Protocol of the Session on August 15, 2013

Schauen Sie sich einmal folgende Zahlen in den alten Bundesländern von 1981 bis 2011 an. Einnahmen der Krankenkassen: plus 73 Prozent, Ausgaben für Ärzte – gemeint sind die niedergelassenen –: plus 50 Prozent, Ausgaben für Krankenkassen: plus 82 Prozent, aber Ausgaben für die eige

ne Verwaltung der Krankenkassen: plus 107 Prozent. Die Krankenkassen geben mittlerweile 9,5 Milliarden Euro für ihre eigene Verwaltung aus, das ist fast so viel wie der Hamburger Haushalt.

Meine Damen und Herren! Das ist der Skandal: Immer mehr Geld für Bürokratie, immer weniger Geld für Behandlung. Das sollten Sie einmal aufgreifen.

(Beifall bei der FDP)

Schließlich, Frau Artus, ein Tipp für Sie persönlich. Wenn Sie das nächste Mal mit Ihrem Trabbi durch Hamburg fahren und im Stau stehen – das geht ziemlich schnell –,

(Heike Sudmann DIE LINKE: Wir fahren Fahrrad!)

dann halten Sie inne, denken Sie ein bisschen nach, legen Sie Ihre ideologischen Scheuklappen ab und danken Sie wie ich den privaten Gesundheitsanbietern in Hamburg. Ihr macht einen tollen Job. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Senatorin Prüfer-Storcks.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung: Mein Anspruch ist eigentlich nicht, in die Geschäftsführung einzelner Asklepios-Kliniken hineinzuregieren, sondern mein Anspruch ist, durch die Krankenhausplanung, durch die kluge Investitionsförderung, durch Landesgesetze und durch Mitwirkung an Bundesgesetzen die Rahmenbedingungen insgesamt so zu setzen, dass alle Krankenhäuser in Hamburg eine gute Versorgung im Interesse der Patientinnen und Patienten bieten.

(Beifall bei der SPD)

So gesehen finde ich auch, dass man Anlass hat, sich der Personalsituation, insbesondere in der Pflege in Krankenhäusern, zuzuwenden. Ich bin auch der Meinung, dass gerade diese Berufsgruppe nicht die Wertschätzung und Aufmerksamkeit erfährt, die sie verdienen würde, denn der Beitrag der Pflege zum Erfolg einer Krankenhausbehandlung ist maßgeblich.

Ich bin ohne Frage auch der Meinung, dass es in den letzten Jahren, und die Zahlen belegen das, eine deutliche Arbeitsverdichtung gerade in der Pflege im Krankenhaus gegeben hat und dass allmählich dort auch das Ende der Fahnenstange erreicht ist, denn gute Qualität der Krankenhausbehandlung hat sehr viel mit guter Pflege zu tun. Wer auch in Zukunft noch Pflegekräfte gewinnen will, der muss gute Arbeitsbedingungen bieten.

(Beifall bei der SPD)

(Dr. Wieland Schinnenburg)

Allerdings schafft man das nicht, indem man die Pflege schlechter redet, als sie ist, und auch die Situation schlechter redet, als sie ist. Und da, Frau Artus, hatte ich bei Ihrem Beitrag gelegentlich den Eindruck, dass wir nicht nur in unterschiedlichen Städten, sondern auch in unterschiedlichen Gesundheitssystemen leben, denn die Zahlen und auch die Situation in Hamburg gibt das nicht wieder, was Sie hier als Szenario an die Wand gemalt haben.

In unseren Hamburger Krankenhäusern werden jedes Jahr fast 500 000 Menschen umfassend und gut versorgt. Dass die Behandlung in Hamburg geschätzt wird, zeigt auch die Zahl von einem Drittel der Patienten, die gar nicht aus Hamburg, sondern aus dem Umland kommen. Der Krankenhausstandort ist für die Patientinnen und Patienten hochattraktiv, und das ist zu einem guten Teil der guten Pflege zu verdanken.

