mal Daumen – wir wollen uns jetzt nicht bei Millionenbeträgen aufhalten – sind das 10 Prozent Abweichung, 10 Prozent Mehreinnahmen.
Nicht ganz, aber lassen wir das jetzt mal beiseite.
Diese Situation ist für eine Haushaltsberatung – ich habe nicht so viele mitgemacht – ziemlich untypisch.
Darauf komme ich gleich. Ich ziehe eine andere Schlussfolgerung.
Was sagt nun der Senat zu dieser Konstellation? Seine These ist – ich will es Ihnen vorlesen:
"Eine Notwendigkeit zur Änderung der Haushaltsansätze für die Steuereinnahmen der Jahre 2011 und 2012 ergibt sich […] nicht."
Wir haben in der Tat rund 10 Prozent höhere Einnahmen. Hier wird uns schriftlich mitgeteilt, dass sich eine Notwendigkeit der Veränderung nicht ergäbe. Weiter wird argumentiert, dass für die Ausgabenplanungen des Senats die kurzfristigen
Schwankungen von Steuereinnahmen und Steuerprognosen nicht maßgeblich seien.
Wir orientieren uns an dem Zieldatum 2020. Herr Dressel, was uns daran irritiert, sind die 10 Prozent Abweichung. Sie sind nicht einfach eine kurzfristige Schwankung.
Dahinter lauert also ein Problem, gerade dann, wenn in der Drucksache steht, dass man 2016 mit über 10 Milliarden Euro Steuereinnahmen rechne.
Was ist also der Hintergrund für unser Unbehagen an diesem Punkt? Das Unbehagen besteht darin, dass Sie eigentlich sehen müssten, dass wir jetzt erst das Niveau von vor der Krise erreicht haben.
Sie müssten dann diesen Aufholungsprozess aus der großen Krise heraus ausweisen – dies ist auch sehr positiv – und sagen, worin nun der Konjunktureffekt liegt. Es ist wirklich ärgerlich, denn die neue Schuldenregelung sieht dies ausdrücklich vor. Bund und Länder sollen nicht zu einem volkswirtschaftlich schädlichen, prozyklischen Ausgabenverhalten gezwungen werden. Das kann man nur, indem man für die weitere Entwicklung wirtschaftliche Schwäche und Krisenzeiten einkalkuliert und insofern dieser Konjunkturentwicklung auch Rechnung trägt.
Ich wäre daran interessiert, dass Sie mir anhand dieses Haushalts und der dazugehörigen Rahmendrucksachen einmal erklären, wie Ihre Konjunkturkomponente aussieht, die Sie beispielsweise in der Finanzplanung Schleswig-Holsteins überall finden – Herr Wersich hat auch noch andere Länder angesprochen. Hamburg leistet es sich in dieser Situation, einfach zu konstatieren, dies werde so weitergehen und man orientiere sich in der Ausgabenplanung nicht an dieser Entwicklung der Einnahmen. Für das Parlament ist das recht bitter. Das ist ein ziemlich schlechtes Verhalten, denn als Parlament müssen wir sowohl die Einnahmenseite als auch die Ausgabenseite vernünftig diskutieren und in der Planung beurteilen.
Nun sagen Herr Wersich und auch die FDP-Fraktion – ich glaube, selbst die GAL sieht das jetzt so –, diese strukturelle Entwicklung interessiere weiter nicht. Im Grunde könne man sofort im nächsten oder übernächsten Jahr zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen.
Herr Heintze hat übrigens noch eine schöne Anfrage auf den Weg gebracht. Wenn man sich die Ab
rechnungen anschaut, sind dort schon die Ablösungen des Wohnungsbaukreditdarlehens gegenüber dem Bund enthalten, und wenn ich das umrechne, dann wäre der Betriebshaushalt bis zum September 2011 ausgeglichen, wenn man das nicht gemacht hätte.
Ich spreche jetzt über den Betriebshaushalt.
Man kann dann natürlich die Frage aufwerfen, ob es nicht nur einer ernsthaften Anstrengung bedarf – ich glaube, Frau Suding hat das gesagt –, um zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen, und danach tritt man dann in die Tilgungsphase ein. So wird es eben nicht gehen. Da haben Sie, Herr Wersich und auch Ihre Fraktion, keinen Funken von Selbstkritik erkennen lassen. Wir müssen wirklich einmal klären, warum wir bei einem Schuldenberg von knapp 30 Milliarden Euro beziehungsweise darüber sind. Sie haben nur auf die Lasten der deutschen Einheit hingewiesen, was wir gar nicht bestreiten. Aber dazu gehört auch, dass alle Bundesländer und auch der Bund in den letzten Jahren erhebliche Schwierigkeiten mit der antizyklischen Wirtschaftspolitik hatten. Wir haben in den Krisen- und Schwächephasen immer versucht gegenzusteuern. Und das Gegenmoment, dass man in besseren Zeiten versuchen muss, einen Ausgleich zu erreichen, ist nicht gelungen. Das war ein sehr wichtiger Faktor. Deswegen muss man sich das aber anschauen, denn wir brauchen es für die nächste Zeit.
Ein zweiter Punkt sind die Steuersenkungen, davon war eben schon die Rede. Herr Dressel, Sie nicken, aber Ihre Partei hat 1998 auch diese Steuersenkungen mit auf den Weg gebracht. Wenn wir uns die Steuersenkungen von 1998 bis heute ansehen, dann würden wir heute, im Jahr 2011, 51 Milliarden Euro – Bund, Länder und Gemeinden – höhere Steuereinnahmen haben. Und Steuersenkungspolitik hat nicht das gebracht, als was sie verkauft wurde, nämlich eine Beschleunigung des Wachstums. Die letzte große Steuersenkungsoperation war das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das auch Hamburg betroffen hat. Steuersenkungen können auf gar keinen Fall eine Perspektive sein, wenn man von dem Schuldenberg herunter will.
Ein dritter Punkt. Was wurde denn in den letzten Jahren gemacht? Wir haben die Banken gefüttert. Es ist zwar nicht im Haushalt enthalten, aber auch Hamburg hat über 5 Milliarden Euro Garantieverpflichtungen für die Rettung der HSH Nordbank übernommen. Sie haben es wirklich genial geschafft, uns zu provozieren, und zwar mit Ihrem Antrag 20/2347: "Ausgleich des Defizits im Son
dervermögen Stadt und Hafen". Da werden mal eben 250 Millionen Euro transferiert. Man nimmt es weg aus dem Kapitalisierungsansatz des Hamburger Versorgungsfonds, der dank dieser Vermögenspolitik kaputtgegangen ist. Aber Sie führen dort auch keine Diskussion, sondern wollen – was an sich positiv ist – den Schattenhaushalt HafenCity auflösen, machen das aber nicht mit einer breiter angelegten Diskussion, sei es im Parlament oder in der Stadt. Es steckt auch noch mehr dahinter, es sind 300 oder 400 Millionen Euro. In derselben Situation, wo Sie davon sprechen, man müsse das retten, machen Sie einen Überbrückungsfonds für die Stadtteile, bei dem Sie flächendeckend einiges kaputt machen. Und da müssen Sie sich mit der Kritik auseinandersetzen, wie sie heute vor der HSH Nordbank oder an anderer Stelle stattfindet und wo Sie sagen, "Occupy Wall Street" sei gut. Aber wenn Sie diese Diskrepanz zwischen der Bankenrettung, dem Bankenfüttern auf der einen Seite und der sozialen Armut und Vernachlässigung in den benachteiligten Stadtteilen auf der anderen Seite angehen sollen, dann arbeiten Sie mit Größe 100 000. Deswegen sagen die Leute Ihnen auch, dass es so künftig nicht weitergehen könne. Sie müssen die Prioritäten ändern.
Wenn Sie denn schon meinen, das müsse so sein, dann hätte dazu gehört, dass Sie dies umfassend diskutieren, dass Sie es wirklich ans Licht holen und hinterfragen, was bei der HafenCity falsch gelaufen ist, wenn man jetzt für so einen Schuldenberg geradestehen muss. Das machen Sie im Grunde genommen klammheimlich, und Sie betreiben auch keine Vorsorge für die nächste Entwicklung mit einer antizyklischen Wirtschaftspolitik.
Wie kommen Sie denn jetzt mit Ihren Schulden exakt bis 2020 hin? Im Unterschied zu Frau Suding bin ich der Meinung, dass Sie die Investitionen so heruntergefahren haben, dass einem schlecht werden kann. Außerdem haben Sie natürlich die erklärte Absicht und machen es faktisch auch, beim Personal zu sparen. Sie machen das, was in ganz Europa die Krisenstaaten tun, wenn ihnen nichts mehr einfällt, wie sie aus der Situation herauskommen können, nämlich den öffentlichen Dienst als Sparopfer zu nutzen sowohl bei den Investitionen als auch bei den Stellen und den Einkommen der Beschäftigten. Nun kann man sagen, es seien nur 250 Stellen, aber bislang hat keine Fraktion, die schon in den letzten Jahren kräftig gekürzt hat, einmal eine Aufgabenkritik vorgelegt. Die FDP redet nur davon.
Sie sagen, Sie wollen es dann machen, aber vorgelegt haben Sie es noch nicht.
Sie erklären uns, wenn es mit den 250 Stellen nicht reiche, dann würden Sie noch weitergehen bei den Kürzungen. Das ist so wenig klug und sozial gerecht, als die Investitionen herunterzufahren.
Insofern kann man mit dieser Situation, Herr Wersich, auch anders umgehen. Wir würden nicht die Schlussfolgerung ziehen, jetzt noch härter zu konsolidieren, sondern wir haben immer dafür votiert, uns auf eine Mischung zu verständigen, auch unterfinanzierte Bereiche aus ihrer Ecke herauszuholen, damit sie die Wirtschaftskraft und das Potenzial dieser Stadt weiterentwickeln, und dies nicht nur bei der Infrastruktur, sondern auch bei den Arbeitskräften, damit dieser Schuldenausgleichspunkt 2020 vernünftig erreicht werden kann. Diese Konzeption ist jedenfalls aus unserer Sicht nicht erkennbar.
Ich sage noch einmal ganz klar, dass wir für die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen sind, für eine Politik, die auch diesen Korridor benennt. Aber im Grunde sind wir tief davon überzeugt, dass es ohne eine Veränderung der Steuerpolitik nicht geht.
