Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/9138 an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das einstimmig so beschlossen.
Wer möchte darüber hinaus die Drucksache 20/ 9296 ebenfalls an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss überweisen? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist das Überweisungsbegehren mit großer Mehrheit so beschlossen.
[Bericht des Innenausschusses über die Drucksache 20/8279: Entwurf des Gesetzes zur Neuausrichtung der Aus- und Fortbildung der Polizei Hamburg (Se- natsantrag) – Drs 20/9123 –]
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Zum zweiten Mal innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums wird die Polizeiausbildung neu organisiert. 2006 hatte die Bürgerschaft die Verlagerung der Ausbildung von der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung Hamburg an die neugegründete Hochschule der Polizei beschlossen. Mit dem heute zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf wird die Hochschule der Polizei aufgelöst. Praktisch die gesamte Aus- und Fortbildung der Polizei findet künftig unter dem Dach der neuen Polizeiakademie statt, die der Behörde für Inneres und Sport untersteht und die mit einem integrierten Fachhochschulbereich errichtet wird.
Wir Linke sehen dieses integrierte Organisationsmodell der Polizeiausbildung, die Eingliederung eines Fachhochschulbereichs in die eher berufsschulähnliche Akademie, kritisch. Wir haben grundsätzlich und überhaupt Bedenken gegen die Abschottung der gesamten Ausbildung der Polizeianwärterinnen und -anwärter. Sie wird nicht erst mit dieser Neuausrichtung festgeschrieben, doch leider noch forciert.
Wir bestreiten nicht, dass es gute Gründe dafür gibt, die Bedürfnisse der polizeilichen Praxis in der Ausbildung für alle Laufbahnen, also auch in der Ausbildung für Polizisten und Polizistinnen mit Leitungsfunktionen, zur Geltung zu bringen, doch dürfen nach unserer Meinung an der theoretischen Ausbildung, an der wissenschaftlichen Ausbildung für den Laufbahnabschnitt II keine Abstriche gemacht werden. Deshalb ist es sehr befremdlich, wenn in der Begründung des vorliegenden Gesetzentwurfs mitgeteilt wird, dass die guten theoretischen Kenntnisse, die die Ausbildung an der bisherigen Hochschule der Polizei vermittelt hat, zum Teil deutlich über das hinausreichten – ich zitiere –
Darum geht es. Wir wollen keine Ausbildung, die zwar gewährleistet, dass Traditionen weitergetragen und der Nachwuchs in den Polizeiapparat hineinsozialisiert wird, die es aber nicht ermöglicht, Hergebrachtes zu hinterfragen und neue Erkenntnisse zu erarbeiten. Nein, wir wollen eine Ausbildung, die neben der Vermittlung von Fachwissen besonders die intellektuell-analytischen Fähigkeiten und die überfachlichen Qualifikationen fördert, die den Blick weitet und Kenntnisse über gesellschaftliche Konflikte und soziale Hintergründe vermittelt.
Es gibt also – ich glaube, von niemandem bestritten – dieses Spannungsfeld zwischen den Anforderungen aus der Polizeipraxis und der Wissenschaftsorientierung bei der Ausbildung von Polizeibeamten und -beamtinnen in Leitungsfunktionen. Genau deshalb ist für uns die Frage von großer Bedeutung, ob das grundgesetzlich verbürgte Recht auf Wissenschaftsfreiheit im Fachhochschulbereich in der zukünftigen Akademie ausreichend gewährleistet ist, denn gerade in dem gewählten Organisationsmodell ist das die Voraussetzung dafür, dass die Anforderungen aus der Polizeipraxis sich die Wissenschaftsorientierung der Ausbildung nicht unterordnen. Die Freiheit der Wissenschaft und ihre Unparteilichkeit ist entscheidend für eine offene, kritische und fruchtbare Entwicklung eines jeden Fachgebiets. Sie ist Voraussetzung dafür, Studierende – und eben auch angehende Polizeibeamtinnen und -beamte in leitender Funktion – zu selbstständiger und kritischer Reflektion zu befähigen.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken von uns und anderen, dass der Gesetzentwurf das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit nicht ausreichend gewährleistet, wurden durch die Beratungen im Ausschuss nicht ausgeräumt. Die Freiheit der Wissenschaft wird nämlich gesichert durch die Partizipation der Trägerinnen und Träger dieses Grundrechts. Und diese ist nach unserer Auffassung nicht nur durch das Organisationsmodell selbst eingeschränkt, also durch die Eingliederung des Fachhochschulbereichs in die Akademie mit ihren hierarchischen Strukturen. Auch durch etliche einzelne Regelungen sind die Selbstorganisation und die inhaltliche Eigenverantwortung der Wissenschaft eingeschränkt.
