Protocol of the Session on April 9, 2014

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Mit uns nicht!)

aber das ist Wahlkampfgeplänkel.

(Dirk Kienscherf SPD: Im Gegensatz zu Ih- nen!)

Sie wollen sich einfach ein Türchen offenhalten und bloß keine Entscheidung treffen.

(Beifall bei Dietrich Wersich CDU)

Das wird Ihnen auf die Füße fallen; soweit darf es nicht kommen. Ich wiederhole noch einmal: Es bereitet mir wirklich tiefe Sorge, dass Sie all das auf dem Rücken der Fernwärmekunden austragen und diese im Unklaren gelassen werden. Im Ernstfall müssen die Bürger in Hamburgs Westen in Mänteln in ihren Wohnungen sitzen und frieren. So weit darf es nicht kommen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Dr. Kluth.

(Präsidentin Carola Veit)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Senator Tschentscher, Herr Dressel, Frau Schaal, wenn man Ihnen zugehört hat, dann konnte man den Eindruck gewinnen, Sie seien tatsächlich der Auffassung, der Senat hätte mit Vattenfall eine gute und für die Stadt vorteilhafte Vereinbarung getroffen.

(Christiane Blömeke GRÜNE: Das finden Sie komisch?)

Im Ernst, das glauben Sie doch selbst nicht. Ich glaube, dieser Eindruck leidet an einer erheblichen Verkleisterung der Realität. Daher will ich Ihnen den einen oder anderen Grund nennen, warum diese Vereinbarung keine gute Vereinbarung für die Stadt ist.

(Beifall bei der FDP und bei Dietrich Wersich CDU)

Erster Punkt: das GuD-Kraftwerk. Nach der ursprünglichen Vereinbarung vom November 2011 war Vattenfall, zwar unter dem Vorbehalt der Wirtschaftlichkeit, aber immerhin, verpflichtet, das GuD-Kraftwerk zu bauen. Das ist nun in weite Ferne gerückt, denn die Gesellschafter haben vereinbart, bis Ende 2015 endgültig zu entscheiden. Was aber bedeutet das? Das stärkt doch noch einmal die Verhandlungsposition von Vattenfall. Und warum? Weil die Betriebsgenehmigung des alten Heizkraftwerks in Wedel abläuft. Ob das mit der alternativ gedachten Ertüchtigung klappt, steht meiner Einschätzung nach in den Sternen, weil das weder der Senat noch Vattenfall zu entscheiden hat, sondern allein die zuständige Genehmigungsbehörde in Schleswig-Holstein. Der Senat bringt sich also mit dieser Vereinbarung erneut in eine Drucksituation. Das kann in einer Verhandlung nur von Nachteil sein.

(Beifall bei der FDP)

Zweiter Punkt: Was ist der offizielle Grund für den Abschluss eines Optionsvertrags, also nicht eines Kaufvertrags? Der Grund wird genannt: Die steuerlichen Folgen einer Rückabwicklung der Beteiligung an der Vattenfall Wärme GmbH vor 2018 nach dem Umwandlungssteuergesetz sind offensichtlich bei den ursprünglichen Beteiligungsverträgen nicht bedacht worden. Folge: Bei einer Rückabwicklung sollen Steuerzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe drohen. Das ist eindeutig schlechtes Handwerk. Es stellt sich die Frage, wer den Senat eigentlich beraten hat. Hat der Senat schon Beratungshonorare zurückgefordert oder Schadensersatz geltend gemacht? Oder hat der Senat in Wahrheit das Risiko genau gekannt, aber verschwiegen, die Augen zugemacht und darauf gehofft, dass die Sache mit dem Volksentscheid schon gutgehen würde? Ich glaube, viele Aspekte sprechen dafür, dass es genau so ist.

(Beifall bei der FDP)

Dritter Punkt: Warum hat es der Senat versäumt, mit Vattenfall eine Öffnung der Fernwärmenetze zu vereinbaren, um dezentral Energie einzuspeisen und dort zu speichern, etwa Prozesswärme aus Industrie- und Produktionsbetrieben? Warum war das mit E.ON Hanse möglich, aber nicht mit Vattenfall? Das wäre klimafreundlich gewesen, das wäre innovativ gewesen und es hätte den Wettbewerb gestärkt.

