Protocol of the Session on December 12, 2013

Unser Vorwurf der maßlosen Erhöhung erklärt sich mit einem Blick in die Vergangenheit.

(Wolfgang Rose SPD: Das ist doch blanker Populismus!)

Gemessen an der jeweiligen Inflationsrate wurden die Tarife in den Jahren 2008 bis 2012 in der Regel jeweils mit einem Aufschlag zwischen 0,4 und 0,5 Prozentpunkten auf die Inflationsrate angehoben. Die jetzt geforderten 3,2 Prozent liegen, wie

auch Frau Sudmann schon erklärte, 1,7 Prozent über der Inflationsrate. Mathematisch betrachtet sind das satte 213 Prozent mehr, und das betrachten wir als maßlos.

(Olaf Ohlsen CDU: Skandal!)

Skandal, Herr Ohlsen, richtig.

Während der Ausschussberatung erklärten die Vertreter des HVV, dass die Kunden im ÖPNV eher qualitätsbewusst als preisbewusst handeln würden – Frau Sudmann sagte es schon –

(Dirk Kienscherf SPD: Gut, dass Sie nicht die Fahrpreise berechnen!)

und bereit seien, für eine gute Qualität zu zahlen. Aber insgesamt gehen wir davon aus, dass man das Ganze nicht auf die Spitze treiben sollte; irgendwann ist die Schraube überdreht. Wenn man die Akzeptanz der Kunden erst einmal verloren hat, ist es schwer, sie zurückzugewinnen.

(Jan Quast SPD: Darauf deutet überhaupt nichts hin!)

Wir halten, das haben meine Ausführungen deutlich gemacht, die Preiserhöhungen für stark überzogen

(Sylvia Wowretzko SPD: Und was schlagen Sie vor?)

und die Tarifanpassung in diesem Maße für nicht gerechtfertigt und lehnen daher dieses Ansinnen des HVV ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Dr. Steffen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Koeppen, man hatte ein wenig den Eindruck, als würden Sie uns vormachen wollen, dass es sich nur um eine scheinbare Erhöhung handele, dass es in Wahrheit eine Absenkung der Fahrpreise sei,

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

so wie Sie mit den Zahlen hin- und herjongliert haben. Vielleicht waren das in der langen Gleichung auch etwas viele Variablen und Sie haben ein bisschen den Überblick verloren. Manches muss man einfach schriftlich machen, wenn man den Überblick behalten will.

Auch wenn diese Debatte natürlich ein Wiedergänger der Vorjahre ist, weil die Strukturen der Entscheidung ähnlich sind wie in den Vorjahren, ist es wichtig, die Strukturen noch einmal deutlich zu machen. Wir haben eine Anhebung, die deutlich über der Inflationsrate liegt; es geht um spürbare Erhöhungen der Fahrpreise und nicht um kleine, kos

(Thomas Kreuzmann)

metische Preiskorrekturen. Die Leute werden sehr deutlich merken, dass es jetzt wieder mal eine Preiserhöhung gegeben hat. Das ist schon etwas Einschneidendes. Man hat tatsächlich den Eindruck, dass der SPD-Senat zu diesem Mittel greift, um dem Anstieg der Fahrgäste zu begegnen, auf den er in seinen Planungen im Hinblick auf die Kapazitäten keine passende Antwort hat. So kann man auf eine generell steigende Nachfrage natürlich auch reagieren. Wir halten das für falsch.

(Jan Quast SPD: Das ist doch Unsinn, was Sie da erzählen!)

Schauen wir uns das ein bisschen mehr im Detail an. Es gibt zwei entscheidende strukturelle Probleme.

Die Aussage, es gäbe generell keine hohe Preissensibilität, wie es der HVV in Kundenumfragen festgestellt haben will, mag zum Teil für die Abonnenten von Monatskarten gelten, die tatsächlich im Gesamtvergleich der Fahrpreise einen verhältnismäßig günstigen Tarif haben. Diese Abonnenten haben einen sehr hohen Nutzen und reagieren natürlich weniger sensibel als andere Fahrgäste auf Preiserhöhungen. Wir reden immer wieder über Sozialtickets, aber wir reden selten darüber, dass es auch viele Leute gibt, die wenig Geld zur Verfügung haben und deswegen ganz bewusst darauf verzichten, sich eine Monatskarte zu kaufen, Menschen, die ein- bis zweimal die Woche irgendwo hinfahren möchten und an der Gesellschaft teilhaben möchten. Für diejenigen schlägt natürlich solch eine erhebliche Preiserhöhung bei den Einzelfahrkarten besonders stark zu Buche, weil Einzelfahrkarten überproportional teuer sind.

