Protocol of the Session on June 13, 2013

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Mitglieder des Gemeindeparlaments von Hamburg! Es hat bereits in der 18. Wahlperiode ein Ersuchen gegeben, in dem genau dieses Problem geklärt werden sollte.

(Finn-Ole Ritter FDP: Von der SPD?)

Es ist relativ unerheblich, von wem.

Das Ergebnis war, dass man Paragraf 28 des Grundgesetzes ändern müsste. Ich habe im Augenblick nicht den Eindruck, dass das Gemeindeparlament von Hamburg das könnte, und ich habe zudem nicht den Eindruck, dass der FDP-Teil der Regierung in Berlin aktiv dabei ist, das in die Hand zu nehmen. Von daher ist es richtig, dies an den Verfassungsausschuss zu überweisen. Unsere Kollegen haben es im Übrigen an das Verfassungsgericht überwiesen, das dort ein wenig anders heißt. Wir überweisen es an den Verfassungsausschuss, und vielleicht gibt es irgendwann in Berlin eine Initiative, das durchzuführen. – Danke.

(Beifall bei der SPD)

Herr Trepoll, Sie haben das Wort.

Frau Duden, das waren richtige Argumente, nur die Schlussfolgerung war falsch. Warum überweisen wir das an den Verfas

sungsausschuss? Das habe ich nicht ganz verstanden.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Heute diskutieren wir ein weiteres Mal über das Thema Wahlrecht. Nach dem bereits beschlossenen Antrag zum Wahlrecht ab 16 Jahren und den gerade erst an den Verfassungsausschuss überwiesenen Anträgen zum Kommunalwahlrecht für Nicht-EUBürger kommt diesmal ein Antrag, der den Senat auffordert zu prüfen, ob ein Wahlrecht für EU-Bürger zur Bürgerschaftswahl mit dem Grundgesetz vereinbar wäre oder ob es lediglich eines einfachen Hamburger Gesetzes bedarf. Ich frage mich ernsthaft, ob wir keine anderen Sorgen haben,

(Finn-Ole Ritter FDP: Das frage ich mich bei CDU-Anträgen auch oft!)

als immer mehr Menschen zu suchen, die uns vielleicht wählen könnten. Wir sollten die Energie nutzen, um uns vielmehr und verstärkt damit zu beschäftigen, warum diejenigen, die bereits das Wahlrecht haben, immer weniger von diesem Gebrauch machen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Eine Erweiterung des Wahlrechts der EU-Bürger auf die Wahlen zur Hamburgischen Bürgerschaft ist nach geltendem Recht klar verfassungswidrig. Gemäß Artikel 20 Absatz 2 unseres Grundgesetzes geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Zu diesem gehören grundsätzlich nur diejenigen mit deutscher Staatsangehörigkeit. EU-Ausländer und Bürger anderer Staaten zählen nicht dazu. Auf Kommunalebene macht Artikel 28 Absatz 1 im Grundgesetz – Sie haben das angesprochen, Herr Duwe – eine Ausnahme, indem er für Wahlen auf Kreis- und Gemeindeebene auch EU-Ausländern das Wahlrecht verleiht. Aus diesem Grund sind in Hamburg die EU-Ausländer bei den Wahlen zu den Bezirksversammlungen nach Paragraf 4 Absatz 2 unseres Bezirksverwaltungsgesetzes ebenfalls stimmberechtigt. EUBürger sollen dabei die Möglichkeit bekommen, an der Gestaltung der sie betreffenden Lebensverhältnisse direkten Anteil zu nehmen. Da für das Volk einer Gemeinde insbesondere der konkrete Wohnort maßgeblich ist, sollen EU-Bürger für die Ableitung der demokratischen Legitimation auf kommunaler Ebene mit deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt werden.

Etwas anderes gilt aber für die demokratische Legitimation von Parlamenten auf Landesebene. Hier knüpft das Wahlrecht weniger an den genauen Wohnort einer Person an, sondern vielmehr an ihre Staatsangehörigkeit. Die Parlamente der Länder sind Inhaber grundgesetzlicher Hoheitsrechte innerhalb eines föderalen Bundesstaats. Durch die Mitgliedschaft der Länder im Bundesrat sind die Abgeordneten der Länderparlamente, also wir, unmittelbar am Verfassungsleben beteiligt und prä

(Dr. Kurt Duwe)

gen es mit. Sie erleben es immer wieder, ich weiß gar nicht, wie viele Bundesratsinitiativen wir allein an diesen beiden Tagen beschlossen haben. Selbst wenn man das Interesse von in Deutschland lebenden EU-Bürgern, an der Gestaltung der lokalen Lebensverhältnisse innerhalb eines Bundeslandes mitzuwirken, anerkennt, müssen solche Interessen hinter den Prinzipien demokratischer Legitimation zurücktreten. In den Länderparlamenten geht es nicht nur, Herr Duwe, um lokale Belange, sondern um weitreichende politische Fragen, die keine lokale Beschränkung haben wie die Entscheidungen auf kommunaler Ebene.