Ich komme noch einmal auf die Drucksache über die Steuerschätzungen zurück. Es wird auch über die Situation der Steuerentwicklung berichtet. Da tritt bei der veranlagten Einkommensteuer nach der Prognose in den nächsten Jahren ein deutlicher Rückgang ein. Warum? Weil die Einnahmen im Jahr 2010 aufgrund von Selbstanzeigen besonders hoch waren.
Herr Dressel, wenn das in Ihrer Drucksache steht – nicht nur, was die CDs angeht – und wenn Ihnen Ihr Senator bescheinigt, dass die Selbstanzeigen in einem Jahr hoch gewesen wären, dann hätten Sie doch längst dafür eintreten müssen, dass der Steuervollzug in Hamburg besser wird.
Sie hätten längst dafür eintreten müssen, dass wir in der Frage einer Vermögensabgabe, wie die Grünen sie fordern, und einer vernünftigen Vermögensbesteuerung und Erbschaftsteuer Schritte vorankommen.
Das ist Beschlusssache, haben wir bei den Gewerkschaften immer gesagt. Das heißt doch noch nicht, dass es umgesetzt wird.
Sie werden nur mit Steueränderungen aus der beängstigenden Schuldenfalle herauskommen. Bei
allem anderen werden wir bestenfalls kleine Veränderungen erreichen können. Für eine große Lösung, von der einige immer schwärmen und träumen, sind andere Schritte notwendig. – Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Tschentscher, die Kritik richtete sich nicht dagegen, dass Sie jetzt dazu übergegangen sind, die Schattenhaushalte aufzulösen. Das will ich noch einmal ausdrücklich bekräftigen. Es ist unverzichtbar und dient der Haushaltsklarheit, dass die Sondervermögen Stadt und Hafen und ein paar andere, um die es noch geht, wieder in den Kernhaushalt integriert werden. Auch dass man das schrittweise machen muss, war unstrittig. Was ich nicht in Ordnung finde, ist, dass Sie bislang – und Frau Hajduk hat darauf hingewiesen – in allen Haushaltsberatungen immer wieder gesagt haben, Sie würden die Mehrausgaben für zwei Dinge verwenden: Sie würden damit einerseits einen relativ teuren Kredit
gegenüber dem Bund ablösen – das ist jetzt erfolgt – und den Rest würden Sie in den beiden Jahren in den Hamburger Versorgungsfonds stecken, weil dieser wegen des HSH-NordbankAbenteuers, das Sie nicht zu verantworten haben, faktisch insolvent ist. Das ist in Ordnung. Aber nicht in Ordnung ist, dass Sie uns jetzt ohne irgendwelche Vorberatungen diesen Antrag auf den Tisch legen. Herr Bläsing hat schon darauf hingewiesen, dass man es in der Zeitung lesen konnte. In Ihrem heutigen Antrag 20/2347 heißt es:
"Bislang war vorgesehen, die für 2011 und für die Folgejahre erwarteten höheren Steuereinnahmen zu nutzen, um ein 710Millionen-Euro-Defizit im Hamburgischen Versorgungsfonds AöR auszugleichen, das durch die HSH-Nordbank-Krise entstanden ist. Da der Fonds erst ab 2014 auf diese Mittel angewiesen ist, erscheint es nach den aktuellen Erkenntnissen zum Sondervermögen Stadt und Hafen dringender, zunächst die bilanzielle Entschuldung und angemessene Eigenkapitalausstattung des Sondervermögens Stadt und Hafen vorzunehmen."
Im Grunde genommen haben Sie einfach so über Nacht über die Verwendung von 250 Millionen Euro neu entschieden. Das mögen Sie für ein faires Verfahren gegenüber dem Haushaltsausschuss und der Opposition halten, aber da habe ich eine ganz andere Sicht. Das hätte wenigstens im Haushaltsausschuss ordentlich besprochen werden müssen.
Ich sage das deswegen noch einmal so pointiert, weil Sie, wenn wir darüber gesprochen hätten, eine weitere Problematik hätten einräumen müssen, die sich jetzt ebenfalls abzeichnet: Natürlich werden die Konsequenzen des Sanierungsprozesses bei der HSH Nordbank mit allem, was noch daran hängt, im nächsten Jahr gravierend auf die Stadt zukommen. Da geht es eben nicht einfach, wie im FDP-Antrag, um die Herabstufung des Ratings der HSH Nordbank, sondern es geht schlicht darum, dass erneut der Aktienwert festgestellt werden muss und dass die Anstalt öffentlichen Rechts, über die Schleswig-Holstein und Hamburg die Kreditgarantien abwickeln, schon jetzt deutlich ins Minus geraten wird. Insofern stellt sich natürlich weiterhin ganz gravierend die Frage, wie man mit diesen Altlasten umgeht. Es ist für mich und für meine Fraktion immer eindeutig gewesen, dass wir – wir haben es nicht verursacht – dafür eintreten müssen, dass das vernünftig saniert wird. Aber gerade deshalb ist wichtig, das mit aller Transparenz im Parlament zu verhandeln, damit wir eine verlässliche Konzeption auch für die aktuelle Haushaltsentwicklung hinbekommen.
Insofern haben Sie da wirklich ein schlechtes Werk abgeliefert.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es tut mir leid, aber ich kann mit der Kritik der anderen Oppositionsparteien überhaupt nichts anfangen.
Ich habe den Eindruck, dass Sie sich mit dem Vorgang Schuldenbremse überhaupt nicht auseinandergesetzt haben, denn sonst könnten Sie, Frau Suding, so etwas nicht erzählen.
Ich habe auch Kritik an der Finanzplanung, keine Frage, aber man muss dem Senat und dem Finanzsenator attestieren, dass sie sich an das Grundgesetz halten. Das sieht seit 2011 vor, die Schuldenbremse einzuhalten und die Netto-Schuldenaufnahme im Jahr 2020 für die Bundesländer nicht mehr zu erlauben. Danach ist diese Finanzplanung ausgerichtet. Wenn Sie das Sachverständigenratsgutachten angeschaut hätten, dann hätten Sie zur Kenntnis nehmen müssen, dass Hamburg unter den vier oder fünf Bundesländern steht, die eine Chance haben, diesen Termin einzuhalten, im Unterschied zur Mehrheit der anderen Bundesländer.
Unsere Fraktion hat zur Einführung der Schuldenbremse Nein gesagt, auch auf Bundesebene. Diese Veränderung im Grundgesetz ist vor der großen Krise erfolgt. In der großen Krise, das ist in einigen Beiträgen angeklungen, haben wir zusätzliche Probleme, die Konsolidierung des Haushalts voranzubringen. Es geht nicht um symbolische Operationen. Die Länder, die noch keine Veränderung der Landesverfassung vorgenommen haben, können bestimmte Regelungen treffen, wie sie in den konjunkturellen oder strukturellen Bereichen mit einer zeitweiligen Schwankung um die Nulllinie umgehen wollen.
Was mich an dieser Finanzplanung beunruhigt, ist Folgendes. Ein Ausgleich im Konjunkturzyklus ist ausdrücklich vorgesehen. Das heißt, Sie müssen anvisieren, dass es 2020 keine Neuverschuldung gibt, können aber im Konjunkturzyklus zeitweilig Mehrausgaben machen, wenn Sie das ausglei
chen. Dieses Projekt darf nicht auf kurzfristigen konjunkturellen Mehreinnahmen basieren. Das ist auch gar nicht das Problem, Herr Quast. Wir haben aber immer noch das Problem, dass wir erneut in eine schwere Krise abstürzen. Wenn Sie sich den Sachverständigenrat anschauen, ist die Unruhe mit Händen zu greifen. Ist durch das, was in diesem Finanzplan vorgesehen ist, wenigstens die Möglichkeit ausgeschöpft, dass man gegen so eine Entwicklung vorgehen kann? Das ist nicht der Fall, da stimme ich Ihnen zu, Frau Hajduk, darauf haben Sie ausdrücklich hingewiesen. In einem solchen Umfang die Investitionen zurückzufahren, ist hoch gefährlich.
Wir müssen es bei einer konjunkturellen Abschwächung so belassen, um nicht wieder in größere strukturelle Probleme hineinzukommen.
Nehmen wir hypothetisch den Fall an, dass Sie diese Ziellinie nicht erreichen, was machen Sie dann? – Konsequenter Personalabbau in weiten Bereichen der Verwaltung. Das ist genau der Weg, der in Portugal, Griechenland und Italien beschritten wird. Glauben Sie doch nicht im Ernst, dass Sie eine Konsolidierung des Haushalts hinbekommen, indem Sie den Personalabbau im öffentlichen Dienst vorantreiben.
Glauben Sie doch nicht im Ernst, dass Sie über Einkommens- und Rentenkürzungen alles konsolidieren können.
Das wird nicht funktionieren, sondern Sie müssen, wenn Sie dahin kommen wollen, eine stabile Ökonomie zustande bringen, und wir haben in Europa zurzeit keine stabile Ökonomie.
Ich bin fassungslos über das, was Sie, Herr Heintze, machen. Ein Problem, warum wir in dieser Situation sind, ist, dass wir seit den Achtzigerjahren eine konsequente Steuersenkungspolitik von Ihnen gesehen haben.
Das, was Sie in dieser Situation wieder machen, ist das Dümmlichste, was man machen kann. Sie nehmen eine Steuersenkung vor, die Hamburg 72 Millionen Euro kosten wird, und sagen dann, der Senat solle beschleunigt konsolidieren. Das ist so widersprüchlich, das ist kaum zu fassen.
Es wird noch häufiger die Diskussion geben, ob wir 2020 die Nulllinie erreichen. Wir werden das nur hinbekommen, wenn wir die Konsolidierung der öf
fentlichen Haushalte über eine andere Steuerstruktur regeln. Dazu gehört zwangsläufig eine einmalige Vermögensabgabe, wie die Grünen sie vorgesehen haben, und eine grundgesetzverträgliche Einführung der Vermögensteuer, das ist unverzichtbar.
Aber in der jetzigen Situation werden Sie das nie erreichen.
Zwei Bemerkungen.
