Protocol of the Session on May 19, 2011

Wir werden Schwierigkeiten mit der Gewerbesteuer haben, was Sie natürlich wünschen. Sie würden am liebsten gar keine Steuern zahlen, das ist auch nachvollziehbar.

(Zuruf von Katja Suding FDP – Finn-Ole Rit- ter FDP: Ist das schwach!)

Aber wir erreichen kein Gemeinwesen und auch keinen einzigen Prioritätspunkt, Frau Suding, für Forschung und Wissenschaft, was Sie gestern gefordert haben, wenn die öffentliche Hand nicht genügend Einnahmen hat. Insofern brauchen wir in der Tat einen umfassenden Reformansatz, der sich hinter dem Projekt der reformierten Vermögensteuer verbirgt, weil uns sonst noch mehr Sachen weggenommen werden, auf die wir dringend angewiesen sind. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Danke schön. – Senator Dr. Tschentscher hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zur Frage, ob die Schuldenbremse ein ehrgeiziges Ziel ist, kann ich nur ja sagen. Die Schuldenbremse des Grundgesetzes bis 2020 einzuhalten, Herr Heintze, ist ein ehrgeiziges Ziel, und zwar für alle Bundesländer, für das eine allerdings etwas ehrgeiziger als für

(Dr. Joachim Bischoff)

das andere. Berlin hat es in der Tat noch etwas schwerer als Hamburg, obwohl die 0,3 Prozent, die Sie immer zitieren, nicht ganz vergleichbar sind mit der Linie, die wir ziehen. Aber ich gebe Ihnen recht, Berlin ist noch etwas schwieriger dran, und Bremen mit der grünen Finanzsenatorin ist in einer richtig dramatischen Situation. Die Einhaltung der Schuldenbremse ist für alle Bundesländer ein ehrgeiziges Ziel und es ist überhaupt nicht ehrgeizig, wenn man in einer günstigen konjunkturellen Situation sagt, alles sei im Lot, der Haushalt sei ausgeglichen und das Defizit beseitigt, um dann kurze Zeit später, nachdem die Konjunktur in die andere Richtung schwingt, festzustellen, dass es doch anders ist, und dann macht man mal eben Milliarden von Euro neue Schulden. Das ist kein ehrgeiziges Ziel und deswegen halten wir einen kontinuierlichen Kurs auf das Jahr 2020.

Ich habe irgendwo eine Unterlage gefunden, in der die CDU sagte, man solle das Ziel der Schuldenbremse schon früher anstreben, nämlich 2015, man müsse jetzt nur dreistellige Millionenbeträge weniger auszugeben. Das hört man als Finanzsenator gern. Dann müssen Sie uns aber auch bei den Haushaltsberatungen, die demnächst stattfinden, sagen, welche Titel Sie um dreistellige Millionenbeträge absenken wollen. Dann wird deutlich werden, was ehrgeizig ist. Unser Ziel ist ehrgeizig und das, was ich dort höre, ist für meine Begriffe nicht umsetzbar und wäre verantwortungslos.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir aber jetzt über den Antrag zur Vermögensteuer sprechen, dürfen wir ein Missverständnis nicht aufkommen lassen. Wir werden nicht unseren Kurs bis 2020 davon abhängig machen, ob die Vermögensteuer kommt oder nicht. Das können wir uns nicht erlauben, wir können nicht weiter Zeit verlieren. Man darf deshalb nicht verwechseln oder missverstehen, dass in der Tat strukturelle Einnahmeveränderungen in der Zukunft auftreten können, dass unser Fluchtpunkt aber immer 2020 bleibt.

Ich möchte noch gern den Hinweis von Frau Hajduk aufnehmen, dass wir im Zusammenhang mit der Vermögensbesteuerung auch über diese höhere Einkommensteuer für Spitzenverdiener im Paket nachdenken müssen. Das gehört zusammen, das steht in diesem Antrag nicht, aber es gehört in ein Paket, weil die Fakten nämlich so sind, wie die FDP sie ungern hört. Die will ich deshalb einmal ohne großartige politische Weltanschauung vortragen.

In der Zeit, als man die Vermögensteuer nicht eingeführt hatte, Anfang des vorigen Jahrzehnts, gab es eine bestimmte Vermögensverteilung; ich nenne ein paar Zahlen. Seit dem Jahr 2000 hat das unterste Fünftel der Einkommensbezieher – von 2000 bis heute – real 8 Prozent Einkommen verloren.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Bezieherinnen aber auch!)

