Protocol of the Session on May 16, 2013

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Vielen Dank, Herr Heinemann. – Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor, wir kommen damit zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksachen 20/7818 und 20/7981 an den Schulausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mehrheitlich abgelehnt worden.

Dann lasse ich über die Anträge in der Sache abstimmen, zunächst zum Antrag der CDU-Fraktion aus der Drucksache 20/7818.

Wer möchte diesen annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mehrheitlich abgelehnt worden.

Wer schließt sich dem SPD-Antrag aus der Drucksache 20/7981 an? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist bei einigen Enthaltungen einstimmig beschlossen worden.

Meine Damen und Herren! Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 24 auf, Drucksache 20/7654, Bericht des Ausschusses für Justiz, Datenschutz und Gleichstellung über die Drucksachen 20/3014: Signal aus Hamburg: Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft und 20/3136: Optionsmodell zur Staatsangehörigkeit – keine generelle Zweistaatigkeit – Erfahrungen auswerten – rechtliche Bedingungen und Anwendung verbessern sowie 20/3143: Mit gleichen Rechten und Pflichten: Liberalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts.

[Bericht des Ausschusses für Justiz, Datenschutz und Gleichstellung über die Drucksachen 20/3014:

(Senator Dr. Peter Tschentscher)

Signal aus Hamburg: Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft (Antrag der SPD-Fraktion), 20/3136: Optionsmodell zur Staatsangehörigkeit – keine generelle Zweistaatigkeit – Erfahrungen auswerten – rechtliche Bedingungen und Anwendung verbessern (Antrag der CDU- Fraktion) und 20/3143: Mit gleichen Rechten und Pflichten: Liberalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts (Antrag der GAL-Fraktion) – Drs 20/7654 –]

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Herr Abaci bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit dem 1. Januar 2000 erwerben in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern über Paragraf 4 Absatz 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Diese Kinder müssen sich dann in der Regel bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres für eine von beiden Staatsbürgerschaften entscheiden. Diese sogenannte Optionspflicht und die daraus folgenden komplizierten Regelungen waren aber schon bei ihrer Einführung umstritten. Bei vielen betroffenen Menschen löst der Optionszwang ernsthafte Identitätskrisen aus. Viele junge Leute fühlen sich aber in mehreren Kulturen zu Hause. In diesem Jahr trifft es die Ersten, die ihren 23. Geburtstag feiern, rund 3300 junge Menschen bundesweit, die das Ende der Entscheidungspflicht erreichen. Damit könnten sie unter Umständen ungewollt ihren deutschen Pass verlieren, den sie nur in einem neuen Einbürgerungsverfahren wieder erlangen können. Mehrere Fälle sind bundesweit bereits bekannt geworden. Der Zwang zur Entscheidung ist nicht nur integrationspolitisch kontraproduktiv, sondern verfassungsrechtlich zumindest bedenklich.

(Beifall bei der SPD)

Es wird nur von einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe verlangt, dass sie sich bis zum 23. Geburtstag für eine von zwei Staatsangehörigkeiten entscheidet. Rationale Gründe für diese Ungleichbehandlung sind nicht ersichtlich. Warum sollte, was für Otto und Harald gilt, nicht auch für Mehmet und Lamia gelten?

(Beifall bei der SPD)

Bisher gilt bei den Einbürgerungen das Prinzip, dass die Doppel- und Mehrstaatigkeit grundsätzlich vermieden werden soll. Mit der bundesdeutschen Realität hat dieses Prinzip allerdings nicht so viel zu tun. Es gibt etliche Ausnahmeregelungen, die dazu führen, dass schon seit Jahren in der Mehrzahl der Fälle die deutschen Neubürger auch die Staatsbürgerschaft ihres Herkunftslandes behal

ten. In Hamburg wird die Einbürgerung bei etwa 60 Prozent der Fälle unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit durchgeführt, und in dieser Stadt leben etwa 150 000 Menschen, die neben der deutschen auch mindestens eine andere Staatsangehörigkeit haben. In Deutschland besitzen allein schon 3 Millionen Russlanddeutsche und 2 Millionen EU-Bürger die doppelte Staatsbürgerschaft, ohne dass irgendwelche Probleme bekannt wären.

Völkerrechtlich ist die Hinnahme von Mehrstaatigkeiten auch unproblematisch. Seit 2005 ist Deutschland Vertragsstaat des Europäischen Übereinkommens über die Staatsangehörigkeit, das die Mehrstaatigkeit ausdrücklich anerkennt. Auch in anderen Staaten ist die Hinnahme von Mehrstaatigkeiten üblich, unter anderem in den USA, in Frankreich, Holland und Belgien.

