Protocol of the Session on May 21, 2014

Das Wort bekommt nun Frau Fegebank von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich finde es spannend, welche Allianzen sich in diesen Tagen bilden. Ich gebe Ihnen recht, Frau Steppat, es ist Wahlkampf, aber es ist auch so, dass Ihr europäischer Spitzenkandidat Martin Schulz dieses Thema im Moment nutzt, um öffentlich auf die Gefahren von TTIP aufmerksam zu machen, er aber in den letzten anderthalb Jahren im Europaparlament – wie auch die SPD im Bundestag – allen Anträgen und Vorlagen zum Verhandlungsmandat zugestimmt hat.

(Sören Schumacher SPD: Das ist ja auch richtig!)

Daher glaube ich, dass auch die SPD an dieser Stelle ihr Verhältnis zu diesem Freihandelsabkommen einmal gründlich klären muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber zu den Allianzen: Ich finde es spannend zu lesen, dass sowohl der Lebensmittelkonzern RE

(Dr. Roland Heintze)

WE als auch die Verbraucherzentralen, zahlreiche Winzer, Bierbrauer, Umweltverbände, Kulturorganisationen, diverse NGOs und viele Bürgerinnen und Bürger in diesen Tagen zusammenstehen, Sturm laufen und zu Recht eine Sorge äußern, nämlich die Sorge über das Freihandelsabkommen, über die Absenkung von Standards, über das Investorenklagerecht und die fehlende Transparenz. Und ich finde, das ist gut so. Es gehört in diese Debatte, und es gehört auch genau jetzt in die Auseinandersetzung zur Europawahl am Sonntag, weil wir wissen wollen, wie unsere Abgeordneten in Brüssel zu dem Freihandelsabkommen stehen und ob sie dafür oder dagegen sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Daher ist es gut – da stimme ich Herrn Heintze zu –, dass es einen öffentlichen Druck und eine öffentliche Auseinandersetzung gibt, denn nur so bekommt man die Themen, die wir alle diskutieren, ohne zu wissen, ob es wirklich die Themen sind, die hinter verschlossenen Türen beraten werden, einfach einmal auf den Tisch. Ich will für die GRÜNEN ganz klar sagen: Wir wollen fairen und freien Handel, wir wollen den Abbau von Handelshemmnissen und wir wollen die Vereinheitlichung von Normen. Wir haben vielen Abkommen in den letzten Jahren zugestimmt, und wir haben sie konstruktiv begleitet. Wenn ich mir anschaue, was möglicherweise ein Vorteil oder auch eine Chance in diesem Freihandelsabkommen ist – man macht das immer gerne an konkreten Beispielen fest –, dann gibt es da zum Beispiel den Crashtest für Kraftfahrzeuge, Stecker für Elektroautos oder Handyaufladegeräte. Das sind Normen und Handelshemmnisse, die man vereinheitlichen sollte, denn das ist gut für den gemeinsamen Markt. Was die Chancen angeht – Frau Steppat hat gerade ein paar Zahlen zu Wachstum und Arbeitsplätzen genannt –, da sehe ich mich eher in der Nähe der LINKEN, weil tatsächlich nicht genau klar ist, was sich da über die nächsten 10, 15 Jahre bewegt. Wir GRÜNEN stehen zu freiem Handel, aber es muss einen klaren Kompass geben. Umweltschutz-, soziale und Verbraucherschutzstandards und vor allem Demokratie sind keine Handelshemmnisse,