Die oberen 10 Prozent der Einkommensbezieher haben real plus 15 Prozent gewonnen. Das sind einfach Fakten, die sich in wenigen Jahren in der Statistik zeigen. Den 10 Prozent der am meisten vermögenden Menschen gehörten 2002 57 Prozent des Privatvermögens, heute sind es 61 Prozent. Das hat nichts mit Sozialneid zu tun, man gönnt es jedem. Aber das ist die strukturelle Entwicklung auf der Vermögensseite. Es gibt einen absolut sehr hohen Anstieg privaten Vermögens. Es gibt auf der anderen Seite ein sehr hohes Defizit in den öffentlichen Kassen. Ich sage das ohne jegliche Weltanschauung, das sind Fakten und daran darf man nicht vorbei diskutieren.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und bei Jens Kerstan GAL)

Die stärkere Heranziehung großer Vermögen zur Finanzierung des Gemeinwesens ist deshalb ein naheliegender Gedanke. Auch im internationalen Vergleich sind die vermögensbezogenen Steuern insgesamt – man darf sich nicht nur ein Element herausgreifen – in Deutschland deutlich schwächer ausgeprägt als im OECD-Schnitt. In Deutschland werden im Schnitt Lohneinkommen überproportional belastet. Insofern ist das Anliegen des heutigen Antrags, bezogen auf die Vermögensentwicklung in den vergangenen Jahren und auch im Hinblick auf den internationalen Vergleich, plausibel.

Die Vermögensteuer, auch das ist ein weit verbreiteter Irrtum, ist auch nicht abgeschafft, sie wird nur nicht erhoben. Jetzt werden Sie sagen, das ist ein akademischer Punkt, es komme nichts in die Kasse, aber der Unterschied ist, dass die Vermögensteuer existiert, sie steht sogar im Grundgesetz, sie gehört den Ländern. Sie wird nur nicht erhoben, weil das Bundesverfassungsgericht vor einigen Jahren gesagt hat, dass die Bewertung der unterschiedlichen Vermögensarten nicht sachgerecht sei und verfassungswidrig. Es kommt also darauf an, alle Bestandteile des Vermögens, Immobilien und Betriebs- und Kapitalvermögen, sachgerecht zu bewerten, und dazu nehme ich gern Gespräche mit anderen Bundesländern, speziell mit den dort für Finanzen verantwortlichen Vertretern, auf.

Es gibt dort auch eine neue Sachlage. Die Bewertungsregeln sind nämlich, seitdem es damals entschieden worden ist, weiterentwickelt worden, und zwar im Hinblick auf die Erbschaftsteuer. Dort gibt es jetzt ein neues System und die Frage ist, ob sich das in einer verfassungsgemäßen Bewertung neu in Kraft setzen lässt.

Eine besondere Form der Vermögensteuer ist im Übrigen die Finanztransaktionssteuer. Sie bezieht sich nicht auf den Vermögensbestand an sich, sondern sie zielt auf dessen spekulative Nutzung

(Senator Dr. Peter Tschentscher)

durch einen häufigen Umschlag von Finanzvermögen. Sehr niedrige Steuersätze führen zu einem sehr hohen Aufkommen und dämpfen zugleich schädliche Spekulationsaktivitäten auf den Finanzmärkten. Dieser Ansatz ist in der Umsetzung noch etwas anspruchsvoller, denn eine Finanztransaktionssteuer müsste idealerweise auf internationaler Ebene eingeführt werden. Aber es gehört eben mit zum Thema.

Zur Verbesserung des Steuervollzugs berichten wir gern. Es gibt gute Ansätze. Wir haben die Norddeutsche Akademie für Finanzen, die derzeit ein sehr viel höheres Ausbildungspotenzial hat, mit vielen neuen Anwärtern, die engagiert den Steuervollzug lernen. Es gibt aber das Problem, dass das Finanzamt für Großbetriebe da, wo die Betriebsprüfungen gemacht werden, nicht leicht personell aufzustocken ist, weil es hoch spezialisierten Personals bedarf. Dazu machen wir gern Konzepte und berichten auch darüber.

Ich sage einen letzten Satz zu der Frage von Mehrausgaben beziehungsweise Mindereinnahmen aufgrund von Beschlüssen des Bundes. Dafür gibt es viele Beispiele.

Erstens: In Berlin wird die Einführung eines neuen Personalausweises beschlossen und die Hamburger Bezirksämter haben einen hohen personellen Mehraufwand. Man kann den neuen Personalausweis gut finden, aber man muss dann natürlich auch die Abarbeitung neuer Regelungen in ihren finanziellen Folgen beachten und seitens des Bundes ausgleichen.

Zweitens: Die in Berlin beschlossenen direkten Steuersenkungen dürfen angesichts der Defizite der Länder nicht mehr vorkommen; darüber sind sich alle 16 Bundesländer einig. Dies ist auch ein Erfolg der Schuldenbremse, dass sie in diesem ersten Schritt zu einer Steuersenkungsbremse geworden ist, obwohl wir uns damals gewünscht hätten – Herr Bischoff, Sie haben es aus dem damaligen Antrag zitiert –, dass man verfassungsrechtlich nicht nur eine Schuldenbremse, sondern quasi eine Einnahmensicherungsklausel für die öffentlichen Haushalte festlegt. Aber Grundgesetze werden eben nicht von Tag zu Tag beschlossen, das war die damalige Situation und ich befürchte, dass wir in den nächsten zehn bis 20 Jahren an dieser Stelle keine Grundgesetzänderung mehr erleben werden.

