Protocol of the Session on March 26, 2014

genen Großeltern in Russland sind nicht betroffen, aber ich spreche mit vielen Menschen, die mir ihre Schwierigkeiten schildern. Es ist folgendermaßen: Viele ältere Zuwanderer haben in ihrem Herkunftsland gearbeitet. Dafür erhalten sie von dort eine kleine Rente, und diese Rente wird ihnen von vielen Ländern auch nach Deutschland überwiesen. Insbesondere von den russlanddeutschen Rentnern, aber auch von vielen anderen wissen wir, dass sowohl die deutsche Rente, die hier erarbeitet wurde, als auch die ausländische Rente sehr klein ist. Unterm Strich wird also eine Grundsicherung im Alter ausgezahlt. Alle Rentenansprüche werden dann komplett von der Höhe der Grundsicherung abgezogen – so weit, so gut. Aber das passiert keineswegs automatisch. Vielmehr werden Menschen bis ins hohe Alter mit der Bürokratie von gleich zwei Ländern konfrontiert, die ihre Renten und die Grundsicherung berechnen und verrechnen. Das alles ist mit viel Zeitaufwand verbunden. Das alles ist auch mit erheblichen Kosten verbunden, und unterm Strich bekommt jemand, der in zwei Ländern ein Leben lang gearbeitet hat, teilweise weniger als jemand, der noch nie gearbeitet hat.

(Sylvia Wowretzko SPD: Das ist falsch!)

Dabei muss man wissen, dass es häufig um Menschen geht, die mit ihren Kindern nach Deutschland gekommen sind, mit Kindern, die arbeiten, mit Kindern, die Steuern zahlen, die Rentenbeiträge zahlen, die auch selbst schon Familien gegründet haben und damit zum langfristigen Wohlstand unseres Landes und unserer Sozialsysteme beitragen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wir Christdemokraten haben eine klare Überzeugung: Lebenslange Arbeit muss sich lohnen und darf nicht bestraft werden, Punkt.

(Sylvia Wowretzko SPD: Wird sie auch nicht!)

Deshalb haben wir auch schon vor zwei Jahren in diesem Haus einen Antrag eingebracht, um klare, greifbare Verbesserungen für ältere Zuwanderer zu erreichen und die Belastung durch die Bürokratie zu verringern. In Hamburg müssen diese Menschen nämlich alle Belege sammeln, die mit der Rentenzahlung verbunden sind, also Belege für Überweisungskosten, Übersetzungskosten und Fahrtkosten; die Rente wird ja nicht von selbst nach Deutschland ausgezahlt. Diese Belege müssen sie mitbringen, wenn sie ihre Grundsicherung beantragen. Das ist wirklich viel Papier – für die Rentner und für unsere Verwaltung. Nur bei Vorlage aller Belege werden ihnen diese Kosten nicht von der Grundsicherung abgezogen. In anderen Städten werden ihnen diese Kosten ohne Papierkram pauschal und unbürokratisch anerkannt: In Frankfurt sind es 10 Euro im Monat, in anderen

(Karin Timmermann)

Städten 25 Euro. In Nürnberg sind es – das wurde von einem SPD-Bürgermeister eingeführt – 50 Euro im Monat, die pauschal anerkannt und nicht abgezogen werden. Ein solches Verfahren, in verschiedenen Städten unabhängig von der Parteifarbe eingeführt, entlastet die Sachbearbeiter, es entlastet die Rentner und sorgt dafür, dass lebenslange Arbeit belohnt und nicht benachteiligt wird.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Kazim Abaci SPD: Immer die gleichen Sachen! Da haben wir schon drüber diskutiert!)

Herr Abaci, Sie irren, wir haben das nicht diskutiert.

(Kazim Abaci SPD: Doch, wir haben darüber diskutiert!)

Dieser Antrag wurde ohne Diskussion abgestimmt, und keine Fraktion in diesem Haus hat gegen unseren Antrag gestimmt, außer Ihrer Fraktion. Sie waren die Einzigen, die dagegen waren, etwas einzuführen, was pragmatisch ist und deutschlandweit unabhängig von Parteizugehörigkeit praktiziert wird.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Und deshalb, liebe Kollegen von der SPD – dies auch gerne an Sie persönlich gerichtet, Herr Abaci –, fordere ich Sie auf, einmal mitzukommen zu einer Veranstaltung älterer Russlanddeutscher, wobei das genauso auch jüdische Zuwanderer betrifft und viele andere. Kommen Sie doch einfach einmal mit, setzen Sie sich mit den Menschen zusammen, hören Sie sich an, wie das jetzige Verfahren die Menschen belastet, als wie ungerecht es empfunden wird, und folgen Sie dann dem Vorbild Ihrer sozialdemokratischen oder auch Ihrer christdemokratischen Kollegen in anderen Städten Deutschlands. Stimmen Sie einer Pauschalregelung nach Frankfurter oder Nürnberger Vorbild zu.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Ich habe schon gesagt, wie sehr wir als Christdemokraten die Lebensleistung älterer Menschen, die hier gearbeitet und ihre Kinder erzogen haben, schätzen.

