Protocol of the Session on January 23, 2014

(Dirk Kienscherf SPD: Eigentlich ist es ja po- sitiv, dass wir da weitermachen!)

sich wegducken und warten, wenn es unangenehm wird, um danach wieder solche Anträge zur Beruhigung der Gemüter einzubringen. Der Bürgermeister zeigt sich gern bei den Einbürgerungsfeiern, wo er gütig Einbürgerungsurkunden aushändigen kann und sich – mit seinen Worten – "berührt" fühlt. Sie machen den Eindruck, als lägen Sie im Dornröschenschlaf.

(Dirk Kienscherf SPD: Das kommt jetzt erst, wir schlafen jetzt erst ein!)

Aus diesem Schlaf werden Sie spätestens in einem Jahr böse erwachen, und dann hilft es nichts mehr. Die Politik, die Sie seit zwei, drei Jahren hier betreiben, ist das die Politik, die Sie den Hamburgerinnen und Hamburgern versprochen haben?

Am Ende möchte ich noch sagen, dass wir diesem Antrag zustimmen werden,

(Zurufe von der SPD: Oh!)

weil die Maßnahmen bereits existieren oder schon in der Mache sind und weiterentwickelt werden oder durch unser Engagement in der Vergangenheit und die schwarz-grüne Regierung auf den Weg gebracht wurden. Daher werden wir natürlich zustimmen. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Herr Dr. Kluth.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will es nicht so spannend machen wie Frau Demirel, sondern gleich am Anfang sagen, dass die FDP-Fraktion das Anliegen des Antrags ausdrücklich begrüßt, Asylsuchende besser in den Arbeitsmarkt und in Ausbildungen zu integrieren, und dass wir deshalb dem Antrag zustimmen werden.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der FDP – Dirk Kienscherf SPD: Sehr gut, geht doch!)

Das ist nicht nur eine Frage der Humanität, sondern vor allen Dingen eine der politischen und wirtschaftlichen Vernunft. Insbesondere vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels müssen wir alle vorhandenen Ressourcen und Potenziale ausschöpfen. Flüchtlinge stellen insoweit auch eine Arbeitsmarktreserve dar. Arbeitsmöglichkeiten sichern den Lebensunterhalt der Betroffenen, es entlastet die Haushalte und trägt zur sozialen Integration bei. Wir vermeiden dabei auch die zum Teil

(Phyliss Demirel)

absurde Situation, dass wir hochqualifizierte Menschen zum Nichtstun verdammen, wo anderenorts Unternehmen und Betriebe händeringend nach qualifizierten Mitarbeitern suchen.

Die FDP-Fraktion unterstützt daher den Antrag in der Sache. Wir monieren jedoch, dass er keine Aussagen zur Finanzierung der vorgeschlagenen Maßnahmen und Änderungen beinhaltet. Wieder einmal bewahrheitet sich, dass "pay as you go" Schnee von gestern ist.

(Beifall bei der FDP)

Zwei kurze inhaltliche Anmerkungen zum Antrag. Die BASFI fördert Deutschkurse im Umfang von 300 Unterrichtsstunden für Asylsuchende und Geduldete mit einer Aufenthaltsdauer von mindestens sechs Monaten. Zielgruppe dieser Maßnahme sind, wie es heißt, Zuwanderer mit ungesichertem Aufenthalt, die keinen Anspruch auf Teilnahme an den Integrationskursen haben – so zumindest die Projektbeschreibung des Flüchtlingszentrums Hamburg. Die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geförderten Integrationskurse umfassen dementgegen 600 Stunden und richten sich an zugewanderte Ausländer, die auf Dauer in Deutschland leben. Die Forderung nach einer Öffnung dieser Integrationskurse für Asylsuchende und Geduldete halten wir für eine vernünftige und folgerichtige Forderung. Wenn aber dann vom Anspruch auf einen Integrationskurs die Rede ist, meine Damen und Herren von der Mehrheitsfraktion und vom Senat, dann erwarten wir, dass Sie Ihre Regierungsbeteiligung auf Bundesebene auch dazu nutzen, eine entsprechende finanzielle Förderung durch die Bundesregierung zu erwirken, damit reguläre Integrationskurse zukünftig für Flüchtlinge geöffnet werden können.

(Beifall bei der FDP)

Zweite Bemerkung. Aus Drucksache 20/7049, das ist das Integrationskonzept des Senats, geht hervor, dass der Zielwert für Integrationskurse 2015 auf 3000 Teilnehmer reduziert wird, nachdem 2010 und 2011 über 4500 Teilnehmer an der Maßnahme Integrationskurs teilgenommen haben.

(Sylvia Wowretzko SPD: Alt-Zuwanderer!)

Wenn Sie auf Seite 24 nachschlagen, dann werden Sie feststellen, dass die Anzahl neuer Integrationsteilnehmer seit 2008 als rückläufig bezeichnet wird

(Sylvia Wowretzko SPD: Ja, Alt-Zuwande- rer!)

und daher eine Verminderung der Integrationskurse angekündigt wird. Wenn aber Asylsuchende und Geduldete zukünftig Anspruch auf einen Integrationskurs erhalten sollen, dann muss natürlich im Umkehrschluss das Angebot auch dem erhöhten Bedarf angepasst werden. Dies hätte angesichts der Tatsache, dass im Zeitraum von Januar

bis April 2013 gegenüber dem Vorjahr schon über 73 Prozent mehr Asylanträge eingegangen sind, schon längst geschehen müssen.

