Protocol of the Session on December 12, 2013

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Ausschuss Öffentliche Unternehmen überweisen. Wird das Wort gewünscht? – Herr Dr. Kluth.

(Jan Quast SPD: Herr Kluth sagt uns, was wir jetzt alles privatisieren müssen!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nach den Senatsjagden nun wieder zum Senat-Jagen. Wenn Sie vorgestern die Zeitungen gelesen haben, dann konnten Sie dort lesen:

"'Konzern Hamburg' mit dramatischem Minus"

Senator Tschentscher wurde mit den Worten zitiert:

"Die negative Entwicklung des Eigenkapitals ist besorgniserregend."

Einer der wesentlichen Treiber für diese Entwicklung,

(Jan Quast SPD: Die Jagd ist vorbei, dachte ich!)

der größte Brocken, wie Senator Tschentscher es genannt hat, ist die HSH Nordbank, also eine städtische Beteiligung.

Wenn Sie sich das vergegenwärtigen, dann ist ebenso besorgniserregend, was der Senat mit seinem Beteiligungsbericht 2012 in beeindruckender Weise dokumentiert, nämlich dass die Anzahl und das Geflecht der städtischen Unternehmen und Beteiligungen von Jahr zu Jahr mehr und mehr wächst. So hat sich die Anzahl der unmittelbaren Beteiligungen der Stadt innerhalb der letzten zehn Jahre von 68 auf 89 erhöht, und das ist nur die Spitze des Eisbergs, denn dahinter verstecken sich über 400 mittelbare Beteiligungen, Tochter-, Enkelund bei der HAMBURG ENERGIE auch Urenkelgesellschaften, die mit einer Bilanzsumme von insgesamt 28 Milliarden Euro berechnet werden, ohne die HSH Nordbank und die Wohnungsbaukreditanstalt. Gleichzeitig sinkt das Eigenkapital dieser städtischen Unternehmen zum Vorjahr um 2 Prozent auf 7,8 Milliarden Euro.

Und was ist mit den Beschäftigten? Die Anzahl der Beschäftigten in den öffentlichen Unternehmen ist zugleich Jahr für Jahr gestiegen, in den letzten zehn Jahren um 13 000; das entspricht einer satten Zunahme von über 32 Prozent.

Meine Damen und Herren! Sie werden sich an unsere Debatte aus dem vergangenen Jahr zum Antrag der FDP erinnern, eine neue Peiner-Liste zu erstellen. Herr Rose hat in dieser Debatte über unseren Antrag gesagt, dass es sich hierbei um eine neoliberale Privatisierungseuphorie handele. Das hält der Realität nicht stand, sondern ist, Herr Kollege Rose, nichts anderes als ein Schauermärchen. Der wahre Trend lautet nämlich: mehr Staat, weniger privat.

Damit kommen wir zum eigentlichen Punkt, nämlich dem Grund, warum die FDP-Fraktion den Beteiligungsbericht 2012 zur Debatte angemeldet hat: Der Senat vollzieht mit dem Beteiligungsbericht still und heimlich ohne Diskussion und erst recht ohne Beschlussfassung der Bürgerschaft eine Kehrtwende in seiner Beteiligungspolitik. Das halten wir für falsch.

(Beifall bei der FDP)

Warum sind wir dieser Auffassung, und wie kommen wir zu dieser Beurteilung? Die FDP-Fraktion hat, wie schon erwähnt, im vergangenen Jahr den Antrag eingebracht, ein Update der sogenannten Peiner-Liste aus dem Jahre 2004 vorzunehmen. Der Senat hatte damals die öffentlichen Unternehmen in vier Kategorien unterschieden: erstens Unternehmen, die für die Infrastruktur zwingend erforderlich sind, zweitens Unternehmen, die für den Wirtschaftsstandort Hamburg von besonderer Bedeutung sind, drittens Unternehmen, die für die Erreichung von besonderen Fachzielen von Bedeutung sind, und schließlich viertens Unternehmen, die unter keine dieser drei Kategorien fallen, also Unternehmen, für die es nach Paragraf 67 der Landeshaushaltsordnung kein wichtiges staatliches Interesse gibt, die also letztlich zu privatisieren sind.

