Protocol of the Session on May 7, 2014

Dass die pflegerische Versorgung der Bevölkerung überhaupt aufrechterhalten werden kann, ist einzig dem hohen Engagement und dem hohen Einsatz der Pflegekräfte zu verdanken.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Überstunden und Verzicht auf freie Tage bei hohem persönlichem, körperlichem und seelischem Einsatz – auf Dauer ist das nicht durchzuhalten. Und genau darauf macht die Aktion "Pflege am Boden" aufmerksam. Diese Aktion braucht unsere Unterstützung, Frau Föcking, und keine Belehrung darüber, dass der Ausdruck "Pflege am Boden" nicht angemessen sei.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Es besteht dringender Handlungsbedarf, und es ist gut, dass wir das Thema in Hamburg regelmäßig auf der politischen Agenda haben und es auch heute diskutieren. Allerdings will ich auch dem Duktus, den DIE LINKE dieser heutigen Debatte gegeben hat, nicht ganz folgen, denn ich halte es

(Dr. Friederike Föcking)

für falsch zu suggerieren, dass wir in Hamburg die grundlegenden Probleme im Pflegebereich lösen könnten, und der Titel der Anmeldung suggeriert das. Gerade bei dem drängenden Problem der Bezahlung ist das irreführend. Wir sollten in der Debatte trennen zwischen dem, was wir auf Länderebene tatsächlich bewegen können, und dem, wo Bundespolitik gefragt ist. Hamburg muss sich weiterhin für die Förderung der Aus- und Weiterbildung in der Pflege engagieren und Umschulungen für Pflegefachkräfte erleichtern. Wo immer es möglich ist, sollte Entlastung bei der Bürokratie geschaffen werden, und wir dürfen nicht nachlassen, für den Pflegeberuf zu werben. Die eigentlichen Ursachen der Misere müssen aber bundesweit angegangen werden. Eine bedarfsgerechte Personalausstattung wird nur mit einem verbindlichen Personalbemessungsinstrument gelingen können. Wir brauchen mehr Engagement des Bundes bei der Nachwuchsförderung, und wir benötigen neue Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit der verschiedenen Gesundheitsberufe in der Klinik, um eine Aufwertung der Pflege gegenüber den ärztlichen Berufen zu erreichen. Wir brauchen eine Weiterentwicklung der Pflegeausbildung in Richtung einer integrierten, gestuften Ausbildung mit Öffnung in den akademischen Bereich. Besonders bitter aber ist es, dass die Tatenlosigkeit der Großen Koalition vier weitere verlorene Jahre für die dringende Reform der Pflege- und Krankenversicherung bedeutet. Nur eine Pflegebürgerversicherung, die alle Einkommensgruppen solidarisch mit heranzieht, würde überhaupt die Grundlage dafür schaffen, dass beispielsweise Löhne steigen können.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Die Situation in der Pflege ist dramatisch und wird sich in Zukunft noch verschärfen. Wir werden noch viele weitere Anstrengungen in Hamburg und im Bund benötigen, um diese gesellschaftliche Mammutaufgabe zu stemmen. Die Aktion "Pflege am Boden" will uns alle zum Aufstehen bewegen. Es ist höchste Zeit dazu. Alle, denen das Thema am Herzen liegt, sind aufgerufen, am 12. Mai mitzumachen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und bei Matthias Albrecht SPD)

Jetzt hat Herr Dr. Schinnenburg von der FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Artus, als ich den Titel Ihres Themas dieser Aktuellen Stunde las, habe ich mich gefragt: Was will die gute Frau? Will sie etwas für die Pflegebedürftigen tun? Will sie etwas für die Pfleger tun oder für die Angehörigen? Ich habe das nicht richtig verstan

den, glaube aber, der Schuss ging nach hinten los. Frau Föcking und Frau Timmermann haben dazu schon das Richtige gesagt, das brauche ich nicht zu wiederholen. Während Ihrer Rede hatte ich das Gefühl, dass Sie Ihre Antipathie gegen Asklepios und Herrn Broermann abarbeiten wollten. Wenn das zutrifft, ist hier sicher nicht der richtige Ort dafür. Sie haben der Pflege mit diesem Titel und Ihrem Redebeitrag einen Bärendienst erwiesen.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben wenig gehört an neuen Vorschlägen, was in Bezug auf die Pflege zu tun ist. Ich möchte Ihnen fünf oder sechs Punkte nennen.

