Protocol of the Session on June 12, 2013

Aber die Einführung von Volumentarifen ist nicht das Hauptproblem. Jedes Unternehmen muss selber wissen, ob und wie es seine Kunden vergraulen will. Allerdings: Die hier im Raum stehenden 70 Gigabyte als Vielsurferei zu betrachten, halte ich angesichts der Tatsachen, gelinde gesagt, für den falschen Begriff. Man stelle sich einen Vierpersonenhaushalt vor: Ein bisschen Streaming von Filmen, Musik oder eben die Übertragung der Bürgerschaftssitzung, ein bisschen Skypen mit der Oma, Uploading eines Fotobuchs aus dem Urlaub und schwupps ist das Volumen schon verbraucht.

Das eigentliche Thema, um das es hier geht, ist die Netzneutralität. Ein offenes und diskriminierungsfreies Internet ist Grundlage für Meinungsfreiheit und Vielfalt. Wir Sozialdemokraten wollen Wettbewerbsverzerrung und Diskriminierung der Anbieter und Anwender durch Behinderung oder Verlangsamung verhindern.

(Beifall bei der SPD)

Das Ausnehmen der eigenen Angebote oder der Angebote von Partnern aus dem Volumen ist eine Verletzung der Netzneutralität. Da gehen die Pläne zu weit.

Der Angriff auf die Netzneutralität ist auch ein unglaublicher Sabotageakt am einzig verbliebenen Innovationsmotor in Deutschland, dem Mittelstand. Erst durch die Gleichbehandlung aller Datenpakete, unabhängig von Inhalt, Dienst, Anwendung, Herkunft oder Ziel, konnte das Zusammenspiel von Mittelstand und Internet so ausschlaggebend für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung werden. Das Ausnutzen von Marktmacht und die Schaffung künstlicher Eintrittsbarrieren behindern die Innovationsausbreitung. Ein Internet der zwei Geschwindigkeiten wäre fatal für die weitere Entwicklung. Die SPD ist hier auf der Seite des Mittelstands und der Start-ups.

(Beifall bei der SPD)

Netzneutralität ist aber vor allem auch ein Verbraucherschutzthema, und deswegen geht es uns alle an. Schauen Sie auf den Tarifdschungel beim Mobilfunk und Sie sehen, was droht. Es kann nicht sein, dass nur, weil man beim falschen Provider ist, auf einmal bestimmte Dienste und Angebote im Internet nicht mehr nutzbar sind.

Hier spielt auch der von uns angesprochene Routerzwang eine Rolle. Es ist ein Unding, dass Provider ihren Kunden bestimmte Geräte aufzwingen wollen und die Zugangsdaten verheimlichen. Das Nachsehen bei dieser Entwicklung haben die Kunden durch weniger Komfort und Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten und die Gerätehersteller durch eingeschränkten Wettbewerb, weil die Kunden keine Wahl mehr haben. Die SPD macht sich deshalb stark für die Netzneutralität und gegen den Routerzwang. Man stelle sich vor, dass der Stromanbieter den Preis erhöht, weil man nicht die Waschmaschine der Hausmarke verwendet, oder aus der Dusche auf einmal weniger Wasser kommt, weil man den falschen Duschkopf verwendet. So etwas darf es nicht geben. Hier ist der Gesetzgeber gefordert.

(Beifall bei der SPD und bei Katharina Wolff CDU)

Die SPD hat bereits 2011 im Bundestag einen Antrag zur Netzneutralität eingebracht. Union und FDP haben diesen abgelehnt, ohne eigene Vorschläge zu machen. Aus den Reihen der FDP hieß

(Präsidentin Carola Veit)

es, wie so oft, der Markt werde das schon regeln. Deshalb sind die Krokodilstränen von Herrn Rösler an dieser Stelle auch vollkommen unglaubwürdig. Die Zeit des Briefeschreibens ist vorbei. Hier muss endlich gehandelt werden.