Der zweite Punkt. Wir reden viel über das sich verändernde Verkehrsverhalten, dass es eben nicht mehr auf der einen Seite die notorischen Autofahrerinnen und Autofahrer gibt und auf der anderen Seite diejenigen, die immer mit Bus und Bahn fahren, sondern dass es immer bunter wird und es Leute gibt, die je nach Anlass das geeignete Verkehrsmittel nutzen. Wir reden darüber, dass darin auch das große Potenzial liegt über die Leute hinaus, die schon eingefleischte Fans von Bus und Bahn sind, noch zusätzliche Fahrgäste zu gewinnen, indem man die Leute gewinnt, die vielleicht 80 oder 60 oder 30 Prozent ihrer Wege mit Bus und Bahn zurücklegen können. Für diejenigen ist die Monatskarte nicht das richtige Angebot, und die werden natürlich jedes Mal genau rechnen. Wir reden von Leuten, die gelegentlich mit dem Auto fahren und dafür nicht mehr unbedingt ein eigenes Auto brauchen; da geht auch Carsharing, wo pro Fahrt abgerechnet wird. Schauen wir uns doch einmal die aktuellen Tarife des HVV an. Es gibt mittlerweile Carsharing-Angebote, mit denen man seine Wege durch die Stadt günstiger zurücklegen kann als mit dem HVV. Da werden wir an einen Punkt kommen, wo die prinzipiell steigende Nach

frage nach Bus und Bahn und deren prinzipiell steigende Attraktivität im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln brechen wird. Wir leisten uns damit angesichts unserer Interessen in Klimaschutz, Gesundheitsschutz und all dem, wofür wir die öffentlichen Verkehrsmittel in Hamburg brauchen, keinen guten Dienst. Dieser Kurs darf nicht fortgesetzt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN – Olaf Ohlsen CDU: Richtig!)

Das Wort bekommt Herr Dr. Schinnenburg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bis vor wenigen Minuten hatte ich mich gefragt, wie es eigentlich sein kann, dass die SPD-Fraktion diesen Unsinn mitmacht. Ich konnte mir aus Gründen, die zum Teil schon genannt wurden, gar nicht vorstellen, dass Frau Koeppen als zuständige Fachsprecherin das ernsthaft liest ohne zu sagen, das kann nicht wahr sein. Seit wenigen Minuten weiß ich: Frau Koeppen fällt auf die billigsten Rechentricks herein. Sie hat uns ernsthaft vorgetragen, dass das alles gar nicht so schlimm sei. Eine Seniorenmonatskarte steige von etwa 74 Euro auf circa 78 Euro, das seien noch nicht einmal 4 Euro, während die normale Monatskarte von 159 Euro um etwas mehr als 4 Euro auf 163 Euro irgendwas steige.

Liebe Frau Koeppen, ich weiß nicht, in welcher Klasse es in Ihrer Schule unterrichtet wurde – mir wurde das schon recht frühzeitig beigebracht –, dass man nicht von absoluten Werten ausgeht, sondern von relativen. Eine Erhöhung von 4 Euro ist ausgehend von 74 Euro eine unendlich viel größere Erhöhung als eine von 159 auf 163 Euro. Ein kleiner Tipp: Das eine sind 5 Prozent, das andere sind 3 Prozent. Offenbar gehen Sie solch simplen Rechentricks auf den Leim. Sie hätten das Kurzstreckenticket nehmen sollen. Das steigt nämlich nur um 10 Cent, von 1,90 Euro auf 2 Euro. Das Beispiel wäre doch besser gewesen. Warum haben Sie das nicht genommen? Mit diesen Rechentricks können Sie nun wirklich niemanden überzeugen.

(Beifall bei der FDP)

Es bleiben mehrere Argumente, die zeigen, dass diese Tariferhöhung für den HVV völlig inakzeptabel ist.

Erster Punkt: Die Tariferhöhung basiert auf einem Index, den der HVV selbst entwickelt hat. Stellen Sie sich einmal vor, es gäbe – so wie hier bei den Fahrpreisen – staatlich regulierte Preise, und dann würde ALDI den Index entwickeln, nach dem diese Preise zu entwickeln sind. Da würden Sie doch sofort auf die Barrikaden gehen, aber der HVV darf das. Der will 200 Millionen Euro Steuergeld haben

(Dr. Till Steffen)

und berechnet selbst die Grundlage dafür, wie die Erhöhung berechnet wird. Das ist eine Selbstbedienungsmentalität und völlig inakzeptabel.

(Beifall bei der FDP)

Zweiter Punkt: Unabhängig davon, von wem der Index ist, er ist auch als solcher völlig verkehrt. Er basiert zu 58,5 Prozent auf den allgemeinen Verbraucherpreisen. Ich glaube, dass Verkehrsunternehmen eine völlig andere Kostenstruktur haben als normale Verbraucher. Darum habe ich den Senat gefragt, wieso dieser Index auf den Verbraucherpreisen basiere. Antwort des Senats in Drucksache 20/5770 auf Frage 2 – wörtliches Zitat –:

"Die allgemeinen Verbraucherpreise haben insofern Einfluss auf die Kostenentwicklung der HVV-Unternehmen, als diese Unternehmen auch Waren kaufen, die im Warenkorb für die Ermittlung der Verbraucherpreisentwicklung enthalten sind."