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

sondern Ergebnis demokratischer Wertentscheidungen, um die lange gerungen wurde, auch mit unterschiedlichen Mehrheiten im Europaparlament gerungen wurde, und die unser Gemeinwesen ausmachen. Wenn jetzt ein solches Handelsabkommen hinter verschlossenen Türen ohne parlamentarische Beteiligung und auch ohne jegliche öffentliche Beteiligung ausgehandelt wird – das ist von allen eben auch angesprochen worden –, dann trifft das Europa in seinen Grundfesten und dann ist das weitaus mehr als ein einfaches Han

delsabkommen. Dann geht es um das Selbstverständnis und die Wertegrundlage der EU.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb sagen wir: TTIP so nicht. Wir sind ganz klar für faire Freihandelsabkommen, die auf ökologische und soziale Standards, auf Umweltstandards und Verbraucherschutzstandards Wert legen und sie nicht absenken. Wir wollen TTIP in dem Rahmen, wie es gerade verhandelt wird, sowohl was das Verhandlungsmandat angeht als auch die Frage von Transparenz und die gefährdeten Standardabsenkungen, nicht mittragen und sagen deshalb, dass TTIP, wie es im Moment läuft, zu stoppen sei, aber ein Freihandelsabkommen, das noch einmal neu aufgerollt wird und auch klare Linien zieht, ist eines, wo wir GRÜNEN dabei sind.

(Beifall bei den GRÜNEN – Sören Schuma- cher SPD: Wahlkampfgetöse!)

Ich möchte noch ein Wort zum sogenannten Investorenschutz und dem Klagerecht sagen, weil Herr Heintze vorhin sagte, dass es tatsächlich schon andere Abkommen gebe, in denen das durchaus üblich sei. Es ist ein Aushebeln der Rechtsstaatlichkeit, wenn plötzlich Konzerne vor private Gerichte ziehen und gegen Umweltstandards und Arbeitnehmerrechte vorgehen, und das kann nicht sein. Das ist etwas, was wir hier hoffentlich mit großer Mehrheit ablehnen und wo von Hamburg aus auch ein klares Signal nach Berlin an die Große Koalition geht, diesem im Bundesrat nicht zuzustimmen. Da hoffe ich auch auf die CDU und die SPD, dass das Klagerecht und die private Gerichtsbarkeit aus diesem Investitionsschutzabkommen herausgenommen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun bekommt das Wort Herr Dr. Kluth von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wissen Sie, warum das Thema TTIP in der Aktuellen Stunde eigentlich wirklich interessant ist? Der Beitrag von Frau Schneider hat das noch einmal unterstrichen.

(Dr. Eva Gümbel GRÜNE: Hört, hört!)

Weil es deutlich macht, dass die LINKEN bereit sind, allein aus Wahlkampfgründen Katastrophen herbeizureden, Menschen zu verunsichern, Ängste zu schüren und mit Halbwahrheiten zu operieren.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das zeigt einmal mehr, was wir aus 175 Jahren Kommunismus wissen: Sie haben zur Wahrheit al

(Katharina Fegebank)

lenfalls ein taktisches Verhältnis, aber kein prinzipielles.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN)

So, wie Sie sich aufregen, muss ich einen wunden Punkt bei Ihnen getroffen haben.

(Beifall bei der FDP)

Denn worum geht es bei TTIP eigentlich? Um ein Freihandelsabkommen, um den Abbau von Handelshemmnissen, um die Erleichterung von Investitionen, um den Abbau von Zöllen und Regulierungen und in der Tat um den Schutz von Investitionen. Übrigens hat Deutschland bereits heute über 130 bilaterale Investitionsschutzabkommen abgeschlossen, ohne dass ich darüber bislang einen Aufschrei oder Empörung vernommen hätte. Und das aus gutem Grund, weil es natürlich allen Beteiligten nutzt. Offen gesagt kann ich auch nichts Falsches daran finden, dass Investitionen, die zum Teil auf Jahrzehnte angelegt sind, vor einem willkürlichen Zugriff oder vor protektionistischen Maßnahmen geschützt werden.

(Beifall bei der FDP – Christiane Schneider DIE LINKE: Oder Arbeitnehmerinnen!)