Der Senat hat damals im Zusammenhang mit unserem Antrag argumentiert, dass es überhaupt keinen Anlass für einen solchen Antrag gebe, und die Begründung lautete, dass eine solche Klassifizierung quasi permanente Aufgabe des Senats sei. Die konkrete Antwort des Senats auf eine Schriftliche Kleine Anfrage der Kollegen Heintze und Kleibauer vom 8. August 2012 lautete – ich zitiere –:

"Ein Bericht über die Entwicklung aktueller Veränderungen der Kategorisierung ist für die laufende Legislaturperiode geplant."

Gleiches hat der Senat uns damals auch im Ausschuss Öffentliche Unternehmen mitgeteilt, nämlich in der Sitzung am 24. Mai 2012.

Wenn Sie nun den aktuellen Beteiligungsbericht lesen, dann werden Sie auf Seite 2 genau das Gegenteil der damaligen Aussagen finden – ich zitiere –:

(Vizepräsidentin Barbara Duden)

"Der Senat beabsichtigt grundsätzlich keine weiteren Privatisierungen öffentlicher Unternehmen mehr. Ausnahme- und Einzelfallentscheidungen […] rechtfertigen keine flächendeckende Kategorisierung aller öffentlichen Unternehmen bzw. Beteiligungen, so dass auf eine entsprechende Fortschreibung der […] Kategorisierung verzichtet werden soll."

Das ist das glatte Gegenteil dessen, was uns der Senat vor einem Jahr erzählt hat. Man kann es nicht nach dem Motto "Was schert mich mein Geschwätz von gestern" durchgehen lassen, denn es kollidiert nicht nur mit der Landeshaushaltsordnung, sondern stellt vor allen Dingen eine grundlegende Änderung der Beteiligungspolitik dar und muss deshalb auch hier in der Bürgerschaft debattiert und beschlossen werden.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Roland Heintze CDU)

Der Standpunkt der FDP in der Frage der öffentlichen Unternehmen ist sehr klar, ich habe ihn mehrfach in der Bürgerschaft vorgetragen. Die Stadt soll sich ausschließlich dort wirtschaftlich betätigen, wo es im Interesse der öffentlichen Daseinsfürsorge notwendig ist. Reisebüros, Fährunternehmen, Reparaturwerkstätten oder Stromhandelsunternehmen gehören nach unserer Auffassung nicht dazu. Zu welchen Missbrauchstatbeständen zulasten der Verbraucher, aber auch privater Wettbewerber dies führen kann, hat uns aktuell das Gutachten des Landesrechnungshofs zu HAMBURG ENERGIE vor Augen geführt.

Meine Damen und Herren! Dieser Senat hat in Sachen öffentliche Unternehmen längst die Grundlage der Landeshaushaltsordnung verlassen. Das Motto "I want my money back" ist Schnee von gestern. Bei Hapag-Lloyd wird die versprochene Dividende von 35 Millionen Euro nicht nur 2013, sondern auch 2014 ausfallen. Wir diskutieren in der Bürgerschaft oft über weitaus geringere Beträge, aber bei der SPD-Mehrheitsfraktion herrscht bei diesem Thema offensichtlich partielle Amnesie. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Frau Rugbarth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Kluth, ich habe mich gefragt, warum Sie den Beteiligungsbericht anmelden, den wir noch nie im Plenarsaal debattiert, sondern immer nur überwiesen haben, weil wir uns die einzelnen Beteiligungen jeweils im Ausschuss Öffentliche Unternehmen anschauen. Ich habe vermutet – und das, was Sie

eben erzählt haben, bestätigt meine Vermutung –, dass Sie Ihren damaligen Antrag, den wir abgelehnt haben, nun durch die Hintertür hier diskutieren wollen. Es war von Anfang an klar, dass wir keine Kategorisierung in dem Sinne vornehmen, wie Sie sie haben möchten, die zum Ziel hat, Unternehmen zu verkaufen. Wir haben eindeutig von Beginn an gesagt, dass der Verkauf von städtischen öffentlichen Unternehmen bestimmt keine Maßnahme ist, um den Haushalt zu sanieren, sondern da hilft nur Ausgabendisziplin.

(Beifall bei der SPD – Finn-Ole Ritter FDP: Und neue Beteiligungen kaufen!)

Selbstverständlich, zumindest eine neue; eine andere neue dürfen wir leider nicht kaufen und müssen sie wieder rückabwickeln.

Wir sind eine neue Beteiligung eingegangen, und nach den Kriterien, die Herr Kollege Kluth aufgezählt hat, ist das eine strategische Beteiligung und eine für den Wirtschaftsstandort Hamburg sehr wichtige Entscheidung.