(Robert Bläsing FDP: Aha!)

Ich habe mich gefragt, welche Waren das wohl sein mögen, habe einmal in den Warenkorb hineingeschaut, der dem allgemeinen Verbraucherpreisindex zugrunde liegt, und einige Waren herausgeholt. Vielleicht können Sie mir helfen, ich finde, das passt alles nicht. Ein paar Vorschläge: Ein Warenkorbabschnitt ist Freizeit/Kultur/Unterhaltung. Meinen Sie, dass das eine typische Ware ist, die die HVV-Unternehmen kaufen und man sich deshalb an deren Preisentwicklung orientieren sollte? Ich glaube nicht.

(Glocke)

Entschuldigung. – Ich hatte eigentlich gedacht, dass ich den Satz heute nicht sagen müsste: Es ist deutlich zu laut.

Ein zweites Beispiel. Ein wichtiger, großer Posten im Verbraucherpreisindex sind Nahrungsmittel. Glauben Sie, dass der HVV für seine Busfahrer oder U-Bahnfahrer Brötchen bereitstellt und deshalb von den Nahrungsmittelpreisen abhängig ist? Ich glaube nicht.

Jetzt habe ich den Punkt, auf den Sie sich beziehen. Ein wichtiger Bestandteil des Verbraucherpreisindexes sind alkoholische Getränke. Vielleicht für die Busfahrer?

Kurz gesagt: Es gibt keine vernünftige Basis zur Berechnung aufgrund eines Verbraucherpreisindexes. Das ist völlig willkürlich und nur im Interesse des HVV, das ist Intransparenz par excellence.

(Beifall bei der FDP)

Dritter Punkt: Wenn man schon einen Index nimmt, der, vorsichtig gesagt, willkürlich ist, dann muss man wenigstens rückblickend überprüfen, ob die Kostenentwicklung tatsächlich so war, um zu sehen, ob der Index richtig ist. Ich habe also den Senat gefragt, wie die tatsächliche Kostenentwicklung in 2011 oder 2012 gewesen ist; für 2013 können wir es noch nicht wissen. Ich habe gefragt, ob das einmal abgeglichen werden könnte und die Kosten tatsächlich um 2 oder 3 Prozent gestiegen seien. Man ahnt die Antwort des Senats, es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder sagt er, er habe sich nicht damit befasst – das war dieses Mal nicht der Fall – oder er sagt, das sei Geschäftsgeheimnis. Meine Damen und Herren, was ist denn das? Unternehmen wollen über 200 Millionen Euro aus Steuergeldern haben und erklären ihre eigene Kostenentwicklung zum Geschäftsgeheimnis. Niemand will die Kosten pro gefahrenen Kilometer und Bus wissen, aber wir wollen schon, dass S-Bahn, Hochbahn und die anderen wenigstens ihre Gesamtkosten vorlegen und überprüft wird, ob die von ihnen selbst erstellte Kostenberechnung, anhand derer das Parlament Gelder bewilligt hat, richtig war. Das soll Geschäftsgeheimnis sein, das ist schlichte Verheimlichung und mit Steuergeld nicht zu machen.

(Beifall bei der FDP)

Ganz abgesehen davon wird das Geschäftsgeheimnis damit begründet, dass die Unternehmen sich im Wettbewerb befänden. Wie ich es in Erinnerung habe, hat der HVV in Hamburg ein Monopol im ÖPNV. Als Monopolunternehmen wollen Sie sich vor bösen Wettbewerbern schützen? Das glauben Sie doch selber nicht.

Vierter Punkt: Die Tariferhöhung ist aus unserer Sicht völlig unnötig. Ihrer Drucksache entnehmen wir, dass die Fahrgastzahl 2012 um 2,9 Prozent gestiegen ist. Die Verkehrserträge stiegen um 6,2 Prozent, das sind nicht weniger als 40,2 Millionen Euro – ohne Tariferhöhungen. 40 Millionen Euro Mehreinnahmen alleine, weil mehr Menschen den HVV nutzen, mehr Fahrten machen und mehr Tickets kaufen. Hinzu kommt, dass der HVV, wie Frau Koeppen herausgefunden hat, durch den Einstieg vorne weitere Mehreinnahmen von 6 Millionen Euro erwartet. Da sind wir schon bei 46 Millionen Euro. Frau Koeppen, ich ziehe gerne Ihre 4 Millionen Euro für die angeblichen Mehrkosten ab, dann bleibt immer noch ein Überschuss von 42 Millionen Euro. Das muss doch wohl reichen. Was nützen Ihnen da noch die 16 Millionen Euro, die Sie durch die Tariferhöhungen reinholen wollen? Auch in der Sache ist es also überhaupt nicht gerechtfertigt, eine Tariferhöhung durchzuführen.