Meine Damen und Herren! Die Besonderheit des Stadtstaats Hamburg, der keine Gebietskörperschaft im Sinne von Kreisen oder Gemeinden aufweist, ändert an dieser Tatsache überhaupt nichts. Der begrenzte räumliche Hoheitsbereich ändert nichts an der Rolle der Bürgerschaft als Landesparlament. Hinzu kommt, dass dem Interesse der EU-Bürger, die lokalen Verhältnisse mitzugestalten, bereits über das aktive Wahlrecht für die Bezirksversammlung Rechnung getragen wird. Gemäß dem Hamburgischen Verfassungsgericht gehören die Bezirke aber zu lokalen Gebietskörperschaften der Grundstufe, und die Wahlen zu den Bezirksversammlungen sind mit kommunalen Wahlen gleichzusetzen.

Meine Damen und Herren! Bei dem Antrag der FDP-Fraktion handelt es sich nur um ein Prüfungsersuchen, ob ein aktives oder passives Wahlrecht bei der Bürgerschaftswahl für EU-Bürger verfassungsgemäß wäre. Da dies evident nicht der Fall ist, kann auf eine Prüfung dieser Frage und damit auf eine Ausschussüberweisung aus unserer Sicht verzichtet werden.

Ich bin gespannt, was Sie sich als Nächstes ausdenken. Wahrscheinlich kommt dann das Wahlrecht für diejenigen, die hier nur ihren Arbeitsplatz haben, um sich neue Wählergruppen zu erschließen. Auch hier kann ich Ihnen schon eine klare Absage erteilen. Das ergibt genauso wenig Sinn wie das, was Sie in diesem Antrag fordern. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Müller, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Politisch unterstützen wir den Antrag und Vorstoß der FDP. Auch wir glauben ohne Frage, dass es Zeit ist, darüber nachzudenken, den Unionsbürgern und -bürgerinnen in diesem Land und auch in Hamburg das Wahlrecht zuzugestehen. Das ist auch keine Idee, die ausschließlich in Hamburg das Landesparlament beschäftigt hat. Die Kolleginnen und Kollegen in Bremen haben sogar einen Ausschuss dafür gegründet in der Bre

mischen Bürgerschaft, um herauszufinden, wie mehr Menschen am Wahlrecht beteiligt werden können. SPD und GRÜNE haben dann dem dortigen Staatsgerichtshof einen Prüfungsantrag vorgelegt, ähnlich wie bei der Frage des Kommunalwahlrechts von Ausländern aus Nicht-EU-Staaten.

Die Gutachten, die ich mir gern angeschaut habe, sind keineswegs so eindeutig, Herr Trepoll, wie Sie das jetzt vorgetragen haben, sondern haben noch einmal andere Artikel des Grundgesetzes in den Blick genommen. Ich nenne Ihnen nur einen davon, von dem sich sagen lässt, dass es sich lohnt, darüber im Verfassungsausschuss einmal länger nachzudenken. Ich lese Ihnen gern etwas aus dem Gutachten der Bremischen Bürgerschaft vor, das jetzt beim Staatsgericht vorgelegt wurde:

"Von zentraler Bedeutung ist Art. 23 Absatz 1 GG, der die 'Verwirklichung eines vereinten Europas' als Staatsziel konstitutionalisiert hat und damit das in der Präambel ausgedrückte Versprechen konkretisiert, 'gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa' werden zu wollen."

Das zur Frage, wie wir heute Staatsvolk, Bundesvolk und Landesvolk definieren. Man kann inzwischen durchaus zu der Auffassung gelangen, dass die Bundesländer selbst definieren können, wer das Landesvolk ist. Die Frage, ob dazu das Grundgesetz geändert werden muss, wird inzwischen von den Verfassungsrechtlern unterschiedlich gesehen. Die Bremer schauen gerade, ob es möglich ist, dass es eine eigene Lösung der Bundesländer geben kann.

