Protocol of the Session on May 22, 2014

(Dr. Wieland Schinnenburg)

Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und USA nur mit eindeutigen Mindestanforderungen – Drs 20/11725 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Europaausschuss überweisen. Von den Fraktionen wurde mir mitgeteilt, dass diese Debatte einvernehmlich gestrichen wurde. Damit kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/11725 an den Europaausschuss zu? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig der Fall.

Damit kommen wir zum Tagesordnungspunkt 60, Drucksache 20/11765, Antrag der FDP-Fraktion: Mittelstand entlasten – Vorgezogene Fälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen rückgängig machen.

[Antrag der FDP-Fraktion: Mittelstand entlasten – Vorgezogene Fälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen rückgängig machen! – Drs 20/11765 –]

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Herr Dr. Kluth, Sie bekommen es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit dem Rentenentlastungsgesetz 2005 wurde von der rot-grünen Bundesregierung seinerzeit beschlossen, ab Januar 2006 die Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge vorzuverlegen. Ursächlich waren damals die finanzielle Schieflage und Liquiditätsengpässe der Sozialversicherungsträger. Es sollte dadurch sichergestellt werden, so die damalige Begründung, dass die Sozialversicherungen ihre Leistungen weiterhin pünktlich bereitstellen können. Und die Umstellung im Jahr 2006 spülte den Sozialversicherungen in der Tat rund 20 Milliarden Euro zusätzliche Liquidität in die Kassen.

Womit wurde das erreicht? Dadurch, dass die Unternehmen gezwungen wurden, in 2006 faktisch 13 statt 12 Monatsbeiträge zu zahlen, nämlich den Beitrag für Dezember 2005 und die 12 Monatsbeiträge für das laufende Jahr. Die rot-grüne Bundesregierung präsentierte diese Änderung damals als eine Notlösung, da anderenfalls eine Beitragserhöhung von 0,7 Prozentpunkten in der Rentenkasse erforderlich geworden wäre. So konnte zwar die finanzielle Schieflage beseitigt werden, jedoch wurde das damals mit einer Einschränkung der Liquidität und einer neuen Abrechnungsbürokratie zulasten des Mittelstands erkauft.

(Beifall bei der FDP)

Um das noch einmal zu verdeutlichen: Durch das damalige Rentenentlastungsgesetz wurde die Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge vom 15. des jeweiligen Folgemonats vorverlagert auf den drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats. Viele Arbeitgeber müssen dadurch die Sozialversicherungsbeiträge zu einem Zeitpunkt abrechnen und bezahlen, zu dem die Höhe der tatsächlichen Lohnkosten in Bezug auf die geleisteten Arbeitsstunden noch gar nicht bekannt ist. Das gilt insbesondere für das Handwerk und andere Branchen mit einer Vergütung nach geleisteten Arbeitsstunden oder mit variablen Arbeitszeiten. Die Resultate sind unnötige Doppelabrechnungen und hohe Bürokratiekosten. Allein in Hamburg belaufen sich die Bürokratiekosten aufgrund dieser Doppelabrechnungen auf rund 15 Millionen Euro pro Jahr.

Die Folgen dieser Doppelabrechnungen sind aber nicht nur erhebliche Mehrkosten für Unternehmen, sondern auch für die Sozialversicherungsträger, die die Beitragserhebungen und Beitragsanmeldungen ebenfalls doppelt bearbeiten, verbuchen und kontrollieren müssen. Die derzeitige Regelung führt außerdem zu einem Liquiditätsentzug bei den Unternehmen, denn die Sozialversicherungsbeiträge müssen von den Unternehmen vorfinanziert werden, auch durch teure Bankkredite, mithin finanziert durch Zinsen.

Meine Damen und Herren! Die sogenannte Nachhaltigkeitsrücklage in der Rentenkasse stieg seit 2005 von 1,7 Milliarden Euro damals auf nunmehr 32 Milliarden Euro Ende 2013. Das ist, wenn Sie es hochrechnen, eine Verneunzehnfachung der Rücklage. Der Grund, der eine Einführung der Vorfälligkeit einstmals nötig machte, ist damit also nicht mehr gegeben, sondern entfallen. Es ist daher nach unserer Auffassung ein Gebot der Stunde, sicherzustellen, dass aus einer Notlösung nicht eine Dauerlösung auf Kosten und zulasten der Unternehmen wird.

(Beifall bei der FDP)

Die Rücknahme der Vorverlagerung ist eine praktikable und vor allem eine unbürokratische Regelung, weil bei vielen Unternehmen, gerade Handwerksunternehmen oder Unternehmen mit variabler Abrechnung, bei Mittelständlern dann nur noch 12 statt bislang 24 Beitragsabrechnungen notwendig wären und 12 Beitragsabrechnungen mithin entfallen. Die Sozialversicherungsträger würden dabei ebenfalls keine Mindereinnahmen oder Einnahmeverluste erleiden.

