Protocol of the Session on June 12, 2013

(Beifall bei der SPD – Glocke)

Verzeihen Sie, Frau Dobusch. – Meine Damen und Her

(Senator Frank Horch)

ren, so funktioniert das nicht. Ich möchte Sie noch einmal bitten, entweder hinauszugehen, wenn Sie sich länger unterhalten möchten, oder zuzuhören. – Frau Dobusch, bitte.

Andererseits aber, und dies kommt häufig zu kurz, ist es unsere Pflicht, zunächst und vor allem denjenigen zu helfen, die, aus welchen Gründen auch immer, Opfer dieser skrupellosen Menschenhändler wurden.

Auf EU-Ebene hat man das erkannt. Mit der Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer von 2011 wurden die Mitgliedsstaaten aufgefordert, ihre Hausaufgaben zu machen und nationales Recht anzupassen. Das war auch höchste Zeit. Und was macht die Bundesregierung? Zwei Jahre lang gar nichts. Und nun, nach Ablauf der Frist Ende März, verfällt man in panikartige Hektik und versucht, einen völlig unzulänglichen Gesetzentwurf in unzumutbarer Weise innerhalb weniger Tage durchzupeitschen.

(Roland Heintze CDU: Das kennen Sie doch aus Hamburg!)

So wird man diesem kriminellen Geschehen und auch den Opfern nicht gerecht, die oft jahrelange Martyrien hinter sich haben. So wird man auch nicht dem neueren Straftatbestand, dem Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft, gerecht, der immer noch zu wenig Anwendung findet. Dabei finden wir in diesem Bereich mittlerweile Ausbeutungsverhältnisse ganz neuer Art, in Hamburg beispielsweise den Tagelöhnermarkt. Hier gilt es, die dahinterliegenden Strukturen aufzudecken. Deshalb befasst sich nun auf Initiative der SPD-Fraktion der Runde Tisch "Fairness und klare Regeln am Hamburger Arbeitsmarkt" mit diesem wichtigen Thema.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Was wir dringend brauchen, ist ein besserer Schutz und eine bessere Fürsorge für die Opfer des Menschenhandels, dieses schweren Verbrechens. Es sind überwiegend Frauen, aber auch Männer, Mädchen und Jungen. Diese brauchen zum Beispiel Verbesserungen beim Bleiberecht, unter Umständen auch entkoppelt von der Mitwirkung am Strafverfahren, da die Opfer häufig unter Druck stehen und erpresst werden. Wir brauchen eine Anpassung des deutschen Rechts, um den Nachweis von Menschenhandel zu erleichtern, und wir brauchen wahrscheinlich eine Verlängerung der Verjährungsfristen, denn viele Opfer sind erst nach Ihrer Genesung in der Lage und bereit, auszusagen, von den zivilrechtlichen Möglichkeiten im Hinblick auf Entschädigung und so weiter einmal ganz abgesehen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, denn die Zahl der Opfer ist in den letzten Jahren kontinuierlich ge

stiegen, während die Zahl der Verurteilungen stetig sinkt, ein skandalöser und nicht hinnehmbarer Zustand.

(Beifall bei der SPD)

In Hamburg hat die vorbildlich arbeitende Koordinierungsstelle gegen Frauenhandel, KOOFRA, in 2012 54 Fälle betreut: 53 Frauen, 1 Mann, davon 2 Fälle im Zusammenhang mit Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft.

Wir werden unserer Verantwortung nachkommen, indem wir das Thema im Rahmen des Landesaktionsplans gegen Gewalt an Frauen und im Rahmen des Opferschutzplans aufgreifen – dann auch gerne in den Ausschüssen, Frau von Treuenfels –, im Rahmen von länderübergreifenden Aktivitäten wie der Ostseeparlamentarierkonferenz, aber auch im Bundesrat, um der Bundesregierung gegebenenfalls Beine zu machen. Denn die laxe Haltung, die diese gegenüber dem Menschenhandel, diesen massivsten Menschenrechtsverletzungen, einnimmt, ist nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der SPD)

Das nun in letzter Minute vorgelegte Gesetz ist keine den Tatbeständen gerecht werdende adäquate Umsetzung der EU-Richtlinie. Da gibt es Nachbesserungsbedarf, und den fordern wir ein, denn den Opfern von Menschenhandel muss geholfen werden – mit aller Macht, mit aller Konsequenz, und zwar weltweit, in Europa und auch hier bei uns. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Trepoll.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der von der SPDFraktion zur Debatte vorliegende Antrag, der den Senat auffordert, sich im Bundesrat für die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung von Menschenhandel einzusetzen, ist ein kläglicher Versuch, auf einen bereits fahrenden Zug aufzuspringen, Frau Dobusch. Jedoch wie bei Zügen üblich, die den Bahnhof bereits verlassen haben, sind die Türen während der Fahrt geschlossen. Deswegen macht ein Aufspringen Ihrerseits auch keinen Sinn.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Gabi Dobusch SPD: Abwarten!)