Vierter Punkt: Warum hat der Senat für dieses magere Verhandlungsergebnis dann auch noch einseitig und völlig unabhängig von der Ausübung des Optionsrechts auf seine Rechte aus der Endschaftsklausel nach dem alten Konzessionsvertrag von 1994 verzichtet, also einem der zentralen Hebel zur Umsetzung des Volksentscheids? Auch diese Frage ist bislang nicht beantwortet worden.

Meine Damen und Herren! Diese Vereinbarung mit Vattenfall ist genau wie die gesamte Politik von Frau Senatorin Blankau in Sachen Fernwärme. Sie ist ohne Plan und Konzept, sie ist unambitioniert und bedeutet Durchwurschteln vom Anfang bis zum Ende. Diese Behandlung des Themas Fernwärme durch den Senat ist völlig unangemessen.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Das ist bei einer wichtigen Aufgabe wie der funktionierenden Wärmeversorgung für alle Hamburgerinnen und Hamburger – ich wiederhole es an dieser Stelle noch einmal – völlig unangemessen. Gutes Regieren sieht jedenfalls anders aus. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Das Wort hat Frau Heyenn.

Frau Dr. Schaal und Herr Dr. Dressel, Sie können zuhören und Sie können lesen. Wenn Sie so tun, als sei die Rekommunalisierung der Fernwärme völlig sicher, dann ist das wie Singen im Walde. Sie wissen ganz genau, dass die Verträge keineswegs eindeutig sind. Sie wissen auch, wenn Sie den Vertrag lesen und wenn Sie die Argumente, die dagegen sprechen, hören, dass es Raum für sehr unterschiedliche Interpretationen gibt und dass dort Tür und Tor geöffnet sind, vor allem auch für andere Senate. Das ist doch das besondere Problem, dass die Rekommunalisierung so weit hinausgeschoben wurde, dass dieser Senat das nicht mehr machen kann, sondern es wird ein anderer Senat machen. Wie der aussieht, das weiß niemand von uns, das wissen auch Sie nicht. Daher müssen wir besonders und doppelt aufpassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Tschentscher, Sie haben sich mit Ihren Vokabeln ein bisschen verraten. Sie sprechen von Bemühen, Sie würden alles tun und es sei alles auf dem Weg. Sie sagen aber nicht ein einziges Mal, dass der Senat verbindlich die Fernwärme in die Rekommunalisierung überführen werde.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Hat er doch ge- sagt! Er ist fest entschlossen, es zu tun! – Arno Münster SPD: Das hat er doch gesagt!)

Nein, er hat gesagt, dass es mit dem Fernwärmenetz besonders schwierig sei, es in die öffentliche Hand zu bringen.

Aber gerade wenn es schwierig ist, dann muss man es besonders deutlich formulieren. Dann kann man nicht mit einer Option kommen und auch noch mit einem Vertrag, in dem eindeutig steht, dass man die Option nicht umsetzen müsse. Daher ist die Sache überhaupt noch nicht klar. Wenn man im Gegenzug die Planung für die Moorburg-Trasse offenlässt und die Endschaftsregelung einkassiert, im Grunde vor Vattenfall einen Kniefall macht, dann ist das doppelt gefährlich.

Wir plädieren noch einmal an Sie: Stellen Sie Verbindlichkeit her, stimmen Sie unserem Antrag zu. Sagen Sie den Menschen in der Stadt, dass dieser Volksentscheid umgesetzt wird und dieser Senat und diese Bürgerschaft alles dafür tun werden, damit jetzt schon klar ist, dass rekommunalisiert wird. Das ist im Moment nicht der Fall.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kerstan hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Frau Dr. Schaal, Sie haben versucht, Argumente zu entkräften, die ich gar nicht gebracht habe.

(Dr. Monika Schaal SPD: Ja, eben!)

