Ich sage: Nein. Wir haben nämlich im Wahlrechtskompromiss auch vereinbart, dass es kleinere Wahlkreise gibt. Natürlich braucht man in diesen
kleineren Wahlkreisen viel weniger Stimmen als bisher. Damit haben engagierte Kommunalpolitiker, die nicht zwingend in einer der fünf hier vertretenen Parteien aktiv sind, eine Chance, über die Wahlkreise in die Bezirksversammlung zu kommen. Der Unterschied ist, dass ihr Mandat nicht für die Mehrheitsfindung im Plenum der Bezirksversammlung eine Rolle spielt, weil das Mandat ausgeglichen wird. Das ist wichtig. Man kann sich als Kommunalpolitiker in seinem Wahlkreis engagieren, das soll auch so sein. Wir wollten damit eine Stärkung der Quartiere in der Bezirkspolitik erreichen. Das ist in diesem Hause dieses Jahr so beschlossen worden.
Nun haben wir im Mai, das ist hier schon erwähnt worden, ein anderes Urteil vom Berliner Verfassungsgericht zur Kenntnis genommen. Dort wurde eine moderate Sperrklausel, ebenfalls von 3 Prozent, für die Berliner Bezirksverordnetenversammlungen bestätigt mit der Geschichte, dass das Berliner Abgeordnetenhaus eine Fünf-Prozent-Hürde gekippt bekommen hat, die einfach gesetzlich geregelt war in Berlin. Diese 3 Prozent sind dann vom Abgeordnetenhaus auch in der Berliner Verfassung verankert worden. Das wurde dann im Mai dieses Jahres vom Berliner Verfassungsgericht bestätigt.
Wir haben dieses Urteil über die Zeit der Bundestagswahl ausgewertet und uns natürlich auch Gedanken gemacht. Wir haben es uns nicht einfach gemacht. Wir GRÜNE haben eine sehr intensive interne Debatte gehabt, aber am Ende gesagt, dass wir den Berliner Weg gehen wollen, der, wie wir vorhin schon gehört haben, auch in vielen anderen Bundesländern schon gegangen worden ist. Das halten wir für richtig, und ich werde auch gleich sagen, warum.
Das Hamburger Gerichtsurteil von Anfang des Jahres hat nicht ausgeschlossen, dass es ohne Sperrklausel Probleme in den Bezirksversammlungen geben könnte. Sie haben gesagt, es könnte dazu kommen. Die Pille zur Genesung war aber das Eingreifen des Senats. Was jahrelang partei- und fraktionsübergreifend Konsens war, die Stärkung bezirklicher Interessen, erfährt damit wieder einen Rollback. Was wir also einfach gesetzlich gemacht haben, um mehr Kompetenzen in die Bezirke zu verlagern, würde durch diesen Vorschlag des Hamburgischen Verfassungsgerichts, der Senat solle dann eben eingreifen, zunichte gemacht. Diese Aussicht, dass eine sehr wahrscheinliche Situation eintritt, hat uns nicht überzeugt, abzuwarten und dann eben einmal fünf Jahre lang den Senat durchregieren zu lassen. Aus unserer Sicht als
Ich verstehe auch nicht die Erklärung der FDP, dass sie diesen Vorschlag des Verfassungsgerichts begrüßt, also praktisch einer Entmachtung der Bezirke im Zweifel das Wort redet. Vielleicht erläutern Sie einmal, ob Sie das nicht so gemeint haben, aber es kam so rüber und ich war einigermaßen erschrocken. Wir wollen nicht, dass die Bezirksversammlungen geschwächt werden. Auch DIE LINKE hat in mehreren Presseerklärungen gesagt, dass es 2 Prozent bedarf, um überhaupt in die Bezirksversammlungen hineinzukommen. Ich habe schon vorhin darauf verwiesen, Frau Schneider: Ich möchte doch darum bitten, einmal nachzuschauen, was der Landeswahlleiter uns Abgeordneten gegeben hat.
(Christiane Schneider DIE LINKE: Das habe ich auch gar nicht in die Pressemitteilung geschrieben! Das stimmt nicht!)
Vielleicht ist einfach ein Missverständnis aufgetreten. Wir wollen nicht, dass die Bezirksversammlungen fünf Jahre lang in einer schwierigen Situation sind, nicht mehr sehr viel entscheiden und dadurch praktisch erstens dem Senat und zweitens der Verwaltung dieser Stadt den Spielraum geben, die Bürgerinteressen vor Ort, die durch die Wahl nächstes Jahr im Mai in der Institution der Bezirksversammlungen doch eigentlich manifestiert werden, sozusagen ad acta zu legen. Wir brauchen uns über die Frage "Soll ich noch wählen gehen?" und die Antwort der Bürger darauf wirklich keine Gedanken mehr zu machen, wenn diese Wahl sozusagen ad absurdum geführt wird.
Jetzt komme ich noch kurz zu der Frage, ob wir die Verfassung nach diesem Gerichtsurteil ändern dürfen. Wir GRÜNE sagen: Ja. Es gibt diesen verfassungspolitischen und verfassungsrechtlichen Spielraum der Länder. Wir verstoßen nicht gegen das Demokratieprinzip; das haben auch die Verfassungsrichter in Berlin im Mai eindeutig festgestellt. Deswegen wollen wir diesen Spielraum nutzen, um Schaden von der Hamburger Demokratie und von der Kommunalpolitik abzuwenden. Wir glauben auch, dass dieser Schaden nicht nur eine theoretische Frage ist. Wir haben uns sehr intensiv mit der Situation in den Bezirksversammlungen auseinandergesetzt. Jede Partei, die hier sitzt, hat viele Bezirksabgeordnete. Sie kann vor Ort nachfragen, wie es ist, und alle werden etwas dazu zu sagen wissen.
