Protocol of the Session on August 14, 2013

Meine Damen und Herren! Die Strategie muss jetzt mit Leben erfüllt werden, und der Senat muss vor allem aufpassen, dass er nicht seine Strategie für morgen durch seine Maßnahmen von heute konterkariert. Wenn der Schulsenator bei den Schulen in sozial benachteiligten Stadtteilen plötzlich Lehrerstellen einspart, wenn viele Stadtteilschulen mit ihren Problemen allein gelassen werden und dort Berufsschullehrer nicht mehr aktiv sind, dann verlieren viele Kinder und Jugendliche von heute die Chance, die Fachkräfte von morgen zu werden.

Wenn der Senat die Frage der Azubi-Wohnheime von einem Ressort ins andere schiebt, anstatt endlich solche Wohnheime aktiv zu fördern, ist das wohl kaum im Sinne der Fachkräftestrategie.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme zu einem Bereich, bei dem uns gerade Städte wie München, Karlsruhe, Stuttgart oder Aachen zeigen, wie man es richtig machen kann, nämlich zu unseren Hochschulen. Dort werden sehr viele Fachkräfte ausgebildet und diese Gebiete sind attraktiv für sie. Wenn unsere Hochschulen

(Jens-Peter Schwieger)

jedoch finanziell immer knapper gehalten und in ihrer Personalautonomie immer stärker eingeschränkt werden, dann werden viele Studierende unserer Stadt den Rücken kehren und viele hochqualifizierte Wissenschaftler gar nicht erst kommen. Für gute Fachkräfte von morgen sind exzellente Hochschulen von heute jedoch eine dringende Voraussetzung.

(Beifall bei der CDU)

Die Liste ließe sich verlängern. Zum Schluss dann doch ein Hinweis, der eine generelle Schwäche der Senatsstrategie deutlich macht. Sie trägt sehr die Handschrift des Sozial- und Arbeitssenators, während dem Wirtschaftssenator nur bei einem kleinen Teilprojekt die Federführung gelassen wurde. Das wird beispielsweise daran deutlich, wie das wichtige Ziel behandelt wird, Hamburg auch für ausländische Fach- und Führungskräfte attraktiv zu machen. Die CDU hatte dafür bei den letzten Haushaltsberatungen ein Standortmarketingkonzept vorgelegt. Unter Leitung der dazu prädestinierten Gesellschaft für Wirtschaftsförderung sollte vor allem der Hamburger Mittelstand unterstützt werden. Schon heute nämlich sind es vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen, denen es schwer gelingt, im Ausland und im übrigen Deutschland Fachkräfte zu gewinnen. Dieser Vorschlag der CDU wurde abgelehnt. Stattdessen soll jetzt die Zentrale Fachvermittlung der Arbeitsagentur, die in Hamburg ohnehin nur schwach vertreten ist, diese wichtige Aufgabe übernehmen. So viel zur Dominanz des Arbeitssenators.

Zum Glück hat sich der Senat aber mit den Kammern und den weiteren Netzwerkkammern kompetente Mitstreiter ins Boot geholt. Sie erheben hoffentlich dann mahnend ihre Stimme, wenn der Senat wieder einmal durch Maßnahmen von heute die Förderung der Fachkräfte von heute und morgen zu konterkarieren droht.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Demirel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Dr. Föcking, ich wollte Ihnen am Beginn meiner Rede sagen, dass der Ausgangspunkt bei der SPD und bei uns GRÜNEN anders ist. Es geht nicht nach dem Motto, wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es uns allen gut, sondern umgekehrt geht es auch. Deshalb hat dieser sozialpolitische Ansatz dieses Konzepts auch richtigerweise hier seinen Schwerpunkt.

Ich möchte ein paar Punkte erwähnen, die die aktuelle OECD-Studie uns vorlegt, nämlich dass Deutschland beim internationalen Vergleich mit seinem Anteil an Hochschulqualifizierten weit hin

ten liegt. In den vergangenen zehn Jahren haben wir wichtige Konkurrenten auf dem Weltmarkt, die ihre Anzahl der Studenten und Hochschulabsolventen weitaus stärker steigern als wir in der Bundesrepublik. Bei den jetzt 25- bis 34-Jährigen, die in den Arbeitsmarkt eintreten, ist der Anteil nur noch halb so groß, er liegt bei 3,1 Prozent. Die Anzahl der Hochschulabsolventen in Deutschland wächst unterproportional. Deutschland ist heute das Schlusslicht aller 36 OECD-Staaten.