Bereits in der vergangenen Woche wurde der Gesetzentwurf der Koalition aus CDU/CSU und FDP zur Bekämpfung des Menschenhandels und der Überwachung von Prostitutionsstätten im Bundestag in erster Lesung beraten, der genau das umsetzen wird, was die EU-Richtlinie vorgibt,

(Gabi Dobusch SPD: Tut er nicht!)

(Präsidentin Carola Veit)

nämlich zukünftig endlich konsequent gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution mit aller Härte des Gesetzes vorzugehen.

Der Gesetzentwurf der schwarz-gelben Koalition sieht unter anderem vor, dass sich zukünftig auch derjenige wegen Menschenhandels strafbar macht, der dabei beispielsweise eine Organentnahme zum Ziel hat oder die Straftaten oder die Bettelei eines anderen ausnutzen will; wir haben da auch schon unsere Erfahrung in Hamburg. Zusätzlich drohen den Tätern in Zukunft höhere Strafen, wenn das Opfer beispielsweise noch nicht volljährig ist oder leichtfertig in Todesgefahr gebracht wird.

Auch die sexuelle Ausbeutung als eines der größten Probleme des Menschenhandels soll durch den Gesetzentwurf effektiv bekämpft werden, indem eine gravierende Schutzlücke endlich geschlossen wird, die das rot-grüne Prostitutionsgesetz von 2002 hinterlassen hat.

(Beifall bei der CDU und bei Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP)

Zuhälter und Bordellbetreiber hatten als Folge des damaligen rot-grünen Gesetzes nahezu freies und unkontrolliertes Spiel in ihren Geschäftsgebaren. Die Kriminalität im Rotlichtmilieu wurde dadurch stark begünstigt. Und anstelle dieses Show-Antrags, Frau Dobusch, hätte ich mir von Ihnen etwas mehr Selbstkritik über die fatalen Auswirkungen des von Ihnen verantworteten Gesetzes gewünscht.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Gabi Dobusch SPD: Diese Vermischung ist fatal und schadet den Opfern von Menschenhan- del! Wir reden hier von Menschenhandel, sonst nichts!)

Der schwarz-gelbe Gesetzentwurf in Berlin sieht deshalb vor, dass Betreiber von Bordellen zukünftig überprüft und die Bordelle kontrolliert werden können und der Betrieb durch Auflagen eingeschränkt werden kann, insbesondere wenn es zum Schutz der Prostituierten oder der Allgemeinheit erforderlich ist.

Meine Damen und Herren! Wie Sie sehen, ist Ihr Antrag völlig überflüssig und zu spät. Die schwarzgelbe Mehrheit im Bundestag handelt längst dementsprechend. Ich kann in Ihrem Antrag auch keinerlei neue oder weitergehende Forderungen entdecken, die einen Beschluss unserer Bürgerschaft jetzt noch notwendig machen. Uns allen wäre am meisten geholfen, wenn Sie Ihren Antrag zurückziehen würden. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau Möller hat nun das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich muss zugeben, dass ich einen ähnlichen Vorschlag machen wollte wie Herr Trepoll: nicht, dass Sie den Antrag zurückziehen, aber dass Sie ihn in eine Resolution umwandeln. Alles, was Sie inhaltlich gesagt haben, passt und stimmt. Mit dem Thema Menschenhandel wurde sich in der Bundesrepublik bisher viel zu wenig befasst. Auf Bundesebene ist das Thema erst einmal im Keller verschwunden. Und aufgrund des inzwischen drohenden Wahltags, aber auch der Tatsache, dass seit April die Verordnung unmittelbar gilt, wird jetzt etwas gemacht. Aber wenn wir nun einen Antrag von Ihnen bekommen, der sagt, wir sollen den Senat auffordern, sich im Bundesrat dafür einzusetzen – ich bin gar nicht sicher, ob der Bundesrat noch vor der Sommerpause tagt, dann tagt er vielleicht noch einmal danach, und dann haben wir Bundestagswahl –, dann stimmt das schon ein bisschen mit dem Zug, hinter den man sich wirft. Es ist doch viel wichtiger, die inhaltliche Kritik an dem, was Schwarz-Gelb da noch schnell umzusetzen versucht, zu führen, und das hätten wir mit einer Resolution wirklich gut tun können.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Cansu Öz- demir DIE LINKE)

Sie haben einige Punkte genannt, die wir teilen. Der Gesetzentwurf ist nicht gut, das muss man schlicht und einfach sagen, Herr Trepoll. Er ist überhaupt nicht ausreichend. Es gibt deutliche Kritik zum Beispiel vom Institut für Menschenrechte, das sagt, da passe nichts zusammen. Die Schnittstelle zum Thema Arbeitsausbeutung passe nicht, es bestehe die Notwendigkeit, eine Zwangslage belegen zu müssen, und das habe noch nie jemand gemacht. Es gebe einen Flickenteppich an Normen, so wird es in der Stellungnahme des Instituts beschrieben, strafrechtlich sei das alles nicht schlüssig und es werde auch nicht konsequent mit den Opferrechten umgegangen. Das kann man nun wirklich nicht als einen guten Entwurf bezeichnen.