(Kazim Abaci SPD: Die schätzen alle!)

Die LINKEN haben einen Antrag vorgelegt, in dem sie die Menschen, um die es geht, immer nur als – ich zitiere – "mehrfach benachteiligte Menschen" sehen. Damit untergraben Sie im Grunde die Würde älterer Zuwanderer – so sehen die sich nämlich nicht – und instrumentalisieren sie für ihren politischen Klassenkampf. Dieses Muster kennen wir nur zu gut. Wir wollen konkrete Fortschritte, wie eben gerade ausgeführt, wir wollen keine diffusen Masterpläne. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. Der Überweisung der Drucksache stimmen wir zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Fegebank.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich fange anders an als die Vorrednerinnen und Vorredner, ich steige mit dem Antrag der LINKEN ein und nicht mit der Großen Anfrage. Ich freue mich, dass diese an den Ausschuss überwiesen wird, weil es in der Tat viele Punkte gibt, über die es lohnt, noch einmal zu sprechen, und die es lohnt, noch einmal genauer anzuschauen. Wir haben uns den Antrag sehr genau angeguckt. Früher hat man immer einen Arbeitskreis gegründet, wenn man nicht mehr richtig weiter wusste. Heute habe ich den Eindruck, dass man bei allen Problemlagen, die man identifiziert hat, erst einmal einen Masterplan reinschieben muss. "Masterplan 2020" ist ein großes Wort. Ich empfinde es als Modewort, als Hülse für alle möglichen Erwartungen,

(Finn-Ole Ritter FDP: Agenda!)

die man dann auf diese Zielgruppe schiebt. Ich habe mich gefragt, ob dann als nächstes ein Masterplan für ältere Menschen mit Behinderung kommt, ein Masterplan für ältere Menschen, die in Randlagen der Stadt leben, oder für Familien, die mehrere Kinder haben und noch mit ihren Eltern unter einem Dach leben. Das greift ein bisschen kurz und reduziert das Problem, das Sie zu Recht ansprechen, nämlich das Problem der Altersarmut – und damit muss sich Hamburg als reiche Stadt schon sehr intensiv auseinandersetzen – auf eine Zielgruppe. Ich finde, man muss die Frage weiter fassen. Es gilt, Armutsrisiken zu erkennen, Armutsrisiken zu bekämpfen und den Senat bei seiner Pflicht und seiner Verantwortlichkeit zu packen, vernünftige Antworten zu geben, die das Demografie-Konzept, der Sozialbericht und Teile des Integrationskonzepts noch vermissen lassen. Ich glaube nicht, dass wir einen Masterplan genau für diese Zielgruppe brauchen, so wie Sie es fordern.

Deshalb werden wir uns bei der Abstimmung zu dem Antrag enthalten. Positiv sehen wir, dass dieses Thema in den parlamentarischen Raum getragen wurde, denn ebenso wie Herr Haufler teilweise persönlich berichtet hat, haben sicherlich wir alle unsere Geschichten und Begegnungen, positive wie negative Beispiele. Von daher finden wir es gut, können aber aus den genannten Gründen nicht zustimmen, weil der Antrag zu kurz greift und eine Reduktion auf eine bestimmte Gruppe älterer Menschen ist. Wir versuchen, das Ganze in einem größeren Zusammenhang zu sehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Von Frau Özdemir wurde schon richtig gesagt – und das sollte uns stärker umtreiben, als es vielleicht bisher der Fall ist –, dass Hamburg weit oben auf der Liste der Städte, der Liste der Bundeslän

