Protocol of the Session on May 21, 2014

(Beifall bei der SPD)

Zwei Punkte will ich daraus hervorheben. Erstens: Wir lehnen einhellig ab, dass im Interesse eines gemeinsamen Abkommens europäische Standards im Bereich des Verbraucherschutzes abgesenkt werden.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens: Es kann kein Abkommen geschlossen werden, das nicht erfolgreich Bundestag und Bundesrat passiert hat.

Es war schon verschiedentlich die Rede davon, dass es keineswegs so ist, dass immer die europäischen Standards die höheren sind; manchmal sind die USA uns da auch voraus. Aber es gibt sehr unterschiedliche Systeme, und gerade im Bereich Verbraucherschutz gibt es große Unterschiede bei den Lebensmittelstandards, bei Herstellung, Hygienestandards, Kontrollen und Kennzeichnung. Zum Beispiel bedürfen gentechnisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel im Unterschied zu unserer Verfahrensweise in den USA keiner Kennzeichnung. Viele Dinge, die in den USA möglich und auch üblich sind, würden bei uns keine Akzeptanz finden, zum Beispiel Klonfleisch oder die

schon bekannt gewordenen Chlorhähnchen. Allerdings würden wir als europäische Verbraucher vielleicht auch manches nicht essen, wenn wir uns immer bewusst machen würden, was genau in unserem Essen ist. Insofern stimme ich Herrn Trittin und seiner Analyse zu.

(Beifall bei der SPD)

Es darf jedenfalls nicht passieren, dass unsere Standards abgesenkt werden, um europäische Märkte zu öffnen, und wir Produkte einführen, die hier ansonsten niemals verkauft werden dürften. Aber es kommt eben auch nicht alles Schlechte aus Amerika. Wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, dass in den USA auch manches besser geregelt ist, zum Beispiel das Thema Hygieneampel im Lebensmittelbereich. Wir kämpfen in Deutschland seit mehreren Jahren vergeblich gegen die Bundesregierung, um eine bundesgesetzliche Grundlage für ein solches Transparenzsystem zu bekommen. In New York ist das Standard. Es geht also auch darum, sehr genau hinzusehen und nach Möglichkeit die jeweils höheren Schutzstandards zu vereinbaren. Die Verbraucherschutzminister haben beschlossen, entsprechende Zielkriterien für ein solches Abkommen zu erarbeiten, und zwar unter Einbeziehung der europäischen Ebene.

Meine Damen und Herren! Wir haben leider, es ist schon angesprochen worden, keine verlässlichen Informationen über den gegenwärtigen Verhandlungsstand zum Abkommen. Deshalb ist auch derzeit völlig unklar, inwieweit das Abkommen auch Fragen der Gesundheitsversorgung und des Gesundheitsschutzes tangieren wird. Insofern sind die Warnungen, die zum Beispiel der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen ausgesprochen hat im Sinne eines "Wehret den Anfängen" durchaus zu begrüßen, aber wir sollten auch nicht so tun, als sei das schon beschlossene Sache. Eine direkte Vergleichbarkeit der Systeme ist auch hier sehr schwierig, aber ich will einige Bereiche ansprechen, zum Beispiel die Zulassung von Arzneimitteln. Es wäre nicht unproblematisch, hier grundsätzlich immer das jeweils im anderen Bereich zugelassene Arzneimittel auch in Europa oder in den USA zuzulassen, denn die Vorgehensweise ist doch sehr unterschiedlich. Der Schutzstandard bei Arzneimitteln ist sowohl in der EU als auch in den USA sehr hoch, aber das Zulassungsverfahren ist in den USA nicht so kompliziert und zeitaufwendig wie in Europa. Dafür gibt es in den USA aber drastische Strafen, wenn es Arzneimittelvorfälle gegeben hat, und das habe ich in Deutschland oder überhaupt in Europa in dieser Höhe noch nicht erlebt. Deshalb gehe ich davon aus, dass die USA selber kein Interesse daran haben, ihre eigenen Standards zu senken.