Peinlich ist – das wurde schon gesagt –, dass man seit 2008 weiß, dass es diese Richtlinie geben wird. 2011 wurde sie beschlossen, und immer noch hat die CDU sich nicht in der Lage gesehen, das Ausländerrecht und die Aufenthaltsregelungen im Umgang mit Opfern von Menschenhandel so zu überarbeiten, dass sie den Menschen auch Mut machen, auszusagen und ihre Peiniger vor Gericht zu bringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich finde es ein bisschen traurig, dass die hamburgischen Projekte, die in diesem Bereich arbeiten, in Ihrem Antragstext gar nicht vorkommen und von Frau Dobusch nur nebenbei in einem Halbsatz erwähnt wurden. Die hamburgische Arbeit ist gut und erfolgreich. Sie hätte es verdient, einen größeren

(André Trepoll)

Raum in Ihrer Rede und in unserer politischen Debatte einzunehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun hat Frau von Treuenfels das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich weiß, dass wir uns alle einig sind – ich glaube, das muss man gar nicht weiter betonen –, dass der Menschenhandel ein wirklich furchtbares Verbrechen ist und dagegen mit aller Kraft vorgegangen werden muss.

(Beifall bei der FDP)

Wie in manch anderen Bereichen gilt allerdings auch bei diesem Thema, dass rot-grüne Politik das Problem leider nicht behoben hat ganz nach dem altbekannten Motto: Gut gemeint ist lange nicht gut gemacht. Denn das rot-grüne Prostitutionsgesetz von 2001 hat am Menschenhandel in Deutschland nichts geändert, weil nämlich das Idealbild der selbstbestimmten Prostituierten ein Trugbild geblieben ist.

(Beifall bei der FDP und bei Ralf Niedmers CDU)

Stattdessen haben sich die Zustände verschlechtert. Heute werden Tausende junger Frauen aus Südosteuropa quer durch die EU nach Deutschland geschleust, in Bordelle verkauft und zur Prostitution gezwungen; wir alle wissen das. Um diesem Zweig des Menschenhandels Einhalt zu gebieten, wird die notwendige Korrektur nun durch den Gesetzentwurf der schwarz-gelben Koalition vorgenommen. Eine sehr notwendige Gesetzesänderung erfolgte in der Gewerbeordnung; Herr Trepoll hat das meiste schon erwähnt. Komischerweise sagen wir heute das Gleiche, weil zufälligerweise in der Regierung. Der Betrieb von Prostitutionsstätten gehört nun zum überwachungsbedürftigen Gewerbe. Das ist sehr wichtig, denn die Behörden erhalten nun endlich Überprüfungs- und Kontrollmöglichkeiten des Prostitutionsgewerbes. Ich stimme Ihnen zu, dass das noch nicht reicht, aber wir haben immerhin den ersten richtigen Schritt getan. Wir brauchen auch einen intensiveren Schutz anderer Opfer des Menschenhandels, die zur Bettelei oder zur Organentnahme gezwungen werden. Die Regierungsfraktionen haben diese Fälle in den Straftatbestand des Menschenhandels, Paragraf 233 StGB, aufgenommen. Auch das Schutzalter der Opfer sexueller Ausbeutung und der Förderung des Menschenhandels wurde auf 18 Jahre angehoben.

Meine Damen und Herren von der SPD! Damit ist ein sehr wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan. Der Senat bräuchte dem Gesetzentwurf der Regierungskoalition eigentlich nur noch zuzustim

men, statt darüber zu lamentieren, dass wir die Fristen verpassen. Auch die Berufung auf die Europarechtskonvention ist für mich keine Ausrede, die ist nämlich seit 2012 längst ratifiziert.

Der Ruf von GRÜNEN und LINKEN nach Einführung von Aufenthaltstiteln ist für mich eigentlich nur eine Geste. Er versucht erstens zu verschleiern, dass die meisten Opfer von Menschenhandel in der EU aus EU-Mitgliedsstaaten kommen. Die brauchen, wie jeder weiß, überhaupt keinen Aufenthaltstitel. Sie brauchen dagegen ganz andere Hilfsmaßnahmen wie psychologische Betreuung und dergleichen mehr, die in den meisten Fällen schon sehr gut gewährt wird.