Protocol of the Session on April 10, 2014

(Beifall bei der SPD)

Wenn man sich aber der Frage widmen will, warum Wissenschaft und Forschung und warum vor allem auch die Universität Hamburg in der Stadt nicht die Rolle spielt und die Bedeutung hat, wie das in anderen Städten der Fall ist,

(Finn-Ole Ritter FDP: Die wird sozialdemo- kratisch regiert!)

dann ist es natürlich vollkommen richtig, Frau Suding, darauf zu verweisen, dass die Gründung der Universität erst 1919 möglich war. Sie ist das lebendige Symbol der Weimarer Republik, das ist sehr wohl wahr, sie ist das Symbol des wirklich demokratischen Aufbruchs in dieser Stadt. Aber natürlich hat es Vorläufer gegeben. Hamburg war ein Zentrum der Aufklärung. Wir hatten die akademischen Gymnasien, aber es ist sehr wohl so, dass ein großer Teil, der reiche Teil der Hamburgischen Bürgerschaft, sich immer gegen die Gründung einer Universität gestemmt hat. Zur Wahrheit gehört aber auch eines und das wird immer vergessen: So sehr die Universität Hamburg das Symbol der Weimarer Republik ist, so war es auch die Universität Hamburg, die in den Dreißigerjahren – ich glaube, 1935 – als Hansische Universität neu gegründet wurde, die eine der ersten Modelluniversitäten des Nationalsozialismus war und die Arisierung durchgeführt hat, lange bevor die Rassengesetze erlassen wurden.

(André Trepoll CDU: Stand das in Ihrem Pa- pier?)

Auch das ist Teil der Geschichte, und wenn wir eine ernste Diskussion führen wollen, dann dürfen wir diese Aspekte der Geschichte nicht ausblenden, wir müssen daran erinnern. Dies verpflichtet uns alle gemeinsam, stärker für die Bedeutung von Wissenschaft und Forschung in dieser Stadt zu kämpfen.

(Katja Suding FDP: Machen, nicht nur re- den!)

Wir tun das, Frau Suding. Sie haben das mit Ihrem Beitrag eben sicherlich nicht geleistet.

(Beifall bei der SPD)

Warum ich dieses Beispiel eben gebracht habe? Es sollte nur unterstreichen, warum die Universität Hamburg eine so schwierige historische Rolle in der Stadt hat und warum sie vielleicht die Herzen nicht so erreicht hat, wie das in anderen Städten der Fall ist.

Ein wichtiges Anliegen gibt es aber noch in diesem Schreiben des ehemaligen Bürgermeisters und der beiden ehemaligen Senatoren. Sie fordern uns zu mehr Kooperation auf, und sie fordern auch die Hochschulen untereinander zu mehr Kooperation

(Dr. Wieland Schinnenburg)

auf. Auch das muss eine gemeinsame Forderung von uns sein, dass die Hochschulen hier mehr tun. Sie könnten mehr tun, und ich hoffe, sie werden in Zukunft mehr tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt jetzt Herr Wersich.

Frau Präsidentin! Herr Kühn, Ihre Rede hat eindeutig das Thema verfehlt. Auf die Inhalte braucht man nicht weiter einzugehen.

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN und der FDP)

Aber auch bei Ihrer Rede, Frau Senatorin Stapelfeldt, habe ich mich gefragt, ob Sie sich eigentlich einmal Gedanken darüber gemacht haben, warum Sie in diesem ganzen Papier nicht ein einziges Mal erwähnt sind. Wenn diese Initiatoren sagen, die Wissenschaftspolitik müsse zur Chefsache werden, dann macht man das doch in der Regel in einer Situation, in der die dafür Zuständigen nicht damit zurechtkommen. Deshalb können Sie sich hier nicht hinstellen, als seien Sie das Flaggschiff der Wissenschaftspolitik. Die Wahrheit ist, dass Sie als Senatorin für Wissenschaft und Forschung kein Vertrauen in der Hochschul- und Wissenschaftsszene Hamburgs genießen. Sie werden nicht ernst genommen, und das ist ein schlimmer Befund für die Wissenschaftspolitik der Stadt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei den GRÜNEN und der FDP)

Wenn dann der Bürgermeister nach diesem Appell, der der Sorge um den Wissenschaftsstandort Hamburg Ausdruck verleiht, im "Hamburger Abendblatt" sagt, er verspreche sich viel von der Initiative, sie verschaffe ihm den für dieses Thema notwendigen Rückhalt – und das von einem Bürgermeister, der Parteivorsitzender ist und der seit drei Jahren mit absoluter Mehrheit und einer Machtfülle regiert, die kein Bürgermeister vor ihm hatte –,

(Beifall bei Jan-Hinrich Fock SPD)

dann ist das ein Ausdruck absoluter Hilflosigkeit.

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN und der FDP)

Dann fügt der Bürgermeister in diesem "Hamburger Abendblatt"-Statement auch noch an, das ermögliche eine gemeinsame Anstrengung, die nicht im parteipolitischen Streit untergehe. Will der Bürgermeister wirklich behaupten, dass drei Jahre lang die Opposition schuld daran war, dass es keine vernünftige Wissenschaftspolitik in dieser Stadt gegeben hat? Möchte er beim nächsten Mal eine

Zweidrittelmehrheit, um dann richtig regieren zu können?

(Dirk Kienscherf SPD: Daran arbeiten wir!)