Wenn ich aber an den Zugang zu Arzneimitteln denke, dann möchte ich nicht das amerikanische System übernehmen. Das amerikanische System

bedeutet Zugang zu Arzneimitteln, die bei uns verschreibungspflichtig sind, in einem Drugstore, wo große Familienpackungen käuflich zu erwerben sind, und auch Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Das entspricht nicht meiner Vorstellung vom Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren von Nebenwirkungen.

(Beifall bei der SPD)

Bei den Medizinprodukten wäre ich wiederum froh, wenn wir uns etwas abschauen könnten von den Vereinigten Staaten. Dort gibt es bei bestimmten Medizinprodukten sehr hohe Hürden durch Zulassungsverfahren und Inspektionen. Es könnte sein, dass wir diesen Brustimplantate-Skandal in Europa nicht gehabt hätten, wenn wir hier die amerikanischen Standards hätten.

Ich will noch den Bereich des Investitionsschutzes ansprechen, denn hier könnten tatsächlich für das deutsche Krankenversicherungssystem Gefahren drohen. Das ist aber noch lange nicht ausgemacht. Wir haben in Deutschland seit einigen Jahren – endlich, muss ich sagen – ein System der KostenNutzen-Bewertung von Arzneimitteln, wir haben Preisverhandlungen über den angemessenen Preis, und wir haben das Instrument der Rabattverträge der Krankenkassen. Das soll dazu dienen, unser Gesundheitssystem bezahlbar zu halten, und es soll dafür sorgen, dass das traditionell zu hohe Preisniveau in Deutschland im europäischen Vergleich ein wenig heruntergeholt wird. Es könnte die Gefahr drohen, dass sich im Zuge eines Investitionsschutzes US-Pharmaunternehmen im freien Warenaustausch beeinträchtigt fühlen und gegen die Kosten-Nutzen-Bewertung und die Preisregulierung in Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof klagen und beides zu Fall bringen. Die Folgen wären dann wieder ungebremste Arzneimittelpreise in Europa und in Deutschland und natürlich eine Kostenbelastung der Beitragszahler der deutschen Krankenversicherung. Das ist eine Entwicklung, auf die wir unser Augenmerk ganz besonders richten müssen; das darf auf keinen Fall dabei herauskommen. Wir haben nicht erfolgreich im Vermittlungsausschuss des Bundesrats die Anwendung des europäischen Kartellrechtes auf die GKV verhindert, um dann durch die Hintertür doch die negativen Auswirkungen zu bekommen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung ist durch die 16 Bundesländer mit Nachdruck aufgerufen worden, sich dafür einzusetzen, dass dieses Freihandelsabkommen ein sogenanntes gemischtes Abkommen wird. Gemischtes Abkommen bedeutet, für den Abschluss ist nicht nur eine Mehrheit im Europäischen Parlament und im Europäischen Rat notwendig, sondern auch eine Mehrheit in allen Mitgliedsstaaten, also auch im Bundesrat und im Bundestag. Es gilt: Das europäische

Verhandlungsmandat muss unseren Ansprüchen von Transparenz entsprechen, also öffentlich sein, und das Schutzniveau wird nicht nivelliert; am besten setzt sich das jeweils höhere Niveau durch. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Rose von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin noch einmal nach vorne gegangen, um ein paar Anmerkungen zu den Redebeiträgen von Frau Schneider und Frau Fegebank zu machen. Im aktuellen EU-Wahlkampf unterstellen sowohl DIE LINKE als auch die GRÜNEN der SPD in gewissem Sinne Heuchelei beim Thema TTIP.