Natürlich gibt es auch ein Gegenargument, und das will ich an dieser Stelle nicht verschweigen. Es entstehen natürlich durch die Wiedereinführung der alten Regelung Kosten, nämlich ein einmaliger Aufwand für die Umstellung. Aber wie bereits ausgeführt, verfügen die Sozialkassen über mehr als ausreichend Liquidität, und die anfallenden Kosten sind auch fiskalisch aufgrund der Rücklagen ver

(Vizepräsidentin Antje Möller)

tretbar. Die einmaligen Umstellungskosten für die Unternehmen, wenn man es aus der Perspektive der Unternehmen sieht, werden demgegenüber durch die weggefallenen Kosten der Doppelabrechnung mehr als kompensiert.

Meine Damen und Herren! Im Interesse des Mittelstands möchte ich daher bei Ihnen um Unterstützung für den FDP-Antrag werben. Wir sehen das nicht nur allein so, so sieht es auch die SPD-geführte Große Koalition in Mecklenburg-Vorpommern oder beispielsweise die schwarz-gelbe Koalition in Sachsen. Beide Landesregierungen haben entsprechende Bundesratsinitiativen angestoßen, das begrüßen wir ausdrücklich. Hamburg hat nun Gelegenheit, ein vernünftiges Vorhaben zu unterstützen und einen Beitrag dafür zu leisten, Bürokratie abzubauen und den Hamburger Mittelstand zu stärken. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Katharina Fege- bank GRÜNE)

Das Wort bekommt nun Frau Rugbarth von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gehen wir doch gleich auf das zuletzt Gesagte ein. Herr Dr. Kluth, es gab eine Bundesratsinitiative, ausgegangen vom sächsischen Ministerpräsidenten, weil er zu Wahlkampfzeiten versprochen hatte, dass er dafür sorgen werde, diese Vorfälligkeit bei den Sozialversicherungsbeiträgen wieder zurückzunehmen. Damit hat er dann seinen Koalitionspartner, die FDP in Sachsen, mit in die Haftung genommen. Sie vertritt das auch, und das ist von der Sache her in Ordnung. Auf der Wirtschaftsministerkonferenz hat er in Dresden im letzten Jahr diesen Vorstoß gemacht und die Zustimmung der anderen Wirtschaftsminister der anderen Bundesländer nicht erhalten.

Seit der Zeit – wir sind jetzt ungefähr der sechste, siebte oder achte Landtag – kreiselt in ganz Deutschland ständig dieser FDP-Antrag – wortgleich, nebenbei gesagt – durch die Gegend. Und alle Landtage müssen sich jetzt damit beschäftigen.

(Zurufe von der FDP – Glocke)

(unterbrechend) : Meine Damen und Herren! Die Rednerin hat das Wort und niemand sonst.

Sämtliche Landtage beschäftigen sich seit dieser Zeit ausführlich mit diesem Antrag der FDP, und alle Landtage lehnen es ab, bis auf die zwei von Ihnen genannten. Warum wohl? Rot-Grün hat 2005 in einer Entscheidung zugunsten der gesellschaftlichen

Stabilität eine harte Entscheidung getroffen, die zugegebenermaßen die Wirtschaft sehr stark belastet hat. Die rot-grüne Bundesregierung hat ein fantastisches und unsere Gesellschaft sicherndes Rentenentlastungsgesetz beschlossen. Die 20 Milliarden Euro, die dort seinerzeit einmalig hineingespült wurden, haben natürlich die Wirtschaft, die Selbstständigen, insbesondere die kleinen Unternehmen, sehr stark belastet,

(Beifall bei Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

aber wir haben eine gesellschaftliche Verantwortung. Und aus diesem Grund haben wir das damals so getragen. Tatsächlich ist aber die Liquiditätsbelastung an dieser Stelle dem gegenüberzustellen, was in die Kassen der Sozialversicherungsträger hineingespült wurde. Herr Dr. Kluth führte aus, wie viele Milliarden da jetzt lägen. Genaugenommen, Herr Dr. Kluth, sind es 1,7 Monatsausgaben. Das war früher schon höher, und wir können nicht davon ausgehen, dass das eine ausreichende Liquidität …

(Finn-Ole Ritter FDP: Sie nehmen es fürs Rentenpaket!)

Sie können gern ans Mikrofon gehen, dann haben alle etwas von Ihnen.

(Glocke)

(unterbrechend) : Frau Rugbarth, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ritter?

Nachdem ich Sie nun dazu aufgefordert habe, muss ich Ihnen jetzt leider die Genehmigung erteilen, Herr Ritter.