Die Wahrheit ist, dass wir einen Politikwechsel in der Wissenschaftspolitik brauchen. Das ist der Hintergrund des Appells dieser Leute, denn sonst hätten sie sich überhaupt nicht zu Wort gemeldet.

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN und der FDP)

Dieser Politikwechsel in der Wissenschaftspolitik bedeutet Folgendes: Wenn wir begriffen haben, dass für wirtschaftliche Prosperität heute nicht mehr die Frage von Bodenschätzen eine wesentliche Rolle spielt, und wenn wir begriffen haben, dass die Idee und die Fantasie der Ausgangspunkt der Wertschöpfung sind, dann muss diese Stadt sich doch anstrengen, auf allen Ebenen um die besten Köpfe zu kämpfen, damit sie nach Hamburg kommen. Dazu reicht heute keine mittelmäßige Hochschullandschaft aus, sondern dazu brauchen wir exzellente Wissenschaft und Forschung in dieser Stadt.

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN und der FDP)

Deswegen bedeutet dieser Politikwechsel auch, dass Schluss sein muss mit der Misshandlung der Hochschulen durch ein Rasenmähersystem der Budgetierung,

(Zurufe von der SPD: Oh!)

das nicht einmal die Kostensteigerungen erstattet.

(Gabi Dobusch SPD: Sie müssen doch nicht immer so übertreiben!)

Es braucht endlich einen Plan, wie Hochschulen inhaltlich gestaltet werden. Es ist nicht nur eine Frage des Geldes, aber wenn das Geld knapp ist, dann muss man wenigstens wissen, wo man mit den Hochschulen hinmöchte, und dann muss Schluss sein mit der versäulten Politik. Die Wissenschaftspolitik gehört in ein Gesamtleitbild der Stadt mit einer Clusterpolitik für die Wirtschaft, mit einer entsprechenden Förderung über den Finanzhaushalt bis hin zur Stadtentwicklung, die dafür sorgt, dass Gründer aus der Universität bessere Chancen bekommen, ihre Ideen hier zu verwirklichen. Genau dieses abgestimmte Leitbild einer Wissenschaftsmetropole fehlt in der Stadt. Das haben diese drei Herren in eindrucksvoller Weise aufgeschrieben, und deswegen ist das ein Weckruf für die Stadt, aber auch ein Weckruf für die alleinregierende SPD. Wir brauchen einen Politikwechsel in der Wissenschaftspolitik, sonst verpasst Hamburg die Zukunftschancen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN und der FDP)

(Philipp-Sebastian Kühn)

Frau Dr. Gümbel bekommt jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! In der Tat brauchen wir einen Wechsel in der Wissenschaftspolitik,

(Dirk Kienscherf SPD: Schwarz-Grün war so schön!)

und es ist doch nicht so, Frau Stapelfeldt, dass Sie uns dazu bräuchten, hier eine gute Wissenschaftspolitik zu machen. Sie sind am Drücker, Sie können es machen. Sie haben das Papier "In Sorge um Hamburg" als Aufforderung an die Stadt, an uns alle hier, vielleicht sogar an die Metropolregion so verstanden, dass wir alle gemeinsam jetzt einmal die Wissenschaft in unserer Nachbarschaft netter und freundlicher behandeln sollen, aber darum ging es den Autoren in keiner Weise. Ich frage mich, ob Sie es nicht verstanden haben oder ob Sie hier nur so tun, als ob Sie es nicht verstanden haben. Auf jeden Fall zeigen Sie mit Ihrer in einem Maße unengagierten und langweiligen Rede,

(Urs Tabbert SPD: Besser als unverschämt!)

dass Sie dieses Politikfeld nicht ernst nehmen und dass Sie auch nicht verstanden haben, welche Kraft in einer gut organisierten Wissenschaftspolitik für eine Stadt liegt. Wenn Sie sich Regionen anschauen wie zum Beispiel Frankfurt, dann sehen Sie, dass es dort eine ähnlich früh gegründete Wissenschaftslandschaft gibt. Herr Kühn, das war ein fantastischer Kurzvortrag über Universitätsgeschichte in Hamburg, aber das war nicht Thema der Aktuellen Stunde, sondern es geht darum, wie man Wissenschaftspolitik so gestalten kann, dass die Stadt davon profitiert. Die Leute sind doch nicht in Sorge, weil es uns so gut geht, sondern weil es uns schlecht geht und weil wir wissen, wenn wir nicht jetzt die Weichen so stellen, dass wir in zehn Jahren etwas haben, womit wir hier unser Geld verdienen können, dann geht es abwärts mit dieser Region.

Das ist die große Sorge, in der diese Herren sind und in der ich mich auch befinde. Es wäre sehr schön, wenn Sie sich das einmal im Ernst zu eigen machen und nicht hysterisch lachen würden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Frau Stapelfeldt, es ist zu wenig zu glauben, Wissenschaftspolitik sei eine Art PR-Organisation. Es geht nicht darum, bella figura bei der gemeinsamen Wissenschaftskonferenz zu machen, sondern wir brauchen Instrumente, die greifen.

(Wolfgang Rose SPD: Es ist gut jetzt!)

Wenn Sie glauben, dass dieser Appell an alle in diesem Haus gerichtet ist,

(Dietrich Wersich CDU: Nur nicht an die Re- gierung!)

dann unterschätzen Sie die Höflichkeit der Autoren.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der FDP)