(Nikolaus Haufler)

der steht, in denen die Altersarmut erschreckend hoch ist. Ich will mich nicht in einer Zahlenschlacht ergehen, weil jeder sicherlich eine eigene Statistik mitführt, aber egal, welche Statistik ich mir anschaue, die Quote liegt zwischen 9 und 10 Prozent am unteren Rand und teilweise bei bis zu 20 Prozent. Der Sozialbericht spricht von 28 Prozent bei älteren Menschen mit Migrationshintergrund, und der Landesmedian des Statistischen Landesamtes liegt sogar bei 34 Prozent. Ich finde, das sind erschreckende Zahlen. Die Aussage von Senator Scheele zum Demographie-Konzept war, Altersarmut sei in dieser Stadt kein Problem. Hier werden die Augen vor etwas verschlossen, das uns in den nächsten Jahren mächtig vor die Füße kippen kann. Die Altersarmut ist in den Stadtteilen und in den Einrichtungen und Beratungsinstituten spürbar, wo es darum geht, ältere Menschen in ihren jeweiligen Lebenssituationen zu sehen. Der Senat hat in unseren Augen dafür keine Antwort, schiebt Dinge von einem Bericht auf den nächsten oder auch zur Seite. Wir sagen, dass wir auf das schauen müssen, was es schon gibt. Wir brauchen das Rad gar nicht neu zu erfinden. Wir haben gute Strukturen in den Bezirken mit offener bezirklicher Seniorenarbeit, die aber teilweise durch veränderte Rahmenzuweisungen von Kürzungen betroffen ist. Wir haben Rückmeldungen aus einigen Bezirken – Altona, Hamburg-Nord, Hamburg-Mitte, Bergedorf –, die besagen, dass manche Einrichtungen die Arbeit vielleicht gar nicht mehr in der Weise fortsetzen können, wie sie bisher gemacht wurde. Wir fordern den Senat ausdrücklich zu einem Bekenntnis für Seniorenarbeit auf. Wir wollen, dass die Finanzierung der Seniorenarbeit gesichert ist. Wir wollen aber auch, dass bürgerschaftliches Engagement, was auch in der Großen Anfrage über die Einrichtungen abgefragt wurde, gefördert wird. Ich nenne das Beispiel TABEA, eine Einrichtung in Lurup, wo sich Seniorinnen und Senioren mit Migrationshintergrund in Wohnprojekten zusammengeschlossen haben. Wir wollen, dass die gefördert werden, wir wollen ein Bekenntnis, dass wir so etwas brauchen, dass so etwas gestärkt wird. Frau Timmermann spricht zu Recht das Seniorenmitwirkungsgesetz an, das mit einer festen Migrantenquote natürlich auch die Möglichkeit gibt, über politische Prozesse und Beteiligungen an dieses Thema heranzukommen.

Es heißt also, sich nicht wegzuducken, sondern ein deutliches Bekenntnis zur Gestaltung des demographischen Wandels abzugeben, zu einer größeren Anzahl von älteren Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen und Situationen, und natürlich gilt es, das Armutsrisiko im Blick zu behalten. Ich finde es nicht richtig zu sagen, wir tun viel, die Einrichtungen laufen und deshalb brauchen wir die Debatte über Altersarmut nicht zu führen. Wir haben klare Zahlen,

(Zurufe von der SPD)

die uns sagen, dass in Hamburg zu wenig passiert. Eine Debatte, die ich heute nicht aufmachen will, dreht sich um die Frage, welche Auswirkungen die Rentenpläne der Großen Koalition bei der Bekämpfung von Altersarmut haben. Ich glaube, dass hier der falsche Weg gegangen und Altersarmut in den nächsten Jahren eher noch zunehmen wird. Mein Wunsch ist, stärker darauf zu schauen, was es schon gibt, wie Netzwerke von Menschen, die sich engagieren, die sich bürgerschaftlich unterhaken, wie alte Menschen,

(Olaf Ohlsen CDU: Alte Menschen unterha- ken?)

wie Einrichtungen vor Ort und verschiedene Wohnformen stärker gefördert und in den Mittelpunkt gerückt werden können. In diesem Sinne freue ich mich auf die Diskussion über die Große Anfrage. Den Antrag lehnen wir ab. Einen Masterplan brauchen wir nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Frau Kaesbach.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Verehrte Kollegen von der LINKEN, ich muss schon sagen, dass mich Ihr Antrag ein wenig ratlos macht.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Da können wir nichts dabei machen!)

