Unterlagen, die Abgeordnete der Oppositionsfraktionen nicht haben konnten, und auch Informationen aus den Akten von Yagmur, aus den Jugendamtsakten, sind bei der Presse gelandet, wo man sich doch fragen muss, welche Wege diese Informationen wohl gegangen sind.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Sonderausschuss Chantal haben wir ausführlich über das Pflegekinderwesen debattiert, über Pflegefamilien, den Pflegekinderdienst, die Freien Träger, die Amtsvormünder und den Allgemeinen Sozialen Dienst. Die Herkunftseltern kamen bei alldem nur am Rande vor, obwohl doch die Rückkehr der Kinder in ihre Herkunftsfamilien bei den meisten Pflegeverhältnissen angestrebt wird. Damit dies gelingt, müssen die Eltern darauf vorbereitet werden, und ihre Erziehungsfähigkeit muss nicht nur wiederhergestellt, sondern auch überprüft werden. Arbeit mit Eltern ohne Kind hatte eine Expertin vom Deutschen Jugendinstitut das genannt.
Wir Liberale haben diese Forderung im Abschlussbericht des Sonderausschusses ergänzt. Im Fall Yagmur wird deutlich, warum dies so wichtig ist, denn bei allem, was wir bisher wissen, hat genau diese Vorbereitung und Begleitung nicht in ausreichendem Maße stattgefunden. Angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen und der Überlastung der Mitarbeiter können wir davon ausgehen, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt. Deshalb unterstützt meine Fraktion den Antrag der CDU, die Akten dieser besonders gefährdeten Kinder und die Entscheidungen zur Rückführung zu überprüfen.
Diese Maßnahme allein wird jedoch nicht ausreichen, denn die Mitarbeiter in den Jugendämtern stehen unter großem Druck, sie arbeiten unter schwierigen Rahmenbedingungen und die Belastung ist immens. Aber diese Probleme sind, wie wir vorher festgestellt haben, auch nicht neu. Sie sind schon detailliert im Lagebericht von Professor Schrapper dargestellt worden. Daraus müssen aber jetzt auch Konsequenzen folgen.
Die FDP-Fraktion hatte schon in den Haushaltsberatungen gefordert, den ASD zu entlasten mit einem Sondertopf für Sofortmaßnahmen, die den einzelnen ASD-Abteilungen zur Verfügung gestellt werden können und bei dem sie selbst entscheiden können, in welchem Bereich sie Unterstützung brauchen. Die Problemlagen sind nämlich längst nicht überall gleich. Während der eine ASD Ent lastung von Bürokratie und Verwaltungstätigkeit wünscht, braucht ein anderer intensivere Einarbeitungsprogramme und mehr Fortbildung zu bestimmten Themen.
Die SPD-Fraktion hat diesen Vorschlag leider abgelehnt mit der Begründung, es werde bald ein Personalbemessungssystem geben. Herr Scheele, darauf werde ich Sie ständig wieder ansprechen. Es reicht nicht aus, nur darauf hinzuweisen, vor allem dann nicht, wenn dies zwei Jahre dauert – Frau Blömeke sprach sogar von drei Jahren –, ohne konkrete Ergebnisse vorweisen zu können. Mit unserem Vorschlag hätten wir die Zwischenzeit überbrücken können.
Meine Damen und Herren! Es ist Aufgabe des Staates, Kinder vor ihren eigenen Eltern zu schützen, wenn diese nicht in der Lage sind, ihrer Erziehungspflicht nachzukommen. Es ist Ihre Aufgabe, Herr Senator Scheele, dafür zu sorgen, dass dieses Wächteramt, wie gesetzlich verankert, wahrgenommen wird.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will Antrag für Antrag vorgehen, denn in der Generaldebatte habe ich einiges Inhaltliche gesagt. Daher will ich jetzt konkret etwas zu den Anträgen sagen. Ich finde den Anstoß im CDU-Antrag, in dem es darum geht, dass wir die Akten prüfen bezüglich ähnlich gelagerter Fälle wie der von Yagmur, im Grunde richtig. Aber ich habe im Grundsatz ein Problem, und das war auch im Bereich der Pflegefamilien der Fall, nämlich dass man die gesamten Akten und Fälle unter Generalverdacht stellt. Ich habe also diesbezüglich ein Problem, aber ich finde die Richtung richtig. Auch die Gespräche mit den Kolleginnen und Kollegen, die in dem Bereich arbeiten, ergaben, dass so etwas sowieso stattfindet.