Erstens: Herr Tschentscher, Sie machen einen Fehler, wenn Sie den Konjunkturstabilisierungsfonds in Hamburg so darstellen, wie Sie es tun. Es war klug - meine Fraktion hat jedenfalls damals zugestimmt –, diese 6 Milliarden Euro aufzunehmen, denn wir hätten sonst in dieser schweren großen Krise einen viel härteren Einschnitt beim Sparkurs in Hamburg praktizieren müssen. Und für die damals auch schon geltenden Rahmenbedingungen der Höchstverschuldung war es klar, dass man das nur auf diese Weise machen konnte. Man kann sich darüber streiten, was mit dem Geld im Detail gemacht worden ist, aber ich würde das nach wie vor für richtig halten.
Zweitens: Beim jetzigen Konzept der Schuldenbremse wird unterschieden nach konjunkturellen Bewegungen; da bin ich auch ganz bei Ihrer Bewertung. Aber wir müssen seit einiger Zeit in Rechnung stellen, dass es darüber hinaus Bewegungen gibt wie die Solvenzkrise und alle Konsequenzen, die diese einfache Betrachtung nicht möglich machen. Man kann nicht einfach wegwischen, dass auf Hamburg so eine Gefahr nicht mehr zukommt, sondern wir müssen uns bis 2020 darauf einstellen. Deswegen kommt es darauf an, auch in Hamburg einen vernünftigen Mix zwischen Konsolidierung und unverzichtbaren Mehrausgaben zu machen. Das hat unsere Fraktion immer gesagt. Wir sehen, dass man das in etwa halbieren sollte, und dann kann man auch den Pfad 2020 einhalten. Das werden wir in 14 Tagen noch genauer ausstreiten.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In Hamburg gibt es seit Längerem eine Kampagne gegen den Mietenwahnsinn. Die "Hamburger Morgenpost" beschreibt die Stimmung folgendermaßen:
"Banken werden mal wieder mit Milliarden gepäppelt, Mieten steigen und in vielen Vierteln geht die Angst vor Verdrängung um: Dagegen regt sich jetzt massiver Widerstand. Demos, Konzerte, Besetzungen, kreative Aktionen […]."
Weit über 1000 Bürgerinnen und Bürger hatten sich kürzlich im Schanzenviertel zu einem Konzert gegen die steigenden Mieten in der Hansestadt versammelt. Das Konzert stand unter dem Motto "Miete nervt! Wohnraum vergesellschaften!". Organisiert wurde es von dem Bündnis "Mietenwahnsinn stoppen". Die Wut und die Empörung über die Hamburger Wohnungspolitik wird auch auf die Straße getragen. Am kommenden Samstag wird erneut eine große Demonstration gegen den Mietenwahnsinn in der Stadt stattfinden.
Was ist der Hintergrund für diese Protestbewegung? Ich möchte Ihnen dies an einem aktuellen und meines Erachtens typischen Konflikt in Hamm verdeutlichen. Die Vereinigte Hamburger Wohnungsbaugenossenschaft plant in Hamm den Abriss eines Wohnblocks nahe der Sievekingsallee für einen Neubau mit 120 Wohnungen. Rund 200 Bürgerinnen und Bürger sollen das Haus verlassen, diese zahlen jetzt im Durchschnitt 4,50 Euro pro Quadratmeter. Die vhw bietet diesen Mieterinnen und Mietern Ersatzwohnungen im Quartier an, aber bereits diese kosten 6,50 Euro pro Quadratmeter. Im späteren Neubau soll der Quadratmeter 11,50 Euro für die überwiegend Zwei- bis Dreizimmerwohnungen kosten. Damit würde sich die Miete für viele Bewohner mehr als verdoppeln. Die Genossenschaft argumentiert, der Ersatzneubau sei die einzig wirtschaftlich vertretbare Alternative. Fakt ist aber auch, dass diese Alternative auf die Verdrängung eines Großteils der bisherigen Mieterinnen und Mieter hinausläuft. Fakt ist ferner: Wer in Hamburg seine Wohnung mit einer preiswerten Miete verliert, findet kaum oder nur schwer Ersatz.
Dieser Zusammenhang von Abriss und Neubau führt das renommierte Pestel Institut zu der These, dass wegen der laufend abgängigen Bauten in Hamburg eigentlich pro Jahr 12 000 Einheiten gebaut werden müssten. Die Experten dieses Instituts bezweifeln, dass die politische Zielsetzung mit 6000 neuen Wohnungen ausreicht. Ich kann mich diesem Zweifel nur anschließen. Es würden außerdem nicht die richtigen Wohnungen gebaut, zu viele Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäuser sowie Objekte im hochpreisigen Sektor seien darunter. Benötigt würden aber vor allem preisgünstige Wohnungen und nur eine deutliche Ausweitung in diesem Segment brächte in einigen Jahren eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt in Hamburg. Allein im ersten Halbjahr 2011 sind die Angebotsmieten im Vergleich zum Vorjahr um 7 Prozent
auf jetzt durchschnittlich 9,75 Euro pro Quadratmeter gestiegen, ein Allzeithoch, wie aus der Studie einer Immobilienberatungsfirma hervorgeht.
Hamburg hat tatsächlich eines der massivsten sozialpolitischen Probleme unter den deutschen Großstädten, einen Mangel an einigen 10 000 fehlenden, vor allem preiswerten Wohnungen und eine daraus resultierende Mietenexplosion, die sich bereits in den vergangenen Jahren in Form von überdurchschnittlich wachsenden ortsüblichen Vergleichsmieten niedergeschlagen hat. Anfang November steht jetzt die Verkündung des neuen Mietenspiegels 2011 auf der Tagesordnung. Zu erwarten sind erneut spürbare Erhöhungen der Mietensätze in den verschiedenen Kategorien. Zu befürchten steht weiter, dass SAGA GWG wie schon in den Vorjahren ihren Mieterinnen und Mietern für die aus der Bindung ausgelaufenen Wohnungen ohne Verzug drastische Mieterhöhungsverlangen zusendet. Das kann, so unsere Auffassung in Übereinstimmung mit dem Bündnis, so nicht weitergehen. Es muss endlich Schluss gemacht werden mit der sich immer schneller drehenden Mietpreisdynamik.
Betroffen von dem gestiegenen Mietpreisniveau und der angespannten Marktlage in Hamburg sind nicht nur die Haushalte mit niedrigem Einkommen und/oder Marktzugangsproblemen, sondern auch Haushalte mit mittleren Einkommen haben zunehmend Schwierigkeiten, sich mit angemessenem Wohnraum zu versorgen.
Keine Frage, wir brauchen umgehend den Bau von neuen Sozialwohnungen und meine Fraktion unterstützt das Projekt, die öffentliche Förderung auf 2000 Wohnungen auszuweiten, aber das reicht nicht aus, um den rückläufigen Bestand an Sozialwohnungen zu ersetzen. Wir müssen das untere Preissegment stärker fördern. Das wird aber immer noch Jahre dauern und deswegen setzen wir uns dafür ein, auch mit anderen Elementen auf den Markt einzuwirken. Ich nenne kurz vier: den Leerstand bekämpfen, den Büroneubau kritisch unter die Lupe nehmen, den sozialen Mieterschutz verbessern und ein neues Verhältnis von SAGA GWG und Genossenschaften mit befördern helfen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sind in dem Punkt gar nicht auseinander, Herr Schinnenburg, dass wir Maßnahmen zur Beschleunigung des Mietwohnungbaus brauchen. Da werden wir kritisch schauen, was dieser neue Senat wirklich auf den Weg bringt. Bislang ist die Zeit zu kurz, um es abschätzen zu können.
Sie können sich doch gleich noch einmal melden, Herr Hamann.
Dieser Punkt ist völlig unstrittig. Wir diskutieren über verschiedene Maßnahmen, wie man diese Sache nach vorn bringen kann. Ich habe in der letzten Legislaturperiode und auch in dieser immer wieder gesagt, dass das Bündnis für Wohnen in Hamburg und auch der Versuch, sich mit den Bezirken zu arrangieren, aus meiner Sicht wichtige Schritte sind. Diese Angelegenheit funktioniert nicht im Dissens angesichts der Verfahrenheit der Situation. Insofern ist dies gut.
Gleichzeitig – dies ist doch der Punkt, den wir gerade diskutieren – ist meine tiefe Skepsis, ob die 2000 Wohnungen mit öffentlicher Förderung uns wirklich zu einer Veränderung bringen, und in welchem Zeitraum dies sein soll. Herr Roock, wenn Sie fragen, was diese Anmeldung eigentlich solle, dann kann ich nur antworten, dass dies nicht einfach nur eine Debatte ist, die wir im Ausschuss und im Parlament führen. Gerade die Unruhe bei diesem Themenbereich ist in der Stadt ein wirkliches Spannungsfeld.
Wir müssen vernünftige Antworten entwickeln. Selbst wenn jetzt alles angeschoben wird mit diesen 2000 öffentlich geförderten Wohnungen, dauert es mindestens zehn oder 15 Jahre, bis man einen Entspannungseffekt merkt. Ich gestehe Ihnen zu, dass das in anderen Großstädten anders ist. Aber es ist ein massives Problemfeld in zwei bis drei Metropolregionen und dazu gehört Hamburg.
An diesem Punkt bleiben wir bei unserer Position. Man müsste übergangsweise über andere Dinge nachdenken, um den Mieterschutz zu erhöhen. Das ist nicht in dem Sinne gemeint, dadurch den Neubaubereich zu blockieren, aber wir müssen einen Weg finden, um diese Mietpreisentwicklung zu stoppen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist richtig, ich gehöre einer Partei an, deren Bundestagsfraktion heute nicht zugestimmt hat. Ich denke, dass wir das nicht gemacht haben, weil wir schlechte Europäer sind oder weil wir den Gedanken der europäi
schen Einigung gering schätzen. Ich will Ihnen mit zwei Argumenten kurz versuchen zu verdeutlichen, warum wir nicht zugestimmt haben.
