Protocol of the Session on August 15, 2013

und einen Aufschrei der Staatsanwaltschaft. Im Protokoll gab es noch Beifall bei der SPD-Fraktion, das ist offensichtlich jetzt bei Ihnen nicht mehr der Fall. Wir haben es durch die vom Senat auferlegten Schonbereiche in der Justiz mit einer Sparquote von 18,2 Prozent zu tun, wobei der Stellenbestand der Justiz gerade einmal 7,8 Prozent am Gesamtpersonalkörper der Hamburger Verwaltung beträgt, und dann wird die Strafjustiz von Ihnen noch zusätzlich über Gebühr zur Konsolidierung herangezogen.

(Senatorin Jana Schiedek)

Frau Schiedek, Sie sprachen vom Städtevergleich und von 1,3 Monaten, aber Sie müssen auch schauen, wie die Entwicklung jetzt schon aussieht. Die allgemeinen Strafverfahren dauerten bei der Staatsanwaltschaft 2010 noch 62 Tage, 2011 69 Tage, im vergangenen Jahr 71 Tage, und bei der Summe aller staatsanwaltschaftlichen Verfahren, von denen Sie gesprochen haben, vergingen zwischen Eingang und Abschluss 2010 37 Tage, im Jahr darauf 39 Tage, jetzt 40 Tage und in diesem ersten Halbjahr 43 Tage. Da ist doch etwas im Busch, das muss man doch erkennen, wenn man diese Zahlen sieht, und die müssen Sie doch auch zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Es ist ein Alarmsignal, wenn der Generalstaatsanwalt und der Leitende Oberstaatsanwalt uns sagen, dass sie nicht mehr so leistungsfähig wie in den vergangenen Jahren seien. Auch dafür müssen Sie die Verantwortung übernehmen. Deshalb fordern wir Sie auf, ein umfassendes Konzept für die Umbaumaßnahmen der JVA, dabei in erster Linie der Untersuchungshaftanstalt, und, besonders wichtig, der Finanzierung vorzulegen.

Herr Müller hat es angesprochen, sagen Sie uns Abgeordneten endlich, wie die umfangreichen Stellenstreichungen bei der Staatsanwaltschaft und den Gerichten konkret aussehen. Oder ist es auch moderne Führungskultur, wenn Sie sagen, dass die anderen die Mistarbeit machen können und Sie damit in Ruhe gelassen werden wollen, das sei alles eigenverantwortlich? So kann man mit unserer Justiz nicht umgehen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Kämpfen Sie für eine angemessene Ausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften im Senat. Nehmen Sie endlich Platz auf der Brücke der Justizbehörde und erwecken Sie nicht länger das Bild der ahnungslosen Senatorin. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Ich muss mich korrigieren. Selbstverständlich haben alle Fraktionen, unabhängig von der Uhrzeit, noch einmal die Möglichkeit, sich zu Wort zu melden, nachdem der Senat gesprochen hat.

Herr Müller, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Schiedek, ja, Sie haben die Verantwortung für über 5000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir wollen aber auch sehen, dass Sie sie wirklich wahrnehmen.

(Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN)

Diesen Eindruck habe ich durch Ihre Worte eben nicht erhalten. Natürlich wird einem als Senatorin nicht jeder kleine Vorgang gemeldet, aber ich organisiere doch in einer Behörde, was ich wissen will und was nicht. Wir wissen, dass der Justizstrafvollzug nicht einfach ist. Aber wenn Sie wichtige Vorkommisse, die zu Unfällen, Gewalt und Ausbrüchen führen können – Sie haben eben selbst davon gesprochen, dass wir auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Obhut haben –, wegorganisieren und erst hinterher von diesen erfahren, dann ist das ein Stück Verantwortungslosigkeit, die wir in diesem Fall auch anprangern. Nach der letzten Ausschusssitzung stand in den Medien, ob jetzt etwa die Anstaltsleiterin der U-Haft dran sei. Das Ergebnis Ihres Handelns war also, dass in den Medien darüber spekuliert wurde, ob die Anstaltsleiterin die Verantwortung für Dinge zu tragen haben würde, die Ihre Behörde falsch entschieden hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Gitterkontrolle war ein typisches Beispiel. Wie müssen sich die Beschäftigten in der U-Haft vorgekommen sein? Im Dezember schrieben diese Ihnen in ihrer Not, dass sie Sicherheitsmaßnahmen herunterfahren müssen, weil sie nicht mehr ausreichend Personal haben. Prompt gab es als Folge dessen einen Ausbruch, und am nächsten Tag wurden sofort zehn Mitarbeiter in die U-Haft abkommandiert. Das ist kein gutes Signal an die Beschäftigten und zeugt davon, dass nicht zugegeben wird, dass es einen Fehler gab.

