Protocol of the Session on December 11, 2013

Und deshalb sollten wir in Hamburg genauso verfahren.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Herr Ritter hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe CDU, natürlich gehört dazu, dass man beleuchtet, was unter Schwarz-Grün im Winter passiert ist. Sich nun davon völlig freizusprechen und eine ganz andere Meinung zu haben, beurteile ich etwas zurückhaltend.

Wir sprechen heute über eine besondere Gepflogenheit in der Flüchtlingspolitik, die viele Landesregierungen jeder Couleur schon angewendet haben, und zwar den Weihnachts- beziehungsweise Winterabschiebestopp. Dieser war und ist Ausdruck des Respekts vor den schwierigen Lebensumständen vieler Flüchtlinge und nimmt den Gedanken des weihnachtlichen Friedens im Behördenhandeln auf; das ist aus unserer Sicht eine gute Sache. Hamburgs Innenbehörde sagt jedoch in diesem Jahr, dass diese Gepflogenheit nicht mehr anzuwenden sei, auch nicht gegenüber Asylsuchenden, die in den Balkan außerhalb der EU zurück sollen, oder in besonders schwierigen Fällen. Das ist planlos und herzlos. Planlos ist es, weil das Folgen der verschlafenen SPD-Flüchtlingspolitik sind, die im letzten Winter monatelang den wachsenden Zustrom verschlafen hat.

(Dr. Monika Schaal SPD: Wer hat denn bis vor Kurzem regiert?)

Dann haben Sie hektisch nach Unterkünften wie Vollzugsmöglichkeiten nach geltendem Asylrecht gesucht, und nun ist der Winter plötzlich wieder da, die Unterkünfte sind überbelegt und der Zustrom reißt nicht ab. So wird, liebe SPD-Fraktion, aus Planlosigkeit Herzlosigkeit. Mangels Vorsorge kippen Sie einfach den vorweihnachtlichen Abschiebestopp. Wie man aus Kreisen der Innenbehörde hört, wird dieser seit Jahren praktiziert und dieses Jahr nun nicht mehr. Das ist herzloses Regieren und hat mit Sozialdemokratie nichts zu tun.

(Beifall bei der FDP, den GRÜNEN und der LINKEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Bist du eigentlich im Innenausschuss?)

Das hat weder mit dem Wir noch mit der Fürsorge für Menschen zu tun, sondern ist kaltherziges Ergebnis schlechter Planungen. Sie sollten damit aufhören, stattdessen mit vernünftigen Vorbereitungen der Flüchtlingspolitik beginnen und vor allem bei der Kapazität der Unterkünfte tätig werden.

(Beifall bei der FDP – Dr. Andreas Dressel SPD: Das war komplett falsch!)

Frau Schneider, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Alle Jahre wieder

(Dr. Martin Schäfer)

führen wir diese Diskussion – das ist leider nötig. Alle Jahre wieder müssen wir uns streiten, ob schutzbedürftige Menschen während des Winters nach Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, in den Kosovo und nach Albanien abgeschoben werden dürfen oder nicht, und zwar in Obdachlosigkeit, eiskalte Papphäuser oder nicht heizbare Baracken. In der "taz" wird heute der Sprecher der Innenbehörde mit den Worten zitiert, dass es keine neuen Argumente gebe, von der bisherigen Linie abzuweichen. Tatsache ist jedoch, dass es kein einziges Argument für die Abschiebung von Schutzbedürftigen in Kälte und Not gibt.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Das weiß der Senat selbst, denn obwohl die Bürgerschaftsmehrheit im Winter 2011/2012 einen entsprechenden Antrag der damaligen GAL abgelehnt hatte,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, eben!)

