Protocol of the Session on May 21, 2014

(Glocke)

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit wäre jetzt abgelaufen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Urs Tab- bert SPD)

Soll ich mich noch einmal melden? Okay.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält von der CDU-Fraktion Herr Dr. Heintze.

Herr Rose, was war denn das, differenzierte Sozialdemokratie? Als ich Ihrer Rede zugehört habe, ist mir viel aufgefallen, aber keine Differenziertheit.

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN und der FDP)

Allerdings ist mir gleich am Anfang aufgefallen, dass Sie das parlamentarische Rollenspiel beschrieben haben. Sie haben nämlich vergessen zu erwähnen, dass die SPD, wie immer in diesem Parlament, selbstverliebt vergisst, den anderen Fraktionen zuzuhören, und das scheint mir das Problem gewesen zu sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Selbstverständlich haben alle Fraktionen ihre Position deutlich gemacht – und es ging dabei nicht um fundamentale Gegenpositionen oder nicht –, bis Sie angefangen haben, vorzutragen, wo Sie bei welchen Themen stehen und welche Unterschiede

(Wolfgang Rose)

Sie haben. Ich muss sagen, dass ich bis zu dem Klamauk eben die Debatte ziemlich sachlich und ziemlich gut fand. Die Unterschiede sind sehr deutlich geworden, aber das haben Sie gerade heruntergerissen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl fraktionslos – Dietrich Wer- sich CDU: Das war ein Lob!)

Eine Ergänzung noch, Frau Schneider. Sie haben Intransparenz und keine ausreichenden Mitwirkungsmöglichkeiten des Parlaments beschrieben. Ich glaube, da wird man noch ein bisschen nachbessern müssen. Gerade bei diesem Freihandelsabkommen ist es nämlich so, dass am Ende, weil es ein Handelsabkommen ist, das Europäische Parlament zustimmen muss, und es werden die nationalen Parlamente zustimmen müssen. Wir sind also an einem Punkt, an dem selbstverständlich alle, die verhandeln, sehr genau darauf achten werden – ACTA und SWIFT mögen da erste Zeichen gewesen sein –, was dort vertreten wird und was nicht.

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Ich glaube, das hat die Kommission auch erkannt, und entsprechend wird es umgesetzt. Skandalisieren Sie also nicht etwas, das durchaus einem parlamentarischen Prozess unterliegt und das, wenn überhaupt, erst 2016 abgestimmt wird. Es wurde sehr deutlich gemacht, dass parlamentarische Mitwirkung besteht. Wir alle sollten uns dafür einsetzen, dass mehr Transparenz entsteht, und dann haben wir es auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Fegebank von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich denke, wir sind uns alle einig, dass ein Ziel heute erreicht wurde, nämlich dass wir es geschafft haben, dieses Thema, das uns noch ein Weilchen begleiten wird, auch auf den Radar des Parlaments zu bringen und vor allem auch ein Stück weit stärker in die Hamburger Öffentlichkeit zu tragen. Das hat diese Debatte erreicht, und das finde ich erst einmal gut.

Einen Satz muss ich trotzdem noch zu Wolfgang Rose sagen, das wird er mir hoffentlich verzeihen. Wenn ich mir anschaue, was von führenden SPDMinistern, aber auch vom europäischen Spitzenkandidaten an Aussagen unterschiedlicher Richtung in den letzten Wochen und Monaten zu diesem Freihandelsabkommen gefallen ist, dann sehe ich da alles andere als einen klaren Kurs und ein differenziertes Vorgehen. Wenn es nach ihrem Kompass ginge, dann wären wir wirklich voll am Schlingern; das muss ich ganz ehrlich sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU – Gabi Dobusch SPD: Wir wollen doch eine Diskussion, oder?)

Nur drei Beispiele – eines habe ich eben schon genannt. Martin Schulz hat als Frontmann der SPD in Brüssel wirklich allen Vorlagen zugestimmt in den letzten anderthalb Jahren: einem Verhandeln hinter verschlossenen Türen und einem TTIP-Mandat, bei dem nicht klar ist, in welche Richtung es von den Standards her geht. Gerade erst im April 2014 hat er im Europaparlament zusammen mit der CDU und den Liberalen für ein Klagerecht der Konzerne gestimmt, und jetzt versucht er bei jedem Auftritt zu sagen, dass er der große Anwalt für die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher sei, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Da brauche ich eine klarere Ansage von Herrn Schulz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sigmar Gabriel hat die 500 000 Unterschriften der Campact-Aktiven noch vor einigen Wochen mit der Bemerkung abgetan, dass diese, verglichen mit der Anzahl der Einwohnerinnen und Einwohner in der EU, zu vernachlässigen seien.