Frau Senatorin, wenn bis zum letzten Tag, an dem der Gefangene so weit ist, dass er herauskommt, nichts gefunden wurde, dann wünscht man sich, dass es wenigstens kurz vor dem Ausbruch entdeckt worden wäre. Wenn das aus Ihrer Sicht alles nicht gewährleistet ist, warum haben Sie dann die täglichen Gitterkontrollen angeordnet? Widersprüche über Widersprüche und Sie haben sie heute nicht wirklich aufgelöst. Das bedeutet, ein Stück weit nicht die Verantwortung zu übernehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Sie sind für die Rahmenbedingungen zuständig, Frau Senatorin. Die Zahlen, die Sie eben zu den Krankenständen genannt haben, sind falsch. Sie haben den Bericht über die aktuellen Krankenstände in der Justiz und im Justizstrafvollzug, der ans Parlament gegangen ist, auch ans "Hamburger Abendblatt" gegeben. Für Billwerder wird eine andere Zahl genannt, und es stand dort nichts davon, dass sich die Zahl halbiert hat. Wir wissen alle, dass der Frust im Justizstrafvollzug noch lange nicht aufgearbeitet ist, und das wissen Sie auch, Frau Senatorin. Es wäre gut, wenn Sie das heute nicht damit wegwischen würden, dass wir angeblich auf einem tollen Weg seien. Dass das nicht so ist, wissen Sie. Das bedeutet auch, Rahmenbedin

(André Trepoll)

gungen für Ihre Mitarbeiter zu schaffen. Das hinzubekommen ist Ihre Verantwortung, und es reicht nicht, Arbeitsgruppen einzurichten.

Wir bekommen doch mit, was passiert. Durch falsche politische Entscheidungen gibt es im Personalbereich ein Stellenchaos, sodass das Parlament bis heute nicht weiß, wer wo wie viele Beschäftigte hat, wer noch weggekürzt wird und wo das alles enden soll. Die Behörde konnte das dem Parlament bisher nicht erklären; das muss in den nächsten Wochen aufgearbeitet werden und geht so nicht. Wir müssen annehmen, dass Sie es selbst nicht mehr wissen und den Überblick verloren haben, wer bei Ihnen noch beschäftigt ist, wer demnächst nicht mehr beschäftigt ist und wer weggekürzt wird. Dieser Eindruck ist momentan entstanden.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Jan Quast SPD: So ein Unsinn!)

Kommen wir noch einmal zur Staatsanwaltschaft. Es geht nicht, den Generalstaatsanwalt und den Oberstaatsanwalt mehr oder weniger bloßzustellen und zu sagen, dass sie sich nicht so anstellen sollen und das im Bundesvergleich eine tolle Behörde sei, dass sie das irgendwie hinbekommen müssen und sie doch im Gespräch mit Ihnen seien.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das hat sie doch gar nicht gesagt!)

Generalstaatsanwalt und Oberstaatsanwalt haben von 25 Stellen gesprochen und Sie schreiben 7,9 Stellen. Das ist ein riesiger Unterschied, das macht auch in der Arbeit in der Behörde einen großen Unterschied. Kein Wort dazu, wie Sie das aufklären und verändern wollen – das ist nicht verantwortungsvoll, Frau Senatorin. Ich habe den Eindruck, Sie wollen sich durchmuddeln.

(Jan Quast SPD: Weil Sie es nicht verste- hen!)

Das ist nicht gut für die Justiz in Hamburg, und wir werden im Parlament dafür sorgen, dass Sie sich nicht durchschleichen können. Das hat die Hamburger Justiz nicht verdient. Ich weiß, dass Sie das auch so sehen. Tun Sie etwas, kämpfen Sie dafür, dass das Chaos beim Stellenbereich aufhört und dass Sie mehr Geld für die Justiz bekommen. Das hat nichts mit der Schuldenbremse zu tun, sondern mit ordentlichem Regieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Zurufe von der SPD: Oh!)