(Beifall bei der SPD und bei Farid Müller GRÜNE)

Die SPD ist zum Handeln bereit. Wir haben 2011 einen Antrag im Bundestag eingebracht, wir haben einen einstimmigen Beschluss des Bundesparteitags, wir haben die Netzneutralität in der EnqueteKommission Internet im Deutschen Bundestag immer wieder gefordert, und wir haben die gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität im Wahlprogramm stehen. In NRW und heute nun auch in Hamburg unterstreicht die SPD diese Position noch einmal eindeutig. Wir sind bei diesem wichtigen Thema zum Handeln bereit. Es liegt einzig und allein an der CDU und vor allem an der FDP, Farbe zu bekennen und die Blockadehaltung endlich aufzugeben. Deswegen werden wir diesen Antrag heute auch beschließen. Diskussionen, Herr Ritter, sind eigentlich an allen Stellen schon genug geführt worden. Deswegen beschließen wir das; hier ist Handeln gefordert und nicht weiteres Rumlamentieren, wie es die FDP gerne macht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Farid Müller GRÜNE)

Nun hat Frau Wolff das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Internet hat die Art, wie Menschen überall auf der Welt kommunizieren, sich informieren, partizipieren und auch wirtschaften, auf radikale und gleichzeitig auf fantastische Art und Weise verändert. Von überall auf der Welt kann jeder auf die gleichen Informationen und Daten zugreifen, kann sie konsumieren, für sich nutzen und weiterverarbeiten. Nie zuvor war es für junge, innovative Unternehmer, die angesprochenen Start-ups, so leicht möglich, mit einer guten Idee und dem nötigen Know-how neue Geschäftsmodelle einzuführen und Dienstleistungen für Menschen überall auf der Welt anzubieten. Eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, dass das bisher möglich ist, ist die Existenz der Netzneutralität. Die Gleichbehandlung aller Daten im Internet hat dazu geführt, dass für neue Innovationen niedrigschwellige Eintrittsbarrieren existieren. Für die Wettbewerbsfähigkeit eines Dienstes oder eines Produkts ist damit bisher vor allem dessen Qualität verantwortlich, nicht aber seine Erreichbarkeit im Netz, da diese bei allen anderen Konkurrenten, die es vielleicht am Markt gibt, bei Netzneutralität gleich ist.

In der analogen Welt macht es einen entscheidenden Unterschied, ob Sie Ihr Ladengeschäft in einer zentralen Einkaufsstraße wie zum Beispiel der Mönckebergstraße haben oder in Waltershof inmitten des Containerhafens. Je leichter der Zugang zu einem Geschäft ist, desto größer ist natürlich auch die Wahrscheinlichkeit, dass der eine oder andere potenzielle Kunde dort vorbeikommt. Das wissen die Unternehmen, und deshalb zahlen sie für gute Standorte auch hohe Mieten. Das ist aber den meisten Start-ups nicht möglich. Im Internet ist das deswegen bisher weitgehend anders. Die Netzneutralität hat sichergestellt, dass hier Gutes schnell durch Besseres verdrängt werden kann, und damit wurde das Internet innerhalb kürzester Zeit zum innovativen Antreiber gesellschaftlichen, aber auch ökonomischen Fortschritts. Im Internet kann bisher quasi jeder einen Laden in der Mönckebergstraße eröffnen. Jedes Geschäft, jedes Angebot wird infrastrukturell genau gleich angeboten. Über Erfolg und Misserfolg entscheidet damit dann nicht die Zugänglichkeit im Netz, sondern allein die Attraktivität des Produkts, seine Bekanntheit und sein Nutzen.

Ich will an dieser Stelle nur zwei bekannte Beispiele von deutschen Unternehmen nennen, denen es durch die Netzneutralität erleichtert wurde, auch mit US-Unternehmen konkurrieren zu können. Da gibt es zum Beispiel das Unternehmen XING, das es nur durch die Netzneutralität geschafft hat, den amerikanischen Platzhirschen LinkedIn im deutschen Markt von den Nutzerzahlen her zu überholen. Und auch nur im Umfeld der Netzneutralität hat ein Unternehmen wie DailyDeal es geschafft, dem weitverbreiteten US-Pendant GROUPON wirklich ernsthafte Konkurrenz machen zu können. Diese zwei Beispiele stehen stellvertretend für unzählige kleine Unternehmen mit innovativen und guten Produkten, die sich schnell und erfolgreich auf einem bereits besetzten Markt sogar gegen diese US-Riesen durchsetzen können. Genau das gerät jetzt in Gefahr, und deswegen unterstützen wir den Antrag der SPD-Fraktion ganz ausdrücklich.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Wenn, wie gerade von der Telekom angekündigt, einzelne Provider – Herr Schmidt hat es ausgeführt – ihre Macht über den Netzzugang dazu nutzen, einzelne Dienstanbieter oder Tochterunternehmen zu bevorteilen und damit andere Anbieter zu diskriminieren, dann droht unsere Innovationsfähigkeit regelrecht abgetötet zu werden, dann zerstört das die Chancen für neue Start-ups und Gründer innovativer Produkte, und dann verschlechtert das letztendlich natürlich auch das Angebot für den Endkonsumenten, den User.