Ich sage es noch einmal deutlich: Wir glauben nicht, dass der Wert der Fernwärmegesellschaft unter den Mindestpreis rutschen könnte, weil das Netz in einem so schlechten Zustand ist, oder dass Vattenfall bis zum Jahr 2019 keine Instandhaltungsinvestitionen im Netz vornimmt, sondern der Volksentscheid schreibt der Wärmegesellschaft vor, ihr Geschäftsmodell zu ändern, das heißt, nicht mehr klimaschädlich zu produzieren und nicht mehr das Maximum aus den Kunden herauszupressen. Das reduziert den Gewinn, dann sinkt der Ertragswert, und normalerweise sinkt dann ein Kaufpreis, der auf der Grundlage eines Ertragswerts gebildet wird.

Unsere Sorge ist – und das war meine Frage –, ob das heißt, dass man jetzt nicht mehr so ehrgeizig beim Klimaschutz sein darf? Heißt das, dass man das Netz nicht mehr für Wettbewerb öffnen darf?

Heißt das, dass man bei der Preisspanne, die man dort nimmt, von 30 Prozent Umsatzrendite nicht mehr heruntergehen kann, ohne dass dann der Mindestpreis gerissen wird und wir Probleme mit der Landeshaushaltsordnung bekommen? Darauf könnte man einmal inhaltlich antworten. Sie reden davon, Sie würden doch Instandhaltungsinvestitionen machen, dazu hätten Sie sich verpflichtet.

(Dr. Monika Schaal SPD: Reden wir über Wärmekonzepte oder nicht?)

Das ist leider keine Antwort auf die Frage, um die es hier geht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was uns weiterhin mit Sorge erfüllt, ist, dass auch mehrere Monate, nachdem dieser Senat gekauft hat, er noch immer keine Ahnung hat, was er mit den Netzen machen will. Deshalb lautet unsere Aufforderung an Sie: Hören Sie auf, Fakten zu schaffen, bevor es ein Wärmenetz für die Fernwärmegesellschaft gibt. Deshalb kritisieren wir die Gespräche oder den Deal, den die Stadtreinigung mit Vattenfall in Bezug auf die Müllverbrennungsanlagen machen wird.

Die Fernwärme im großen Netz unserer Stadt wird zu 34 Prozent durch Müllverbrennung produziert. Das ist umweltpolitisch Wahnsinn, das ist Unsinn nicht nur deshalb, weil die Recycling-Quote niedrig ist, sondern es ist auch fernwärmetechnisch Unsinn. Das müsste man ändern. Wenn Sie nun Vattenfall die Müllverbrennungsanlagen abkaufen, bevor es ein Wärmekonzept gibt, so, wie bei den 25 Prozent, die der Bürgermeister gekauft hat, dann bedeutet das, dass man später bestimmte Dinge nicht mehr machen kann. Deshalb sagen wir: Hören Sie endlich auf, Fakten zu schaffen, bevor es ein Konzept gibt, wie man den Volksentscheid vollständig umsetzt, nicht nur in Bezug auf das Eigentum, sondern auch in Bezug auf die Strategie des Klimaschutzes und einer sozialverträglichen Preisgestaltung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das müssen wir einfach in den nächsten Monaten leisten. Darum beunruhigt es uns, was wir vom Senat mitgeteilt bekommen, nämlich, dass man ehrgeizige Klimaschutzprojekte wie ein Fernwärmegesetz sein lassen sollte, weil das der Gesellschaft die Geschäftsgrundlage entziehe. Es beunruhigt uns auch, wenn wir lesen, dass Vattenfall Müllverbrennungsanlagen abgekauft werden. Wenn wir hier zu einem inhaltlichen Diskurs kommen könnten…

(Dietrich Wersich CDU: Das kommt, wenn man selbst beteiligt ist! Dann kann man eben die Regeln nicht so einfach machen!)

Das ist der Punkt.

(Dora Heyenn)

Es reicht nicht, dass Sie voranpreschen, ohne zu wissen, wo es hingeht. Wir brauchen ein Konzept, und das brauchen wir gemeinsam. Bis dahin sollten Sie aufhören, Fakten zu schaffen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)