Protocol of the Session on December 11, 2013

Koalitionsvertrag in Berlin – auch ein Erfolg für Hamburg!

und von der CDU-Fraktion

Koalitionsvereinbarung in Berlin – Chancen für Hamburg nutzen

Es wird Sie nicht überraschen, dass die Fraktionen übereingekommen sind, die Themen 2, 4 und 5 gemeinsam debattieren zu wollen. Ich rufe zunächst das erste Thema auf. Frau Möller hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es gebe noch andere Länder, in denen es im Winter kalt ist – so die Stellungnahme des Sprechers der Innenbehörde zum heutigen Pressethema einer Winterregelung für Roma und Sinti, die in die Balkanländer zurück sollen. Diese Äußerung bewegt sich auf einem ähnlichen Niveau wie die Äußerung, die wir vor ein paar Monaten vom Bürgermeister hören konnten, dass Italien ein schönes Land sei. Sie fielen beide im Zusammen

hang mit humaner Flüchtlingshilfe und sind völlig deplatziert.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Das ist nicht die Ebene, auf der ich dieses Thema diskutieren möchte. Ich halte mich eher an die Beschlüsse von verschiedenen Bundesländern – zum Beispiel Schleswig-Holstein –, die in ihrem Erlass für die Winterregelung eine Formulierung gefunden haben, die ich wesentlich angemessener finde: Die Rückkehr in Sicherheit und Würde sei nicht gesichert, und deswegen werde es aus Schleswig-Holstein keine Rückführung über den Winter geben. In diesem Ton sollten wir uns auch hier bewegen und diskutieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Die Situation vor allem der Roma-Minderheiten im ehemaligen Jugoslawien ist wohl uns allen inzwischen bekannt. Diese Personengruppen sind nicht in das gesellschaftliche System eingebunden. Sie haben kaum Zugang zu Wohnungen oder zur Gesundheitsversorgung, auch nicht zur Arbeitsvermittlung, und an Bildungszugängen fehlt es ebenfalls. Natürlich ist es leicht zu sagen, dass die große Frage des Umgangs mit den Roma-Minderheiten im europäischen Raum mit Hamburg nichts zu tun habe und dass man sie in Hamburg nicht lösen könne. Einerseits ist das richtig und andererseits falsch, weil es schließlich immer wieder um eine politische Entscheidung zugunsten dieser Minderheiten geht. Genau an der Stelle und deswegen abgetrennt von der großen, breiten Diskussion gibt es schlicht einen einzigen Aspekt, bei dem Hamburg sehr wohl entscheidungsfähig ist und die Entscheidungskompetenz hat, die Bereitschaft jedoch nicht vorhanden zu sein scheint. Das komplexe Thema Roma bedarf an dieser Stelle eines einfachen Signals oder einer kleinen Geste, nämlich dass die von der Ausreiseverpflichtung beziehungsweise Abschiebung bedrohten Familien nicht in den Winter zurückgeschickt werden.

(Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Die Zuständigkeit des Bundes und der Europäischen Union ist an dieser Stelle irrelevant. Die Menschen sind schlicht und einfach hier.

Es gibt in dieser Stadt eine Welle der Solidarität, die sich an vielen Stellen zugunsten von Flüchtlingen öffentlich äußert. Einerseits geht es um das Thema libysche Flüchtlinge, andererseits aber genauso darum, dass es mehr Plätze in der öffentlichen Unterbringung geben muss und wir mehr Platz für Flüchtlinge brauchen. Dazu hat sich in den letzten Monaten eine große Bereitschaft und Solidarität in fast allen Stadtteilen – man muss sogar sagen, in allen Stadtteilen – entwickelt. Es gibt Runde Tische und Familienpartnerschaften. In diesem Zusammenhang führt die öffentliche Berichterstattung darüber, dass Familien und dass Men

schen, die krank sind, in den Winter abgeschoben werden, und der Verweis auf Einzelfallentscheidungen im Eingabenausschuss oder in der Härtefallkommission als alleiniges Angebot für eine politische Lösung zu großen Irritationen. Das ist schlicht und einfach keine politische Lösung, weil sich dadurch das grundsätzliche Verhalten der Ausländerbehörde nicht ändert.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN und bei Finn-Ole Ritter FDP)

Wenn wir darüber hinaus erleben, dass es durch den Senat eine Auszeichnung von Schülerinnen und Schülern gibt, die sich für Flüchtlinge einsetzen, dass sich der Senat selbst weit vor die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte stellt und seinen humanitären Blick auf die Welt darstellt und dass die SPD sogar zu Recht sagt, dass sie in den Koalitionsverhandlungen viel für die zukünftige Flüchtlingspolitik erreicht hat, dann macht uns das nicht davon frei, dass wir Menschen hier haben, die im Winter in höchster Not in ihren Herkunftsländern sind und jetzt eine Entscheidung zugunsten der Menschen aus den Balkanstaaten, die in dieser Stadt leben und keine unmittelbare Zukunft in ihrem Herkunftsland haben, brauchen. Deswegen plädiere ich dafür, sich über die Einzelfallentscheidung hinaus politisch zu verständigen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort hat Herr Dr. Schäfer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es geht in der Tat darum, ein humanes Flüchtlingsrecht und einen humanen Umgang mit Flüchtlingen sicherzustellen. Das ist unserer Überzeugung nach in Hamburg gewährleistet.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt mit Stichtag 31. Oktober dieses Jahres 10 401 Plätze, davon 9351 in einer öffentlichen Unterkunft. Die Differenz ist in der Zentralen Erstaufnahme für Flüchtlinge, sodass die Flüchtlinge hier ein menschenwürdiges Leben entsprechend den Gesetzlichkeiten, die bei uns gelten, führen können. Der Senat hat seit November 2012 insgesamt 2651 Plätze zusätzlich geschaffen. Weitere 2730 solcher Plätze sind in Vorbereitung, und es ist bekannt, dass darüber hinaus noch einmal 1470 geschaffen werden müssen. Daran wurde und wird bisher erfolgreich gearbeitet, und das ist gut so und auch notwendig.

