Protocol of the Session on September 12, 2013

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Voet van Vormizeele.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich fand die Debatte eigentlich eine gute Debatte. Frau Schneider hat vollkommen recht, und auch der Sozialsenator, der am Ende seines Wortbeitrags die Debattenkultur in diesem Hause gelobt hat, sagte, es sei eine gute Debatte, alle hätten sich eingebracht. Es wäre ein guter Ratschlag an die Kollegen der SPD gewesen, dann keinen weiteren Redner mehr zu bringen. Der Beitrag von Herrn Lohmann war, mit Verlaub, unterirdisch.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben genau diesen Geist, den die Kollegin Schneider, aber auch der Sozialsenator hier beschworen hat, überhaupt nicht verstanden. Sie haben eine Schärfe hineingebracht, die es in der sachlichen Debatte vorher nicht gegeben hat, und Sie sind wirklich jede Antwort auf die Fragen schuldig geblieben, die andere Kollegen gestellt haben.

(Dr. Martin Schäfer SPD: Wann war das und wo? – Dirk Kienscherf SPD: Lächerlich!)

Dieser Beitrag war in der Tat lächerlich, da muss ich Ihnen zustimmen, verehrte Kollegin.

Fangen wir einmal an mit dem schönen Satz, den ich besonders bemerkenswert fand, dem Vorwurf an die Anträge aller Oppositionsfraktionen, wir wären es schuldig geblieben, Alternativflächen zu benennen. Entschuldigung, habe ich den SPD-Antrag nicht verstanden? Ist irgendwo in dem Antrag, den Ihre Fraktion gestellt hat, nur eine einzige Fläche benannt worden? Bevor Sie uns in dieser Art kritisieren, sollten Sie Ihre eigenen Anträge wenigstens einmal durchlesen, Herr Lohmann.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Sie sprachen von transparenten Verfahren. Es mag sein, dass das Verfahren für die SPD-Fraktion transparent gewesen ist, aber wir wollen uns alle wirklich um eine Kultur in dieser Stadt bemühen, bei der wir bei den Bürgern dafür werben, dass sie solche Flüchtlingsunterkünfte akzeptieren und sie

aufnehmen. Dann müssen wir die Bürger aber auch mitnehmen, dann müssen wir ihre Ängste ernst nehmen, und dann dürfen wir sie nicht vor vollendete Tatsachen stellen und sagen, das sei nun so, das hätten sie zu akzeptieren und mehr sei für sie nicht drin. Das geht nicht. Dann nehmen wir unsere eigenen Vorschläge und Ideen nicht wirklich ernst.

(Beifall bei der CDU und bei Martina Kaes- bach FDP)

Da kommen wir auch zu einem zentralen Punkt, der mich am SPD-Antrag wahnsinnig ärgert. Wer in einer sehr technischen Verklausulierung hineinschreibt, wir mögen doch eine zentrale Genehmigungsinstanz bei einem Bezirksamt schaffen, wo dann alle diese Sachen zentral genehmigt würden, der weiß ganz genau – für die vielen Kollegen, die nicht einige Jahre in der Bezirksversammlung zugebracht haben –, dass damit sechs von sieben Bezirksversammlungen aus dem Verfahren einfach herausgenommen würden. Das ist weder Transparenz noch ist es ein Mitnehmen. Da sitzen die Kollegen aus allen Fraktionen und durch alle Parteien hinweg, die wissen, worum es geht, und Sie sagen einfach: Nein, liebe Leute, ihr dürft nicht mehr, das machen wir jetzt zentral. Dann nehmen Sie doch das Genehmigungsverfahren gleich zum Senat hinüber, das wäre ehrlicher und offener.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Ich will ein Wort zu diesem Konflikt sagen, den wir zum Teil in der öffentlichen Debatte jetzt heraufbeschwören. Es gab einen Bezirksamtsleiter, der in der letzten Woche vorgeschlagen hat, wir mögen doch einmal all unsere Flächen, die wir fürs Wohnungsbauprogramm mühselig durchkämmt haben, daraufhin überprüfen, ob wir dort anstelle von Wohnungen nicht lieber andere Sachen bauen. Ich will vor einer Debatte warnen, bei der wir anfangen, die eine schwierige soziale Gruppe – Randgruppen, Flüchtlinge und was immer wir in dem Bereich haben – gegen die Bedarfe anderer sozialer Gruppen auszuspielen. Hamburg braucht Wohnungen, und Hamburg braucht auch Wohnungen für Nicht-Randgruppen-Menschen. Deshalb ist es ganz schwierig, wenn wir uns jetzt hier hinstellen und sagen, das sei kein Problem, dann reduzierten wir eben die Wohnungen für andere Menschen. Diesen Konflikt dürfen wir nicht heraufbeschwören. Wir müssen den Konflikt so lösen, dass er eine Lösung für alle beinhaltet, und deshalb brauchen wir auch kleinteilige Unterkünfte.

