Protocol of the Session on April 24, 2013

(Beifall bei der CDU)

Aber lassen Sie mich dennoch zum Thema Mindestlohn ein paar grundsätzliche Anmerkungen machen. Es ist nicht etwa so, Herr Rose, wie Sie uns glauben machen wollen, als würde die CDU sich gegen gerechte Löhne wenden und nicht das Problem erkennen, dass tatsächlich in manchen Niedriglohnbereichen Handlungsbedarf besteht. Die Frage ist nur, wer hier die Entscheidung treffen soll, und da sind – das hat meine Kollegin Frau Dr. Föcking ausgeführt – nach wie vor in erster Linie Arbeitgeber und Gewerkschaften gefragt. Die Tarifautonomie ist Verfassungsgrundsatz. Wir stehen zu diesem Verfassungsgrundsatz und richten unsere Politik danach aus.

(Beifall bei der CDU)

Das Beispiel Friseurhandwerk, auch das ist schon erörtert worden, ist doch ein wunderbares Beispiel dafür, dass es funktioniert und dass es auch deshalb funktioniert, weil der Markt hier dann doch seine heilsamen Wirkungen hat. Der Verdrängungswettbewerb im Friseurhandwerk und die Schwierigkeit, zukünftig Auszubildende zu finden in diesen Bereichen in Anbetracht des Arbeitnehmermarktes, den wir heute haben, führen dann eben dazu, dass die Tarifparteien vernünftig sind, sich zusammen

(Wolfgang Rose)

setzen und gemeinsam ein abgestuftes, differenziertes Modell für Mindestlöhne beschließen.

(Beifall bei der CDU)

Und schließlich Ihre Behauptung, das Ganze sei arbeitsmarktneutral, wie Sie gesagt haben, Herr Scheele. Da sind offensichtlich alle fünf Sachverständigen der Bundesregierung in ihrem Frühjahrsgutachten anderer Meinung gewesen. Sie haben ganz deutlich von einem einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro abgeraten und auf die massiven beschäftigungsnegativen Wirkungen einer solchen Wirtschaftspolitik hingewiesen. Hören Sie auf das, was die Sachverständigen Ihnen zu sagen haben, Sie schaden nämlich mit Ihrer Politik gerade denjenigen, denen Sie helfen wollen, den Menschen im Niedriglohnbereich. Denen nämlich geht es an den Kragen, denen geht es an die Jobs, und deshalb lassen Sie ab von Ihrem Irrweg. Verkaufen Sie ein Landesmindestlohngesetz nicht als große Errungenschaft, denn in Wirklichkeit machen Sie hier nur Bundestagswahlkampf.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Dr. Kluth.

(Jens-Peter Schwieger SPD: Wie wenig darf es denn sein, 4,50 Euro oder wie viel?)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich zum Thema allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn in dieser Debatte nichts sagen,

(Beifall bei der SPD)

weil dieses Gesetz, das Sie hier zur Abstimmung stellen, mit einem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn überhaupt nichts zu tun hat. Das ist in Wirklichkeit ein Gesetz ohne Effekt. Die große Anzahl der Hamburger Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wird durch das Gesetz überhaupt nicht betroffen, und die geringere Anzahl derer, die im öffentlichen Dienst oder in öffentlichen Unternehmen beschäftigt sind, verdient schon mehr. Insofern besteht eigentlich überhaupt kein Debattenbedarf. Aber nun ist genau das passiert, was ich prophezeit habe: Herr Scheele stellt sich hier hin und hält eine Wahlkampfrede zum Thema gesetzlicher flächendeckender Mindestlohn. Und dann will ich doch an dieser Stelle einige Worte dazu sagen.

Es ist in der Tat zutreffend, Herr Scheele, dass wir in den vergangenen Jahren einen Zuwachs der Beschäftigung im Niedriglohnbereich zu verzeichnen hatten. Wir Liberale sind für Leistungsgerechtigkeit. Daher kann es uns weder politisch noch sozial befriedigen, wenn ein geringer Anteil von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern trotz einer

Vollzeittätigkeit auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen ist. Aber hieran etwas durch einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn ändern zu wollen, das ist in der Tat ein Irrweg.

(Beifall bei der FDP – Jens-Peter Schwieger SPD: Sondern?)

Vor allen Dingen ist ein solcher gesetzlicher flächendeckender Mindestlohn auch völlig unnötig, weil mit den bestehenden Regelwerken des Tarifvertragsgesetzes, des Arbeitnehmerentsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und des Mindestarbeitsbedingungsgesetzes bereits ein völlig ausreichendes Instrumentarium vorhanden ist – Herr Scheele nickt –, um auf Grundlage von Vereinbarungen der Tarifpartner, also nicht auf Grundlage von politischen Vereinbarungen, Fehlentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt entgegenzusteuern. Zur Wahrheit gehört auch, dass die Bundesregierung hiervon in der laufenden Legislaturperiode mehrfach durch die Allgemeinverbindlichkeitserklärung branchenspezifischer Tarifverträge Gebrauch gemacht hat. Die besondere Aufgabe der Liberalen war es dabei, darauf zu achten, dass derartige Eingriffe in den Arbeitsmarkt die Ausnahme und die durch Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz verbürgte Tarifautonomie der Regelfall bleibt.