Am Ende muss man sagen, wir regeln zwar die Wahlgleichheit in der Verfassung, aber wir dürfen auch auf dieser Ebene mit der Ergänzung einer
Drei-Prozent-Sperrklausel eine kleine moderate Einschränkung machen. Diesen Weg wollen wir gehen, und wir sind davon überzeugt, dass es der verfassungsrechtlich richtige ist, der politisch richtige sowieso. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ehemaliger Bezirkspolitiker finde ich diesen Stellenwert, der gerade in der Debatte den Bezirksversammlungen gegeben wird, wirklich erbaulich. Wenn ich damals gewusst hätte, als ich in der Bezirksversammlung war, dass ich zusammen mit meinen Kollegen in der Lage wäre, die Grundfesten der Demokratie in Hamburg anzugehen, dann hätte ich vielleicht anders gehandelt. Die Bezirksversammlungen in Hamburg sind Verwaltungsausschüsse und die machtlosesten kommunalen Organe in der gesamten Bundesrepublik. Dies sage ich, um die Debatte wieder auf den Teppich zurückzuholen.
Ich komme nachher auf die wirklichen Beweggründe zu sprechen und nicht auf die, die bisher vorgeschoben wurden. Diese Verfassungsausschüsse sind nun einmal sehr machtlos.
Ich kann mir bei keiner Zusammensetzung vorstellen, dass diese Bezirksversammlungen überhaupt funktionsunfähig würden. Denn selbst, wenn wir annehmen, wir hätten dort zehn Einzelkämpfer, dann hätten wir mindestens 41 Abgeordnete der großen Parteien. Und dass die nicht in der Lage wären, eine Mehrheit zusammenzubringen, ist wirklich ein Armutszeugnis, das wir den Bezirkspolitikern geben.
Was mich daran stört, sind nicht diese 3 Prozent, darüber kann man diskutieren, aber dieses Vorgehen stört mich. Das Verfassungsgericht hat vor kaum zehn Monaten ein Urteil gefällt. Und nun versucht man, obwohl die Verhältnisse sich überhaupt nicht geändert haben, nur durch diesen schönen Trick, indem man eine Bestimmung in die Verfassung hineinschreibt …
wahrscheinlich von denjenigen, die das jetzt auch tun. Und es bedarf sehr viel Phantasie, wie das Verfassungsgericht dann diesen Klagenden nicht recht geben wird, weil die Bürgerschaft sich nämlich überlegt hat, dass sie eine andere Meinung hat als das Verfassungsgericht. Das heißt, nachdem die Vorbereitungen für die Wahlen schon begonnen haben,
Zum anderen ist das Europaparlament weitaus machtvoller als die Bezirksversammlungen. Das kommunale Wahlrecht in Deutschland sieht in großen Teilen der Bundesrepublik überhaupt keine Prozenthürde mehr vor. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bezirkspolitiker in Hamburg unfähiger sind als die in München, Stuttgart, Köln oder Frankfurt.
Die Eile, die mich umtreibt, hat auch einen Grund. Es gab eine Zeit vor dem Beginn der Listenaufstellungen, und wenn es wirklich so ein dringendes Thema und so ein dringendes Bedürfnis ist, dann hätte man das auch vor dem Beginn der Fristen machen können. Das ist aber nicht gemacht worden und das heißt, dass man jetzt das Risiko eingeht, dass zu diesen Wahlen im Mai nächsten Jahres geklagt wird. Es könnte sogar sein, dass es eine Wahlwiederholung gibt.
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Trepoll?
Herr Kollege Dr. Duwe, ist Ihnen bekannt, dass wir das Bundestagswahlrecht erst im Sommer, also acht Wochen vor der Bundestagswahl, geändert haben?
(Dr. Andreas Dressel SPD: Mit Stimmen der FDP! – Gegenruf von Christiane Schneider DIE LINKE: Da müsst ihr doch nicht stolz drauf sein!)
Ist Ihnen das bekannt, und wie interpretieren Sie das in Bezug auf Ihre Argumentation von eben, dass angeblich das Aufstellungsverfahren dadurch gestört werde, wenn wir die Verfassung ändern?
Woher wissen Sie denn, dass es keine Klagen geben wird? Das Bundesparlament, die Bürgerschaft und das Europaparlament mit einer Bezirksversammlung zu vergleichen, geht nicht, denn das ist ein Verwaltungsausschuss. Das hat das Verfassungsgericht in seinem Urteil ganz gut beschrieben, und das ist die Realität. Wenn Sie die Grundlagen dieses Urteils ändern wollen, dann müssen wir den Bezirksversammlungen viel mehr Rechte geben. Dann wäre es gerechtfertigt, über 3 Prozent zu reden, aber nicht über die Verwaltungsausschüsse. Das ist wirklich unredlich.
2011 sind in die Bezirksversammlung Bergedorf drei fraktionslose Abgeordnete eingezogen, und ich kann mich nicht erinnern, dass dort ein Chaos ausgebrochen ist.
Natürlich, aber die sind durch die Wahlkreise hineingekommen; es ist doch völlig egal, ob so oder so.