Der erste Punkt betrifft die Ursachen, Herr Völsch. Die Ursache hat doch sehr viel mit einer Immobilienkrise zu tun, die aus den USA kam, aber selbstverständlich auch Spanien, Italien und Frankreich umfasst hat. Dieses Platzen der großen Immobilienblase und der Kreditblase hat sofort ein Bankenproblem aufgeworfen, weil die Werthaltigkeit vieler Anlagen nicht mehr gewährleistet war. Das ist durch massive Intervention abgefedert worden. Ein Teil dieser massiven Intervention haben wir in Hamburg vorgenommen, indem wir auf den SoFFin zurückgreifen mussten, um die Pleite der HSH Nordbank zu verhindern. Mit 500 Milliarden Euro war das eine große Summe. Meines Erachtens hat die Bundeskanzlerin zu Recht gesagt, dass die Rettungsaktion im Jahr 2008 zu wenig mit Regulierungsschritten untersetzt worden sei, was die Banken und so weiter betreffe. Es wäre einiges zu den Defiziten in verschiedenen Bereichen zu sagen.
Zweiter Punkt. Wir reden nicht nur über Griechenland, sondern wir reden auch über eine mögliche Gefährdung Spaniens, Italiens oder Frankreichs. Mit der Rettung von Griechenland oder Portugal ist das Problem der Werthaltigkeit vieler Dinge im Bankensystem noch keineswegs gelöst.
Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Herr Hackbusch, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf.
Frau Hajduk, ich will das Argument gern aufgreifen. Was bedeutet Sanierung für Griechenland und Portugal und eingeschränkt für Irland? Sie können, das ist unsere tiefe Überzeugung, eine solche schwere Krise der Überschuldung – und nicht nur der Überschuldung öffentlicher Finanzen, sondern auch der privaten Haushalte und der Unternehmen – nicht lösen, indem Sie die Lasten auf die breite Bevölkerung abwälzen.
Das funktioniert nicht. Wir haben im vergangenen Jahr erlebt, was Lohnkürzungen, Rentenkürzungen – und einiges machen wir ja auch –, die Kürzungen bei Bildung und Gesundheit bewirken. Das ist kein Ausweg aus der Situation. Man kann sich nicht raussparen.
Das ist der Streitpunkt, auch für Hamburg. Es geht nicht darum, wie Herr Heintze sagt, schnell noch Steuermehreinnahmen zu verfrühstücken. In einer solch zugespitzten Situation geht es um die Frage, wie man da herauskommt. Der Absturz der Konjunktur ist doch mit Händen zu greifen. Da müssen Sie aus unserer Sicht drei Dinge machen.
Erstens: Sie müssen die Realökonomie stabilisieren. Das geht nicht, indem Sie so in Lohn- und Rentenverhältnisse eingreifen.
Zweitens: Sie müssen den Finanzsektor regulieren.
Wir haben keine Differenz, Herr Völsch, in Fragen der Finanztransaktionssteuer und ein paar anderer Dinge, aber Sie müssen das mit Einnahmepolitik verknüpfen. Der Staat braucht vernünftige Einnahmen.
Drittens: Wir müssen vor diesem Hintergrund auch eine Redimensionierung im Umbau öffentlicher Sektoren vornehmen. Sie müssen alle Punkte gleichzeitig umsetzen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir debattieren den Bericht über die Diskussion mit Professor Wopp im Sportausschuss. Sie haben es alle in den Unterlagen, aber ich möchte Ihnen doch ans Herz legen, sich die PowerPoint-Präsentation dieses Sportentwicklungsplans noch einmal anzuschauen, weil dieser Sportentwicklungsplan, Herr Kleibauer, wie der Wohnungsbauentwicklungsplan in der Tat eine gute Grundlage sind, um in Hamburg vernünftig und parteiübergreifend Politik zu entwickeln. Das gilt sowohl für den Wohnungsbauentwicklungsplan als auch für den Sportentwicklungsplan.
Allerdings möchte ich doch noch einen anderen Akzent setzen als Sie, Frau Timmermann. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass einer der spannenden Punkte für den Sportentwicklungsplan das Gegeneinander vieler Akteure im Sport war. Gehen wir einmal davon aus, dass dies jetzt geklappt hat und bereinigt ist.
Sie finden in dem Chart, der überschrieben ist mit "Probleme", einen dritten Punkt, den ich Ihnen kurz vorlesen möchte:
"Hamburg ist eine polarisierte Stadt u.a. mit sozialer Ungleichheit und sozialräumlicher Segregation sowohl in der Gesellschaft als auch im Sport."
Das ist der Punkt, um den es geht. Herr Wopp hat in der Diskussion eingeräumt, dass ihm dieser Aspekt, dass Hamburg nicht nur eine reiche und eine sportliche, sondern auch eine tief sozial ge
spaltene Stadt ist, überhaupt erst nach Durchführung der Studie eingefallen ist. Bei der Konzeption hat dieser Aspekt zunächst einmal gar keine Rolle gespielt. Deswegen sagt er, es sei nicht möglich gewesen, die sich auch im Sport abbildende Spaltung der Stadt in Bevölkerungsbefragungen darzustellen. Ich will ihm oder den anderen Mitarbeitern das gar nicht vorhalten, aber dass soziale Spaltung, Segregation, unterschiedliche Beteiligungsmöglichkeiten und Chancen im Bericht keine Rolle spielen, markiert einen zentralen Defizitpunkt in dieser Untersuchung.
Herr Wopp sagte für sein Team, dass dieser Aspekt genauer untersucht werden müsse, weil er auch für andere Großstädte oder Metropolregionen wichtig sei, es aber viel zu wenig Erkenntnisse darüber gebe, was das im Detail bedeute. Das ist ein Defizit, das auch klar wurde ausgesprochen wurde. Es gibt aber auf der Ebene des Sportentwicklungsplans schon mindestens zwei Defizite.
Die Schlussfolgerung ist, dass wir relativ wenig darüber wissen, was es für den Sport, für die sporträumliche Situation und die beteiligten Kinder bedeutet. Trotzdem hat sich Herr Wopp für sein Team dazu durchgerungen, das Projekt "Kids in die Clubs" als äußerst erfolgreich zu bezeichnen, um dessen Nachahmung sich viele andere Städte bemühen. Auch hier muss wieder eingeräumt werden, dass dies nicht richtig untersucht worden ist. Richtig untersucht werden konnte auch nicht, welche Effekte vom Bildungs- und Teilhabepaket, das gerade für diese Stadtteile von sehr großer Bedeutung ist, ausgehen werden. Ich will Sie nur darauf hinweisen, dass in diesem Sportentwicklungsplan mindestes ein großes Defizit erkennbar ist, und das wird von den Autoren auch nicht in Abrede gestellt.
Wir haben diskutiert – das lassen Sie mich wenigstens noch kurz umreißen –, wie dieses Team zu seiner ausdrücklichen Empfehlung kommt, wenn es eine tiefe soziale Spaltung konstatiert und nicht sagen kann, ob die bekannten Maßnahmen tatsächlich etwas auslösen. Welche Auswirkungen würde in dieser Situation eine Sportstättenbenutzungsgebühr haben? Es ist vorhin schon vorgetra
gen worden und bis hin zur CDU waren wir uns alle einig, dass dies in jedem Fall, Herr Schira, eher die Entwicklung der sozialen Spaltung und der Nichtteilhabe von bestimmten Gruppen befördern würde. Wir sind uns natürlich darüber im Klaren, dass gerade im Bereich der Sportstätten eine Unterfinanzierung herrscht. Das zentrale Motiv für dieses Team war zu sagen, liebe Leute, gebt euch einen Ruck, führt die Sportstättenbenutzungsgebühr ein und setzt die Erträge für die Sanierung der Sportstätten ein. Ich bleibe dabei und glaube, die anderen Fraktionen auch, dass das kein gangbarer Weg ist, aber wir haben hier ein spezifisches Problem und eine große Herausforderung.
Herr Neumann, da Sie sich noch einmal gemeldet haben, möchte ich darauf hinweisen, dass wir an anderer Stelle ausführlicher über die Dekadenstrategie diskutieren müssen; das Thema verkneife ich mir jetzt. Es ist für mich allerdings nicht so ohne weiteres erkennbar, ob Sie den eben von mir angesprochenen, wichtigen Teilbereich des Sportentwicklungsplans in der Dekadenstrategie richtig aufgegriffen haben. Es wird für Hamburg eine große Herausforderung bleiben, wie wir mit der sozialen Spaltung, den sozialräumlichen Unterschieden, den defizitären Sportanlagen umgehen und wie wir mit den begrenzten Mitteln einen vernünftigen Beitrag zur Integration und zur Teilhabe aller Kinder und Bevölkerungsteile an Sportaktivitäten in Hamburg leisten können. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das ist zum späten Abend doch einigermaßen verwunderlich für mich. Sie haben vorhin eine Diskussion geführt, was für eine große Herausforderung in Europa anstehe, was wir in Griechenland und Portugal an unzureichendem Steuervollzug sehen und wir unbedingt dahin kommen müssen, die Finanzmarktregulierung, die Bankenaufsichten und dergleichen in Europa ein Stück weiterzubringen, wenn uns das Ganze nicht wie ein Kartenhaus über dem Kopf zusammenstürzen soll – das ist noch eine gelinde Formulierung. Jetzt führen Sie eine Diskussion, in der Sie auf einmal Verständnis für Steuerbetrug und Steuerhinterziehung eines gigantischen Ausmaßes haben.
Da ist mir doch ein bisschen die Spucke weggeblieben.
Ich kann das nur so interpretieren, dass hier zum Teil nicht klar ist, über welche Größenordnungen wir reden. Das mag vielleicht der Sinn dieser Ausschussdiskussion sein. Wir reden über eine Steuerhinterziehung allein in der Steueroase Schweiz zwischen 100 und 300 Milliarden Euro. Das würde bedeuten, dass das, was in dem Abkommen steht – eine garantierte Abgeltung von 1,9 Milliarden –, mit den anderen Beträgen verrechnet wird. Das ist eine Lachnummer. Das hätten Sie vielleicht vor zehn Jahren noch irgendwie mit Steuergerechtigkeit verbrämen können, aber in der heutigen Situation mit der Banken- und Finanzkrise ist das meines Erachtens absolut untauglich.
Wir können doch nicht auf der einen Seite über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer reden und gleichzeitig die Frage der Legalisierung und des Entgegenkommens bezüglich der Steuerhinterziehung mit der Schweiz nach vorne schieben. Das können wir gern noch einmal im Ausschuss
diskutieren. Den Antrag, Druck auf den Senat auszuüben, sich in Berlin möglichst zu positionieren, kann unsere Fraktion nur voll unterstützen.