Es ist auch deutlich, dass uns nicht nur überall Akademiker, sondern auch Meisterinnen und Meister in technischen Berufen fehlen. Sicherlich ist die Blue Card jetzt ein Mittel, diese Defizite bundesweit zu bekämpfen. Leider hat es diese Bundesregierung jedoch nicht geschafft, die schätzungsweise 100 000 hochqualifizierten Frauen, die sich aufgrund der Unvereinbarkeit von Job und Familie für die Abkehr vom Arbeitsleben entscheiden mussten, zu reaktivieren. Stattdessen werden in diesem Bereich solche Angebote gemacht, die die Frauen wieder zu Hause anbinden. Es werden Geschenke vergeben, worunter auch die Kinder leiden, insbesondere Kinder mit Migrationshintergrund. Das können wir so nicht einfach stehen lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Anhand dieser Daten sehen wir die Notwendigkeit, auch in Hamburg dringend zu handeln. Der Senat hat sich jedoch viel Zeit gelassen und erst nach zweieinhalb Jahren seiner Regierungszeit ein Konzept vorgelegt. Das Konzept, das aus vier Säulen besteht, liest sich auf den ersten Blick gut, aber wer es zu Ende liest, stellt sich die Frage, was hier neu ist. Es ist fast nichts. Es ist eine Auflistung vorhandener Maßnahmen mit der Ankündigung des Fachkräftenetzwerks und von Teilprojekten. Alles bleibt, wie es ist, und es wird trotzdem alles besser. Das ist die Botschaft.

Bei Ihrem Integrationskonzept verhält es sich genauso. Die Maßnahmen sollen auch hier haushaltsneutral umgesetzt werden. Sie haben zweieinhalb Jahre gebraucht, um das Konzept vorzulegen. Die erste Evaluation soll in 2017 erfolgen. Das heißt, die Ergebnisse Ihres Konzepts werden wir in dieser Wahlperiode leider nicht erleben können.

Sie kündigen an, dass bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels das größte Potenzial bei Frauen liegt. Da stimme ich Ihnen zu. Aber auf der anderen Seite kürzen Sie die Projekte, die diesem Ziel dienen.

Ein weiteres Thema ist das von Frauen in Führungspositionen. Hier ist die Senatorin im Bund sehr aktiv gewesen. Aber auf Ihrer Veranstaltung zur Vorstellung dieses Konzepts, Herr Senator Scheele, haben wir feststellen können, wie die Vertretung von Frauen in den oberen Etagen der

(Dr. Friederike Föcking)

Hamburger Wirtschaft aussieht, sie liegt nämlich bei 0 Prozent. Keine Frau war dort auf dem Podium vertreten, abgesehen von der Moderatorin, die auch sehr erstaunt darüber war. So sieht Frauenförderung der Hamburger SPD aus. Es reicht nicht, auf Bundesebene groß zu klotzen, sondern der gleichstellungspolitische Auftrag für Hamburg muss konsequent umgesetzt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen spezielle Angebote, insbesondere für Alleinerziehende, um dieser Gruppe den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die zeitlich flexible Ausbildung, besonders für Alleinerziehende, ist ein erster Schritt. Der Senat hat hier erfreulicherweise einen Schritt in die richtige Richtung getan, und das muss noch ausgebaut werden.

Wir reden über Hamburger Hochschulen, und Sie sagen in Ihrem Konzept, dass alles so gut geregelt werde. Aber wenn wir uns das in der Praxis anschauen, dann sehen wir jede Menge Baustellen. Die Mehrzahl der Beschäftigten der Universität Hamburg haben nur befristete Arbeitsverträge. Was Sie machen, ist eigentlich Augenwischerei.

Auch zum Thema Zuwanderung kann ich eine lange Geschichte erzählen, aber die Zeit wird dafür leider nicht reichen. Wir finden es ebenfalls sehr schade, dass das anonymisierte Bewerbungsverfahren kein Teil dieses Konzepts ist, weil wir damit auch die Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt in gewisser Weise bekämpfen könnten. Aber wir werden hoffentlich viel Zeit haben, noch einmal im Sozialausschuss über alle Punkte, die wir noch nicht benennen konnten, zu diskutieren.