(Beifall bei Dr. Roland Heintze CDU)

Ich habe es etwas schärfer ausgedrückt, aber so ist es manchmal gemeint. Wenn wir dies öffentlich kritisierten, würden wir in Wahrheit allem zustimmen; so ist es vorgetragen worden. Ich will Ihnen an zwei Punkten deutlich machen, dass das falsche Bewertungen und falsche Behauptungen sind.

(Beifall bei der SPD)

Erstens: Die Fraktion im Europäischen Parlament hätte 2013 dem Verhandlungsmandat zugestimmt. Das ist falsch, denn das Mandat als solches stand im Europäischen Parlament überhaupt nicht zur Abstimmung, es wurde allein vom Ministerrat erteilt. Zugestimmt hat die S&D-Fraktion im Europäischen Parlament hingegen einer im Handelsausschuss des Europäischen Parlaments vorbereiteten Resolution, mit der das Europäische Parlament der Kommission für die Verhandlungen klare inhaltliche Leitplanken vorgegeben hat. Diese Resolution beinhaltet übrigens einen Gutteil der von mir vorhin genannten sozialdemokratischen Anforderungen an TTIP. Die alternativ von den GRÜNEN eingebrachte Resolution ging lediglich in Einzelpunkten darüber hinaus, was aber nicht mehrheitsfähig war. Das ist ein Punkt, wo ich empfehle, nicht populistisch zu argumentieren, sondern bei der Wahrheit zu bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Der zweite Punkt betrifft das Thema der Gerichtsbarkeit: Die Fraktion im Europäischen Parlament hätte am 16. April 2014 mit Annahme des sogenannten Zalewski-Berichts bereits den ISDS-Regelungen beim TTIP zugestimmt. Das ist falsch, denn beim Zalewski-Bericht geht es um die Klärung von Zuständigkeiten zwischen der EU und ihren Mitgliedsstaaten bezüglich bereits bestehender ISDSRegelungen in diversen bilateralen Handelsabkommen, nachdem die Kompetenz für Handelsfragen

(Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks)

mit dem Lissabon-Vertrag von 2009 vollständig an die EU übergegangen war.

(Arno Münster SPD: Hört, hört!)

Auch an diesem Punkt empfehle ich, genau hinzusehen und nicht aus Wahlkampf- und populistischen Gründen etwas Falsches zu erzählen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von Christiane Schneider DIE LINKE)

Unterm Strich ist es so: Die SPD ist dafür zu verhandeln mit klaren inhaltlichen Vorgaben, einer öffentlichen Kontrolle und am Ende einer offenen Abstimmung im Lichte dieser Vorgaben. Die GRÜNEN sind dafür zu verhandeln, aber sie wollen damit ganz neu bei null beginnen und alles, was bisher gelaufen ist, in den Orkus schicken. DIE LINKE ist dafür, überhaupt nicht zu verhandeln, sondern grundsätzlich kein Handelsabkommen abzuschließen. Ich bleibe dabei: Die sozialdemokratische Position ist die differenzierteste und die, die den Menschen und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern am ehesten nützt.

(Beifall bei der SPD)

Dann will ich noch einmal eine Anmerkung machen zu dem mehrfach vorgetragenen Punkt, die Sozialdemokratie würde vielstimmig in dieser Frage reden. Das ist so, wir sind eine Volkspartei, wir sind ein bisschen breiter aufgestellt als Sie.

(Beifall bei der SPD)

Und wir haben in unserer Partei unterschiedliche Schwerpunkte, unterschiedliche Mentalitäten, ganz viele verschiedene Interessen, die wir zusammenführen müssen. Wir sind als SPD eine Partei mit einem breiten Spektrum, das macht den Charakter einer Volkspartei aus. Sie werden davon ausgehen müssen, dass wir, wenn wir unseren innerparteilichen demokratischen Prozess in dieser Frage weitergeführt haben, und wenn es notwendig ist, gemeinsam und geschlossen zu einer Position zu kommen, im Interesse der Menschen und im Interesse der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen dies auch vertreten und umsetzen werden. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Schmidt von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es ein bisschen unangemessen, dass Sie murren, weil sich noch jemand meldet. Erst betonen Sie, wie wichtig dieses Thema sei und brüsten sich damit, dass Sie es auf die Tagesordnung gebracht haben, und jetzt reden hier Leute dazu.