Es geht im konkreten Beispiel eben nicht darum, dass die Telekom ab einem gewissen Volumen, das ein Kunde verbraucht hat, dessen Zugang

(Hansjörg Schmidt)

zum Netz nur verlangsamt, sondern es geht vor allem darum, dass die Telekom angekündigt hat, den Zugang für spezielle Dienstleistungen eben nicht zu verlangsamen. Ebenso soll der Zugang zu Dienstleistungen von Anbietern, die die Telekom für eine schnellere Erreichbarkeit bezahlen, nicht verlangsamt werden. Damit würde über die Attraktivität einer Dienstleistung oder eines Produktes eben nicht mehr die Qualität, sondern die Zugänglichkeit entscheiden. Diese Zugänglichkeit – das ist der entscheidende Punkt – wird dann für sich zu einer Ware, die man sich kaufen kann oder in Zukunft vielleicht sogar kaufen muss, wann man Erfolg haben will. Im Umkehrschluss hieße das, dass ein etablierter Anbieter den Provider auch dafür bezahlen kann, dass eventuell zukünftig Konkurrenten eine gedrosselte Zugänglichkeit haben. Das würde das Internet fundamental verändern. Das Internet als Innovationstreiber, so, wie wir es heute kennen, wäre dann Geschichte.

Wenn diese Form der Diskriminierung erst einmal möglich ist, dann werden mit Sicherheit auch andere Provider diese Einnahmequelle für sich entdecken, und dann werden sich die Provider irgendwann generell dafür bezahlen lassen, wie schnell, wie stabil und in welcher Bandbreite sie die Daten einzelner Anbieter durch ihre Netze lassen. Es darf nicht dazu kommen, dass Provider Exklusiv-Verträge mit anderen Anbietern abschließen. Es darf nicht dazu kommen, dass nur noch die Suchergebnisse von speziellen Seiten in hoher Geschwindigkeit durchgelassen werden. Das nächste Facebook, das vielleicht schon im Kopf irgendeines Gründers existiert und Gestalt annimmt, wird am Anfang bestimmt niemals die Finanzkraft haben, um zu verhindern, dass es von einem etablierten Unternehmen vom Markt gedrängt wird, bevor es überhaupt die Chance hat, sich dort zu etablieren. Die CDU-Fraktion in Hamburg glaubt deshalb, dass die Netzneutralität ein schützenswertes Gut ist, und deswegen – ich habe es schon gesagt – werden wir den Antrag der SPD unterstützen, auf Bundesebene eine entsprechende Regelung zu finden.

Nicht einverstanden sind wir mit dem Vorhaben, die Verantwortung für diese Fragen auf die Länderebene zu übertragen, so wie Herr Scholz es bei "Spiegel Online" verlauten ließ. Die Verantwortung für ein weltweites Netzwerk in die Hände von 16 einzelnen Bundesländern zu geben, die 16 unterschiedliche Vorstellungen und vielleicht sogar 17 unterschiedliche Ideen davon haben, wie das gestaltet werden soll, erscheint uns unverantwortlich und kontraproduktiv.

(Beifall bei der CDU und bei Farid Müller GRÜNE und Kersten Artus DIE LINKE)

In Punkt 2 des Antrags der SPD finde ich den zweiten Absatz daher ein bisschen kritisch. Werten Sie es als ein Zeichen dafür, dass wir diesen An

trag sehr wichtig finden, wenn wir trotzdem den gesamten Antrag annehmen.