Der erste Punkt: Ganz obenan steht der Abbau von Bürokratie. Ich betreue als Zahnarzt ein Pflegeheim und bin deswegen mindestens einmal die Woche dort. Und ich darf Ihnen sagen, die Menschen, die dort arbeiten, beklagen eines am meisten, und das ist die enorme Bürokratie. Sie brauchen ungefähr genauso viel Zeit dafür, etwas in den Computer einzugeben oder sich irgendwie zu rechtfertigen wie für die Betreuung der Menschen selber. Da sollte dringend etwas passieren. Da sind alle Parteien gefordert, aber dazu sagen Sie eigentlich fast gar nichts.

(Beifall bei der FDP)

Der zweite Punkt, und das hören einige Linke im weitesten Sinne ungern: Wir brauchen eine stärkere Differenzierung bei den Pflegekräften. Es hat für meine Begriffe wenig Sinn, immer wieder mit der Pflegefachkraftquote anzufangen, wenn dieses Personal gar nicht zu bekommen ist. Ich halte es durchaus für angemessen, mehr Pflegehilfskräfte und sonstige Personen zu engagieren; besser die sind da als niemand. Ein dogmatisches Festhalten an der Pflegefachkraftquote halte ich nicht für richtig.

Der dritte Punkt: Wir brauchen eine Werbekampagne für mehr Teilzeit. Es spricht doch nichts dagegen, dass Wiedereinsteiger, insbesondere Frauen, nachdem sie Kinder bekommen haben, Teilzeit im Pflegebereich arbeiten; besser fünf oder zehn Stunden die Woche als gar nicht. Auch da ist mehr Flexibilität gefordert.

Der vierte Punkt: eine stärkere Einbeziehung von Ehrenamtlichen. In dem Pflegeheim, in dem ich regelmäßig bin, gibt es eine Menge Ehrenamtliche der Gemeinde, die bereit sind, einfache Leistungen zu erbringen; auch das entlastet. Da sollten wir völlig tabulos herangehen und so etwas nicht verdammen, sondern eher fördern.

Der fünfte Punkt betrifft die Prüfungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen. Die müssen sein, keine Frage, sie sollten aber mehr die Ergebnisqualität prüfen und nicht die Prozessqualität. Es macht eben wenig Sinn, wenn ein Buch komplett geführt wird mit Häkchen und wer

(Heidrun Schmitt)

weiß welchen Angaben, aber nachher das Ergebnis schlecht ist. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherungen sollte prüfen, ob das Ergebnis der Pflege gut war und nicht, ob irgendwelche Formalien eingehalten wurden.

Und der sechste Punkt: Wir brauchen einen anderen Umgang mit dem Personal. Es wurde vorhin schon von einem Vorredner erwähnt: Wenn regelmäßig Pflegeskandale an die Öffentlichkeit gebracht werden und das relativ undifferenziert – natürlich mag auch einmal etwas dabei gewesen sein –, wenn ständig der Eindruck erweckt wird, dass in der Pflege alles nur falsch laufe, dann finden Sie weder Menschen, die dort arbeiten wollen, noch finden Sie Menschen, die sich pflegen lassen wollen. Mehr Anerkennung und ein vernünftiger Umgang mit den Menschen, die dort arbeiten, wären angemessen.