Ich will noch auf einen Punkt hinweisen, deswegen diese Verknüpfung mit der vorherigen Diskussion. Wir wissen ganz genau, was wir heute in dieser Republik am Steuervollzug ändern müssen. Das ist x-mal dargestellt worden. Es geht um automatische Kontrollmitteilungen, die an die Finanzämter gehen müssen. Wir haben nicht nur ein Defizit im Umgang mit der Schweiz oder mit Luxemburg und den Cayman Islands, sondern das ist ein hausgemachtes Problem. Wenn Sie heute sagen, wir müssen Kürzungen im öffentlichen Sektor vornehmen, dann ist das völlig unangemessen. Sorgen Sie dafür, dass jede Bürgerin und jeder Bürger die Steuern zahlt, die gesetzlich vorgeschrieben sind. Das kann man machen, das ist keine Einschränkung der Freiheitssphäre. Sorgen Sie dafür, dass wir überhaupt eine Diskussion über Steuerstrukturen und Steuervollzug bekommen. Ich hoffe, dass die Auseinandersetzung mit der Schweiz dahin führt, dass dieser Sumpf von zehn, fünfzehn Steueroasen trockengelegt wird.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Über die Motive der SPD für diesen Antrag möchte ich nicht spekulieren. Herr Kluth, fest steht jedoch, dass Sie ein Traumtänzer sind.
Herr Kluth, Sie sind ein gefährlicher Traumtänzer. Wissen Sie, was Sie gemacht haben? Sie wollten mit Ihrem vorgelegten Zahlensalat den Eindruck erwecken, dass es überhaupt kein Problem gäbe.
Und das ist in hohem Grade unseriös. Natürlich sind wir, Frau Wolff, alle erfreut über die Zahlen, die wir heute gehört haben. Aber, Herr Kluth, haben Sie sich angeschaut, wie sich das Bruttoinlandsprodukt entwickelt hat? Haben Sie sich angeschaut, wie es in Hamburg steht? Und meinen Sie
im Ernst, wir können uns einfach alle schlafen legen und im nächsten Jahr sind dann alle Probleme gelöst, weil die Wirtschaft so weiterläuft?
Das macht doch nicht einmal die FDP auf Bundesebene. Das Problem in diesem Lande ist doch, dass wir eine große Wirtschaftskrise haben. Sie können diese Angelegenheit nicht einfach fortschreiben, das heißt doch, die Abgeordneten für dumm zu erklären.
Selbst Ihr Parteivorsitzender sagt eindeutig, dass wir in einer gefährlichen Situation sind. Oder muss ich noch die Bundeskanzlerin zitieren?
Sie sagen, die aktuellen Zahlen seien gut und alles darum herum interessiere nicht. Insofern hätten Sie sich Ihren Beitrag schenken können.
Es geht darum, wie wir mit der Arbeitslosigkeit umgehen, ob das der Markt allein regelt oder ob wir dazu gezielte Maßnahmen brauchen und wie diese aussehen sollen. Über diesen Punkt diskutieren wir.
Insofern haben wir es – Sie mögen die Überschrift nicht goutieren – mit einem Kahlschlag der Mittel in der Arbeitsmarktpolitik zu tun haben; das ist ein Faktum. Hamburg, das haben wir Ihnen in den Debatten schon ein paar Mal vorgebetet, ist sehr stark betroffen von diesen Kürzungen. Das Gesetz, das am 23. September verabschiedet worden ist, der sogenannte Instrumentenkasten, wird wiederum Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben.
Und was die Arbeitsagentur angekündigt hat, dass sie jetzt auch noch die Ausgestaltung der Arbeitsagentur selbst auf den Prüfstand bringt, wird früher oder später Auswirkungen auf den regionalen Arbeitsmarkt haben. In der Summe ist das eine Kürzungspolitik.
Es ist eine Herausforderung, wie wir damit umgehen. Es ist schwierig, weil in dem Bereich der Kahlschlag so gewaltig ist, dass wir eine sehr schlechte Ausgangsposition haben. Ich sage dies, obwohl mir der Antrag in einigen Punkten nicht gefällt; deshalb haben wir auch einen Gegenantrag gestellt. Ich begrüße es ausdrücklich, dass der Senator sich in diese Auseinandersetzung auf Bundesebene eingeschaltet hat. Das haben Sie nicht getan, Sie hätten doch auch diese Möglichkeiten gehabt. Ich finde dies sehr in Ordnung und ich denke – der Antrag kommt ein bisschen spät –, dass die Aus
einandersetzung über die Arbeitsmarktpolitik, Frau Demirel, sicherlich mit der Verabschiedung des Gesetzes letzte Woche noch nicht zu Ende ist. Es muss weitergehen und wir müssen auch auf Bundesebene einen Paradigmenwechsel herbeiführen.
Ja, Sie haben einen herbeigeführt.
Ich bin mir relativ sicher, dass wir im nächsten Jahr über ganz andere Rahmenbedingungen diskutieren. Leider haben wir nicht mehr so viel Zeit, sonst hätte ich Ihnen noch ein paar andere Sachen gesagt, aber noch drei Argumente. Es ist gekürzt worden und es wird weiter gekürzt. Es ist gut, dass Hamburg sich hier einmischt. Hamburg ist nicht allein auf weiter Flur, das wurde schon gesagt. Es gibt viele Akteure wie die Gewerkschaften und die Sozialverbände, die alle sagen, dass es so nicht bleiben kann, wie es jetzt aufgestellt wurde.
Richtig in Ihrem Antrag ist – das möchte ich auch unterstreichen –, dass Hamburg das fehlende Geld nicht ausgleichen kann. Nur, Herr Dressel, nicht ausgleichen heißt nicht, dass man nicht doch ein bisschen mehr tun kann; das ist immer der entscheidende Punkt.
Sie sagen jetzt mit Ihrer Haushaltspolitik, dass Sie 2020 anvisierten und dann einmal schauen wollten. Ich bin davon überzeugt, dass dies so nicht geht. Wir müssten heute – das gilt für den Arbeitsmarkt wie für die Wirtschafts- und Strukturpolitik generell – gegen die sich abzeichnende Entwicklung angehen.
Dann zeichnet sich im Antrag Ihr grandioses Selbstbewusstsein ab, das Sie uns fast jede Woche, wenn eine Bürgerschaftssitzung ist, um die Ohren hauen. Sie schreiben nämlich, dass Sie die richtige Antwort auf die schwarz-gelbe Kahlschlagpolitik gegeben hätten. Genau, Sie machen nur Richtiges. Ich könnte Ihnen Einiges dazu sagen, was gestern richtig war oder heute richtig ist. Über dieses Arbeitsmarktprogramm ist noch nicht richtig diskutiert worden, hier ist noch Einiges offen. Wenn ich mir die Diskussion der Träger anschaue – das mag Sie vielleicht im Detail nicht interessieren –, dann gibt es meines Erachtens eine ganze Reihe von wichtigen Hinweisen, wie man mit geringeren Ressourcen vernünftiger und anders umgehen sollte. Es fällt zudem einer absolut regierenden SPD kein Zacken aus der Krone, wenn sie sagt, sie hätte einen Aufschlag gemacht und dann würde man einmal sehen, was die anderen darüber fachpolitisch denken, und das dann an einigen Stellen korrigieren. Insofern ist das Ganze von Überheblichkeit geprägt, und das finde ich überhaupt nicht in Ordnung.
Der letzte Punkt, die Einrichtung eines integrationsorientierten sozialen Arbeitsmarkts, ist nur eine Nebenqualifikation neben der Frage, wie man optimale Vermittlung organisiert. Was verstehen wir unter einem sozialen Arbeitsmarkt? Was ist die Perspektive für die nächsten Jahrzehnte? Wie gehen wir mit den Trägern um, die wir dazu brauchen? Das sind wirkliche Schlüsselfragen. Ich begrüße ausdrücklich, dass in dem Gesetzentwurf, wie er in zweiter und dritter Lesung verabschiedet wurde, der ruppige Umgang mit den Trägerpauschalen nicht fortgeführt wird. Aber ich habe ein großes Misstrauen, was von der Bundesagentur in der Umsetzung erfolgt. Das heißt, es gibt keinen Grund zur Entspannung. Wir werden auch an dem Punkt dafür kämpfen müssen, vernünftige Alternativen zu finden. Dies kann nicht die Verlängerung der Ein-Euro-Jobs mit ihrem Sanktionsregime sein; das war für unsere Fraktion immer eindeutig. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch von unserer Seite aus einen Glückwunsch, der Antrag der GAL ist gut. Ich habe leider nicht ganz verstanden, in welcher Weise Sie der SPD entgegenkommen wollten, wenn gesagt wird, das mit der früheren Zeit wäre unstrittig. Aber wir haben den Antrag der GAL, Herr Grote, so verstanden, dass in einem ersten Schritt der Prüfung die Frage, ob man den Bereich der SAGA GWG übertragen muss, noch offen bleiben kann. Das kann im Einzelnen ausgewiesen werden, und wir prüfen einmal ergebnisoffen, ob nicht doch eine andere Konstruktion mit den Mietergenossenschaften denkbar wäre. So haben wir den Antrag interpretiert.
Ich weiß, aber wir wollen jetzt keine Grundsatzdebatte mehr, sondern die Differenz herausstellen.
Ich kann für meine Fraktion ganz klar sagen, dass wir das heute nicht entschieden haben wollen, wir wollen das offen halten. Die Bestrebungen im Viertel, solche Mietergenossenschaften auf den Weg zu bringen, sind schon im Gange, und es ist nicht fair im Umgang, wenn sie jetzt schon – ich glaube, morgen ist dort eine Versammlung – mit einem Beschluss konfrontiert werden. Insofern nehme ich, Herr Grote, dieses Votum der SPD-Fraktion an, auf jeden Fall das Ensemble in der Grundkonstruktion zu erhalten und es um eine Sicherung der Mieten und der sozialen Erhaltenssatzung zu ergänzen. Das finde ich völlig in Ordnung, aber wir würden uns nichts vergeben, wenn wir bis zum 1. Dezember oder Ende dieses Jahres einen Bericht erhielten oder im Ausschuss darüber diskutieren könnten, welche Möglichkeiten die Mietergenossenschaften haben.