Meine Damen und Herren! Nach einer Studie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, BAMF, aus dem Jahre 2011 ist der wichtigste Grund für die Einbürgerung der Wunsch nach rechtlicher Gleichstellung sowie das Gefühl zu haben, in Deutschland verwurzelt zu sein. Der am häufigsten genannte Hinderungsgrund für einen Einbürgerungsantrag ist die Verpflichtung zur Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit. Deshalb gehört der Optionszwang abgeschafft.

(Beifall bei der SPD und bei Christa Goetsch GRÜNE, Tim Golke und Heike Sudmann, beide DIE LINKE)

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind grundsätzlich der Auffassung, dass die doppelte Staatsbürgerschaft und die Mehrfachzugehörigkeit eine Generation von Bindestrich-Deutschen widerspiegelt. Sie gehört zu ihrer sozialen Identität. Die doppelte Staatsangehörigkeit ist ein wichtiger Baustein in einer lebendigen Anerkennungskultur.

(Beifall bei der SPD)

Schließlich ringen wir, und darum geht es im Kern bei der doppelten Staatsbürgerschaft, um unser Selbstverständnis als Einwanderungsgesellschaft. Selbstverständlich fühlen sich in Deutschland geborene und aufgewachsene Menschen als Teil der deutschen Gesellschaft. Doch auch die Tradition, die Sprache der Eltern und das Narrativ der Familie werden als identitätsstiftend empfunden. Die Identitäten junger Migranten sind somit erweiterte Identitäten, die ein moderner Staat zu respektieren hat. Junge Menschen zu einer Entscheidung zwischen dem integralen Bestandteil ihrer Identität und damit manchmal buchstäblich zwischen Vater und Mutter zu zwingen, heißt, ihnen diesen Respekt zu versagen und sie in ihrer von der bürokratischen Norm abweichenden Individualität zurückzuweisen.

(Beifall bei der SPD)

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg)

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen eine klare, transparente Regelung des Staatsangehörigkeitsrechts. Die Einbürgerung ist nämlich viel mehr als nur ein Verwaltungsakt. Sie ist das Bekenntnis zu unserem Staat und zu unserer Gesellschaft. Nur wer deutscher Staatsbürger wird, hat alle Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe. Erst mit dem deutschen Pass erhält man alle staatsbürgerlichen Rechte, insbesondere das volle aktive und passive Wahlrecht.

Wir wollen, dass doppelte Staatsbürgerschaften ohne Wenn und Aber auch in Deutschland möglich sein sollen. Aus diesem Grund setzen wir uns erneut mit unserem Antrag für eine Bundesratsinitiative ein. Wir wollen, dass alle Kinder, die bei uns in Deutschland geboren werden und mit ihrer Geburt die doppelte Staatsbürgerschaft erwerben, diese auch nach Erreichen der Volljährigkeit behalten können. Und wir wollen, dass doppelte Staatsbürgerschaften in Zukunft auch möglich sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie, der Empfehlung des Ausschusses für Justiz, Datenschutz und Gleichstellung nachzukommen und unseren Antrag aus der Drucksache 20/3014 anzunehmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Christa Goetsch, Anja Hajduk, beide GRÜNE und Christiane Schneider DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abaci. – Das Wort hat Herr Trepoll.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Wahlkampfzeit rückt näher und damit auch wieder viele Debatten, die sich eigentlich gar nicht stellen, außer, man möchte sich vermeintlich neue Wählergruppen erschließen. Diese Debatte ist ein solcher Beitrag dazu, da sich zurzeit die Frage der regelhaften, doppelten Staatsbürgerschaft gesellschaftlich überhaupt nicht stellt.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Was?)

Das geltende Staatsangehörigkeitsrecht, das Kinder ausländischer Eltern, die sowohl die Staatsangehörigkeit der Eltern sowie einen deutschen Pass haben, im Alter von 18 bis 23 Jahren vor die Wahl stellt, sich für die deutsche oder ausländische Staatsbürgerschaft zu entscheiden, stammt aus dem Jahr 2000. Dieses sogenannte Optionsmodell wurde damals als Kompromiss von der rot-grünen Bundesregierung und dem Bundesrat mithilfe der Stimmen der FDP beschlossen.