(Beifall bei der SPD)

Ein Blick in die Zahlen zeigt auch, dass im Krankenhaussektor in den letzten Jahren alles andere als gespart worden ist. Wir haben die Vergütung der Krankenhäuser in Deutschland in den letzten 20 Jahren um 115 Prozent erhöht, von 30 auf über 64 Milliarden Euro. Die Fallzahlen sind in der Zeit um 20 Prozent gestiegen, das ist auch wahr, und die Verweildauer der Patientinnen und Patienten hat sich halbiert. Das war nicht immer zum Schaden der Patientinnen und Patienten,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Aber oft!)

das ist sehr häufig auch zu ihrem Vorteil und in ihrem Interesse. Aber die Zahlen zeigen auch, dass ärztliches Personal aufgebaut worden ist – deshalb auch die Steigerungen der Fallzahlen – und in der Pflege abgebaut wurde. Damit muss man sich tatsächlich befassen. Das sollten wir im Gesundheitsausschuss tun, denn die Lage ist kompliziert, die Fragestellungen sind komplex. Ich werde auch nicht alle Ihre Fragen beantworten können, die Sie gestellt haben, aber ich will das natürlich tun, so gut es geht, und vielleicht auch darüber hinaus einige Dinge ansprechen.

Die Frage, warum es eigentlich so ist, dass dieser Druck auf der Pflege lastet und sehr stark in den Aufbau von Arztstellen investiert wurde, hängt auch damit zusammen, dass eben ein Großteil der hohen Beträge, die in den Krankenhausbereich fließen, für Behandlungen verwendet werden, die sehr sachkostenintensiv sind, also zum Beispiel mit hohen Arzneimittelpreisen bei der Krebsbehandlung zu tun haben oder mit endoprothetischen Operationen und einem hohen Anteil von Prothesenkosten. Dieses Geld fehlt dann für Behandlungen, die sehr pflegeintensiv sind, und deshalb werden die dann auch von den Krankenhäusern nicht gerne gemacht. Ich halte das für eine Fehlentwicklung, aber um dieser zu begegnen, muss man

ganz tief in das System der Fallpauschalen einsteigen.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin nicht der Meinung, dass die Fallpauschalen per se ein schlechtes System sind, sondern wie viele andere auch ist es eines, das ständig beobachtet und nachgesteuert werden muss, und an diesem Punkt, den ich genannt habe, gibt es bestimmt einen Nachsteuerungsbedarf – auch bei der Frage, warum wir eigentlich diese dynamische Mengenentwicklung haben.

Mit der Pflege im Krankenhaus ist es wie in anderen Bereichen auch: Vieles hängt mit vielem zusammen, aber eben nicht alles mit allem, und deshalb gibt es auch ein paar Punkte in Ihrem Antrag, die aus meiner Sicht nichts mit der Pflegesituation zu tun haben. Die Fallzahlen in Hamburg sind gestiegen – ich habe es schon gesagt –, aber in der letzten Zeit auch die Zahl der Stellen im Pflegebereich. Durch dieses Sonderprogramm, das vor Jahren aufgelegt wurde, hat es in Hamburg 500 zusätzliche Stellen in der Pflege gegeben, und die Hamburger Krankenhäuser bilden auch in hohem Umfang aus. Sie tun das schon im eigenen Interesse, und da werden wir uns in Zukunft wahrscheinlich noch stärker mit der Frage befassen müssen, wie denn diese Ausbildungsplätze, die zur Verfügung gestellt und durch die Beitragszahler finanziert werden, überhaupt besetzt werden können durch Menschen, die diesen Beruf ergreifen wollen. Da sind wir dann auch beim Thema Wertschätzung, Pflegekammer, generalistische Ausbildung und, und, und.

Das sind viele Themen, die man hier nur anreißen konnte und die wir vertieft im Ausschuss diskutieren sollten. Deshalb begrüße ich es auch, dass der Antrag überwiesen wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Artus.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Ich möchte mich erst einmal für die konstruktive und auch sachliche Debatte bedanken. Sie ist dem Thema sehr angemessen.

