Protocol of the Session on May 21, 2014

Das Wort bekommt Frau Dr. Schaal von der SPD-Fraktion.

(Jens Kerstan GRÜNE: Bloß nicht über Ver- kehr reden! Ihr seid solche Schisser!)

Meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Kerstan, morgen ist auch noch ein Tag.

(Beifall bei der SPD)

Es ist schon oft gesagt worden, aber ich möchte es auch noch einmal sagen: Niemand ist hier gegen Freihandel, aber wir wollen ihn nicht zulasten unserer Rechtsordnung und zulasten unserer Lebensbedingungen, Freihandel ist schließlich kein Selbstzweck. Um das zu belegen, braucht man auch gar keine Chlorhühnchen zu bemühen oder den Genmais, wir müssen nur auf das schauen, was wir im letzten Jahr selbst beschlossen haben. Das gesamte Parlament hat sich in einem Antrag – DIE LINKE auf andere Art und Weise – gegen Fracking in unserer Stadt ausgesprochen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wissen alle, dass eine Tochter des US-amerikanischen Ölkonzerns Exxon hier eine Aufsuchungserlaubnis beantragt hat. Wir wollen das nicht, und wir wollen alle möglichen Hebel in Bewegung setzen, damit dies rechtsfest gemacht wird. Wir haben Unterstützung bekommen durch die Umweltministerkonferenz, wir haben Unterstützung auf Bundesebene durch Vorhaben bestimmter Rechtsänderungen durch die Große Koalition. Dennoch haben viele Menschen Angst, die noch strengen Regeln für die Chemikaliensicherheit in Deutschland könnten durch ein Freihandelsabkommen aufgeweicht werden. Dem müssen wir Rechnung tragen. Ich denke, wir sollten hier in der Bürgerschaft nicht zulassen, dass doch noch durch die Hintertür Fracking auf unserem Staatsgebiet möglich wird. Das müssen wir verhindern. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Uns verbleiben

deutlich weniger als 15 Minuten, um das zweite Thema aufzurufen. Wird vonseiten der anmeldenden Fraktion, der SPD-Fraktion, eine Vertagung der Aussprache auf morgen gewünscht? – Das ist der Fall. Dann werden wir morgen die Aktuelle Stunde mit dem zweiten Thema beginnen.

Wir kommen zu Punkt 23 der Tagesordnung, Drucksache 20/11721, Senatsantrag: Stellungnahme des Senats zum Bürgerschaftlichen Ersuchen vom 13. Februar 2013 "Hamburg macht Sport – Regelungen zum Lärmschutz" und Änderung des Hamburgischen Lärmschutzgesetzes.

[Senatsantrag: Stellungnahme des Senats zum Bürgerschaftlichen Ersuchen vom 13. Februar 2013 "Hamburg macht Sport – Regelungen zum Lärmschutz" (Drucksache 20/6659) und Änderung des Hamburgischen Lärmschutzgesetzes – Drs 20/11721 –]

Wir könnten auch etwas einbringen zum Lärmschutz in der Hamburgischen Bürgerschaft, das wäre auch wichtig, aber wir wollen erst einmal über die Änderung des Hamburgischen Lärmschutzgesetzes diskutieren. Diese Drucksache möchte die FDP-Fraktion an den Sportausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Frau Timmermann von der SPD-Fraktion, bitte.

Zum Thema Lärm – mit dem kennen wir uns hier auch gut aus – passt ein Zitat von Kurt Tucholsky, das ich eigentlich gar nicht mehr verwenden wollte: "Lärm ist das Geräusch der anderen." Ich glaube, das trifft auf uns im Parlament auch ziemlich gut zu.

(Beifall bei der SPD – Dirk Kienscherf SPD: Sehr gut!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir wollen die Kita, die Schule und vor allem auch den Sportplatz vor Ort. Sport- und Bewegungsflächen liegen in einer dichtbesiedelten Stadt wie Hamburg oft in der Nähe oder auch mitten in Wohngebieten. Sie bergen daher nicht selten ein hohes Konfliktpotenzial zwischen Ruhebedürfnissen der Anwohnerinnen und Anwohner – Frau Sudmann, ich habe extra auf beide Formen geachtet – und dem mit den Aktivitäten von Sporttreibenden und deren Zuschauerinnen und Zuschauern verbundenen Lärm. Mit dem Ersuchen vom 23. Januar vorigen Jahres forderten wir den Senat auf, Lösungen für diesen Konflikt aufzuzeigen. Es geht also um die Frage, wie Sport und Wohnraumnutzung neben- und miteinander im Einklang gestaltet werden kann. Dieser Konflikt spitzt sich durch heranrückende Wohn

(Hansjörg Schmidt)

bebauung sowie innere Verdichtung und längere Schulzeiten und damit Ausdehnung der Nutzungszeiten von Sportanlagen in den Abend zu.