Wem nutzt TTIP? Natürlich erst einmal einer Exportnation wie Deutschland und da wiederum den mittelständischen Unternehmen und ihren Beschäftigten. Warum ist das so? Weil in vielen Bereichen gerade diese Unternehmen mit hochspezialisierten Produkten Weltmarktführer sind und daher besonders unter Standardsetzungen oder Normierungen etwa in den USA leiden, die natürlich in Wahrheit nichts anderes sind als verkappte Handelshemmnisse. Was bedeutet es daher, wenn man diese Handelshemmnisse beseitigt? Das ist ganz einfach: mehr Export, mehr Umsatz und vor allen Dingen mehr Arbeitsplätze.

(Beifall bei der FDP)

Da ist es schon bemerkenswert, mit welchen skurrilen Argumenten die selbst ernannten Arbeiterführer der LINKEN gegen TTIP polemisieren. Schauen Sie sich dazu am besten einmal die Drucksache an, die wir morgen noch debattieren wollen. Da heißt es wohlgemerkt als Argument gegen TTIP – Zitat –:

"Selbst nach einer Studie im Auftrag der Bundesregierung sind bei einem mittleren Szenario […] nur 193 000 neue Arbeitsplätze [europaweit] zu erwarten, davon [nur] 25 000 für die Bundesrepublik."

(Finn-Ole Ritter FDP: Viel zu wenig!)

Das ist doch absurd. TTIP bringe nur 193 000 neue Arbeitsplätze europaweit und deshalb, so die LINKEN, solle man es lieber verhindern. Und was ist dann das Ergebnis? Es gibt die

se Arbeitsplätze nicht, es gibt dann gar keine Arbeitsplätze. Das halte ich für Unfug, und diesen Unfug erzählen Sie einmal den zum Teil hochqualifizierten Arbeitslosen in Spanien, Portugal oder Italien.

(Beifall bei der FDP)

Nur 193 000 neue Arbeitsplätze, wenn nur allein das zutreffen würde, dann lohnt die Mühe der Verhandlungen, dann lohnt TTIP allemal.

(Beifall bei der FDP)

Andere Studien gehen übrigens von deutlich mehr neuen Jobs aus, etwa von 160 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen in Deutschland. Die Bertelsmann Stiftung und das ifo-Institut rechnen mit einem Anstieg der Exporte aus Hamburg in die USA von 22 Prozent. Das bedeutet 1200 neue Jobs, und zwar vor allen Dingen im produzierenden Gewerbe, Jobs, die überwiegend mit mittel- und geringqualifizierten Arbeitnehmern besetzt werden, einen Anstieg der Güterproduktion um jährlich 120 000 Millionen Euro und steigende Löhne. Das sind die Chancen, die ein Freihandelsabkommen bietet. Über die sollten wir reden und nicht über düstere Weltuntergangsszenarien, Chlorhühnchen oder Rohmilchkäse.

(Beifall bei der FDP – Dr. Andreas Dressel SPD: Zu den Risiken sagen Sie gar nichts!)

Lassen Sie uns also über ein Freihandelsabkommen mit den USA sachlich diskutieren. Lassen Sie uns vor allen Dingen über die Chancen reden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Nun erhält das Wort der Abgeordnete Dr. Scheuerl.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Christiane Schneider DIE LINKE: Jetzt sa- gen Sie mal wirklich was dazu!)

Gleich vorab: Ein gut verhandeltes Freihandelsabkommen TTIP ist gut für Hamburg und gut für alle Menschen in diesem Land. Darüber sind wir uns nicht alle einig, aber zu den LINKEN und GRÜNEN komme ich sogleich.

Ich komme in den letzten Wochen des Wahlkampfes, wenn ich mit dem Fahrrad ins Büro fahre, in Övelgönne immer an zwei Wahlplakaten vorbei. Das eine Plakat ist eines der GRÜNEN, auf dem eine Genmais-Bombe zu sehen ist. "Genug" steht darauf, und damit soll wohl suggeriert werden, dass die GRÜNEN gegen das TTIP-Freihandelsabkommen sind. Kurz danach, etwa 100 Meter weiter, steht ein Plakat der LINKEN, auf dem sinngemäß steht, dass wir doch nach der EU-Wahl die

(Dr. Thomas-Sönke Kluth)