Frau Rugbarth, ich freue mich über Ihre Ausführungen, die teilweise mit dem Thema zu tun haben. Ich möchte Ihnen aber eine Frage stellen: Ist Ihnen bekannt, aus welchen Beiträgen und von welchen Milliarden Ihre Große Koalition und vor allem Ihre Frau Nahles das Rentenpaket, das morgen beschlossen werden soll, bezahlt?

(Beifall bei Katharina Fegebank GRÜNE)

Dieses wird genauso aus den Beiträgen, die monatlich in die Kassen hineingespült werden, bezahlt; logisch.

(Finn-Ole Ritter FDP: Aber Sie sagen doch, sie sind eng in der Rücklage?)

Herr Ritter, Sie wissen genauso gut wie ich, dass es eine gesetzliche Rücklage gibt, die nicht angeknabbert werden darf. In dem Moment, wo diese Rücklage unter einen gewissen Wert sinkt, muss die Bundesregierung eintreten und die mangelnde Liquidität auffüllen. Das ist Ihnen doch alles be

(Dr. Thomas-Sönke Kluth)

kannt, nun tun Sie doch nicht so, als ob ich Ihnen hier etwas völlig Neues erzähle.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen etwas zurücknehmen und sagen zu Recht, das verursache wiederum Verwaltungsaufwand. Wozu? Wir brauchen keinen neuen Verwaltungsaufwand. Die Firmen haben sich daran gewöhnt, dass Sie das im Gegensatz zu früher 14 Tage eher zu bezahlen haben, und wer Schwierigkeiten hat, zum Monatsende die Beiträge zu zahlen, der wird auch 14 Tage später Schwierigkeiten haben. An der Stelle können wir mit Ihnen ganz einfach nicht mitgehen.

(Beifall bei der SPD)

Noch etwas anderes. Sie haben in Ihrem Antrag – das haben Sie wunderschön falsch von den anderen Landtagen abgeschrieben – davon gesprochen, dass man 24-mal berechnen müsse für ein Jahr. Zwölfmal im Jahr werden die Beiträge abgeführt, nicht 24-mal. Und für Betriebe mit unterschiedlichen Arbeitsstunden pro Monat gibt es entsprechende Programme, dass der Beitrag geschätzt wird, der voraussichtlich zu zahlen sein wird, und dass das, was darunter oder darüber ist, im nächsten Monat ausgeglichen wird, also tatsächlich die Korrektur dort erfolgt. Sollten Sie ein Steuerbüro haben, welches 24 Abrechnungen macht, dann helfe ich Ihnen gern weiter mit meinem Steuerbüro, die machen das nämlich nur zwölfmal und nicht 24-mal. – Danke.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Stemmann von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kluth hat die Fakten klar auf den Tisch gelegt. Ergänzend kann aus der Praxis noch berichtet werden, dass die Meldung an die Krankenkassen bereits sechs Arbeitstage vor Monatsende erfolgen muss. Im Gesetz stehen zwar fünf Tage, aber die Kassen legen das sehr streng aus und erwarten die Meldung bereits um 0 Uhr, also muss die Meldung faktisch am Vortag erfolgen.

Morgen wird dieses Thema, Rücknahme der Vorverlegung der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge, von der sächsischen Landesregierung zur Beratung in den Bundesrat eingebracht. Dort wird sich zeigen, wer es ernst meint mit Mittelstandsförderung. Insbesondere mittelständische Betriebe leiden nämlich unter dem erheblichen bürokratischen und zum Teil auch finanziellen Mehraufwand. Die Bürokratiekosten werden hier einseitig dem Mittelstand zugeordnet. Einerseits müssen die Arbeitgeber ihre Lohnkosten zu einem Zeitpunkt zahlen, an dem die tatsächliche Höhe, insbesondere bei den Abrechnungen nach erbrachten

Arbeitsstunden, noch nicht bekannt ist. Im Folgemonat müssen die Erklärungen der Arbeitgeber dann entsprechend der tatsächlichen Entgelte korrigiert werden, und das ist ein Mehraufwand, liebe Frau Rugbarth. Die Entlastung für den Mittelstand liegt insbesondere in den dann nicht mehr notwendigen Korrekturen.

Bislang zeigen sich Teile unserer Kollegen aus CDU/CSU im Bundestag und auch der SPD noch nicht bereit, diesen Weg zu gehen. Immerhin wird momentan über Verfahrensvereinfachungen bei der Meldung der Sozialversicherungsbeiträge diskutiert. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber vielleicht braucht es noch ein wenig mehr Nachhilfe aus Hamburg. Meine Fraktion wird daher dem FDP-Antrag zustimmen. – Vielen Dank.