Ich möchte Ihnen nur noch einen kleinen Hinweis geben: Wir fordern unter I. keine ultimative und allumfassende Personalausstattung und Personalbemessung, sondern eine bedarfsgerechte. Genau diese Diskussion müssen wir führen, die müssen wir in Hamburg führen und sie muss bundesweit geführt werden. Selbstverständlich gibt es unterschiedliche Bedarfe, ich nenne nur einmal die Bereiche von Onkologie über Intensiv bis hin zur Endoskopie. Es ist klar, dass es da unterschiedliche Bedarfe gibt, aber dieses Pauschale geht wirklich

(Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks)

zulasten der Pflege und der Patientinnen und Patienten. Deswegen ist es wichtig, dass wir diese Diskussion führen. Natürlich stimmen wir einer Überweisung an den Gesundheitsausschuss zu.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.

Wer einer Überweisung der Drucksache 20/8810 an den Gesundheitsausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig passiert.

Ich rufe den Punkt 20 der heutigen Tagesordnung auf, Drucksache 20/8442, Senatsantrag: Antrag des Senats auf Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Herrn Dr. Michael Otto.

[Senatsantrag: Antrag des Senats auf Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Herrn Dr. Michael Otto – Drs 20/8442 –]

Ich unterbreche die Sitzung nun für einige Minuten und bitte Sie alle, sich pünktlich um 18 Uhr, am besten um 17.55 Uhr, hier wieder einzufinden.

Unterbrechung: 17.38 Uhr

Wiederbeginn: 17.57 Uhr

Meine Damen und Herren! Ich begrüße sehr herzlich Herrn Dr. Michael Otto in unserer Mitte.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Zunächst hat nun der Erste Bürgermeister das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Senat beantragt heute bei der Hamburgischen Bürgerschaft, dass unserem verdienten Mitbürger, Herrn Dr. Michael Otto, die Ehrenbürgerwürde verliehen werde – die höchste Auszeichnung, die die Freie und Hansestadt Hamburg zu vergeben hat. Sie tut das nicht oft und wenn sie es tut, dann setzt sie ein Signum Exclamationis, das weit über unsere Stadtgrenzen hinaus wahrgenommen wird. Im Namen des Senats trete ich heute vor das Plenum in der Überzeugung, dass wir ein neues würdiges Ausrufezeichen setzen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN und der FDP)

Warum sind wir dieser Überzeugung? Michael Otto ist erstens ein erfolgreicher Unternehmer – auch, aber da ist er in unserer Stadt nicht der Einzige. Er

hat das von seinem Vater übernommene Unternehmen weitergeführt und er hat es in beeindruckender Weise ausgebaut. Ein hamburgisches Unternehmen als wahrhafter Global Player: Es gibt Amazon, den großen weltweiten Wettbewerber, und es gibt OTTO.

Zweitens: Wer Produkte überall einkauft, hat Verantwortung für die Produktionsbedingungen, auch und besonders in den Teilen der Welt, die wir die Dritte Welt nennen. Dieser Verantwortung stellt sich der OTTO-Konzern, und er hat sich nicht zuletzt dadurch weltweit Anerkennung erworben, dass er die Umwelt- und Sozialstandards einhalten will, auf die sich die dafür zuständigen Organisationen und Gremien geeinigt und die sie festgelegt haben. Das erste und das zweite verdient Beachtung und Erwähnung, denn nicht alle tun es, und doch wäre Michael Otto der Erste, der sagen würde: Das ist selbstverständlich.

Meine Damen und Herren! Der Senat will Dr. Michael Otto nicht als erfolgreichen, pflichtgemäß seiner Verantwortung nachkommenden Unternehmer ehren, sondern als Citoyen, als einen Hamburger Bürger und Unternehmer, der über das Notwendige hinaus wirtschaftliche und gesellschaftliche Verantwortung übernimmt, der verstanden hat, dass wir als Bürger und als Unternehmer eine Verantwortung haben, die über uns selbst hinausgeht, und der die Überzeugung, dass jeder eine faire Chance verdient, in Projekte und Förderaktivitäten gegossen hat.

Meine Damen und Herren! Die Öffentlichkeit – gerade auch hier in seiner Wahlheimat Hamburg – kennt Michael Otto als Förderer. Dazu werden gleich etliche Beispiele zu nennen sein.