(Zuruf von Mehmet Yildiz DIE LINKE)

So ändern sich die Zeiten. Es ist ganz interessant, dass es sich jetzt offensichtlich umgekehrt hat und die Parteien, die das damals beschlossen haben,

es wieder abschaffen möchten und die Partei, die damals nicht zugestimmt hat, die CDU, sich anders entscheidet. Die ersten optionspflichtigen Kinder sind mittlerweile volljährig geworden, es ist in diesem Jahr soweit. Und deshalb ist es noch viel zu früh für eine umfassende Bewertung.

Erste Zwischenergebnisse bei der Evaluierung von Optionsmodell und Einbürgerungsrecht vom Bundesamt für Migration zeigen – Herr Abaci hat es angesprochen –, dass sich fast 98 Prozent der Optionspflichtigen in ganz Deutschland für die deutsche Staatsbürgerschaft entscheiden. Und nur bei 5,6 Prozent der Betroffenen findet, wie von ihnen selbst genannt, eine Verunsicherung in der familiären oder beruflichen Lebensplanung statt. Das bedeutet, dass über 94 Prozent der Betroffenen damit überhaupt keine Probleme haben, Herr Abaci, und das ist die Realität.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das wis- sen Sie doch gar nicht!)

Frau Schneider, das sind die Untersuchungen vom Bundesamt, und das müssen auch Sie zur Kenntnis nehmen. Wenn Ihnen das Ergebnis nicht gefällt, ist das etwas anderes.

(Beifall bei der CDU)

Auch in Hamburg haben sich bisher unserer Erkenntnis nach annähernd alle Optionspflichtigen für die deutsche Staatsangehörigkeit entschieden. Herr Senator Neumann, korrigieren Sie mich gern, wenn ich falschliegen sollte. Dieses Bekenntnis zu uns und zu unserer Wertegemeinschaft ist doch eine gute Nachricht für unser Land. Viele junge Frauen und Männer aus Zuwandererfamilien sind hier geboren, leben hier gern, empfinden Deutschland als ihre Heimat und sind erfolgreich integriert.

Sicherlich hat die Entscheidung für eine Staatsbürgerschaft auch immer eine emotionale Seite, das will ich gar nicht in Abrede stellen. Aber gerade die Wahloption ermöglicht es doch jedem Einzelnen, fünf lange Jahre genau abzuwägen und sich dann bewusst für eine Staatsbürgerschaft zu entscheiden. Herkunftswurzeln bleiben von solchen Entscheidungen unbetroffen. Keiner verliert seine kulturelle Identität, nur weil er sich für eine Staatsbürgerschaft entscheiden muss.

Wir sind der Meinung: eine Person – eine Staatsbürgerschaft. Ich nehme in der Gesellschaft auch derzeit keinerlei Strömungen oder Debatten wahr, die an diesem Grundsatz grundlegend etwas ändern möchten. Wir sollten erst einmal die Ergebnisse des Optionsmodells abwarten, auswerten und bewerten und uns dann anschauen, an welchen Stellen Nachbesserungen oder Ähnliches notwendig sind.

Die Entscheidung für die deutsche Staatsbürgerschaft erleichtert die Integration, ermöglicht die gleichberechtigte und vollständige gesellschaftliche

(Kazim Abaci)

Teilhabe, wirkt sich in der Regel positiv auf die wirtschaftliche Situation aus und ist daher ein Gewinn für jeden, der sich für die deutsche Staatsbürgerschaft entscheidet.

(Beifall bei der CDU)

Daher sollten wir jeden Einzelnen ermutigen, sich für die deutsche Staatsbürgerschaft zu entscheiden, die Vorteile für eine solche Entscheidung immer wieder betonen und die Optionspflichtigen auch nicht mit diesen unnötigen Debatten verunsichern. Wir wollen die Optionspflichtigen dauerhaft für unser Land gewinnen. Wir wollen aber keine Generation der gespaltenen Loyalitäten zur Regel werden lassen. Für uns muss es daher dabei bleiben: keine regelhafte doppelte Staatsbürgerschaft. Alles andere wäre reiner Aktionismus, ist dem bevorstehenden Bundestagswahlkampf geschuldet und hilft niemandem weiter. Sinnvolle Kompromisse, die wir in einer Demokratie gemeinsam gefunden haben, sollten wir auch beibehalten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Trepoll. – Das Wort hat Frau Demirel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Trepoll, Sie wissen doch, dass ein gewisser Herr MacAllister aus Niedersachsen zwei Pässe hat. Und das stört Sie offensichtlich überhaupt nicht – oder?