Nun hat Herr Tabbert das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Trepoll, vielleicht haben Sie vorhin nicht gut zugehört, aber auch meiner Fraktion ist an Aufklärung gelegen. Und wenn etwas schiefläuft – und

bei dem Ausbruch, das diskutieren wir auch überhaupt nicht weg, ist etwas schiefgelaufen –, dann wollen wir uns als Regierungsfraktion an die Spitze der Aufklärung stellen und vor allem die richtigen Konsequenzen daraus ziehen.

(Beifall bei der SPD – Dr. Andreas Dressel SPD: So sind wir!)

Ich weiß nicht, ob Sie heute die "Bild"-Zeitung gelesen haben; das ist nicht gerade unsere Hauspostille. Mich erstaunt, dass ausgerechnet die drei Fraktionen, die in den letzten zehn Jahren Regierungsverantwortung getragen haben, am vollmundigsten auftreten, als hätten sie mit den eventuellen oder tatsächlichen Problemen, die wir im Justizvollzug oder bei der Staatsanwaltschaft haben, überhaupt nichts zu tun.

(Zuruf von Farid Müller GRÜNE)

Herr Müller, dass Sie so aufdrehen, das finde ich unangemessen. Lesen Sie es noch einmal nach:

"[Herr] Müller erzählt ganz einfach nicht, dass seine GRÜNEN mit Till Steffen den letzten Vorgänger der jetzigen Justizsenatorin stellten."

(Beifall bei der SPD)

Wenn es darum geht, wie wir die Staatsanwaltschaft finanzieren, dann waren in dem Haushaltsplan-Entwurf, den wir vorgefunden haben, Luftbuchungen angegeben. Das passt gerade in diesen Monat. Dort waren zum Beispiel Erhöhungen aus Gerichtskosten, und zwar Einnahmen aus Änderungen des Gerichtskostengesetzes, angegeben. Damals gab es jedoch noch nicht einmal eine Bundesratsinitiative aus Hamburg,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Schlimm!)

und das Gesetz ist erst jetzt am 1. August in Kraft getreten. Das war aber bereits verbucht.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Steffen?

Ja, gern.

Haben Sie Ihre Senatorin einmal gefragt, warum sie das Berichtswesen außer Kraft gesetzt hat, das es in der letzten Wahlperiode gab und das über genau diese Vorfälle berichtet hätte? In der letzten Wahlperiode sind jeweils schriftliche Berichte vorgelegt worden. Das ist eine interessante Frage, weil Sie mich gerade ansprechen. Mir geht die ganze Zeit durch den Kopf, wie man sich so organisieren kann.

(Farid Müller)

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Sören Schumacher SPD: Wenden Sie sich doch an Herrn Müller!)

– Seien Sie sicher, dass ich über solche Fragen mit Frau Schiedek spreche. Sie haben leider nichts zum Thema Finanzierung des Justizhaushaltes gesagt; das hätte ich spannender gefunden.

(Beifall bei der SPD)

An die Adresse von CDU und FDP sei gesagt: Der Mega-Ausbau von Billwerder bereitet uns jetzt große Probleme und hat auch die Probleme, die wir mit der Umstrukturierungsdrucksache lösen mussten, herbeigeführt. Hätten Sie dieses Geld dafür genommen, damals schon anzufangen, die UHA zu sanieren, dann wären Sie in dieser Debatte um einiges glaubwürdiger.

(Beifall bei der SPD – Finn-Ole Ritter FDP: Hätte, hätte, Fahrradkette!)

Vielleicht noch zwei, drei Worte zur Staatsanwaltschaft. Ich bin der Letzte, der irgendetwas schönreden will und ein Interesse daran hat, dass die Arbeitsfähigkeit der Staatsanwaltschaft abgebaut wird. Aber die Darstellung ist einseitig, und es wird so getan, als ob ausschließlich Stellenabbau stattfinde und die Realität sich überhaupt nicht verändert habe. Wir haben seit 2006 einen Rückgang an Ermittlungsverfahren von mehr als 14 Prozent, und das bei gleichem Personalbestand. Das sollten Sie dann auch sagen, um der ganzen Wahrheit gerecht zu werden, dazu habe ich von Ihnen leider nichts gehört.