Wir brauchen ein Konzept für Hamburg, das nicht nur vorhandene Maßnahmen auflistet, sondern eine realistische Strategie verfolgt, die der Metropole auch Rechnung tragen kann. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Herr Dr. Kluth.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst begrüßt die FDP, dass der Senat sich nun endlich auch den Herausforderungen des Fachkräftemangels annimmt und mit seiner ausführlichen Analyse zumindest die Situation in Hamburg halbwegs zutreffend beschreibt. Mit der Hamburger Fachkräftestrategie versucht der Senat also nun den großen Wurf. Aber wenn man sich das Konzept im Einzelnen anschaut, dann wird man feststellen, dass es sich in weiten Teilen um eine Kopie der Arbeitskräfteallianz der Bundesregierung aus dem Jahre 2010 sowie der Initiative Fachkräfte in der Region aus dem Jahre 2011 handelt. Das hätte man aber schon viel

früher haben können, dafür hätte man nicht zwei Jahre brauchen müssen.

(Beifall bei der FDP)

Das Konzept bleibt schon jetzt hinter den Erwartungen zurück. Statt konkrete Ziele zu benennen oder darzulegen, auf welchem Weg und wann diese erreicht werden sollen, belässt es der Senat bei allgemeinen Formulierungen. Im Gegensatz dazu hat die Bundesregierung klare Ziele formuliert wie etwa die Halbierung der Quote der Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne Abschluss bis 2015 oder die Erhöhung der Erwerbstätigenquote bei 20- bis 64-jährigen Frauen auf 73 Prozent. Hier muss nach Auffassung der FDP-Fraktion der Senat sein Konzept deutlich nachbessern.

Und auch die Auseinandersetzung mit dem Text lohnt sich. Kommen wir zu einzelnen Passagen. So schreiben Sie etwa in Kapitel 3 auf Seite 6 – Zitat –:

"Ziel der Fachkräftestrategie des Senats ist es, kurzfristig Stellenbesetzungsengpässe abzufedern."

Ich habe mich gefragt, wie Sie das konkret machen wollen, und finde die Antwort auf derselben Seite im Kapitel 3 – Zitat –:

"Kurzfristige Stellenbesetzungsprobleme sind zuerst durch die Betriebe selbst zu lösen."

Meine Damen und Herren! Das ist eine tolle Strategie; als ob die Betriebe darauf nicht schon selbst gekommen wären. Wir haben es heute jedoch gar nicht mehr mit kurzfristigen Besetzungsproblemen zu tun, denn bereits im Jahr 2011 hat der Senat in der Drucksache 20/4853 festgestellt, dass Hamburg schon damals 585 freie Stellen für Ingenieure und 873 freie Stellen in Gesundheitsberufen hatte. Was ist bisher unternommen worden, um dagegen etwas zu tun? Offensichtlich nichts, denn als Antwort verweisen Sie auf die Fachkräftestrategie, die nun vorsieht, dass die Betriebe dieses Problem selbst lösen müssen. Wie gesagt: Tolle Strategie.

Weiter schreiben Sie in der Fachkräftestrategie, Ziel sei es – Zitat –:

"[…] mittelfristig die Qualifikationsstrukturen im Aus-, Weiterbildungs- und Hochschulbereich so anzupassen, dass sie auf geänderte Qualifikationsanforderungen der Wirtschaft reagieren."

Das klingt toll, aber dann lese ich auf der nächsten Seite – Zitat –:

"Auch mittelfristig ist zur Deckung des Fachkräftebedarfs zunächst die Wirtschaft gefordert."

(Phyliss Demirel)

Auch hier stellt sich die Frage: Hat der Senat für diese Erkenntnis wirklich zwei Jahre gebraucht?

Weiter im Text. Auf Seite 7 steht – Zitat –:

"Von einem wirklichen Fachkräftemangel kann erst dann gesprochen werden, wenn Betriebe ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten zur Steigerung der Attraktivität der angebotenen Arbeitsplätze für Fachkräfte voll ausgeschöpft haben."

Und nun kommt es. Wenn – Zitat –