Deswegen ist unsere dringende Bitte, da wir wohl eine relativ große Übereinstimmung haben, so ein Verfahren durchzuführen und nicht schon heute eine Entscheidung zu fällen. Wir werden in jedem
Fall aus diesen Überlegungen heraus den GAL-Antrag unterstützen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Scheele, Sie haben eingangs erneut unterstrichen, dass wir hier mit einem ernsten Thema befasst sind und Sie ganz beeindruckt über die differenzierten Zugänge sind. Erneut haben Sie alle eingeladen, ihren Beitrag zur Lösung des Problems einzubringen. Ich möchte für meinen Teil erklären, dass ich diese Attitüde satt habe.
Sie sagen immer wieder nur, wir könnten gerne mitmachen, aber nur, wenn Sie Ihre Bedingungen diktieren, und das auch – jedenfalls aus meiner Sicht – unter Missachtung von parlamentarischen Regeln.
Dann sagen Sie und auch Herr Schreiber und der Fraktionsvorsitzende Dressel, wir würden das Problem ignorieren, wir würden schweigen über die Gewalt und wir hätten ein romantisches Verhältnis zu Übernachtungen in feuchter Umgebung draußen. Auch das gehört zu einer unfairen Argumentation.
Niemand – und da kenne ich mich aus – neigt dazu, diese Gewalt kleinzureden und das Moment des Schutzes der Öffentlichkeit zu ignorieren. Das ist überhaupt nicht unser Problem und es geht auch nicht darum, irgendwelchen Bürgerinnen und Bürgern die Freiheit des Zeltens oder des Übernachtens im Grünen zu ermöglichen, wie Herr Schreiber sagt. Unser Problem ist die Verfestigung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Das war auch, Frau Bekeris, in Hamburg-Mitte im Beschluss.
Man hat damals, da stimme ich Ihnen zu, Herr Wersich, diesen Unfug in Höhe von 100 000 Euro und dann einer Summe obendrauf gemacht mit der Zielsetzung, dass sich die Situation der Obdachlosigkeit an diesem Ort nicht verfestigt, hat das aber ausdrücklich gekoppelt an die Auflage – ich hätte anstelle der GAL so nicht gehandelt, meine Partei hat auch energisch dagegen gesprochen –, dass die Sozialbehörde aufgefordert wird, gemeinsam mit den Obdachloseneinrichtungen dafür Sorge zu tragen, dass die Betroffenen auf Alternativangebote eingehen. Damals haben wir schon gesagt – und dazu stehe ich noch, Herr Wersich –, dass das eine Tür öffnet und wir nicht kontrollieren können, ob diese Aufforderung, die Sozialbehörde solle sich des Problems annehmen, auch wirklich umgesetzt wird. Der entscheidende Punkt ist – und so ist es auch gekommen –, dass jetzt Herr Osterburg zu Recht sagt, dann habe man das gemacht, die Bürgerinnen und Bürger seien nach Jenfeld ausgelagert, also vertrieben worden, und dann seien wieder Leute gekommen und man hätte erneut mit der Straßensozialarbeit etwas dagegen unternehmen müssen. Das ist nicht passiert.
An der Stelle finde ich eines wirklich ganz problematisch, Herr Scheele: Wissen Sie eigentlich, warum Hinz&Kunzt jetzt sagt, sie würden beim Moderationsverfahren nicht mitmachen? Wir hatten im Januar im Pik As eine volle Belegung und wir sind im Juni dieses Jahres auf 260 Nachsuchende gekommen. Dann hat die Sozialbehörde, oder wer
immer den Kopf dafür herhält, gesagt, nach drei Nächten sei für alle Bürgerinnen und Bürger Schluss, die nicht sozialrechtlich eingebunden sind. Das hat das Problem verschärft, das ist der Hintergrund. Das wird niemand von uns der SPD oder der Sozialbehörde anhängen, aber das ist der Hintergrund, um den es geht. Jetzt muss man in der Tat etwas dagegen machen und der Zaun als Alternative ist doch kompletter Blödsinn. Es ist doch Vernichtung pur, was da gemacht wird.
Ich kann nicht so lange auf alle Argumente eingehen, ich habe mich jetzt nur geärgert über seine Attitüde. Das Problem ist zum Beispiel die Spaldingstraße. Ich bin für dieses Programm insgesamt, Herr Grote, und ich würde auch dieses Angebot, wenn es ernst gemeint wäre, mit diskutieren. Das Problem ist, dass die Fragen der Initiativen im Stadtteilbeirat nach einer Nutung des Gebäudes – über zehn, 15 Jahre gab es dort einen Büroleerstand – immer wieder abgeschmettert wurden. Und dann war am 3. oder 5. Stadtteilbeiratsitzung, wo gefragt wurde, was jetzt mit diesem Gebäude passiere und ob es einen neuen Stand gebe, und da kam nichts. Am nächsten Tag konnte man der Presse entnehmen, dass das Gebäude jetzt für diesen Ausbau genutzt wird. Das ist an sich in Ordnung, aber man muss mit den Leuten reden, Herr Grote, und das machen Sie nicht.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Kernproblem ist unserer Auffassung nach, dass wir in den letzten zwei bis drei Jahren eine stark zunehmende Obdachlosigkeit haben. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Es ist gar nicht strittig, dass wir dies konzentriert angehen müssen.
Ein Aspekt dieses Problems ist, dass wir die Verfestigung von Obdachlosigkeit in öffentlichen Räumen nicht tolerieren sollten, sondern vernünftige Alternativen entwickeln sollten.
Ich bin skeptisch, ob Sie bei dem Problem des Zauns weiterkommen. Sie müssen nicht irgendwann sagen, der Zaun werde keinen Bestand mehr haben. Hier gibt es Akteure, die viel berufener sind zu sagen, dass der Zaun weg müsse und
man danach über die Alternativen reden könne, was man gegen die Verfestigung der Obdachlosigkeit an bestimmten Plätzen tun kann.
Herr Dressel, deswegen habe ich mich noch einmal gemeldet: Was Sie jetzt sagen, empfinde ich als ziemlich unfair, denn wir haben nicht nur ein Zaunproblem, wir haben auch ein Problem der Beschneidung öffentlicher Räume. Ich nenne als Stichwort den Hamburger Hauptbahnhof.
Zu diesem Thema hätten Sie jetzt einmal argumentieren können,
denn in der Beschlussvorlage für Hamburg-Mitte steht, dass das Umfeld des Hamburger Hauptbahnhofs – insbesondere die überdachten Vorplätze auf der Ost- und Westseite, die Tunnelanlage, die Mönckebergstraße und der Glockengießerwall – in starkem, zunehmendem Maße von Obdachlosen und Alkoholikern belagert würde. Wenn ich das richtig verstanden habe, ist die Alternative, die Sie jetzt erwägen, einfach nur ein Auslagern, und dann wollen Sie es der Bahn übergeben. Das ist in unseren Augen zwar nicht so dramatisch wie der Zaun, es ist aber auch eine unakzeptable Lösung.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kluth, das ist schon der entscheidende Punkt. Normalerweise wird in diesem Geschäft der mittelständischen Wirtschaftsförderung vieles durch die Hausbanken bewältigt – das ist unstrittig – und das sollte auch so bleiben. Trotzdem kann man, wenn wir uns die Situation anschauen, bei aller Vorsicht der Informationen feststellen, dass es im Bereich der Metropolregion ein Defizit in einer bestimmten Umsatzklasse gibt, weil ein Teil von Gründern oder Unternehmen, die sich auf den Weg gemacht haben, Probleme mit ihren Hausbanken haben. Insofern kann ich nur noch einmal bekräftigen, dass das eine völlig vernünftige Überlegung ist. Ich ha
be jetzt aber auch nicht gehört, dass irgendeine Fraktion dagegen argumentiert.
Richtig ist auch – das ist allerdings, Herr Völsch, bei den Anträgen ein bisschen unterschiedlich ausgebildet –, dass wir überprüfen müssen, was an Förder- und Finanzierungsprogrammen da ist und wie ihre Wirksamkeit beurteilt wird. Das sollte man sich vorher noch einmal genauer anschauen, bevor man zum Umbau einer bestehenden Bank oder gar zur Neugründung einer Bank schreitet. Ich habe nicht ganz verstanden, warum Sie diesen ersten Schritt nicht entsprechend deutlich betonen, sondern gleich sagen, dass Sie zum Jahresende den Bericht haben möchten, wie man mit der Umwandlung der Wohnungsbaukreditanstalt fortfahren kann. Es wird Sie vielleicht nicht wundern, dass ich den GAL-Antrag, den Sie nun gerade in die Papiertonne treten wollen, in diesem Punkt am kritischsten und am offensten finde; er hat unsere volle Unterstützung.
Das soll auch vorkommen.
Es wäre ganz wichtig, in dieser Reihenfolge vorzugehen, erstens zu schauen, was es an Förderprogrammen gibt – alle haben gesagt, da gebe es einiges zusammenzulegen –, sich dann die Finanzierung anzusehen und im dritten Schritt zu prüfen, ob die Umwandlung oder die Einrichtung einer neuen Investitionsbank Sinn macht.
Herr Kluth, das HSH-Nordbank-Desaster ist uns allen im Genick in der Hinsicht und man muss sicherlich genau aufpassen, aber es geht auch noch um etwas anderes. Es ist richtig, wenn Sie darauf hinweisen, dass 15 Bundesländer so ein Institut haben und wir nicht. Warum das nicht der Fall ist, lasse ich jetzt einmal weg, aber wir haben eben eine sehr schwierige Situation und um eine solche Bank wirklich wirksam zu machen, müssten wir wenigstens die Größenordnung von SchleswigHolstein oder Berlin erreichen. Und da reden wir dann schon über ein Eigenkapital in der Größenordnung von 1 Milliarde Euro, um auch entsprechende Umsatzvolumina stemmen zu können. Herr Völsch, es erschließt sich mir momentan nicht, wie wir das in der gegenwärtigen Haushaltssituation hinbekommen sollen.
Wenn Sie die Vorstellung haben, die WK könnte das im Alleingang machen, dann habe ich da wirklich große Realisierungsvorbehalte.
Unser Vorschlag: Geben Sie sich einen Ruck, überweisen Sie wenigstens noch den Antrag der GAL an den Ausschuss, lassen Sie es uns in dieser Reihenfolge angehen und dann schauen wir uns den Bericht Ende des Jahres an.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Debatte um diesen Bericht ist völlig überflüssig.