Wenn jetzt dieser Antrag beschlossen wird, werden wir nicht dagegen stimmen, sondern uns enthalten. Aber für mich bleibt noch die Frage offen, wer diese Arbeit in der jetzigen Belastungssituation des ASD machen soll, was meine Vorredner zu Recht angesprochen haben, denn es geht um einige Hundert Akten. Dabei wünsche ich mir, dass nicht, wie beim Fall Chantal, die wichtige Arbeit da
bei verlorengeht. Der ASD soll das machen, das ist gut und richtig, aber gleichzeitig hat er auch die Aufgabe, 60 bis 90 Fälle zu betreuen. Daher werden wir uns bei diesem Antrag enthalten, aber die Richtung unterstützen wir.
Ich finde ihn gut, das schafft mehr Transparenz, wir haben dadurch mehr Kenntnisse, und die Akten liegen auch vor. Wir müssen uns damit beschäftigen, das unterstützen wir.
Auch den Antrag der GRÜNEN unterstützen wir im Grundsatz, das habe ich auch in meiner vorherigen Rede gesagt, aber ich möchte dazu ein paar Sätze sagen. Die Situation des ASD ist kein Problem von gestern, sondern es ist ein Problem, das schon über Jahre bekannt ist. Nicht nur nach dem Tod von Chantal – ich habe Lara Mia mitgemacht, ich habe den Fall Morsal mitgemacht – war überall das Thema die Situation der Allgemeinen Sozialen Dienste. Es ging um die Überlastung, dass man dort mehr Ressourcen brauche, und so weiter. Daher wendet sich meine Kritik nicht nur an Herrn Senator Scheele, sondern auch an die Vorgängersenate. Warum handelt man nicht schneller? Braucht man noch mehr tote Kinder, damit man mehr Mitarbeiter einstellt, die ihrer Arbeit vernünftig nachgehen können und sich mehr Zeit für die Familien und ihre Kinder nehmen können? Ich wünsche mir, dass die Kolleginnen und Kollegen des ASD von den Eltern nicht mehr als Gegner gesehen werden, sondern als Freunde. Wenn sie Hilfe brauchen, sollen sie wissen, dass sie zum ASD gehen können, ohne Angst zu haben.
Aber wenn wir uns die Arbeitssituation beim ASD anschauen, wenn wir uns den Innenrevisionsbericht, den Jugendhilfeinspektionsbericht und den Bericht von Professor Schrapper ansehen, dann wird eines deutlich: Es ist gut und schön, dass wir Personalbemessung machen, Herr Scheele, aber ich fordere Sie auf, schnell zu handeln und nicht auf diese Personalbemessung zu warten, denn die kann auch nebenbei laufen. Wenn wir mehr Erkenntnisse haben, dann können wir noch mehr dazu beisteuern. Wenn wir sehen, wo wir vielleicht weniger brauchen, dann können wir das auch anders umsetzen. Aber die Kolleginnen und Kollegen müssen an den Punkt gelangen, dass sie von den Menschen in Hamburg, die Hilfe brauchen, als Freund und Unterstützer gesehen werden und nicht als Gegner. Das kann nur dadurch entstehen, dass die Kolleginnen und Kollegen mehr Zeit haben, in die Familien zu gehen, mit ihnen zu reden und sie zu unterstützen, und das fehlt.
Aber weil wir der Auffassung sind, dass der Antrag der GRÜNEN nicht ausreichend sein wird, muss man, wenn der Senat diesen Antrag umsetzen soll
te, überlegen, wie wir diese Umsetzung vornehmen wollen. Wir müssen nämlich schauen, welche Stadtteile mehr belastet sind und welche Stadtteile noch dringender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes brauchen. Wir müssen uns auch einmal Faktoren ansehen, wo schnell gehandelt werden muss,
und ich bin grundsätzlich der Auffassung, dass überall im Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit schnell gehandelt werden muss.
Herr Ritter, wenn Sie meiner Rede zugehört hätten, dann würden Sie sehen, dass wir doch eine Enquete-Kommission brauchen. Ich rede über die Situation des Allgemeinen Sozialen Dienstes und nicht über den Bereich der Jugendhilfe. Wenn Sie darauf eingehen wollen, dann würde ich Sie gern bei einem Kaffee in einem persönlichen Gespräch aufklären, warum eine Enquete-Kommission wichtig ist.
Wir unterstützen den Antrag und freuen uns, dass wir im Familienausschuss über den Antrag der GRÜNEN ausführlicher diskutieren können. – Vielen Dank.
Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, dann kommen wir zu den Abstimmungen. Die Abgeordnete Martina Kaesbach hat mir dazu mitgeteilt, dass sie daran nicht teilnehmen werde.
Wer nun zunächst den Antrag der GRÜNEN Fraktion aus der Drucksache 20/10786 an den Fami lien-, Kinder- und Jugendausschuss überweisen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das Überweisungsbegehren ist einstimmig angenommen worden.