Es gibt aber auch andere Argumente, die ich gar nicht verhehlen will. Sie sprechen von der Verfassungshomogenität und dass man das Volk nicht teilen könne, weil die Länderparlamente unmittelbar Einfluss auf die Landesregierungen haben – sie werden schließlich durch sie gewählt –, die dann wiederum im Bundesrat das Land indirekt vertreten. Wenn es da zu Unterschieden des Bundesvolks käme – einerseits im Bundestag und andererseits im Bundesrat, wo es auch eine Bundesgesetzgebung gibt –, würde das Probleme aufwerfen und aus diesem Grunde nicht gehen.

Es gibt also viele gegensätzliche Auffassungen, aber man kann nicht eindeutig sagen, dass der Wunsch niemals realisiert werden könnte, dass EU-Bürger auch in diesem Land oder zumindest in Hamburg wählen dürften.

Insofern finde ich Ihre Einlassung, Herr Trepoll, dass wir doch schon genug Probleme hätten, das bisherige Staatsvolk an die Wahlurnen zu rufen, und wozu wir jetzt noch die Unionsbürger dazu befähigen müssten, nicht hilfreich,

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

(André Trepoll)

denn die Zeiten sind eigentlich vorbei, das Wahlrecht daran zu koppeln, ob es auch wahrgenommen wird. Ich bin sehr dafür, dass wir uns im Ausschuss dieser Frage sehr seriös und intensiv zuwenden und abwarten, wie der Staatsgerichtshof in Bremen die andere Frage, die der EU-Ausländer, sieht.

Die Bremische Bürgerschaft ist anders aufgestellt als die Hamburgische. In Bremen ist es einmal die Stadtbürgerschaft und zum anderen die Landbürgerschaft, das haben wir in Hamburg nicht. Wir haben in Hamburg eine Besonderheit, auf die die FDP auch hingewiesen hat. Ich finde, es lohnt sich, dieser Sache nachzugehen. Es geht in Hamburg um 70 000 Unionsbürgerinnen und -bürger. Diese haben es verdient, dass wir prüfen, ob sie mehr an dem, was in Hamburg geschieht, teilhaben können. Wenn es eine Möglichkeit gibt, würde meine Fraktion das begrüßen und sicherlich auch dafür werben, um Mehrheiten in diesem Parlament dafür zu organisieren. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Herr Golke, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Man könnte dem FDP-Antrag so begegnen,

(Finn-Ole Ritter FDP: Sie können doch zu- stimmen!)

dass man sagt, sie springen auch noch auf den Zug mit auf, um ein paar Migrantenstimmen abzugrasen. Es ist eben Wahlkampf.

(Zuruf von Finn-Ole Ritter FDP)

Herr Ritter, schreien Sie doch nicht so. Das will ich gar nicht machen, sondern ich will anders anfangen.

(Finn-Ole Ritter FDP: Das könnte…! – Hei- terkeit bei der SPD)

Wir haben Ende letzten Jahres in diesem Haus mit einer verfassunggebenden Mehrheit die Wahlperiode auf fünf Jahre verlängert. Ein zentrales Argument war unter anderem, dass mehr Zeit nötig gewesen wäre, weil sonst immer so viel Wahlkampf wäre, und Wahlkampf würde politisches Arbeiten erschweren.

Wir haben Wahlkampf, darin sind wir uns wohl einig. Und wir haben einen FDP-Antrag, der in der Tat ein verfassungsrechtlich durchaus problematisches Thema aufwirft. Es ist aber auch ein Thema, zu dem ich schon bei der letzten Debatte vor zwei Wochen gesagt habe, wir müssten uns genau anschauen, wie es in Hamburg aussieht. Die Bezirksversammlungen sind keine Kommunalparlamente, und die Bürgerschaft ist nicht nur ein Landtag.

Deswegen sind wir sehr gern bereit, diesen Antrag im Verfassungsausschuss zu überprüfen.

(Roland Heintze CDU: Ist doch gut!)

Herr Müller hat gerade die anderen Auslegungsmöglichkeiten, die dort bestehen können, genannt. Dementsprechend habe ich an dieser Stelle nicht mehr viel zu sagen. Die angedrohten zehn Minuten von Frau Schneider werden nicht ausgeübt. Wir überweisen den Antrag mit, und ich freue mich auf die Debatte.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben viele Anträge zu dem Thema im Verfassungsausschuss, und wir können etwas Gutes daraus machen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir schon zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/8211 an den Verfassungs- und Bezirksausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag überwiesen.