Herr Roock, wir haben schon ausführlich bei der Einbringung darüber gesprochen. Ihr Argument, in früherer Zeit hätte die degressive Abschreibung ei
niges bewirkt, ist zugestanden, aber wir leben am Anfang des 21. Jahrhunderts und haben große Unterschiede im Bereich des Wohnungsmarkts in dieser Republik. Wenn Sie sagen, der Senat hätte sich dafür nicht energisch eingesetzt, dann kann ich das nicht beurteilen. Aber Fakt ist, dass wir ein Auseinanderlaufen der Lage auf dem Wohnungsmarkt haben. Es gibt drei, vier, fünf Regionen, wo wir große Probleme mit dem Neubau haben. Überwiegend würden sich die Länderregierungen freuen, wenn sie noch mehr Mittel für die Vernichtung oder den Abbau von Wohnungen bekommen. Wie man in der Situation einen solchen Blödsinnsantrag noch einmal einbringen kann, entzieht sich mir komplett.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst würde ich es begrüßen, wenn wir eine bestimmte sachliche Ebene der Diskussion einhalten könnten. Herr Horch hat unbedingt recht, wenn er darauf abhebt, dass niemand in diesem Hause daran denkt, auch nur in Ansätzen das Projekt des Tunnels insgesamt schlechtzumachen oder gar infrage zu stellen.
Wer das der Diskussion und den Anträgen unterstellt, ist nicht fair. Wir sehen alle, dass hier ein ganz wichtiger Ansatzpunkt ist – Herr Dr. Schinnenburg hat es gesagt –, den Ausbau der Autobahn, der selber ein großes Problem darstellt, zu verknüpfen mit einem beispielgebenden Projekt der Stadtreparatur. Wir sind uns einig, dass ein Großteil des Tunnels gebaut wird, und es ist die Frage, ob man für das kleinere Teilstück eine Lösung finden kann. Es ist richtig, dass der Ausbau der Autobahn und der Tunnel Bestandteil des Inve
stitionsrahmenplans auf Bundesebene ist. Das ist bei anderen Projekten, wie sich das einige vielleicht wünschen, nicht der Fall. Es ist sicher unstrittig, dass das ein gutes Zeichen für Hamburg ist. Der entscheidende Punkt ist, dass wir dies, wenn es so gemacht wird, wie es drinsteht, nicht mit einer schwarzen Null hinbekommen, sondern die Stadt einige 10 Millionen Euro drauflegen muss. Und wenn ich das richtig sehe, dann muss man immer noch damit rechnen, dass die Kosten bezüglich der Trabrennbahn dazukommen.
Wir reden jetzt über eine mögliche Erhöhung. Die Initiative hat ein paar Vorschläge gemacht, wie man diese minimieren kann. Wir reden also darüber, ob man dieses historische Projekt – da stimme ich Herrn Schinnenburg zu – nicht doch realisieren kann, auch wenn der Beitrag Hamburgs ein Stück größer wird.
Beim anderen Gegenargument, dass der ordnungsgemäße Ablauf des Planfeststellungsverfahrens gefährdet wäre, wenn wir das noch einmal überlegen würden, könnte man im Ausschuss sehen, ob das wirklich der Fall ist. Meine Fraktion ist von den vorgebrachten Argumenten nicht überzeugt. Insofern kann man ohne weiteres darüber diskutieren, ob Hamburg ein paar mehr Millionen Euro in Kauf nimmt, denn hinterher wird man nicht nachbessern können. Und zweitens ist ernsthaft zu prüfen, ob das Planfeststellungsverfahren nicht doch so durchgeführt werden kann. Das ist die Konfliktebene und es wäre gut, wenn die SPDFraktion sich das noch einmal genauer ansehen würde oder Gegenargumente vorbringen würde. Bislang war da noch nichts zu hören.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte mich ausdrücklich hinter das Gesagte stellen,
denn wenn Sie wollen, Herr Grote, dass wir in wenigen Wochen, wenn der Bericht des Ausschusses vorliegt, darüber entscheiden, dann kann ich Sie nur dringend bitten, die Zahlen noch einmal auf den Tisch zu legen, und zwar auf zwei Ebenen. Das ist mir sehr wichtig, Herr Tschentscher.
Die Unterlagen, die mir zugänglich sind – dabei ist auch Ihre letzte Anfrage vom November –, weisen darauf hin, dass für die Realisierung dieses Projekts
eine Differenz von 41 Millionen Euro besteht. Sie wird höher ausfallen, Herr Heinemann, weil nicht davon auszugehen ist, dass das mit der Trabrennbahn hinhaut.
Wenn Sie hier andere Zahlen und andere Informationen haben, wäre es sehr wichtig, dass wir das auch wissen. Wir reden ohnehin über eine Größenordnung von 41 oder 65 Millionen Euro. Das ist viel Geld, das weiß ich sehr wohl.
Dagegen steht aber, dass wir ein sehr ambitioniertes Stadtentwicklungsprojekt auf den Weg bringen. Deswegen haben wir auch immer gesagt, dass das gut angelegt ist in diesem Fall.
Die 1000 Stellen hätte ich auch gern mal gesehen.
Sie machen die Reparatur auf so eine Weise und öffnen gleichzeitig bestimmte Entwicklungschancen für den Wohnungsbau nicht – das ist wirklich ein überzeugendes Projekt –, aber im Gegensatz zu Ihnen sehe ich keine Tausende von Stellen in Hamburg. Das mögen nur Sie im Moment vor Augen haben.
Es ist doch wirklich anerkennenswert, dass die Initiative sagt, sie würde noch einmal einen Realisierungsvorschlag zu dem Projekt mit der Autobahnmeisterei machen. Beides müssten wir wenigstens beachten, und das hätten andere auch gern nach
vollziehen können, wenn Herr Horch sagt, das Projekt sei nicht vertretbar, wenn man die Kosten-Nutzen-Relation, den Lärmschutz und den Wohnungsbau berücksichtige.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat bringen die Große Anfrage der CDU und die Antworten des Senats eine ganze Reihe von Anregungen, aber auch von Problemen oder von – aus unserer Sicht jedenfalls – ungelösten Punkten. Insofern macht es sicherlich Sinn, wenn wir das in den Ausschüs
sen vertieft beraten, und vielleicht, Frau Prien, kommen wir zumindest in Teilen auf einen gemeinsamen Nenner. Das wäre bei dieser Frage nicht schlecht, das will ich ausdrücklich noch einmal unterstreichen. Insofern müssen wir hier jetzt auch nicht die Diskussion vorwegnehmen.
Zur Sicherung des Fachkräftebedarfs misst der Senat, weil wir es hier mit einer strategisch langfristigen Problematik zu tun haben, insbesondere bildungspolitischen Maßnahmen eine Schlüsselrolle zu. Ziel der Anstrengungen der kommenden Jahre wird es sein, noch bessere Bildung zu ermöglichen, Erwerbsbeteiligung zu steigern und dann auch passgenaue Maßnahmen in Richtung Arbeitslose zu entwickeln. Das würden wir auch so unterstützen, doch ich habe bei der Lektüre eine bestimmte Skepsis, wie die Praxis dahinter eigentlich aussieht.
Einen Punkt möchte ich nur kurz benennen: Das ist die Jugendberufsagentur, die im Grunde weiterentwickelt, was wir in den letzten Jahren versucht haben, nämlich das Übergangsfeld Schule/Beruf etwas rationeller und effizienter zu gestalten. Das ist ganz gut auf dem Weg und da müsste man jetzt gucken, wie die praktischen Erfahrungen demnächst sind. Da würde ich in Anbetracht der Erkenntnisse aus den vergangenen Jahren ganz uneingeschränkt sagen, dass das wirklich zu unterstützen ist. Und wenn man jetzt genau hinschaut und Fehlentwicklungen, die es da immer wieder gibt, auch gleich entgegnet, dann kann man wirklich einiges herausholen.
Bei der anderen Sache bin ich wesentlich skeptischer, Herr Schwieger: Wenn man sich noch einmal anschaut, wie die Struktur der Arbeitslosigkeit heute aussieht, dann müssen wir nicht nur den Bereich der Jugendlichen unter 25 Jahren in Augenschein nehmen, der bedrückend hoch ist, sondern eben auch mit 25 Prozent die Gruppe der über Fünfzigjährigen, und dahinter steckt ein bestimmtes Problem.
Wir sind uns alle einig, dass die Problemzonen eigentlich ganz gut markiert sind, aber ob uns das neue Arbeitsmarktkonzept der Lösung schon einen Schritt näher gebracht hat, da habe ich doch große Zweifel. Wir haben beispielsweise in diesem Bereich ein einziges größeres Förderungsinstrument, da geht es um 375 Teilnehmer. Wenn wir uns das auch auf fünf Jahre vorstellen, so wird es aber keine durchgreifende Veränderung bringen. Insofern muss bei all dem noch einmal geschaut werden, was man an Bündelung zustande bringen kann und wie man eine größere Nachhaltigkeit organisieren kann.
Frau Demirel hat schon darauf hingewiesen und im Hinblick auf die Frage der Fortbildung und Qualifi
zierung bin ich auch skeptisch, ob das, was wir im Arbeitsmarktprogramm jetzt sehen, reicht. Die Rahmenbedingungen sind schlecht und sie werden sich demnächst auch nicht verbessern, aber wir müssen dahin kommen, die Fortbildungen in dieser Stadt ein bisschen intensiver voranzubringen. Insofern kann ich es nur begrüßen, wenn wir die Punkte genauer beraten und dann vielleicht Schnittmengen herausfinden, wo wir gemeinsam agieren können. Das wird der Sache nur dienlich sein. Also lassen Sie uns diese dicke Antwort des Senats in den Ausschüssen gründlich diskutieren. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Fördern und Fordern von Arbeitslosen, geregelt über Eingliederungsvereinbarungen, ist seitens der Jobcenter nicht richtig ausbalanciert. Das ist das aktuelle Ergebnis einer Studie des IAB, also des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Worauf zielen dieses Ergebnis und die Kritik?
