Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir als CDU stehen selbstverständlich zu unserer Erfindung der Stadtteilschule.
Ich halte es für wichtig, Sie daran zu erinnern – Herr Rabe, Sie waren damals nicht dabei, Herr Lein war dabei –, vielleicht noch einmal darauf zu schauen, was die Enquete-Kommission zur Stadtteilschule beschlossen hat. Wir alle wissen, und das haben wir hier im Hause auch schon diskutiert, dass die Einführung der Stadtteilschule neben den Diskussionen um die Primarschule leider keine ausreichende Priorität hatte. Alle haben darüber diskutiert, ob man vier oder sechs Jahre in die Grundschule geht, aber niemand hat darüber diskutiert, wie eigentlich das Profil dieser neuen Schulform genau sein soll. Als Sie ins Amt kamen, war das von daher noch ein wenig unscharf, und es wäre Ihre Aufgabe gewesen, diese Schulform zu profilieren. Das Versäumnis habe ich eingestanden, aber es wäre Ihre Aufgabe in den letzten zweieinhalb Jahren gewesen, diesen Weg zu gehen. Wo ist denn die Profilierung der Stadtteilschule? Wo sind denn Ihre Umsetzungen der Empfehlungen der Enquete-Kommission?
Nehmen wir doch einmal das Thema berufliche Gymnasien. Wir haben damals gesagt, dass es keinen Sinn macht, weiter berufliche Gymnasien zu haben, die immer an die Realschule angeschlossen haben, sondern dass diese mit ihrer beruflichen Kompetenz in die Oberstufen der Stadtteilschulen integriert werden müssten. Das ist bis heute nicht umgesetzt.
Wir haben einen klaren Drittelmix bei den Professionen gefordert. Ich habe das einmal mit einer Schriftlichen Kleinen Anfrage abgefragt. Es hat sich kaum etwas getan in diesem Bereich.
Wir haben klare Regelungen zur Differenzierung gefordert und haben sie auch gehabt, aber Sie fühlen sich nicht an sie gebunden, im Gegenteil. Wenn Hamburg sich wieder einmal einfach nicht daran hält, was die KMK verlangt und diese Differenzierungsregeln an der Stadtteilschule nicht gelten, kann ich Eltern verstehen, die ihr Kind nicht an diese Schulen geben, weil sie Sorge haben, dass es dort nicht ausreichend gefördert werden könnte. Es ist Ihr Versäumnis, den Eltern und ihren Kindern diese Differenzierung nicht entsprechend anzubieten.
Es gibt auch keinerlei strategische Entwicklung der Stadtteilschule. Gestern haben wir mit unserem Antrag bewusst versucht, nicht etwa die Schulaufsicht wieder schulformbezogen zu machen, sondern Ansprechpartner zu bekommen, die sich um diese Schulform und ihre Weiterentwicklung kümmern. Die gibt es nicht, da wird nichts gemacht, und dementsprechend passiert da auch nichts.
Nicht zuletzt haben wir das Thema der Inklusion. Wir haben damals in der Enquete-Kommission klar beschlossen. Erst Etablierung der Stadtteilschule, dann Inklusion. Und wir haben vor einer Überforderung der Stadtteilschule zu Anfang gewarnt. Wir haben später dennoch alle gemeinsam beschlossen, die Inklusion früher zu starten, und heute muss man sagen, dass es falsch war. Wir müssen gemeinsam überlegen, ob wir die Inklusion so, wie sie jetzt läuft, machen können, oder ob wir nicht vielleicht auch einmal in andere Bundesländer schauen, die sehr genau sehen, dass der Hamburger Weg so nicht funktioniert, dass wir die Stadtteilschulen überfordern und damit natürlich auch Eltern abschrecken.
Als Letztes bleibt Ihre völlig mangelhafte oder eigentlich nicht vorhandene Schulentwicklungsplanung. Schauen wir einmal nach Altona; Herr Holster kennt das Problem. Dort werden jetzt an die Gymnasien irgendwelche Züge gefrickelt, um noch mehr Kinder an die Gymnasien zu bringen, weil nämlich die Max-Brauer-Schule als attraktive Stadtteilschule, die die Eltern gerne für ihre Kinder anwählen, völlig überlaufen ist und die andere Stadtteilschule, deren Namen ich jetzt nicht nenne, so merkwürdig organisiert ist, dass man seine Kinder dort eben nicht hinschicken möchte. So darf man sich nicht wundern, wenn man dort einen Trend in Richtung Gymnasium forciert, selbst bei Eltern, die eigentlich die Stadtteilschule anwählen wollen. Es ist Ihre Aufgabe, die Stadtteilschule
durch kluge Schulentwicklungsplanung attraktiv zu machen. Nach den aktuellen Plänen wird die neue Stadtteilschule in Altona vielleicht, ich weiß es nicht genau, irgendwann 2018 oder 2019 eröffnet werden. Das ist zu spät. Bis dahin haben Sie viele Generationen verloren; da ist Ihre Handlungsaufgabe für die Stadtteilschule.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau von Treuenfels, Sie sagten gerade, da gehe eine ganze Generation drauf. Mein Kind gehört zu genau dieser Generation, es geht in die achte Klasse, und ich sage Ihnen eines: Mein Sohn geht alles andere als drauf, und auch seine Mitschülerinnen und Mitschüler gehen alles andere als drauf. Ich möchte mich dagegen verwahren, dass die Schülerinnen und Schüler, die jetzt die Mittelstufe besuchen, allesamt als verlorene Generation gelten sollen. Das ist wirklich eine Diffamierung der Stadtteilschule, und das tut dieser Stadt überhaupt nicht gut.