(Beifall bei der FDP und bei Barbara Duden SPD)

Und wenn nun schon Frau Föcking groß ausführt, wie schön der CDU-Gesundheitsminister, von dem ich noch nicht viel gehört habe, seine Arbeit mache, dann möchte ich es mir nicht nehmen lassen, die viel bessere Arbeit zu erwähnen, die der FDPGesundheitsminister in der letzten Wahlperiode gemacht hat.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Gerhard Lein SPD: Die Quittung hat er ja!)

Der hat ein Pflegeneuordnungsgesetz auf den Weg gebracht, zum ersten Mal überhaupt eine Sonderförderung für Demenzkranke herbeigeführt und in allen Pflegestufen die Leistungen erhöht. Daran muss sich Herr Gröhe messen lassen. Wie ich ihn einschätze, wird er es nicht schaffen, aber wir werden sehen. Frau Föcking, es war ein bisschen voreilig, was Sie da von sich gegeben haben.

(Beifall bei der FDP)

Eine letzte Bemerkung. Frau Artus, ich weiß immer noch nicht, was Sie eigentlich erreichen wollten. Eines haben Sie nicht getan: der Pflege geholfen. Ganz im Gegenteil, so ein Beitrag war eher schädlich. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Jetzt hat Senator Scheele das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will mich einigen meiner Vorredner anschließen. Ich glaube nicht, dass es besonders schlau ist, so eine Debatte zu führen, wenn man etwas für die Arbeitskräfte in der Pflege tun will, denn Sie beklagen etwas und sagen, man müsste Wertschätzung ausdrücken.

(Zurufe von den GRÜNEN und von Christia- ne Schneider DIE LINKE)

Damit bedanke ich mich bei all denen, die das im Vorwege getan haben.

Hamburg verfügt aus unserer Sicht über ein gutes Krankenhaus- und Pflegeangebot und bietet im Vergleich gute Arbeitsbedingungen in der Pflege. Es stimmt, dass, wenn wir in der Großen Koalition gemeinsam mit den Ländern eine umfassende Pflegereform umsetzen, wir auch hier besser werden können, aber lassen Sie uns bitte die Situation nicht schlechter reden, als sie ist.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Das Thema Fachkräftebedarf wurde angesprochen und ist ohne Zweifel eines, mit dem wir uns intensiv auseinanderzusetzen haben. Natürlich zählt der Fachkräftebedarf in der Pflege zu den ganz besonders exponierten Themen. Wir haben mit der Fachkräftestrategie im letzten Jahr einen klaren Rahmen umrissen, in dem wir die Themen bewegen. Schwerpunkte dabei sind die Themen Qualifizierung von Fachkräften sowie die Sicherung des Erwerbspersonenpotenzials. In Hamburg bilden wir sehr bewusst in großem Umfang in der Gesundheits- und Krankenpflege aus, auch Pflegekräfte mit akademischer Qualifikation. Die Zahl der Ausbildungsplätze wird laufend bedarfsgerecht angepasst.

(Beifall bei der SPD)

Der Senat hat in den vergangenen Jahren verschiedene Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel in der Pflege auf den Weg gebracht, unter anderem eine Informationskampagne über eben diese Berufe, gerichtet an Schülerinnen und Schüler. Es gibt zahlreiche Maßnahmen zur Umschulung von Menschen, die vorher in anderen Branchen gearbeitet haben oder arbeitslos waren, und verkürzte Ausbildungen für Hilfskräfte aus der Pflege, die noch keine Ausbildung haben. In der Erstausbildung hat der Senat im letzten Jahr mit der Ausbildungsumlage dafür gesorgt, dass sich alle Pflegeeinrichtungen künftig an den Kosten der Ausbildung beteiligen. Wir erwarten hiervon noch einmal einen kräftigen Impuls für mehr Ausbildungsplätze in Pflegeheimen und vor allem in ambulanten Diensten. Meine Kollegin Senatorin Prüfer-Storcks, die ich heute vertrete, wird als GMKVorsitzende in diesem Jahr die Zeit auch dafür nutzen, Entscheidungen vorzubereiten, die eine gute Basis für ein neues Pflegeberufegesetz darstellen. Damit werden wir die Ausbildung verbessern und den Beruf attraktiver machen.