(Beifall bei der SPD – Jens Kerstan GRÜNE: Wir wissen doch genau, was ihr macht! Ist doch lächerlich!)

Mir ist es wichtig, dass noch einmal ein Thema zur Sprache kommt, das Frau Steppat in einem Nebensatz angesprochen hat. Es wurde viel gesagt über die Verteidigung von Standards. Zu unseren sozialen, ökologischen und demokratischen Standards gehören in einer globalen, digitalisierten Welt aber auch die Standards im Umgang mit den Daten. Wir reden hier immerhin über ein Grundrecht, meine Damen und Herren. Nicht erst seit der Enthüllung des Spähangriffs der Amerikaner auf uns alle wissen wir, dass der Datenschutz in Amerika ein anderes Niveau hat. Nicht ohne Grund spricht die EU bei den USA von einem nicht sicheren Drittstaat. Die EU verbietet es grundsätzlich, personenbezogene Daten aus EU-Mitgliedsstaaten in andere Staaten zu übertragen, die über kein dem EU-Recht vergleichbares Datenschutzniveau verfügen. Dies trifft auf die USA zu, da diese keine umfassenden gesetzlichen Regelungen kennen, die den EU-Standards entsprechen. Das sogenannte Safe-Harbor-Abkommen soll hier Rechtssicherheit für Unternehmen und Sicherheit für europäische Anwender bringen, aber welchen Wert hat dieses Abkommen tatsächlich? Angesichts von Geheimgerichten, dem PATRIOT Act und letztendlich PRISM und Co. zweifeln nicht nur Bürgerrechtler und Internetaktivisten an der Stichhaltigkeit des Abkommens, sondern auch zahlreiche Datenschutzbeauftragte und auch wir Sozialdemokraten.

(Beifall bei der SPD)

Folgerichtig hat das EU-Parlament mit einem Entschließungsantrag gerade im März gefordert, dass das Safe-Harbor-Abkommen ausgesetzt wird. Das Safe-Harbor-Abkommen gehört neu verhandelt, aber der europäische Datenschutz hat bei den Verhandlungen über das Handelsabkommen nichts zu suchen, denn Datenschutz ist nicht mit Fragen wie Bürokratie oder Zoll zu vergleichen. Der Datenschutz ist ein Grundrecht und daher nicht verhandelbar.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von Mehmet Yil- diz DIE LINKE)

Europa darf sich bei den TTIP-Verhandlungen nicht ins Bockshorn jagen lassen. Wir wissen, warum die USA Datenschutzbestimmungen in TTIP integrieren will. Aber warum sollten europäische Politiker, wieso sollte irgendjemand, der die besten Interessen für Europa verfolgt, so etwas wollen? Das Argument der Amerikaner wird sein, über das US-Recht hinausgehende Datenschutzgesetze erschwerten es US-Unternehmen, Geschäfte in der EU zu machen. Sie würden so als nichttarifäre Hindernisse wirken und müssten deshalb abgeschwächt werden. Um einem solchen Downsizing einen Riegel vorzuschieben, ist es dringend angeraten, in einem Freihandelsabkom

(Wolfgang Rose)

men ausdrücklich klarzustellen, dass die nach amerikanischem oder europäischem Recht vorgegebenen Datenschutzanforderungen keine Handelshemmnisse sind. Das ist ein extrem wichtiger Punkt.

(Beifall bei der SPD)

Das Motto der TTIP-Verhandlungen sollte sein: Über den Handel verhandelt man, Rechte allerdings verteidigt man. Das sollten wir selbstbewusst tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)