Ich schließe mich den Worten meiner Vorrednerin an. Sie fordern einen Masterplan für Senioren mit Migrationshintergrund. Masterplan 2020 hört sich immer ganz toll an, aber manchmal hilft es auch gerade nicht, den großen Bogen zu schlagen, sondern es hilft eher, sich konkrete verbesserungswürdige Punkte herauszunehmen. Sie listen im Petitum des Antrags Lebensbereiche auf, die pauschal alle älteren Menschen mit und in wenigen Ausnahmen auch ohne Migrationshintergrund betreffen und fordern den Senat allgemein auf, Handlungsfelder und Zielvorgaben hierfür auszuarbeiten. Ich mache ungern Werbung für die Arbeit des Senats, aber ich muss an dieser Stelle doch den Hinweis meiner Vorrednerin Frau Timmermann aufnehmen. Es gibt das im vergangenen Jahr neu aufgelegte Hamburger Integrationskonzept, und dieses Konzept beinhaltet unter anderem die integrationspolitische Seniorenpolitik. Übrigens wurde dieser Bereich Seniorenpolitik für Menschen mit Migrationshintergrund auf Antrag der FDP in das Integrationskonzept aufgenommen. Darauf möchte ich an dieser Stelle gern hinweisen.

(Beifall bei der FDP – Ritter: Das haben wir gerne gemacht!)

Auch offenbaren Sie mit Ihrem Antrag das übliche Schubladendenken der LINKEN, ältere Menschen

(Katharina Fegebank)

mit Migrationshintergrund seien per se arm und hilfebedürftig. Auch wenn feststeht, dass für Menschen mit Migrationshintergrund eine dreimal höhere Armutsgefährdung besteht, so legitimiert dieser Umstand Sie nicht, Senioren mit Migrationshintergrund pauschal arm und hilfebedürftig zu reden. Insofern entsteht bei mir der Eindruck, dass Sie wieder einmal ein Konzept um des Konzepts willen fordern. Es gibt sicherlich in einigen Bereichen Handlungsbedarf, aber das Integrationskonzept des Senats nimmt sich sogar überwiegend einige Handlungsfelder vor, gespickt mit Zielzahlen und Fristen.

(Kazim Abaci SPD: Richtig!)

Das kennt man sonst vom jetzigen Senat eher nicht. So sollen zum Beispiel in den Pflegestützpunkten zielgruppenspezifische Informationsveranstaltungen durchgeführt und kultursensible Angebote geschaffen werden, um sprachliche und kulturelle Barrieren sowie Informationsdefizite im Pflegebereich zu beheben. Zudem wird bei einem Blick auf Ihre Große Anfrage deutlich, welche vielfältigen und unterschiedlichen Angebote es für Senioren mit Migrationshintergrund bereits gibt; meine Vorrednerin ging schon ausführlich darauf ein. Die Angebotspalette reicht von interkulturellen Seniorentreffs mit Beratungs- und Freizeitangeboten bis hin zur Zusammenarbeit mit muttersprachlichen Ärzten. Die großen Wohlfahrtsverbände sind ebenso aktiv wie selbstorganisierte Nachbarschaftstreffs oder die Türkische Gemeinde. Es gibt viele gute Ideen und Maßnahmen, die weiter ausgebaut werden sollten, zum Beispiel Wohngruppen für türkische Demenzkranke in Wilhelmsburg. Hier machen spezielle Angebote Sinn, denn gerade Demenzkranke in einem fortgeschrittenen Stadium leben in der Vergangenheit und vergessen oftmals ihre in Deutschland erworbenen Sprachkenntnisse. Meine Damen und Herren, werte Kollegen von der LINKEN, im Bereich Integration befindet sich in Hamburg, das muss man schon konstatieren, einiges in Bewegung und damit eben auch für ältere Menschen mit Migrationshintergrund. Weshalb nun zusätzlich ein staatlicher Masterplan 2020 für Senioren mit Migrationshintergrund notwendig sein soll, ist vor diesem Hintergrund nicht verständlich. Insofern lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Frau Özdemir.

(Olaf Ohlsen CDU: Das wird doch überwie- sen, also was soll das! – Kazim Abaci SPD: Ja!)

Erst einmal zu Frau Timmermann: Sie haben in Ihrer Rede die vielen Konzepte, die Sie haben, vorgetragen, aber das reicht leider nicht. Es kommt darauf an, dass Sie

auch handeln. Das Integrationskonzept beinhaltet zum Beispiel keine verbindlichen Ziele und Zeitpläne, also können Sie die dort gesetzten Ziele auch erst in 20 Jahren umsetzen. Daher brauchen Sie sich auf diese Konzepte gar nicht zu berufen.

(Beifall bei der LINKEN)