Ansonsten halten wir den vorliegenden Antrag für sinnvoll und unterstützenswert und werden ihm daher zustimmen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Frau Özdemir.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auf den ersten Blick ist Ihr Antrag zu begrüßen, zum Beispiel dahingehend, dass Sie sich für einen Anspruch auf Integrationskurse für geduldete Menschen einsetzen möchten. Wir begrüßen auch, dass Sie sich dafür einsetzen wollen, dass geduldete Menschen die Teilnahme am Hamburger Stipendienprogramm erleichtert werden soll. Tun Sie uns aber bitte einen Gefallen und verkaufen Sie Ihren Antrag nicht als etwas Großartiges.

(Beifall bei der LINKEN und bei Jens Kerstan [GRÜNE])

Bis auf die Erhöhung der Dauer des Integrationskurses von 300 auf 600 Stunden, die dem tatsächlichen Bildungsbedarf der Flüchtlinge und Geduldeten nachkommt, werden hier bei genauer Betrachtung eine Menge Selbstverständlichkeiten zu einem Programm aufgebläht, für das es von uns keinen Applaus geben wird.

Ich möchte auf einige Punkte des Antrags eingehen. In Punkt 2 sprechen Sie von der Umsetzung der Absicht der neuen Bundesregierung. So weit ich weiß, handelt es sich hier um Ihre Bundesregierung, und deshalb verstehe ich nicht, Herr Abaci, warum Sie so ein großes Misstrauen haben, ob das umgesetzt wird oder nicht.

(Beifall bei der LINKEN und bei Christa Goetsch GRÜNE – Dirk Kienscherf SPD: Den Seehofer gibt's ja auch noch! Das ist anders als in der DDR damals!)

In Punkt 4 soll geprüft werden – ich zitiere –:

"[…] wie zu einem frühen Zeitpunkt Perspektiven der Integration in Arbeit und gegebenenfalls erforderliche Qualifizierungsmaßnahmen im Verfahren für Flüchtlinge mit Bleibeperspektive in Hamburg geklärt werden können."

Nur zu Ihrer Information, und Sie sollten gut zuhören – Herr Kienscherf, Sie auch –, möchte ich Ihnen sagen, dass es dafür in Hamburg funktionierende Netzwerke gibt, die auch gut arbeiten. Deshalb verstehe ich nicht, was geprüft werden soll.

(Dr. Thomas-Sönke Kluth)

Handeln Sie jetzt nach dem Motto "Doppelt geprüft hält besser"?

(Beifall bei der LINKEN)

Dass fachliche Qualifikationen dringend erforderlich sind, dürfte kein Geheimnis sein und wurde bereits im gemeinsamen Arbeitsmarktprogramm 2013 der BASFI, der Agentur für Arbeit und des Jobcenters mit Bericht über die Umsetzung des Arbeitsmarktprogramms 2012 vom 18. Juni 2013 erwähnt. Das Papier müssten Sie eigentlich kennen, Ihre Behörde hat es mitgeschrieben. Es wundert mich, dass Sie unter Punkt 6 genau dieses Arbeitsmarktprogramm noch einmal prüfen wollen.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Dreimal geprüft hält doch besser!)

Ich glaube, dass Sie so davon ablenken wollen, dass die Voraussetzungen für die Teilhabe von Flüchtlingen einfach nicht stimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie wissen ebenso gut wie wir, dass die Bleiberechtsperspektiven von vielen Duldungsinhaberinnen und –inhabern nicht besonders rosig sind, und dies ist politisch gewollt. Sie haben noch nicht einmal den Winterabschiebestopp für Sinti und Roma hinbekommen – so viel zu Ihrer ach so tollen Flüchtlingspolitik.

(Beifall bei der LINKEN und bei Phyliss De- mirel GRÜNE – Dirk Kienscherf SPD: Das wollten wir ja auch nicht!)

Das ist das Schlimme, dann loben Sie doch nicht ständig Ihre ach so humane Flüchtlingspolitik.

Vor diesem Hintergrund soll Asylsuchenden und Geduldeten durch eine umfängliche Beratung Hoffnung gemacht werden, sie könnten mit ihren Ausbildungs- und Berufsabschlüssen hier etwas aufbauen, obwohl sich diese Hoffnung auch nach Jahren nicht erfüllen kann, weil eben nur eine Duldung vorliegt. Solange sich nichts an der rechtlichen Situation von Menschen mit einer Duldung ändert, werden diese es auf dem Arbeitsmarkt sehr schwer haben.

(Sören Schumacher SPD: Ja, da arbeiten wir ja dran!)

Wir dürfen auch nie vergessen, dass eine Duldung bedeutet, hier eigentlich nicht gewollt zu sein. Man muss einen Kampf um jede Art der Anerkennung führen. Im Eingabenausschuss hören wir regelmäßig von denjenigen, die diesen Kampf verlieren.

(Sören Schumacher SPD: Die, die keinen Anspruch haben!)

Wenn Sie die Integration dieser Menschen wirklich möchten und wenn das nicht nur eine Absichtserklärung ist, dann sollten Sie sich gerade auf dem Arbeitsmarkt erst einmal entscheiden, ob Sie diese Absicht auch mit einem Aufenthaltstitel, der eine

tatsächliche Perspektive verspricht, ausdrücken möchten.