Die Pflichten der Bürgerinnen und Bürger würden häufig konkret, die Leistungen der Jobcenter eher vage benannt. Nicht selten werde die Zahl der Bewerbungen festgelegt, die der Jobsuchende zu erbringen habe. Über die Zahl der Vermittlungsvorschläge gäbe es keine konkreten Angaben. Insgesamt folgten die Inhalte der untersuchten Eingliederungsvereinbarungen standardisierten Mustern und ließen einen individuellen Zuschnitt auf die Bürgerinnen und Bürger vermissen. Außerdem basierten die Vereinbarungen meist nicht auf einem gemeinsamen Prozess der Zielführung. – Soweit diese Kritik im Ergebnis der Studie. Und dieses Institut ist nicht verdächtig, der LINKEN nahezustehen.
Bis zum April 2011 mussten diese in meinen Augen mehr oder minder einseitigen Eingliederungsverpflichtungen anerkannt werden, ansonsten wurden die Bürgerinnen und Bürger mit Sanktionen belegt. Im Zusammenhang mit der vom Verfassungsgericht angemahnten Überprüfung der Regelsätze wurde diese Anerkennungspflicht aufgehoben. Leider erstreckt sich die Abschaffung der Sanktionen in Sachen Eingliederungsvereinbarungen keineswegs auf den gesamten Mechanismus. Der Sanktionsmechanismus wurde nicht insgesamt überprüft oder ausgesetzt, teilweise wurden die Sanktionen sogar verschärft.
Was ist die Konsequenz? Die Zahl der sanktionierten Regelsatzbezieher im Rechtskreis SGB II dürfte im Jahr 2011 einen neuen Rekordstand erreichen, so die Aussage von BA-Chef Jürgen Weise dieser Tage. Er rechnet mit insgesamt 900 000 Leistungskürzungen im laufenden Jahr wegen angeblich fehlender Mitwirkungspflichten und Auflagen. Schon im ersten Quartal dieses Jahres hätten die Jobcenter und Arbeitsagenturen rund 218 000 Sanktionen verhängt, das sind gut 30 000 mehr Leistungskürzungen als noch im Vergleichszeitraum 2010. Im letzten Jahr wurden insgesamt 828 000 Sanktionen gegenüber ALG-II-Empfängern ausgesprochen. Das heißt, im Jahresdurchschnitt waren somit 136 000 Bürgerinnen und Bürger von mindestens einer Leistungskürzung betroffen.
Am häufigsten wurde aufgrund von geplatzten Meldeterminen – über 60 Prozent –, bei der Weigerung, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen oder den Vereinbarungen nachzukommen – knapp 20 Prozent – und bei Ablehnungen von Jobangeboten – 15 Prozent – sanktioniert. Fakt ist
aber auch, dass 42 Prozent aller Widersprüche gegen Sanktionen erfolgreich waren. Leider nehmen zu wenige Bürgerinnen und Bürger das Recht auf Widerspruch in Anspruch. Bei rund 60 Prozent der Klagen vor den Sozialgerichten, die bekanntlich eine ziemliche Lawine darstellen, bekamen die Sanktionierten Recht zugesprochen.
Die Unausgewogenheit erstreckt sich unserer Ansicht nach also nicht nur auf die Eingliederungsvereinbarungen, sondern – wir sehen uns da im Verbund mit vielen anderen Kritikern – vor allem auch auf die Sanktionen. Laut Regierung – das hat gerade eine Kleine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion erbracht – sind die Sanktionsregelungen zentrale Normen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende, da sie angeblich die Schnittstelle zwischen Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts darstellen. Sie dienten der verbindlichen Umsetzung des Grundsatzes von Fördern und Fordern.
Ich und viele andere halten diese Argumentation für wenig stichhaltig. Die Quote bei Widerspruch oder Sozialgerichtsverfahren gibt diesem Stellenwert der Sanktionen nicht recht. Sanktionsregeln stellen an sich ein enormes Ärgernis dar. Dieses Ärgernis wird verstärkt, wenn man ein bisschen den Blick auf die Ermessensregeln der Jobcenter hat, denn sie sind in der Regel nicht an vorgegebene Kriterien gebunden.
Zudem unterbleibt nach wie vor die eigentlich in einem Rechtsstaat gebotene schriftliche, verständliche Rechtsfolgenbelehrung. In unseren Augen ist der gesamte Sanktionsmechanismus auch ein wesentlicher Grund – ich habe Ihnen dazu ein paar Fakten vorgetragen – für die unzureichende gesellschaftliche Akzeptanz der Arbeitsmarktpolitik.
Sie hat sicherlich auch andere Punkte, aber das, was seit Jahren mit den Sanktionen praktiziert wird, bedarf dringend der Korrektur.
Sie wissen alle, dass die Sanktionen nach oben und gleichzeitig die Mittel für die Arbeitsmarktpolitik nach unten gehen. Mit der gerade auf den Weg gebrachten sogenannten Instrumentenreform wird der Etat des Arbeits- und Sozialministeriums weiter gekürzt. Dies betrifft Mittel für Fort- und Weiterbildung – darüber sprachen wir vorhin schon – bei der Fachkräftekonzeption sowie Fördermaßnahmen für Arbeitslose.
Die Fraktion DIE LINKE teilt die Kritik an der Kürzungspolitik und deren Verschärfung durch die Instrumentenreform. Senator Scheele hat im Bundesrat vor Kurzem argumentiert, dies sei kein Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen, sondern ein Gesetz zur Umsetzung der Einsparungen bei Arbeitslosen, der Gesetzentwurf biete keinerlei Lösungen für die drängenden Probleme auf
dem Arbeitsmarkt. Wir teilen diese Kritik, möchten sie aber auch auf den Sanktionsmechanismus erstreckt sehen. Daher die Aufforderung, die Sanktionen und die Sanktionspraxis einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist sicher ein Fortschritt, dass wir das Thema noch einmal in Ruhe im Ausschuss beraten können, das finde ich gut. Ich hätte eigentlich damit gerechnet, dass Sie das ablehnen, weil ich weiß, dass es immer ein neuralgisches Thema für einige Fraktionen und einige politische Strömungen in diesem Lande ist. Herr Wersich, ich will auch nicht Ihre wunderbaren Argumente kommentieren. Es war schon beeindruckend, was Sie da an Zwischenrufen abgefeuert haben.
Das Problem ist, das wissen Sie auch, dass jederzeit der Leistungsbezug unterbrochen werden kann, das ist auch eine Sanktion. Wir reden darüber, dass mit diesem Gesetz zusätzliche Sanktionen und die Warnfunktion von Sanktionen eingeführt worden sind. Das halte ich für sehr problematisch und habe deswegen auch auf die Kritik an den Eingliederungsvereinbarungen hingewiesen.
Es hat doch einen guten Grund, warum das in diesem konkreten Fall ausgesetzt worden ist.
Ich glaube, es ist so, wie Herr Schwieger sagte, dass es hier einen kritischen Handlungsbedarf gibt. Das betrifft auch die Ermessensleistungen, die es bei den Jobcentern gibt und ebenso die Frage von Rechtssicherheit beziehungsweise die wirklich verständliche Aufklärung über die Rechtsfolgen. Es ist doch nicht einfach so, dass sich hier die verrückte LINKE irgendetwas ausgedacht hat. Sie sollten sich das wirklich nüchtern anschauen und auch das, was im Bundestag augenblicklich läuft. Es wäre sinnvoll, wenn alle Parteien dahin kämen, die bisherige Praxis ein bisschen anders zu gestalten. Man kann das, selbst wenn ich akzeptiere, dass Sie wahrscheinlich nie so weit gehen würden wie ich.
Ein letztes Argument. Man kann sagen, es betreffe nur 4 Prozent oder in Hamburg ein bisschen weniger. Aber Sie müssen sich auch die Dynamik in dem Feld anschauen. Normalerweise hätte ich jetzt gesagt, schauen Sie sich die Belastung der Sozialgerichte und die Erfolgsquoten an. Es ist nicht so, dass man das einfach nur aussitzen kann, sondern für jeden in dieser Gesellschaft sollte das ein Grund sein, darüber nachzudenken, ob man dies nicht anders gestalten kann. Wir sind gespannt auf die Diskussion im Ausschuss. Vielleicht kommt bei den Beratungen doch noch etwas Weiterführendes heraus. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben uns an dem Wettbewerb, auch noch einen Änderungsantrag vorzulegen, nicht beteiligt.
Ich erkenne aber ausdrücklich an, dass es ein richtiges Problem ist – auch wenn es ein bisschen schwierig war, da nachzukommen, Herr Tjarks hat es gesagt –, ob die Ausstattung mit 25 000 Euro hinreichend ist; Herr Jarchow, Sie haben es angesprochen. Insofern ist durch die Praxis der Änderungsanträge noch einmal deutlich geworden, dass man hier vielleicht ein bisschen mehr für Information und Abwägung der Argumente hätte sorgen können. Das ändert aber nichts daran, dass es eine begrüßenswerte Initiative ist. Ich nehme an, dass Sie festgelegt sind und es bei Ihren 25 000 Euro belassen werden. Dann werden wir in zwei Jahren einmal überprüfen müssen, wie das angenommen worden ist, aber meiner Meinung nach wäre das Doppelte oder das Vierfache wahrscheinlich die angemessene Größenordnung. Es ist auch völlig klar, dass man schauen muss, wie das gegenfinanziert wird und wie die Haushaltsbelastung im Einzelnen ist; das wird keiner wegwischen wollen.
Frau Rugbarth, Sie haben in Ihrer Begründung noch einmal darauf hingewiesen, dass das Vorgängerprogramm im Jahresschnitt nur 30-mal in Anspruch genommen worden ist. Da waren auch ein paar kritische Jahre dabei, 2007, 2008 und 2009, in denen vielleicht die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht so optimal waren. Aber die Frage, ob das nicht doch an der Ausstattung liegt, müssten wir schon ernst nehmen. Normalerweise hätten wir jetzt gesagt, alle bewegen sich darauf zu, lassen Sie uns das noch einmal im Ausschuss abwägen. Das will ich nun nicht ausdrücklich hier einbringen, aber wir sollten nach zwei Jahren wirklich schauen, ob das Programm passgenau ist oder ob wir da nachsteuern sollten. Insofern stimmen wir Ihrem Antrag zu und dann schauen wir einmal, was in zwei Jahren dabei herausgekommen ist.