Frau Blömeke, ich habe Ihre Pressemitteilung schon gelesen. Es mag sein, dass Ihnen nicht klar ist, dass dieses Problem ein sehr altes ist und Sie es auch nicht geschafft haben, es zu beheben. Sie werfen uns vor, dass wir nach drei Jahren erst jetzt eine Regelung vorschlagen. Es liegt vielleicht auch daran, dass Sie nicht gebaut haben. Insoweit hat die Zuspitzung dieser Problematik auch gerade dadurch, dass wir etwas für den Wohnungsbau tun, noch einmal etwas an Fahrt aufgenommen.

(Beifall bei der SPD)

Damit Sportanlagen weiterhin wohnortnah betrieben werden können, plant der Senat – wie es eben schon von der Präsidentin dargestellt worden ist – eine Bundesratsinitiative zur Förderung der Sportentwicklung im städtischen Raum. Dies beinhaltet die entsprechende Änderung der Sportanlagenlärmschutzverordnung – ich habe mich gefragt, wie man das für Menschen, die nicht der deutschen Sprache fähig sind, übersetzt – sowie die Ergänzung einer entsprechenden Norm im Hamburgischen Lärmschutzgesetz. Mit dem kennen wir uns aus, nämlich noch von damals, als es um den Kindergarten "Marienkäfer" in Marienthal und auch um andere Beispiele ging. Eine ähnliche Privilegierung sehen wir hier vor. Ich werde darauf gleich noch näher eingehen.

Ich möchte kurz zu den Hintergründen und zum Handlungsdruck etwas sagen. Bereits im September 1987 berichtete der "Spiegel" über den Sportplatz Tegelsbarg. Es ist ein Thema, das uns nun schon fast 30 Jahre beschäftigt. Dort ist durch einen richterlichen Beschluss Nutzungseinschränkung erwirkt worden, sodass er – und jetzt muss ich tatsächlich genauer ablesen – nur noch wochentags bis 19 Uhr und samstags bis 13 Uhr genutzt werden darf; an Sonn- und Feiertagen muss völlige Ruhe herrschen. Das können wir für den Hamburger Sport nicht wollen.

(Beifall bei der SPD)

Damals nutzten die Richter eine unzulängliche Krücke, nämlich die Richtlinie "Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm" und eine Richtlinie "Beurteilung von Arbeitslärm in der Nachbarschaft", da es die Sportanlagenlärmschutzverordnung noch nicht gab; der Gesetzgeber handelte erst 1991. Seitdem ist das die Grundlage bei juristischen Auseinandersetzungen. Wer meint, dass dies alles fast 30 Jahre her sei und so etwas nicht mehr vorkomme, der irrt. Wellingsbüttel und Teutonia in Altona sind zwei aktuelle Beispiele, die Nutzungseinschränkungen hinnehmen müssen. Daher ist es genau richtig, was der Senat uns nun vorschlägt, nämlich die Sportanlagenlärmschutzverordnung im Bundesimmissionsschutzgesetz zu

verändern, und zwar in folgenden Punkten. Ich möchte nur drei exemplarisch aufgreifen, da wir dieses an den Ausschuss überweisen und dort weiter debattieren werden.

Es geht bei der Veränderung zum einen um den Bestandsschutz von Altanlagen. Immer wieder haben wir bei Sanierungen und Modernisierungen Konflikte, weil dann dieser Bestandsschutz nicht weiter trägt. Es geht darum, Jugendspieleinrichtungen, also Bolzplätze in Nachbarschaft von zum Beispiel Jugendhäusern, die bisher dort nicht erfasst sind, zum einen aufzunehmen und zum anderen die Immissionswerte um 5 Dezibel zu erhöhen. Und es geht – und das finde ich besonders wichtig und auch richtig und bin sehr dankbar, dass der Senat dieses vorschlagen wird – um die Einführung einer Länderöffnungsklausel, die es gerade Städten und Ballungsgebieten ermöglicht, passende Lösungen zu finden.