hat der Senat damals stillschweigend die Winterabschiebung gestoppt. Das handhaben Senat und Ausländerbehörde in diesem Jahr anders. Sie schrecken nicht davor zurück, Familien mit Kindern – auch mit kleinen Kindern –, Alleinerziehende mit Kindern und andere vulnerable Personengruppen in die Nachfolgestaaten Jugoslawiens abzuschieben, obwohl alle Beteiligten wissen, dass diese Menschen als Roma – denn es geht hier vor allem um Roma – nahezu schutzlos der eisigen Kälte und dem Hunger ausgesetzt werden. Die Ausländerbehörde schreckt nicht einmal davor zurück, Familien zu trennen. Gestern wurde ich von Unterstützern einer Roma-Familie angerufen. Während der Vater im Krankenhaus liegt, wurden seine Frau und seine vier Kinder, darunter 14 Monate alte Zwillinge, nachts um 4 Uhr aus der Wohnung geholt und nach Hannover verfrachtet, wo sie in den Flieger gesetzt und ins Nichts abgeschoben werden sollten. Vielen Dank an den SPD-Kollegen, dass diese Abschiebung in letzter Minute verhindert wurde.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Dass sie von der Ausländerbehörde aber überhaupt eingeleitet wurde, zeigt, dass sich in dieser Behörde und an der Flüchtlingspolitik des Senats gründlich etwas ändern muss.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und bei Finn-Ole Ritter FDP)

Mit der Abschiebung von besonders schutzwürdigen Personengruppen, von Familien, Kranken und Pflegebedürftigen in Eiseskälte setzen Sie Gesundheit und Leben von Menschen aufs Spiel. Die Situation in den Balkanländern ist nicht besser, sondern schlimmer als vor zwei Jahren.

Vor wenigen Tagen berichtete die "Deutsche Welle", dass der Westbalkan die ganze Wucht der Wirtschafts- und Finanzkrise der Europäischen

Union zu spüren bekommt, und zwar wegen der Verflechtung mit der EU. Er verzeichnet, so die "Deutsche Welle", ein negatives Wachstum, und die Armut der Bevölkerung nehme dramatische Ausmaße an. Betroffen sind nicht nur, aber in allererster Linie die Roma-Minderheiten.

Vier Bundesländer, das wurde gesagt, haben einen Winterabschiebestopp verhängt. Sie sind der Auffassung, dass die Abschiebung während des Winters die Betroffenen in eine unerträgliche Situation bringt, in der sie extrem gefährdet sind. Warum diese Gefährdung nur für Flüchtlinge gelten soll, die in Schleswig-Holstein, Bremen, Rheinland-Pfalz oder Mecklenburg-Vorpommern untergebracht sind, müssen Sie erklären. Die Europäische Menschenrechtskonvention gilt für alle. Stoppen Sie die Abschiebung wenigstens im Winter. Das ist unverzichtbar und wäre ein erster Schritt zu einer humaneren Flüchtlingspolitik.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Die GRÜNEN haben mit der Anmeldung dieses Themas recht. Die zivilgesellschaftliche Solidarität nicht nur mit den Lampedusa-Flüchtlingen, sondern mit allen Flüchtlingen, die hier in Hamburg Schutz suchen, ist überwältigend. Morgen werden viele Hamburger Schülerinnen und Schüler während der Schulzeit

(Juliane Timmermann SPD: Das ist das Al- lerletzte!)

für die Rechte der Flüchtlinge und eine solidarische Flüchtlingspolitik mit viel Zivilcourage auf die Straße gehen. Diese politische Solidaritätsbewegung ist kraftvoll, dauert an, wird so schnell nicht kleinzukriegen sein und lässt sich nicht auf einige Szeneviertel beschränken. Sie ist ein Faktor, den Sie sowohl in die konkreten Auseinandersetzungen um die Rechte einzelner Flüchtlinge und Flüchtlingsgruppen als auch in die Diskussionen über eine andere, solidarische, den Menschenrechten der Flüchtlinge Rechnung tragende Flüchtlingspolitik einbeziehen müssen.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt nun Senator Neumann.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland und Hamburg leisten bei der Aufnahme von Flüchtlingen Erhebliches. Gerade in diesem Monat haben wir mehr als 1200 Menschen in der Hamburger Zentralen Erstaufnahme untergebracht. Das ist eine große Herausforderung, die solidarisch von den Hamburgerinnen und Hamburgern geschultert wird.