Da wir das ausführlich im Fachausschuss diskutiert haben, will ich hier nur einige Probleme nennen, die den Fachhochschulbereich in der Akademie der Polizei von Fachhochschulen und Universitä
ten leider grundlegend unterscheiden. Zum Beispiel sind die Mitwirkungsbefugnisse des Fachhochschulbereichs bei der Bestellung der Leitung sehr eingeschränkt. Die Innenbehörde bestellt den Leiter der Akademie und muss sich dazu mit dem Fachhochschulbereich lediglich ins Benehmen setzen, nicht aber ein Einvernehmen herstellen. Auch über die Berufung von Professorinnen und Professoren entscheidet die Innenbehörde. An den Sitzungen des Fachbereichsrats, der unter anderem über die Satzung des Fachhochschulbereichs und über Grundsatzfragen von Lehre und Forschung entscheidet, nehmen mit beratender Stimme eine Vertreterin beziehungsweise ein Vertreter der Rechtsaufsicht der zuständigen Behörde und der für die praktische Ausbildung verantwortliche Mitarbeiter der Polizeiakademie teil. Dadurch sehen zum Beispiel der Hochschullehrerbund und der DGB die Unabhängigkeit dieses Gremiums gefährdet. Nur nebenbei will ich erwähnen – es ist ein etwas anderes Thema –, dass der Gesetzentwurf keine verbindlichen Regelungen zur Wahl und zu den Rechten von Gleichstellungsbeauftragten enthält. Das hat die Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten der Hochschulen heftig kritisiert. Ansonsten will ich es bei diesen Beispielen belassen. Da es eben nicht nur um diese oder jene, sondern um eine Reihe problematischer Regelungen geht, sehen wir die Freiheit der Wissenschaft nicht gewährleistet.
Leider zeigt schon jetzt die Praxis, wie recht wir mit unseren Befürchtungen haben. Inzwischen nämlich wurde die Stelle des Akademieleiters ausgeschrieben. Bewerbungsende ist der 25. September, Einstellungsbeginn der 1. Oktober – nicht einmal eine Woche später. Wie soll in dieser Zeit eine vernünftige, gut begründete Auswahl stattfinden? Bevor sich die Organe des Fachhochschulbereichs konstituiert haben, sind Ausschreibung und Auswahl abgeschlossen. Die noch bestehende Hochschule der Polizei wurde ebenso wenig beteiligt, weder deren Senat noch die Gleichstellungsbeauftragte oder der Personalrat. Bemerkenswert an der Ausschreibung sind auch die Qualifikationskriterien. Während die wissenschaftliche Reputation der neuen Leitung keine Rolle spielt, wird mindestens eine zweijährige Erfahrung in der Führung von größeren Personalkörpern mit mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, vorzugsweise in größeren Organisationseinheiten im Bereich der Sicherheitsbehörden, als unabdingbar bezeichnet. Die Spatzen pfeifen schon lange von den Dächern, wer der neue Leiter wird.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bürgerinnen und Bürger stellen zu Recht hohe Erwartungen an die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in dieser Stadt. Die großen Herausforderungen, denen sich unsere Polizistinnen und Polizisten im täglichen Einsatz stellen müssen, machen einen hohen Ausbildungsstandard unserer Polizei erforderlich.
Es bedarf einer regelmäßigen Anpassung und Überprüfung der polizeilichen Ausbildung. Die zeitgemäße, zukunftsorientierte Aus- und Fortbildung und die damit verbundenen Rahmenbedingungen sind eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Hamburg auch zukünftig über ausreichend qualifizierte und motivierte Nachwuchskräfte verfügen kann. Wir haben deshalb in einem ersten Schritt die von der CDU abgeschaffte Alimentation im Grundstudium für junge Nachwuchskräfte im Wintersemester des letzten Jahres wieder eingeführt, um auch zukünftig motivierte Nachwuchskräfte zu bekommen.
Der uns vom Senat vorgelegte und im Ausschuss beratene Gesetzentwurf zur Schaffung der Akademie der Polizei ist nun ein weiterer wichtiger Schritt. Wie aus der Evaluation, aber auch aus den Äußerungen der Sachverständigen deutlich wurde, hat die Schaffung unserer Organisation, der HdP, zu einigen Schwachstellen in der Polizeiausbildung geführt. Diese müssen abgestellt werden.
Dazu zählt die unzureichende Verzahnung der Theorieteile und des Studiums mit der Berufspraxis. Auch organisatorische Schwächen der Struktur wie beim Studiengang Sicherheitsmanagement, der sich eben nicht refinanziert hat und gleichzeitig zu Komplikationen bei der Polizeiausbildung führte, müssen verbessert werden.
Die nun mit dem Gesetz verbundene neue Struktur bietet Möglichkeiten zu einer Behebung der deutlich gewordenen Schwachstellen. Ausbildung aus einem Guss und die bessere Verzahnung von Theorie und Praxis zeigen den richtigen Rahmen auf, um unsere Polizeiausbildung zukunftsfähig und praxisgerecht zu gestalten. Das mit der Drucksache verbundene Ziel der praktisch orientierten und zugleich angemessen wissenschaftlich bezogenen Ausbildung unter dem organisatorischen Dach der Akademie zeigt den richtigen Weg auf.