(Beifall bei der SPD)

Auf Landesebene wird es darum gehen, wie bereits erwähnt, einen Paragrafen 4a in das Hamburgische Lärmschutzgesetz einzufügen. Ähnlich wie die Geräusche von spielenden Kindern im Bereich Lärm sollen die Geräusche von Sporttreibenden privilegiert werden. Einen Satz dazu: Die Privilegierung von Sportlern entlässt die Vereine nicht aus der Pflicht, gute Nachbarschaften zu pflegen, das heißt in Dauer, Tageszeit und Geräuschintensität auch Rücksicht zu nehmen und frühzeitig ins Gespräch zu kommen. Diese beiden Vorschläge auf Landesebene als auch auf Bundesebene unterstützen wir sehr. Dies ist ein gutes Zeichen für den Hamburger Sport und die Menschen, die hier hervorragende Arbeit leisten. Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Schira von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ganze Generationen von Sportpolitikern haben sich über viele Legislaturperioden hinweg schon über das Thema Lärmschutz unterhalten. Es fing alles mit diesem berühmten Tegelsbarg-Urteil an, Frau Timmermann. Damals haben wir in der Bürgerschaft und in den Bezirksversammlungen sehr, sehr viel diskutiert. Wenn wir nun aber seit Längerem zum Beispiel auf Wellingsbüttel schauen und all die Winkelzüge um den Kunstrasenplatz des dortigen TSC beobachten, dann sieht man, dass Konflikte zwischen Sporttreibenden und Anliegern um Flächennutzung und Geräuschpegel nicht komplett zu verhindern sind. Das ist ganz klar. Der gesamte Komplex zum Beispiel um die Sanierung von Altanlagen, wie aktuell in Steilshoop, denen dadurch, salopp gesagt, der Lärmbonus abhanden kommt, rundet das unschö

(Juliane Timmermann)

ne Bild in unserer Stadt ab. Diese Beispiele zeigen, dass ein gedeihliches Miteinander von Gesellschaft und Sport außerordentlich wichtig und gleichzeitig sehr aufwendig ist. Wir und die Sporttreibenden können zwar daran arbeiten, den Sport geräuschärmer zu machen, komplett geräuschlos wird er aber nie sein. Daher muss auch in der Bürgerschaft gesagt werden, Hamburg ist eine Sportstadt und die Hamburgerinnen und Hamburger von jung bis alt sind sportbegeistert. Diesem selbstgesteckten Anspruch mit dem vorliegenden Antrag Rechnung zu tragen, begrüßen wir als CDU daher grundsätzlich. Dies tun wir umso mehr, als dass wir natürlich in der nächsten Debatte über die Möglichkeiten einer Olympiabewerbung Hamburgs sprechen werden. Doch auch wenn Sie, Herr Senator, mit dem vorliegenden Antrag einen Schritt in die richtige Richtung gehen, dann ist in den mehr als drei Jahren Ihrer Amtszeit schon viel Wasser die Elbe hinuntergeflossen und richtig passiert ist, was diesen Bereich angeht, nichts. In der Dekadenstrategie, die Sie permanent erwähnen, ist dieser Aspekt nur mit einem Satz erwähnt. Vor dem Hintergrund dieses nur geringen und ungenauen Anspruchs verwundert es dann auch nicht, dass der vorliegende Antrag nicht der ganz große Wurf ist, zumal er aus unserer Sichtweise noch einige Unklarheiten beinhaltet.

(Beifall bei der CDU)

So bleibt beim Lesen des Senatsantrags zum Beispiel unklar, ob denn diese Gesetzesänderung auch für Bolzplätze, Skate- und Basketballanlagen gilt. Die sind irgendwo zwischen Sport- und Spielplatz anzusiedeln, und auch dort können Kinder und Jugendliche sich sportlich betätigen. Ich kann zurzeit aus der vorliegenden Drucksache weder herauslesen, dass diese Bereiche kategorisch ausgeschlossen sind, noch kann ich herauslesen, dass dieser Bereich einbezogen wird.

(Juliane Timmermann SPD: Herr Schira, Punkt 7!)

Daher, Frau Timmermann, ist es notwendig, dass wir das Ganze im Sportausschuss noch einmal vertiefen. Im Sportausschuss ist die fachliche Expertise durch uns als Abgeordnete gegeben, aber, so denke ich, auch durch den Senat. Dort sollten wir das noch einmal gründlich diskutieren.