Zur Differenzierungsdebatte. Herr Holster sagte schon, er könne es nicht mehr hören. Ich kann es auch nicht mehr hören. Es ist doch gerade von Herrn Senator Rabe hergeleitet worden: Die KESS-13-Studie zeigt uns, dass die Trennung total kontraproduktiv ist. Die Ergebnisse sind wahrscheinlich so schlecht, weil die Trennung so stark war, es wurde unterteilt bis zum Gehtnichtmehr, bis ins letzte Detail. Deswegen sind die Ergebnisse auch so schlecht – Kausalität und Korrelation.
(Dietrich Wersich CDU: Wenn Sie nicht tren- nen, können Sie keine Unterschiede mes- sen! Auch eine Methode!)
Darüber müssen wir einmal reden, Herr Wersich, und das werden wir im Schulausschuss auch tun. Und wenn Sie immer Differenzierung fordern, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, dann müssen Sie auch so ehrlich sein, diese auch für das Gymnasium zu fordern, denn 52 Prozent aller Kinder, also mehr als die Hälfte, gehen zum Gymnasium. Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass dies eine homogene Schülerklientel sei; das ist doch absurd.
Eine Bemerkung noch zu dem Wort Akademisierungswahn. Das Abitur ist eine gute Grundbildung, und das ist der Grundpfeiler für unsere Demokratie: eine politische Grundbildung für eine Haltung …
(Robert Heinemann CDU: Man kann auch mit Haupt- und Realschulabschluss politisch denken! Unglaublich! So ein Dünkel!)
Bildung ist das Allerwichtigste, was wir in unserer Demokratie und in unserer westlichen Welt haben. Und zu sagen, das sei Akademisierungswahn, ist wirklich absurd.
Zurück zur Sache. Ich habe vorhin am Ende meines Debattenbeitrags einiges an Lösungswegen aufgezeigt und den Herrn Senator aufgefordert, diesen auch Folge zu leisten. Ich glaube, dass wir im Schulausschuss in eine konstruktive und wesentlich sachlichere Diskussion eintreten können, als es hier kurz vor der Bundestagswahl möglich ist. Ich freue mich auf eine konstruktive Zusammenarbeit aller Fraktionen. – Vielen Dank.
Herr Senator, es ist nicht das erste Mal, dass Sie mir vorwerfen, ich würde die Stadtteilschulen schlechtreden.
(Robert Heinemann CDU: Er hat auch recht! – Dr. Andreas Dressel SPD: Machen Sie doch auch! Nun werfen Sie es auch Frau Boeddinghaus vor. Alles, was wir machen, ist, den Zustand, wie er ist, schonungslos zu benennen. Das ist die Aufgabe von jedem Abgeordneten, insbesondere in der Op- position. Wir lassen uns keinen Maulkorb umhän- gen. (Beifall bei der LINKEN)
Sie haben die CDU aufgefordert, sich daran zu erinnern, was sie vor einigen Jahren gemacht hat. Ich kann mich daran erinnern, dass es zu Zeiten der Schulsenatorin Goetsch einen Abgeordneten Rabe gegeben hat, der hier kein einziges gutes Haar am Schulsystem in Hamburg gelassen hat. Dementsprechend haben Sie die ganze Zeit alle Schulen schlechtgeredet. Sie müssen sich einmal überlegen, was Sie eigentlich wollen.
2010 war der Volksentscheid. Wir wissen, das ist verbindlich und haben ihn mit umgesetzt. Wir haben das Zwei-Säulen-System kritisch-solidarisch begleitet und abwartend darauf geschaut, ob dieses System eine Chance hat. Drei Jahre später ist das Zwei-Säulen-System ein Scherbenhaufen. Das sage nicht nur ich – Herr Senator, da haben Sie
nicht richtig zugehört –, das sagt nicht nur unsere Partei und auch nicht nur Frau Boeddinghaus, das sagen inzwischen auch Bildungspolitiker, die in den Redaktionsstuben sitzen. Die sagen auch, dass das gescheitert sei, schneller und häufiger als erwartet.
Wenn man also diese Analyse gemacht hat und sich vor Augen führt, wie es an den Schulen aussieht – wir haben Filme, wir haben "Panorama", wir haben Berichte –,
dann ist das alles sehr erschütternd. Ich kann nur wiederholen: Ich biete jedem an, mich einmal 14 Tage in die Schule zu begleiten. Wir müssen nur feststellen, dass diese Chance, die das Zwei-Säulen-System drei Jahre lang hatte, nicht genutzt worden ist. Ein "Weiter so", ein Gesundbeten und Kritikverbieten geht auf Kosten der jungen Menschen, und das ist unverantwortlich.
Meine Damen und Herren! Obwohl alle Fraktionen gesprochen haben, verbleiben uns immer noch fünf Minuten der Aktuellen Stunde, und Frau Prien hat das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir bitte noch zwei Bemerkungen. Frau von Berg, was Sie hier gemacht haben, nämlich Menschen, die kein Abitur haben, zu unterstellen, sie seien zu politischer Teilhabe in dieser Gesellschaft nicht hinreichend ausgebildet, ist, ehrlich gesagt, eine Unverschämtheit. So etwas machen wir nicht mit.
Frau Heyenn, wir wissen – Sie haben es heute ganz eindeutig gesagt –, dass Sie die Einheitsschule in dieser Stadt wollen und die Stadtteilschule für Sie nichts anderes ist als ein Vehikel, um da hinzukommen. Deshalb reden Sie die Stadtteilschule nach zweieinhalb oder drei Jahren tot. Das ist doch politisch total verantwortungslos, was Sie hier machen.