Und wenn Sie sagen, liebe Kollegen der SPD, das sei Ihre Vision und wir bräuchten jetzt aus der dringenden Not heraus erst einmal größere Unterkünfte, dann verstehe ich das. Aber wer sich gleichzeitig hier hinstellt und sagt, er wolle eine Verstetigung haben, er wolle langfristige Lösungen haben, der muss sich schon fragen, ob er langfristige Lö

(Uwe Lohmann)

sungen für 500 bis 600 Flüchtlinge haben will. Wir wollen das nicht. Das ist eine Notmaßnahme, wir brauchen das klare Ziel für kleinteilige Lösungen, und ohne dieses Ziel wird das nicht funktionieren.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Ein kurzes Wort noch zum Sozialsenator, der sich hier hingestellt und gesagt hat, dass mehr Flüchtlinge kommen, sei nicht absehbar gewesen. Frau Föcking hat es schon gesagt, und ich selbst war damals einer derjenigen, die dies in der Regierungskoalition noch begleiten durften: Das war schon 2010 klar. Das war der Innenbehörde klar und das war auch der Sozialbehörde klar.

(Juliane Timmermann SPD: Aber das Aus- maß war nicht klar!)

Das haben alle beteiligten Beamten gewusst, die Arbeitsaufträge waren erteilt, und sie waren auch genau auf diese Zahl hin erteilt. Das war überhaupt nichts Neues. Wer eine Regierung übernimmt und sagt, alle Arbeitsaufträge seien obsolet und man warte erst einmal zwei Jahre, der darf dann nicht ernsthaft hier feststellen, er sei überrascht worden. Das war nicht überraschend, das war ein Problem, das vorher bereits erkannt wurde.

(Beifall bei der CDU)

Nun weiß ich nicht so richtig, ob der letzte Satz, den der Kollege Lohmann eben gebracht hat, wirklich ernst gemeint war. Er sprach davon, wir würden alle Anträge überweisen. Wenn das in der Formulierung genauso stimmen sollte, verehrter Kollege Lohmann, wäre ich voll und ganz mit Ihnen einig. Was nicht geht, ist, dass Sie sich hier hinstellen und sagen, den Antrag der SPD-Fraktion beschließen wir heute und alle Anträge der Opposition können überwiesen werden.

(Ksenija Bekeris SPD: Das ist ja ein ganz ungewöhnliches Verfahren!)

So geht es nicht. Entweder überweisen wir heute alle Anträge an den Ausschuss, dann können wir gemeinsam darüber reden. Wir können auch, das hat Frau Föcking deutlich gesagt, natürlich heute die wichtige Senatsdrucksache zu den Finanzen beschließen, aber es ist nicht denkbar, dass Sie sich hier hinstellen und sagen, Ihr Antrag werde beschlossen und die ganzen Alternativen der Opposition würden Sie überweisen. Das ist kein parlamentarischer Stil, das ist schlichtweg das Wegdrücken von Verantwortung.

(Dirk Kienscherf SPD: Ach, hör doch auf!)

Haben Sie den Mut, Ihren Antrag genauso zu behandeln wie die anderen Anträge auch; das wäre Großmut. Wenn Sie das nicht wollen, dann zeigen Sie damit, wie ernst Sie in dieser Art von Debatte zu nehmen sind.

(Beifall bei der CDU und bei Martina Kaes- bach FDP)

Das Wort bekommt Frau Fegebank.

Verehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Lohmann, im Ausschuss kommen wir eigentlich immer ganz gut miteinander klar, aber ich war eben etwas verwundert, denn der Einzige, der Schärfe in die Debatte gebracht hat, waren Sie.

(Dirk Kienscherf SPD: Wie bitte?)

Sie haben uns unterstellt, nicht konstruktiv mit diesem Thema umzugehen,

(Ksenija Bekeris SPD: Das ist nicht in Ord- nung, das hat er nicht gesagt!)

und das finde ich nach der Diskussion, die wir heute geführt haben, nicht richtig.

(Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und vereinzelt bei der CDU)

Der Senator hat sehr grundsätzlich gesprochen. Mir hat vieles von dem gefallen, was er gesagt hat, weil er eben nicht nur im Hier und Jetzt geblieben ist, sondern tatsächlich auch einmal einen Blick in die Zukunft, in die nächsten Monate und vielleicht sogar die nächsten Jahre geworfen hat. Was ich aber vermisst habe – das ist nicht unbedingt die Aufgabe des Senators –, ist ein Wort dazu, was in dem SPD-Antrag, über den wir heute abstimmen, steht und was nicht darinsteht. Es ist einiges von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern gesagt worden: Wir haben zum einen ein großes Problem mit dem Punkt der Zentralisierung; das haben fast alle Fraktionen im Vorfeld beschrieben. Was heißt es denn, wenn wir gemeinsame Anstrengungen unternehmen, nicht nur hier als Haus, sondern mit unseren Bezirkspolitikerinnen und Bezirkspolitikern vor Ort, mit Aktiven, Verbänden, Vereinen und Initiativen, und immer wieder frühzeitig um Akzeptanz werben, Probleme benennen und beschreiben, und Sie in Ihrem Antrag die Prüfung einer Zentralisierung und schnellerer Verfahren fordern? Das ist absolut kontraproduktiv in einer solchen Debatte, die im Moment – da sind wir wirklich alle beisammen – ein Indikator dafür ist, wie es um den Zusammenhalt in der Stadt bestellt ist, welche Verantwortung übernommen wird und auch wie solidarisch wir miteinander umgehen und inwiefern die Stadt ein soziales und auch menschliches Gesicht zeigt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Martina Kaesbach FDP)

Da will ich mir nicht entweder direkt oder durch die Blume sagen lassen, dass wir uns in den letzten Wochen und Monaten nicht konstruktiv eingebracht hätten. Das haben wir in diversen Aus

(Kai Voet van Vormizeele)

schussberatungen, in Gesprächen zwischen den Ausschüssen, aber vor allem auch in Gesprächen mit unseren Bezirkspolitikerinnen und Bezirkspolitikern vor Ort getan, denn es war Ihr klarer Appell, den wir natürlich auch in unsere Bezirke getragen haben, vor Ort für Akzeptanz zu werben. Das heißt aber auch, dass man frühzeitig informiert und frühzeitig da ist. Und was in Ihrem Antrag im Moment etwas verschwurbelt steht, ist genau das Gegenteil. Dem stellen wir uns entgegen und werden daher diese beiden Punkte auch ablehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Was ich bei Ihren Ausführungen auch vermisst habe, liebe SPD-Fraktion, da war Ihnen der Senator ein, zwei Schritte voraus, war die Frage, wie es denn weitergeht. Frau Bekeris, ich habe mir vorhin notiert, Sie reagierten jetzt erst einmal und müssten schnell agieren und würden sich dann später wieder aufs Konzeptionelle konzentrieren. Da sage ich: das eine tun, aber das andere nicht lassen.

(Ksenija Bekeris SPD: Das gilt ja auch wei- terhin, das Gesamtkonzept!)

Wir müssen mit größten Anstrengungen ausreichend Kapazitäten über die Stadt verteilt schaffen, und zwar – da schließe ich mich den Vorrednern der anderen Fraktionen an – klein, dezentral, im Quartier und mit entsprechender Verkehrsanbindung. Gleichzeitig müssen wir, und das erwarte ich von Ihnen als Mehrheitsfraktion und auch vom Senat, eine Idee davon entwickeln und eine Vision haben, wie auch künftig der Zusammenhalt in der Stadt funktioniert. Das geht über Wohnraum, über bessere Vermittlungsquoten und über Anteile für benachteiligte Gruppen bei Neubauvorhaben, und dazu haben Sie heute kein Wort gesagt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Christiane Schneider DIE LINKE – Dirk Kienscherf SPD: Das haben wir doch!)

Das muss unser Ziel sein: jetzt gemeinsam reagieren, im Schulterschluss aller Fraktionen mit transparenter Beteiligung vor Ort, und gleichzeitig darüber nachdenken, wie wir den nicht abreißenden Strom von Flüchtlingen, die wir auch in Hamburg willkommen heißen werden, und andere Personen in der öffentlichen Unterbringung in Wohnraum bekommen, denn Sie wissen selbst, dass die öffentliche Unterbringung im Moment aus allen Nähten platzt. Die Lösung ist sicherlich nicht, Verfahren zu zentralisieren und die eine oder andere Arbeitsgruppe einzurichten, sondern konkret auf Vermittlungsquoten zu gehen und mit den Wohnungsbaugesellschaften zu gucken, wie man hier perspektivisch eine Lösung herbeiführt. Hier fehlt mir Ihre Idee, hier fehlt mir Ihre Vision und das ist bedauerlich. Wir werden zukünftig weitere Anträge dazu einbringen.

Zum Verfahren ist einiges gesagt worden. Wir sagen Ja zu einem konstruktiven Miteinander, das aber nur funktionieren kann, wenn wir entweder alles heute abstimmen oder alles an den Ausschuss geben.

(Ksenija Bekeris SPD: Wollen Sie das jetzt nicht überweisen?)

Ansonsten ist es eine Mogelpackung. – Vielen Dank.