Die Schaffung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns würde hingegen Arbeitsplätze vernichten; das sagen die Sachverständigen der Bundesregierung unisono. Das trifft dann insbesondere Menschen, die als Geringverdiener oder als Hartz-IV-Empfänger auf einen Zuverdienst angewiesen sind. Die Schaffung eines gesetzlichen Mindestlohns ist daher gerade eine unsoziale Arbeitsmarktpolitik, weil sie Arbeitsplätze vernichtet, mehr Menschen von Transferleistungen abhängig macht und die Zunahme von Schwarzarbeit begünstigt. Darum wird die FDP entsprechenden Initiativen nicht zustimmen. – Danke.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Frau Heyenn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Frage des Mindestlohns ist zu einem Gradmesser für die Lernfähigkeit gemacht worden. Wenn ich das jetzt umdrehe, muss ich feststellen, dass es hier eine Partei gibt, die überhaupt nicht lernfähig ist, und das ist die FDP.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD – Finn-Ole Ritter FDP: Wir nehmen es als Kompliment!)

Bei der Sozialdemokratie hat die Lernfähigkeit sehr spät eingesetzt. Das war Lernen nach Konfuzius, das war Lernen durch eigene Erfahrung, und die Erfahrung war, dass es zu Armut führt, wenn man

(Karin Prien)

Deregulierung auf dem Arbeitsmarkt durchsetzt. Das hat dazu geführt, dass viele Mitglieder die SPD verlassen haben, das hat wehgetan, und dieser Lernprozess dauert auch länger, er dauert immer noch an und ist noch nicht zu Ende.

(Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Rose SPD: Oberlehrerin!)

Obergewerkschafter.

Es ist richtig, dass dieses Landesmindestlohngesetz ein kleiner Schritt in die richtige Richtung ist, aber für uns ist dieser Schritt einfach zu klein, und deswegen enthalten wir uns. Dieses Gesetz ist unzureichend, und warum ist es unzureichend? Wir legen großen Wert auf eine Kontrollkommission, wie immer man sie auch gestaltet, weil wir einfach nicht glauben, dass in Hamburg wirklich jedes Jahr oder alle zwei Jahre, wie Sie das gerne wollten, automatisch der Mindestlohn angepasst wird. Wir glauben es deswegen nicht, weil wir uns in Zeiten der Schuldenbremse befinden. Wir erleben es gerade im öffentlichen Dienst, was da an Stellen abgebaut wird und wie schwer sich diese Regierung tut, Tariferhöhungen weiterzugeben. Zweitens gehen wir natürlich davon aus, dass wir nicht immer eine Alleinregierung der SPD haben werden, und daher glauben wir auch, dass es eine Frage von Regierung und Koalition ist, ob ein Mindestlohn angehoben wird oder nicht.

Auch der DGB hat seine Zweifel. Wir haben heute zwar eine Jubelmitteilung von Uwe Grund bekommen mit der Überschrift:

"Mindestlohngesetz: Der Hamburger Senat hat es kapiert"

Aber wenn man in den letzten Absatz schaut, dann stellt man fest, dass es da einfach Kritik gibt – ich zitiere –:

"Der Senat hat uns außerdem zugesagt, dass die Gewerkschaften an diesem Prozess beteiligt werden. An die Einhaltung dieses Versprechens werden wir ihn, wenn nötig, erinnern."

Ich kann Herrn Grund jetzt schon sagen, dass es nötig sein wird. Deshalb wollen wir eine Kommission.

(Beifall bei der LINKEN und bei Phyliss De- mirel GRÜNE – Jens-Peter Schwieger SPD: Das ist doch keine Kritik!)

Merkwürdig ist – das ist im Haushaltsausschuss gesagt worden, man kann es in den Protokollen nachlesen –, dass die Senatsvertreter gesagt haben, dieses Gesetz solle bald wieder geändert werden. Dann wird mit der Bundestagswahl gespielt, und das finde ich nun wirklich unlauter. Wenn hier schon jemand diesen Vorwurf macht, Parteipolitik in die Mindestlohndebatte hineinzubringen, Wolfgang Rose, dann ist dieser Hinweis

auf die Bundestagswahl überflüssig, und dann frage ich mich, warum man für drei Monate so ein schlechtes Landesmindestlohngesetz auf den Weg bringt.

(Beifall bei der LINKEN)

Für uns ist es ein großes Problem, dass die Zuwendungsempfänger nicht gleichzeitig eine Erhöhung ihres Mindestlohnes bekommen und es auch offen ist, wann sie sie überhaupt bekommen. Und eines ist auch völlig klar: Ein Mindestlohn von 8,50 Euro, darauf hat Herr Golke hingewiesen, ist einfach zu wenig. Auch dazu sagt der DGB in seiner Presseerklärung von heute ganz klar:

"Aber 8,50 Euro darf gerade in dieser teuren Stadt nicht das Ende vom Lied sein."

Wir sagen, es darf auch nicht der Anfang vom Lied sein, es müssen 10 Euro pro Stunde sein.

(Beifall bei der LINKEN – Finn-Ole Ritter FDP: Mindestens!)

Herr Senator Scheele hat in seinen Auslassungen davon gesprochen, dass man den Mindestlohn brauche, um etwas mehr Gerechtigkeit am Arbeitsmarkt zu erzielen. Das ist uns auch zu wenig. Wir wollen Gerechtigkeit am Arbeitsmarkt, und wir wollen gerechten Lohn für jeden und für jede. Das Ziel muss sein, dass alle von der Arbeit leben können, und das ist mit 8,50 Euro in keiner Weise gewährleistet.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr, sodass wir zu einer ganzen Reihe von Abstimmungen kommen können. Wir beginnen mit dem Antrag der Fraktion DIE LINKE aus der Drucksache 20/7724.

Wer diesen beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.

Dann kommen wir zum Antrag der GRÜNEN Fraktion aus der Drucksache 20/7772.

Wer diesen annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit abgelehnt.

Nun kommen wir zum CDU-Antrag aus der Drucksache 20/7743.

Wer diesem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.

Dann kommen wir zum Antrag der Fraktion DIE LINKE aus der Drucksache 20/7770.