(Finn-Ole Ritter FDP: Und deshalb gibt's auch keine Dividenden!)

Wir sind wohl alle einer Meinung, dass der Hamburger Hafen extrem wichtig ist. Insofern ist auch Hapag-Lloyd mit seinen Containerunternehmen und seiner Schifffahrtsreederei sehr wichtig, denn über 50 Prozent bei der HHLA werden durch Hapag-Lloyd bedient.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wir haben es aus gutem Grund abgelehnt, eine Kategorisierung der Unternehmen vor diesem Hintergrund vorzunehmen. Es ist sehr peinlich, dass Sie das, was in der 17. Wahlperiode aufgeschrieben wurde, nämlich diesen Privatisierungswahn, von dem wir alle wissen, dass wir ihn eigentlich in dem Sinne nicht wollen

(Finn-Ole Ritter FDP: Wer sagt das?)

die Bevölkerung will es nicht und wir auch nicht –, wieder aus der Mottenkiste hervorholen. In der 17. Wahlperiode haben Sie mit Schill regiert, und das möchte ich nicht noch einmal miterleben.

(Beifall bei der SPD)

Insofern hat keine Kehrtwende des Senats stattgefunden, Herr Kluth. Die Entscheidungen, die hinsichtlich Hapag-Lloyd und dergleichen getroffen wurden, haben nicht mit der Landeshaushaltsordnung kollidiert.

Und wie haben Sie sich bezüglich HAMBURG ENERGIE ausgedrückt? "Missbrauchstatbestände", ich glaube es nicht. Herr Kluth, es wird nicht besser, indem Sie es öfter sagen, es wird nur noch katastrophaler, weil es nicht stimmt. Lesen Sie den Bericht des Rechnungshofs anständig durch.

(Beifall bei der SPD)

(Dr. Thomas-Sönke Kluth)

Es gab keinen Missbrauchstatbestand. Der Rechnungshof hat festgestellt, dass es rechtens war, HAMBURG ENERGIE zu gründen. Im Zusammenhang mit den Ausschreibungen hat HAMBURG ENERGIE gesagt, dass das ein sehr guter Hinweis sei und in Zukunft auch berücksichtigt werde. Alles andere – Quersubventionierung und dergleichen mehr – hat nicht stattgefunden, sondern es gab eine Berechnung unter den beiden zu den Vollkosten. Was wollen Sie überhaupt? Das ist doch kein Missbrauchstatbestand. Vielleicht sollten Sie einmal bei Ihren Juristen in die Lehre gehen, was ein Missbrauchstatbestand ist.

(Beifall bei der SPD – Finn-Ole Ritter FDP: Das war aber nicht zum Thema!)

Das war für mich zu überraschend. – Herr Dr. Heintze hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nicht nur der Abgang war überraschend, der Inhalt auch. Ich dachte, wie sprechen über die Fragestellung, wie wir im Bereich der öffentlichen Unternehmen aufgestellt sind. Dafür soll die Senatsmitteilung dienen, und das sollten wir im Ausschuss umfassend tun. Die wichtigen Kennzahlen hat Herr Dr. Kluth bereits genannt.

Wir müssen aber auch über einen Punkt sprechen, der, Frau Rugbarth, in Ihren Darstellungen etwas verklärt vorkam. Dass es schon immer so gewesen sei, dass man eine Kategorisierung nicht wollte, dass man diese abgelehnt hat und nicht mehr fortschreiben will und etwas völlig Neues machen wollte, ist auch falsch. Der Senat hat im Mai 2012 auf unsere erste Frage hin erklärt, dass die Fortschreibung kommt. Wir haben dann gefragt, wann, und daraufhin hieß es, dass diese im August 2012 gemacht werde. Wir haben dann noch einmal nachgefragt, und es wurde gesagt, dass es demnächst erledigt werde. Plötzlich kam aus heiterem Himmel die jetzt vorliegende Drucksache, in der steht, dass man eine Kategorisierung nicht mehr vornehmen wolle. Wenn Sie das als konsequente Politik in diesem Bereich verkaufen wollen, dann hören Sie bitte auf, uns an der Nase herumzuführen. Das ist eine Kehrtwende, und dann sollte man sie auch als solche bezeichnen. Ich bin gespannt auf Ihre Begründung.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)