Hierzu stelle ich fest, dass dieser Antrag mit dem nach Artikel 30 der Hamburgischen Verfassung erforderlichen Quorum gestellt worden ist. Das Aktenvorlageersuchen ist somit wirksam zustande gekommen.
Wer sich diesem anschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist bei einigen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.
Wir kommen zu Punkt 59, Drucksache 20/10501 in der Neufassung, Antrag der GRÜNEN Fraktion: Rückkauf der Fernwärmeversorgung und Wärmekonzept für Hamburg.
[Antrag der GRÜNEN Fraktion: Rückkauf der Fernwärmeversorgung und Wärmekonzept für Hamburg – Drs 20/10501 (Neufassung) –]
[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Fernwärmedialog: Energiewende im intensiven Dialog mit den Bürgern/-innen gestalten – Drs 20/10836 –]
Die Fraktionen der SPD und der FDP möchten beide Drucksachen an den Umweltausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Kerstan.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Durch den erfolgreichen Volksentscheid zum Rückkauf der Netze gewinnt die Stadt wieder Handlungsmöglichkeiten, eine Energieversorgung in dieser Stadt aufzubauen, wobei der Vorgängersenat mit der Gründung von HAMBURG ENERGIE schon die ersten Schritte gegangen ist. Wir haben jetzt in der Tat die Möglichkeit, die Energiewende in unserer Stadt endlich wieder in die eigenen Hände zu nehmen und eine Energieversorgung aufzubauen, gerade im Fernwärmebereich, die klima-, umwelt- und insbesondere auch verbraucherfreundlich ist.
Der Senat hat die ersten Schritte durch den Rückkauf des Stromnetzes und durch die vertragliche Vereinbarung, im Jahr 2019 das Fernwärmeunternehmen komplett zu übernehmen, getan. Aber damit ist natürlich die Arbeit noch nicht beendet, sondern sie geht jetzt eigentlich erst los. Das Eigentum an den Netzen ist nämlich nur die Voraussetzung dafür, den zweiten Satz des Volksentscheids umzusetzen, der auch vom Volk beschlossen wurde. Und dieser verpflichtet den Senat und die Bürgerschaft, eine umweltverträgliche, eine klimafreundliche und eine sozial verträgliche Energieversorgung aufzubauen, die auch demokratisch kontrolliert wird. Insofern kann sich dieser Senat jetzt nicht zurücklehnen und sich über diesen Vertragsabschluss freuen, sondern jetzt geht die Arbeit erst los.
Die eigentliche Arbeit besteht doch insbesondere darin, dass auch im Bereich der Fernwärme der Volksentscheid nicht erst ab dem Jahr 2019 gilt, sondern ab heute, also eigentlich schon seit dem
22. September. Deshalb kann es nicht sein, dass nach drei Jahren energiepolitischen Stillstands in dieser Stadt, als der Senat sich mit 25,1 Prozent an der Vattenfall- und E.ON-Tochter beteiligt hatte, jetzt noch einmal im Fernwärmebereich, im wichtigsten Bereich der Energieversorgung, weitere fünf Jahre Stillstand auf uns zukommen.
Diese Gefahr ist leider sehr real, denn dieser Senat hat überhaupt keine Ahnung, was er mit dem Fernwärmenetz anstellen soll. Frau Blankau hat das sehr deutlich in der Umweltausschusssitzung gesagt. Sie hat gesagt, man würde erst einmal die Netze kaufen und dann hinterher überlegen, was man damit machen würde. Das ist natürlich der falsche Weg, denn der Vertrag bedeutet jetzt unmittelbaren Handlungsbedarf für diesen Senat.
Wie es mit der Fernwärmeversorgung im Bereich Wedel weitergeht, braucht nämlich bis 2015 eine Entscheidung. Dann muss die Entscheidung getroffen werden, ob das GUD so, wie es jetzt geplant ist, gebaut wird. Aus unserer Sicht ist das ein überdimensioniertes Kraftwerk, das unter den jetzigen Rahmenbedingungen nicht wirtschaftlich betrieben werden kann und das auch ökologisch höchst fragwürdig ist. Oder es muss die Entscheidung getroffen werden, ob man dort Alternativen entwickelt. Um diese Entscheidung treffen zu können, das GUD so oder anders zu bauen oder ganz andere, mehr dezentrale Lösungen zu realisieren, braucht dieser Senat ein Konzept, wie er in Zukunft die Wärmeversorgung in dieser Stadt gestalten soll. Das Problem ist, dass dieser Senat auch viele Monate nach dem Volksentscheid, drei Jahre nach Regierungsantritt, nicht die geringste Spur einer Idee hat, was er im Bereich Fernwärmeversorgung tun soll. Deshalb haben wir unseren Antrag heute eingebracht, um die ersten Eckpunkte in der Bürgerschaft beschließen zu können und zu sagen, wohin die Reise gehen muss.