Drittens: Die indirekten Steuermindereinnahmen wirken sich bei den Ländern aus, wenn der Bund neue Abgaben zum Ausgleich seines eigenen Defizits schafft. Das stellt sich praktisch so dar, dass eine Abgabe im Energiesektor oder im Luftverkehr beschlossen wird – das kann auch in Ordnung sein –, die dann zu 100 Prozent in den Kassen von Herrn Schäuble landet. Im Gegenzug machen aber viele dieses als Betriebsausgaben bei der Einkommens- und Körperschaftsteuer geltend, sodass die

Abgabe in den Kassen des Bundes landet und im gleichen Schritt zu einer Mindereinnahme der Länder führt. Deswegen ist es für die Länderfinanzminister ein großes Problem, wenn man Abgaben auf Bundesebene beschließt, damit den Bundeshaushalt saniert und auf der anderen Seite nicht sieht, dass die Länder dafür erhebliche Mindereinnahmen haben, für die sie keinen Ausgleich bekommen.

Im Sinne aller genannten Punkte des vorliegenden Antrags entwickeln sich die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat relativ günstig und an den Mehrheitsverhältnissen im Bundestag müssen Sie dann noch arbeiten.

(Beifall bei der SPD – Dr. Andreas Dressel SPD: Machen wir!)

Danke. – Das Wort hat Frau Prien.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nun sind es also noch nicht einmal 100 Tage, dass der vermeintlich so wirtschaftsfreundliche SPD-Senat im Amt ist, und da lassen Sie die Maske fallen.

(Gabi Dobusch SPD und Wolfgang Rose SPD: Oh!)

Herr Tschentscher, Sie entwickeln eben keinen Ehrgeiz dahingehend, die Schuldenbremse, für die Sie auch im Bundestag gestimmt haben, früher als zum allerletztmöglichen Moment einzuführen. Sie haben bisher nicht einmal einen ernstzunehmenden Vorschlag für den jetzt anstehenden Haushalt eingebracht. Was tun Sie stattdessen? Sie wollen uns weismachen – vor allem den Bürgern –, man könne unsere gravierenden Probleme im Haushaltsbereich durch neue Steuererhöhungen lösen. Anstatt Ihre Hausaufgaben zu machen, meine Damen und Herren von der SPD, und den Bürgern reinen Wein einzuschenken,

(Jan Quast SPD: Zuhören ist auch nicht Ihre Stärke!)

suggerieren Sie mit Ihrem Antrag, dass man durch eine Einnahmensicherung sicherstellen könne, der Staat werde schon immer genug Geld haben.

(Andy Grote SPD: Das Gegenteil ist gerade gesagt worden!)

Hören Sie mir doch erst einmal zu, meine Herren.

Anders, als schon die Einleitung Ihres Antrags uns weismachen will, leben wir in Hamburg bereits seit Jahrzehnten über unsere Verhältnisse. Das Schuldenmachen hat doch auch Ihnen von der SPD

(Jan Quast SPD: Auch in den letzten zehn Jahren, Frau Prien!)

(Senator Dr. Peter Tschentscher)

bis 2001, so lange Sie regieren durften, besonders viel Freude gemacht.

(Beifall bei der CDU)

Ich weiß, dass ich neu hier bin, aber dieser Versuch, immer den jeweils Vorhergehenden die Schuld in die Schuhe zu schieben, ist unerträglich. Seien Sie doch aufrichtig, wenn Sie über dieses Thema sprechen.

(Jan Quast SPD: Das haben Sie nie getan!)

Und wenn wir schon über Aufrichtigkeit sprechen, dann würde ich auch gerne einmal den Wirtschaftssenator ansprechen, aber der hat uns leider schon verlassen.

(Jan Quast SPD: Sie schon lange!)

Der Wirtschaftssenator hatte sich nämlich im Wahlkampf auch mit dem Thema Vermögensteuer zu befassen und hat sich dazu geäußert. Und was hat er uns erzählt? Er hat uns erzählt, das sei ein Thema, über das man sich eigentlich gar keine Gedanken mache und das uns vornehmlich gar nicht berühre. Was ihn bewege, seien die Hamburger Belange und vor allem das, was die Hamburger Wirtschaft angehe. Sie können sicher sein, Herr Senator Horch, dass die Wiedereinführung der Vermögensteuer die Hamburger Wirtschaft angeht.

(Andy Grote SPD: Aha!)

Meine Damen und Herren! Es ist dann wie bei Brecht "Mahagonny": Wie man sich bettet, so liegt man.