(Beifall bei der SPD)

(Christiane Schneider)

Besonders wichtig ist mir, dass dies auch an Standorten gemeistert wird, die nicht immer den Beifall der Anwohnerinnen und Anwohner finden. Wir wissen, dass man in anderen Städten anders reagiert, und es macht stolz, wie Hamburg damit umgeht.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte an dieser Stelle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Einwohner-Zentralamts und den Kolleginnen und Kollegen von "fördern und wohnen", aber auch den Anwohnerinnen und Anwohnern dafür danken. Die Situation vor Ort ist nicht immer leicht zu lösen, aber Hamburg zeigt sich in dieser Frage mehr als solidarisch.

(Beifall bei der SPD)

Diese solidarische Haltung ist auch diejenige des Hamburger Senats. So bauen wir beispielsweise die Unterbringungsplätze in den sogenannten Folgeeinrichtungen massiv aus; die Zahlen sind gerade vom Abgeordneten Schäfer genannt worden. Die Sozial- und Innenbehörde arbeiten Hand in Hand zusammen und das ausdrücklich mit Unterstützung der Bürgerschaft, insbesondere der Haushaltsbeschlüsse. Dafür möchte ich noch einmal Dank sagen. Was wir an Solidarität und Haltung entwickelt haben, braucht auch finanzielle Hinterlegungen, und die Bürgerschaft hat das Geld zur Verfügung gestellt; dafür auch an dieser Stelle noch einmal danke.

(Beifall bei der SPD)

Das wird vor Ort geleistet und zeigt den solidarischen Ansatz, den Hamburg in der Flüchtlingspolitik verfolgt, aber wir streiten auch in der Bundespolitik für Veränderungen. So habe ich im Rahmen der Innenministerkonferenz massiv dafür geworben, beispielsweise die Aufnahme syrischer Flüchtlinge erheblich auszuweiten, obwohl ich weiß, welche Herausforderungen in der Unterbringung dies für unsere Stadt bedeuten würde. Ich war mir mit meinen Länderkollegen darin einig, dass die Aufnahme von lediglich 5000 Syrern im Angesicht der Verfolgung und des Krieges in dieser Region ein unangebracht kleiner Beitrag ist, wenn man sich anschaut, was unsere türkischen Freunde oder auch Jordanien hier leisten.

(Beifall bei der SPD)

Durchsetzen konnte ich mich mit meinem Vorschlag der Vervierfachung leider nicht, aber immerhin stimmten die Kollegen von CDU und CSU einer vorläufigen Verdoppelung zu – wenn auch aus meiner Sicht eine zu geringe Zahl –, um mehr Menschen eine Perspektive und Sicherheit in Deutschland zu geben.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Hamburg also bereit ist, seinen solidarischen Beitrag zu leisten, Menschen auf der Flucht

und in Not zu helfen, dann muss auch klar sein, dass Menschen, die nach rechtlicher und zum Teil auch parlamentarischer Überprüfung keine legale Bleibeperspektive haben, in ihre Heimat zurückkehren müssen. Deshalb sieht das bundesrechtlich geregelte Aufenthaltsrecht Abschiebungen unter bestimmten Voraussetzungen vor. Das macht auch deshalb Sinn, da wir für die Menschen, die ein Bleiberecht zugesprochen bekommen haben oder sich noch im Verfahren befinden, angemessene Unterbringungsmöglichkeiten, medizinische und sonstige Versorgung sicherstellen wollen. Die immer wieder erhobene Forderung nach pauschalen Ausnahmen für bestimmte Jahreszeiten oder Herkunftsregionen ist so weder im Gesetz vorgesehen, noch halte ich sie persönlich politisch für richtig.

(Tim Golke DIE LINKE: Aber ein Akt der Menschlichkeit!)

Jeder Rückführung gehen rechtsstaatliche Verfahren und meist auch Überprüfungen durch unabhängige Gerichte und unseren Eingabenausschuss sowie teilweise auch der Härtefallkommission voraus. In vielen dieser Verfahren stellen die dafür verantwortlichen Behörden, Gerichte, aber auch Abgeordneten einen konkreten Schutzbedarf fest, vor allem bei Schutzsuchenden aus Syrien oder Afghanistan, Iran oder Irak.

Frau Schneider, ich will es so deutlich sagen: Niemand, der schutzbedürftig ist, wird aus Deutschland zurückgeführt.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Christia- ne Schneider DIE LINKE: Kleine Kinder!)