Mit einem sehr schönen Satz Ihrer Umweltministerin möchte ich schließen. Frau Hendricks sagte mit Blick auf das geplante Investorenschutzabkommen, dass dies, wenn es so durchginge, die Errungenschaften von 150 Jahren Arbeiterbewegung, 100 Jahren Frauenbewegung und 50 Jahren Umweltbewegung aushebeln und ad absurdum führen würde. Das sollten sich die sozialdemokratischen Abgeordneten vielleicht einmal zu Herzen nehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Herr Dr. Kluth von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Rose, die Position der Sozialdemokraten zu TTIP mag alles Mögliche sein, nur eines ist sie mit Sicherheit nicht, und das ist klar. Dass das so ist, verdeutlicht auch, wie die Fraktion der Sozialdemokraten hier die Debatte choreografiert: Erst kommt Frau Steppat mit einem sehr sachlichen, sehr fachkundigen und sehr richtigen Beitrag, und anschließend kommt Herr Rose und bedient den anderen Teil Ihres Publikums. Das ist alles andere als klar, das ist das genaue Gegenteil von klar.

(Beifall bei der FDP, der CDU und bei Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Lassen Sie mich vielleicht zu zwei linken Legendenbildungen noch etwas sagen. Der erste Punkt ist die Frage der europäischen Standards. Dass es TTIP ermöglicht, das Schutzniveau europäischer Standards in den Bereichen Umwelt, Gesundheit oder Verbraucherschutz auszuhöhlen, ist schlicht

(Dr. Roland Heintze)

weg falsch. TTIP ist zurzeit in der Verhandlung, und ich habe bislang von keiner, wirklich keiner Seite die Bereitschaft vernommen, hohe europäische Schutzstandards zugunsten anderer zu senken. Auch die einzelnen europäischen Mitgliedsstaaten haben erklärt, dass sie keine Absenkung des Schutzniveaus wollen – ich füge hinzu –, obgleich das möglicherweise gar nicht so schlecht wäre. Es ist schon kurios, wenn wir einerseits die europäische Regelungswut kritisieren, Stichwort Krümmung der Bananen oder Glühbirnen, wir aber andererseits solchen bürokratischen Unsinn gegen die Amerikaner mit Klauen und Zähnen verteidigen sollen.

Eine zweite Anmerkung zur Transparenz der Verhandlungen. Schließlich ist auch die Behauptung falsch, die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen seien undemokratisch, denn die Kommission verhandelt natürlich nicht im luftleeren Raum, sondern mit einem Mandat der Regierungen und des Europäischen Parlaments. Dass bei solchen Verhandlungsprozessen nicht gleich jedes Zwischenergebnis oder jede rote Linie der Verhandlungspartner öffentlich gemacht wird, liegt in der Natur der Sache solcher Verhandlungen und dient letztlich einem guten Ergebnis. Ich bin überzeugt davon, dass die, die das Gegenteil fordern, in Wahrheit gar nicht an guten Ergebnissen interessiert sind, sondern das Scheitern der Verhandlungen wollen. – Danke.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Herr Dr. Scheuerl, fraktionsloser Abgeordneter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir hat zu denken gegeben, was Frau Senatorin Blankau vorhin gesagt hat, und zwar zu zwei Punkten. Der eine betrifft das Stichwort Geheimverhandlung, wichtiger aber noch ist das Stichwort Schiedsgerichte. Frau Senatorin Blankau, Sie haben Schiedsgerichte als Privatgerichte bezeichnet, und es klang so – da mag Ihre gewerkschaftliche Herkunft eine Rolle spielen –, als ob Schiedsgerichte irgendwie im freien Raum freie Schiedssprüche fällen würden. Um das an dieser Stelle sachlich abzuschließen und zu vervollständigen: Schiedsgerichte müssen geltendes Recht anwenden, und das tun sie auch. Wenn also Unternehmen Schiedsgerichte in ihren Verträgen vereinbaren oder wenn Schiedsgerichte angerufen werden, dann wird das deshalb gemacht, weil dort erstens im Regelfall zusätzlich zu einem neutralen Vorsitzenden Schiedsrichter von beiden Seiten benannt werden – manchmal ist es auch ein größeres Gremium, aber immer eine neutrale Besetzung – und vor allem, weil es deutlich schneller geht, bis es zu Ergebnissen kommt, als in den meisten rechts

staatlichen Gerichtsordnungen Europas und der Welt. Deswegen sind Schiedsgerichte eine sinnvolle Institution und nichts, wovor man Angst haben muss.