Schließen möchte ich mit der Feststellung, dass bei diesem Thema alles lange gedauert hat. Grundsätzlich sind wir dafür. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat etwas sehr Schönes zum Thema Sport gesagt. Es hat festgestellt:

"Lärm, der von sportlich Aktiven ausgeht, ist grundsätzlich allen Menschen zumutbar. Wer Sportlärm als lästig empfindet, hat selbst eine falsche Einstellung zum Sport."

Diesem ist aus Sicht der CDU nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Blömeke von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als Erstes ist positiv festzuhalten, dass alle Fraktionen – ich habe zwar DIE LINKE und die FDP noch nicht gehört, aber ich weiß, dass wir hier ähnlich denken – sagen, Sportanlagen gehören in Wohngebiete. Das ist existenziell wichtig, weil die wohnortnahe Förderung des Breitensports in der Tat eine wichtige politische Aufgabe ist. Wir haben in den vergangenen Jahren wirklich schon viele Beispiele – meine Kolleginnen und Kollegen haben eben schon einige erwähnt – in Hamburg erlebt, bei denen es zu Nutzungskonflikten kam, zunehmend durch die heranrückende Wohnbebauung.

Besonders absurd ist in der Tat die Situation um den sogenannten Altanlagenbonus. Man könnte sich vorstellen, dass sich Sportvereine glücklich schätzen, wenn sie Geld erhalten, um ihren alten Tennenplatz in einen Kunstrasenplatz umzuwandeln. Davon haben sie aber nur Nachteile, denn dadurch kommt es zu Nutzungseinschränkungen. Das ist dem Sport natürlich nicht dienlich. Wir müssen auch dem Rechnung tragen, dass unsere Kinder zunehmend länger in der Schule sind, bis 16 Uhr. Wir haben sozusagen eine Stauzeit bei der Nutzung gerade am späten Nachmittag und am Abend. Darum brauchen wir natürlich immer mehr Plätze mit Flutlicht und mit Kunstrasen, aber die unterliegen dann, wie gesagt, nicht mehr diesem Altanlagenbonus.

Wir haben deshalb über den Vorstoß des Senats im Ernst keinen Dissens. Es ist in der Tat ein guter Tag für den Sport. Wir gehen einen richtigen Schritt in die richtige Richtung, aber ich will darauf hinweisen, dass sich dieses Problem schon länger angekündigt hat. Unabhängig davon, dass wir möglicherweise unter Schwarz-Grün auch schon etwas hätten tun können, hat die SPD von Anfang an angekündigt, hier aktiv zu werden. Ich will an die Dekadenstrategie erinnern, die Senator Neumann von Beginn der Legislaturperiode an gerühmt hat und in der steht, dass 2012 eine Maßnahme zum Lärmschutz geschehen sollte. Es ist nichts passiert. Ein Jahr später, im Februar 2013 – das hat Frau Timmermann gerade gesagt –, hat die SPD-Fraktion den Senat über ein Ersuchen sozusagen aufgefordert. Noch einmal ein Jahr ist ins Land gegangen, bis wir nun dieses Ersuchen beantwortet bekommen haben. Meine Damen und Herren, hier muss ich trotzdem sagen, dass diese Untätigkeit dem Sport in Hamburg geschadet hat. Etwas mehr Tempo wäre gut gewesen. Ich glaube, dann hätten wir uns möglicherweise etliche der Nutzungskonflikte sparen können.

(Frank Schira)

(Beifall bei den GRÜNEN)

Trotzdem gibt es nun richtige Entscheidungen zum Thema Sportlärm; einmal im Hamburger Lärmschutzgesetz, wo der Sport privilegiert wird, und über die Bundesratsinitiative, die sicherstellt, dass Sportplätze natürlich auch künftig weiterhin in Wohngebieten bespielt werden dürfen. Ich will aber auch ein bisschen die Euphorie senken, denn erst einmal ist es nur eine Bundesratsinitiative. Selbst bei positivem Ausgang wird es weitere Monate dauern, bis es, bezogen auf diesen Sportanlagenlärm, zu einer Neufassung kommt. Dennoch – Herr Senator, verehrte SPD-Fraktion – besser spät als nie. Deswegen werden wir natürlich dieser Bundesratsinitiative zustimmen.

(Sören Schumacher SPD: So ist das in einer Demokratie!)