Die Zusammenführung aller Ausbildungsbereiche und der wesentlichen Aus- und Fortbildungsbereiche lassen zukünftig eine bessere Verzahnung von Theorie und Praxis erwarten. Hierzu beitragen soll ebenfalls eine neue Gremienstruktur, insbesondere der Beirat. Auch die Möglichkeit, unter Wahrung der Wissenschaftsfreiheit Lehrpersonal übergreifend einsetzen zu können, lässt eine Verbesserung der Polizeiausbildung erwarten.
Dass es bei der Schaffung einer neuen Struktur im Ausbildungsbereich auch Zweifel gibt, gerade wenn hierdurch, wie es mit der Akademie geschieht, eine gänzlich neue Form der Ausbildungsstätte geschaffen wird, ist selbstverständlich. Wir werden in den nächsten Jahren genau beobachten, ob sich alle Erwartungen erfüllt haben oder ob an der einen oder anderen Stelle nachgebessert werden muss.
Ich denke, der Gesetzentwurf, insbesondere aber die Experten- und Senatsanhörung im Innenausschuss haben deutlich gemacht, dass bei der Gestaltung des Gesetzes die Neuerungen und Strukturveränderungen stets im Einklang mit der Wissenschaftsfreiheit standen und dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt worden sind. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Schneider hat in der Tat recht, wenn sie darauf hinweist, dass dies die zweite Reform der hamburgischen Polizeiausbildung binnen eines relativ kurzen Zeitraums – von 2006 bis heute – ist. Das ist ungewöhnlich, aber der Senat, das Parlament, wir alle haben gemeinsam die Pflicht, darauf zu schauen, wo Anpassungen und Änderungen notwendig sind. Auch ich als Vertreter der Fraktion, die die letzte Änderung federführend durchgebracht hat, muss durchaus kritisch feststellen, dass es zwar viele Dinge gab, die bei der Hochschule der Polizei richtig waren – ich glaube heute noch, dass die Loslösung aus der alten Struktur der richtige Weg war –, dass wir aber nicht Augen und Ohren davor verschließen dürfen, wenn wir aus der Praxis von Vertretern der Polizei die Rückmeldung bekommen, dass die Praxisausbildung der Polizeibeamten an der HdP nicht so ist, wie wir es brauchen. Deshalb ist es richtig und auch konsequent, darüber nachzudenken, wie wir die Schwachstellen bei der HdP beseitigen können.
Das, was Frau Schneider eben kritisiert hat, das Zusammenbringen von drei Säulen unter einem Dach, ist aus meiner Sicht dabei eher eine Stärke als eine Schwäche. Wir bringen die Stärken der HdP ein, bringen sie zusammen mit der Ausbildung zum Laufbahnabschnitt I und vor allem mit der Weiterbildung der Hamburger Polizeibeamten. Da, wo Sie vielleicht meinen, dass das Schwierigkeiten bringen könnte, sehe ich es mehr als Chance an, Frau Schneider. Ich glaube wirklich, dass es ein richtiger und guter Weg ist, die Hochschulausbildung näher an die Ausbildung des Laufbahnabschnitts I zu bringen und auch die ständige Ausund Fortbildung unserer Polizeibeamten mit der Hochschule zusammenzubringen, damit dort Befruchtungen seitens der Hochschule stattfinden können.
Ich glaube, dass der Weg einer Polizeiakademie jetzt der richtige Weg ist. Er ist kein neuer Weg; er ist ein Weg, der auch in anderen Bundesländern – ich nenne einmal Niedersachsen – bereits erfolgreich beschritten worden ist.
Eines ist mir wichtig, und das ist auch in meiner Fraktion eine wesentliche Grundlage unserer Überlegungen gewesen. Wir ändern zum zweiten Mal in einem relativ kurzen Zeitraum die Polizeiausbildung. Wir dürfen es aber unseren Polizeibeamten nicht antun, jedes Mal, wenn ein Regierungswechsel ansteht, grundlegend die Ausbildungsstandards zu verändern. Deshalb ist es wichtig, dass sich das Parlament mit möglichst breiter Mehrheit einig darüber ist, wie wir unsere Polizeibeamten auf bestem und höchstem Niveau ausbilden.
Wir sehen die neue Akademie als einen möglichen Schritt in diese richtige Richtung und begleiten das als Opposition durchaus positiv, allerdings mit kritischem Unterton. Wir hätten es für sinnvoll erachtet, wenn der Studiengang Sicherheitsmanagement weitergeführt worden wäre. Ich sehe die hier angeführten strukturellen Probleme nicht und glaube, dass dieser Studiengang sinnvoll und wichtig ist, gerade weil wir alle wissen, dass wir heute auch im privaten Sicherheitsgewerbe Ansprüche haben, die jenseits von dem liegen, was wir manchmal in der Realität feststellen können. Deswegen wäre es weiterhin richtig und wichtig gewesen, wenn wir auch hier eine Ausbildungsform gewählt hätten, die die Standards auf rechtstaatliches Niveau gehoben hätte, damit wir dort eine vernünftige Ausbildung gehabt hätten.