(Beifall bei der SPD)

Alle Jahre wieder erreicht uns die Debatte eines kompletten Abschiebestopps für den Winter auf den Balkan. Frau Möller, damit wird nicht unbe

dingt gemeint sein, nur auf den Balkan nicht abzuschieben. Wir haben hier zum Beispiel auch Flüchtlinge aus Moldawien und Tschetschenien, wo es im Winter mindestens genauso kalt ist, und man müsste sich überlegen, warum dorthin abgeschoben werden könnte und auf den Balkan nicht.

(Jens Kerstan GRÜNE: Andere machen es ja!)

Sie haben aber selbst speziell die Roma-Flüchtlinge angesprochen, denen es auf dem Balkan in den dortigen Ländern in der Tat nicht gut geht.

(Jens Kerstan GRÜNE: Ja, aber tun muss man etwas!)

Das ist ohne jeden Zweifel so, und es ist uns bekannt.

(Jens Kerstan GRÜNE: Ja, aber Sie tun nichts!)

Es ändert aber nichts daran, dass im Einzelfall auch Roma-Familien oder Mitglieder von RomaStämmen entsprechend den Gegebenheiten, die in jedem Einzelfall geprüft werden, ausgewiesen werden müssen. Wenn der Einzelfall nichts anderes möglich macht, müssen auch sie rückgeführt werden. Das geschieht von hier, wie Sie sagten, in Würde und Sicherheit.

(Beifall bei der SPD und Zurufe von den GRÜNEN)

Sie haben das Beispiel Schleswig-Holstein angeführt, und ich darf Sie an Niedersachsen erinnern, wo es nicht so gehandhabt wird.

(Finn-Ole Ritter FDP: Nur im Wahlkampf be- sprochen!)

Es wird dort genauso weitergeführt wie in Hamburg. Das ist auch angemessen, um Ungerechtigkeiten, die jede scheinbare Kollektivlösung mit sich bringt, nach Möglichkeit einzudämmen.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen führt kein Weg daran vorbei, jeden einzelnen Fall im Hinblick auf die möglicherweise individuelle Notlage zu betrachten, um dann jederzeit sicherstellen zu können, dass jemand hierbleiben darf, wenn es notwendig ist. Wenn es aber aus persönlichen Umständen heraus nicht notwendig und geboten ist, dann gelten die Regelungen, die für alle gelten, und im Zweifel muss abgeschoben und rückgeführt werden. Sie sind ja damit einverstanden, dass das in den Sommermonaten geschehen kann,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Nein!)

Frau Möller, wenn ich Sie richtig verstanden habe.

(Antje Möller GRÜNE: Das ist doch albern, Herr Schäfer! Was ist das für ein Niveau!)

(Antje Möller)

Und wenn Sie einen Abschiebestopp nur für die Wintermonate fordern, dann schließt das ein, dass Sie grundsätzlich einsehen, dass Rückführungen notwendig sein können. Dann müssen sie aber auch umgesetzt werden, wenn nicht individuelle Gründe entgegenstehen.

(Beifall bei der SPD)

Nun hat das Wort Herr Voet van Vormizeele.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das hat hier ein bisschen was von Jahreszeiten. Wir können Winter und Herbst danach definieren, wann bestimmte Debatten wiederkommen, und diese haben wir nicht erst einmal, sondern bereits zweioder dreimal geführt. Es gibt keine neuen Argumente, und deswegen werde ich mich bemühen, meine fünf Minuten nicht voll und ganz auszunutzen.

Für meine Fraktion will ich zum wiederholten Male deutlich machen, dass wir einem globalen, undifferenzierten Winter-Abschiebestopp nicht zustimmen werden. Ich bin voll und ganz der Meinung, dass wir humanitäre Lösungen dort brauchen, wo sie im Einzelfall geboten sind, sage aber auch ganz deutlich, dass Humanität nicht nur durch den Eingabenausschuss oder die Härtefallkommission ausgeübt werden kann. Ich gehe davon aus, dass jeder Entscheider in der Ausländerbehörde mit genauso viel Menschensachverstand ausgestattet ist,

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Das ist aber sehr optimistisch!)

eine solche Entscheidung in dem Sinne zu treffen. Davon bin ich fest überzeugt.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Frau Möller hat eben bereits darauf hingewiesen, was in Kiel passiert, und Herr Dr. Schäfer hat Niedersachsen erwähnt. Liebe Kollegen der GRÜNEN, man wird glaubwürdig, wenn man es dort, wo man Verantwortung trägt, auch richtig macht. In einem Bundesland in Deutschland regieren die GRÜNEN sogar: Baden-Württemberg. Nun fragen Sie einmal, was die Kollegen in Baden-Württemberg tun. Sie machen keinen solchen Abschiebestopp. Seien Sie mir nicht böse, aber daher finde ich Ihre Argumentation nicht sehr glaubwürdig. Wo Sie hätten handeln können, haben Sie es aus guten Gründen nicht getan.

(Jens Kerstan GRÜNE: Und in Schleswig- Holstein?)

Und deshalb sollten wir in Hamburg genauso verfahren.