(Finn-Ole Ritter FDP: Solidarität!)

Den Antrag der LINKEN werden wir ablehnen, weil wir finden, dass eigentlich schon alles im SPD-Antrag gesagt ist. Natürlich überweisen wir gerne und werden auch gerne im Ausschuss über beide Anträge diskutieren.

Herr Schmidt, Sie haben aus dieser Debatte ein bisschen eine parteipolitische Debatte gemacht.

(Hansjörg Schmidt SPD: Ich doch nicht!)

Das ist an dieser Stelle gar nicht nötig. Wir brauchen nicht parteipolitisch zu werden, sondern können alle gemeinsam für einen bundeseinheitlichen Erhalt der Netzneutralität kämpfen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Hansjörg Schmidt SPD und Farid Müller GRÜNE)

Der Abgeordnete Müller hat jetzt das Wort.

Frau Wolff, dann wollen wir doch einmal schauen, ob wir das so hinbekommen.

Wir GRÜNE begrüßen den Vorstoß der SPD in diesem Punkt. Wir sind auch der Meinung, dass das Internet nicht der Telekom oder Vodafone oder O2 oder allen gemeinsam gehört. Deswegen ist der Vorstoß, den die Telekom gewagt hat, aus meiner Sicht nicht nur nicht hilfreich, sondern er führt in die Irre, und er wird uns vor allen Dingen digital in Europa und auch weltweit zurückwerfen. Es ist gut, dass die Telekom, wie heute bekannt wird, offenbar zurückrudert.

(Hansjörg Schmidt SPD: Auf unseren Antrag hin!)

Bei allem Respekt vor Ihrer Arbeit, Herr Schmidt, glaube ich nicht, dass das aufgrund eines Hamburger Bürgerschaftsantrags geschehen ist. Ich denke, dass die öffentliche Diskussion, der Druck durch die Bundesnetzagentur, aber auch die Klagen der Verbraucherzentrale in NRW ihre Wirkung gezeigt haben.

Wir sollten an dieser Stelle aber deutlich sagen, dass das, was die Telekom in der Sache selbst nachgegeben hat,

(Hansjörg Schmidt SPD: Nichts ändert!)

nicht ausreicht. Deswegen ist das für uns als GRÜNE nicht akzeptabel.

Es gibt ein paar gute Beispiele für das, was die Telekom nach neuesten Berechnungen und noch nicht schriftlich vorliegend den Kunden anbieten möchte, nämlich zwei Megabyte pro Sekunde. Das sind für einen vierköpfigen Haushalt ungefähr acht

(Katharina Wolff)

Aufrufe von Homepages am Tag und vielleicht eine halbe Stunde ein Video Streaming, und das in schlechter Qualität. Mit anderen Worten: Das ist eine Mogelpackung, die uns jetzt auf Druck vorgelegt wird. Wir alle sollten darauf um Gottes Willen nicht eingehen, sondern wir müssen – das fand ich sehr gut bei Frau Wolff – auf dieser Netzneutralität bestehen.

Natürlich muss man, Frau Wolff, auch ein bisschen politisch bei der Sache sein, denn wir stehen deswegen mit diesem Problem in der Bürgerschaft, weil der Bundestag sich bisher nicht durchringen konnte, eine gesetzliche Regelung zu finden, zum Beispiel im Telemediengesetz. Das haben die Fraktionen der SPD und auch der GRÜNEN im Bundestag vorgeschlagen, und am Ende kam eine Wischiwaschi-Regelung heraus, die dann dazu geführt hat, dass die Telekom gesagt hat, das machen wir mal so, wir haben schon so viele Datenmengen, die wir transportieren müssen, und irgendwie rechnen sich auch diese Flatrates für uns gar nicht mehr. Schauen wir einmal in unser Entertainmentangebot, das nicht so richtig läuft, und bevorzugen das ein bisschen, dann wird das schon was.

(Glocke)

Meine Damen und Herren! Das Entertainmentangebot findet hier vorne statt, insofern wäre es schön …

Ich merke, dass ich da nicht mithalten kann.

Das macht nichts, Herr Müller, Sie haben das Wort und nur Sie.