(Gerhard Lein SPD: Aber nicht öffentlich!)

Und zur Öffentlichkeit von Schiedsgerichtsverhandlungen, weil Herr Lein das gerade einwirft: Ich war heute Morgen im Landgericht Hamburg bei einer öffentlichen Verhandlung. Ist jemand dabei gewesen? Nein.

(Gerhard Lein SPD: Aber es kann sein!)

Die Öffentlichkeit geht im Regelfall zu Strafgerichtsprozessen, wenn es spannend ist, und manchmal, wenn es draußen kalt ist; Öffentlichkeit ist sinnvoll. Aber da Schiedssprüche anschließend im Zweifelsfall veröffentlicht werden und die Ergebnisse ohnehin durch die Presse gehen, bekommt jeder rechtzeitig mit, was dort passiert, und es geht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen.

Eines noch zum Thema Geheimverhandlungen der EU-Kommission, weil das bei Frau Senatorin Blankau und auch bei Herrn Rose als düstere Chimäre anklang, als sei das etwas ganz Furchtbares. Die Verhandlungsergebnisse der Zwischenrunden werden immer veröffentlicht. Ich muss als Angehöriger dieses Hauses eines ansprechen: All die Verträge, die Bürgermeister Scholz in den letzten Jahren mit immensen Folgen für die Hamburgerinnen und Hamburger – dreistellige Millionenbeträge – geschlossen hat, sind hinter verschlossenen Türen geschlossen worden. Sie sind dann zwar nachträglich veröffentlicht worden, da waren sie aber schon unterzeichnet. Nichts anderes wird mit dem Freihandelsabkommen passieren. Wenn es ausverhandelt ist und eine fertige Fassung vorliegt, dann wird die selbstverständlich für alle zu lesen sein. Dann werden die Abgeordneten des EU-Parlaments das zur Kenntnis nehmen und darüber debattieren und dem zustimmen oder nicht, und die Abgeordneten der nationalen Parlamente werden auch darüber debattieren und dem jeweils zustimmen oder nicht. Daran ist also nichts Düsteres. Das ist eine große Chance, vor allem für Hamburg und für Deutschland insgesamt. Deswegen sollten wir den Verhandlungen kritisch folgen, aber nicht mit einer Angst- und Panikkampagne, wie sie von LINKEN und GRÜNEN gefahren wird, die immer nur dagegen angehen und kritisieren. – Vielen Dank.

Das Wort bekommt Frau Senatorin Prüfer-Storcks.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das scheint ja ein Leidenschaftsthema der SPD zu sein! – Christiane Schneider DIE LINKE: Warum habt ihr das nicht mal selber angemeldet?)

(Dr. Thomas-Sönke Kluth)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich vertrete in dieser Debatte nicht Herrn Senator Horch, sondern die Aspekte des Gesundheits- und Verbraucherschutzes.

(Beifall bei der SPD)

Neben der Sorge vor der Absenkung von Sozialstandards kommen aus diesem Bereich die größten Bedenken in Bezug auf das Abkommen, und ich finde, man muss sie sehr ernst nehmen. Deshalb bin ich als Verbraucherschutzsenatorin froh, dass die Europäische Kommission drei Festlegungen getroffen hat, nämlich dass sie erstens nicht beabsichtigt, europäische Standards im Verbraucherschutz infrage zu stellen und abzusenken, dass sie zweitens zugesagt hat, die Öffentlichkeit, die beteiligten Parlamente und die Mitgliedsstaaten zeitnah über den aktuellen Stand der Verhandlungen zu informieren und dass es drittens zu dem besonders wichtigen Bereich des Investitionsschutzes eine öffentliche Konsultation geben wird.

Keine Veranstaltung ohne TTIP, das gilt auch für die Verbraucherschutzministerkonferenz, die in der letzten Woche in Rostock stattgefunden hat, und ich finde, das Thema gehörte auch da hin. Wir haben einen Beschluss gefasst zu dem Abkommen, und zwar einen Beschluss aller 16 Länder. Das bedeutet, dass alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien sich durch ihre Verbraucherschutzminister in den Ländern auf eine gemeinsame Position verständigt haben. Das ist dann auch ein Signal, das die Bundesregierung sehr ernst nehmen muss.

(Beifall bei der SPD)