(Beifall bei der SPD)

Die Hamburger Fachkräftestrategie nimmt in ihrer vierten Säule auch die Arbeitsbedingungen in den Blick. Im Fokus stehen dabei die betrieblichen Handlungsfelder, angemessene Vergütung, Ar

(Dr. Wieland Schinnenburg)

beitsorganisation und Unternehmenskultur, Gesundheit und Arbeitsschutz und betriebliche Weiterbildung. Es ist ein allumfassender Ansatz, bei dem es insgesamt darum geht, die Arbeitszufriedenheit der Pflegekräfte zu steigern. Da ist kein Gießkannenprinzip gefordert, sondern es muss ein Maßnahmenkatalog entwickelt werden entsprechend der individuellen Situation im eigenen Betrieb. Der Schlüssel für eine gute Pflege ist zufriedenes Personal. Wertschätzung der Arbeit ist etwas scheinbar Selbstverständliches, das jedoch von vielen Pflegekräften selten erfahren wird.

Ich möchte einige Punkte nennen, die relativ einfach umzusetzen sind, die aber einen hohen Anteil an der Arbeitszufriedenheit ausmachen können: erstens die Transparenz unternehmerischen Handelns, zweitens die Förderung von persönlichen Fähigkeiten durch Weiterbildung, drittens das Lob bei der Überbrückung von Arbeitsengpässen oder der erfolgreichen Einführung von Projekten, viertens das Schaffen von individuell angepassten Arbeitszeitmodellen und nicht zuletzt verlässliche Dienstpläne durch ein fest etabliertes Vertretungssystem. Das sind einige Punkte, die von großer Bedeutung sind und nicht unterschätzt werden dürfen.

Die Bedingungen der Pflege müssen sich auch deshalb verbessern, damit wir mit wirklich guten Gründen junge Menschen dafür begeistern können, einen pflegerischen Beruf zu erlernen.

(Beifall bei der SPD)

Wertschätzung drückt sich in unserer Gesellschaft immer auch durch Geld aus. Wer die gute Bezahlung der Pflege nur als Kostenfaktor sieht, wird im Wettbewerb um die besten Fachkräfte verlieren, denn eines ist klar: Wir stehen vor enormen Herausforderungen. Einem auf lange Sicht kleiner werdenden Arbeitskräftepotenzial steht eine alternde Gesellschaft mit einem höheren Anteil hilfe- und pflegebedürftiger Menschen gegenüber, die auf Unterstützung angewiesen sind. In Bezug auf die Pflege müssen sich alle Beteiligten vor Augen halten, dass die Entwicklung nach 2030 noch einmal an Geschwindigkeit zunehmen wird. Das Übertreten der Babyboomer in das Rentenalter, der gerade stattfindet, ist da nur ein Vorgeschmack. Ihr Übertreten in das vierte Lebensalter, über 80, das zwischen 2025 und 2035 stattfinden wird, entfaltet noch einmal eine andere Dynamik. Einzelheiten zu den kommenden Herausforderungen hat der Senat ausführlich im Demografiekonzept vorgestellt, auf das ich an dieser Stelle verweisen möchte.

Meine Damen und Herren! Das Thema Pflege wird derzeit, darauf ist bereits hingewiesen worden, auf Bundesebene breit diskutiert. Im Koalitionsvertrag stehen dazu klare Verabredungen. Es sollte unser aller Anliegen sein, dass die Verabredung aus dem Koalitionsvertrag zur bedarfsgerechten Personalausstattung breite Unterstützung findet und zügig

umgesetzt wird. Hamburg tut dafür sein Möglichstes, und da wir in diesem Jahr den Vorsitz in der Gesundheitsministerkonferenz führen und zusätzlich auch die Koordinierung der A-Länder im Bereich Gesundheit und Pflege innehaben, können und werden wir in diesem Jahr viel bewegen. – Vielen Dank.