Protocol of the Session on April 10, 2013

(Jan Quast SPD: Da sind Sie aber neidisch!)

Lieber Kollege Münster, dazu darf man gratulieren. Sie, werter Kollege, haben sich bereits in einer Schriftlichen Kleinen Anfrage vom 1. März dieses Jahres, Drucksache 20/7100, mit dem Thema der Fortsetzung der von der CDU eingeführten Gesetze zum Verbot der Mitnahme von Glasflaschen in ein Gebiet des Stadtteils St. Pauli befasst. Meine Gratulation hält sich nach Durchsicht der Antwort des Senats und einem Vergleich des heute vorliegenden Antrags jedoch in erheblichen Grenzen. Die Antragsteller haben sich in dem von ihnen

hier eingebrachten Antrag überwiegend keiner eigenen Argumente bedient,

(Finn-Ole Ritter FDP: CDU-Argument!)

sondern sich nahezu vollständig und zum Teil sogar wortgleich der Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage vom 1. März 2013 bedient.

(Dirk Kienscherf SPD: Ja, das ist ein Zusam- menspiel!)

Es stellt sich die Frage, warum denn nicht gleich der Senat diesen Gesetzgebungsantrag eingebracht hat.

(Dirk Kienscherf SPD: Dann hätten wir es ja nicht einbringen können!)

Ich erinnere mich daran, dass das Verbot der Mitnahme von Glasflaschen in das Gebiet der Reeperbahn aus der Mitte der SPD-Fraktion nicht nur Unterstützung erfahren hat. In einer hier am 20. November 2008 munter vorgetragenen Rede bezeichnete der Abgeordnete Dr. Dressel ein Glasflaschenverbot als "Rohrkrepierer". Das, so der Abgeordnete Dr. Dressel weiter, sei die feste Meinung der SPD-Fraktion.

(Dirk Kienscherf SPD und Christiane Schnei- der DIE LINKE: Das glaube ich nicht!)

Das können Sie im Protokoll nachlesen.

Nun aber, meine Damen und Herren, hat die Vergangenheit die Spitzen der SPD und Herrn Dr. Dressel in diesem Hause eingeholt. Laut der Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage vom 1. März dieses Jahres hat sich das von der CDU eingeführte Gesetz zur Mitnahme von Glasflaschen,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Die GAL war aber auch dabei!)

sprich Glasflaschenverbotsgesetz, auch nach Ansicht des SPD-geführten Senats plötzlich bewährt.

(Beifall bei der CDU)

Das zeigen bereits, wie schon angeführt, die ersten Vergleichszahlen der Jahre 2008 und 2009. In der Antwort des Senats auf die Anfrage des Abgeordneten Dr. Dressel vom 3. Februar 2010, Drucksache 19/5260, kann der von der CDU geführte Senat bereits berichten, man höre, dass Delikte wie Körperverletzung, Raub und so weiter im öffentlichen Raum in den ersten 195 Tagen nach Einführung des Gesetzes um gut 10 Prozent rückläufig waren. An dieser Stelle danke ich dem Kollegen Dressel für diese zukunftsweisende Anfrage. Sie haben der CDU sehr geholfen. Dr. Dressel fordert für die SPD-Fraktion zudem eine stärkere Polizeipräsenz auf dem Kiez ein. Das fordern wir, die CDU, heute auch wieder ein.

(Beifall bei der CDU)

(Arno Münster)

Das am 9. Juni 2009 eingebrachte Gesetz zum Verbot von Glasflaschen im Bereich der Reeperbahn hat sich, ich gebe Ihnen recht, bewährt. Die Anzahl der Delikte hat sich erheblich reduziert. Das ist mehr als erfreulich für unsere Stadt. Daher wird die CDU der Fortführung dieses Gesetzes gern zustimmen. Ich hätte mir jedoch gewünscht, dass auch der Senat und die Spitzen in diesem Hause sich ehrlich hinter den Erfolg dieses Gesetzes gestellt hätten und das Gesetz, wie es auch der von der CDU-geführte Senat gemacht hat, durch den Senat und nicht durch die SPD-Fraktion eingebracht worden wäre.

(Beifall bei der CDU)

Damit hätten Sie über Ihren Schatten springen und ehrlich einräumen können, dass die noch im Vorfeld der Einführung dieses Gesetzes geäußerte Polemik von der Realität eingeholt worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Nur, über so viel Selbstbewusstsein, einen Fehler einzuräumen, verfügen Sie leider nicht, weder der Innensenator noch der Vorsitzende der SPD-Fraktion, der leider durch Abwesenheit glänzt.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Rohrkrepierer!)

Das ist leider der wahre Grund, warum die Kolleginnen und Kollegen um den Abgeordneten Münster heute einen Gesetzgebungsantrag einbringen durften. Daher, geschätzter Kollege, haben Sie heute eben leider keinen großen Tag und der Senat erst recht nicht, aber die CDU. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Möller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Man ist nie ganz vor Überraschungen gefeit, auch nicht in diesem Hause, aber, Herr Warnholz, es würde mich wundern, wenn der Senat diesem SPD-Antrag nicht zustimmen würde. Ich glaube, die Situation ist auch ein bisschen einfacher, als Sie sie dargestellt haben. Die schwarz-grüne Koalition hat damals zu Recht, das finde ich immer noch, den doch sehr massiven Grundrechtseingriff, den wir mit diesem Glasflaschenverbotsgesetz beschlossen hatten, ernst genommen und deshalb dieses Gesetz befristet. Diese Befristung war richtig und ist auch heute noch richtig.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Finn-Ole Ritter FDP)

Es ist und bleibt ein erheblicher Eingriff in die individuellen Grundrechte,

(Finn-Ole Ritter FDP: Richtig!)

gleich ob die Menschen Alkohol zu sich nehmen oder nicht. Sie werden eingeschränkt in ihren individuellen Grundrechten. Eine Verlängerung ist sinnvoll, wenn sich das Gesetz bewährt hat und dazu beiträgt, die Situation auf der Reeperbahn tatsächlich zu entspannen. Die unmittelbare Wirkung eines solchen Gesetzes kann man vielleicht an den Zahlen bemessen. Herr Münster, Sie haben es gesagt, wir haben einen Rückgang der Taten um ein Drittel. Wir hatten aber 2008, diese Zahlen will ich Ihnen nicht vorenthalten, tatsächlich nur 128 Taten. Diese 128 Taten hatten aber erhebliche Folgen, denn es gab bei mitunter massiven Auseinandersetzungen neben Leichtverletzten oft Schwerverletzte. Deswegen war es damals richtig, diese Entscheidung zu treffen. Heute sind es noch 85 Taten, ein Drittel weniger. Das kann eine Trendumkehr sein.

(Finn-Ole Ritter FDP: Muss es aber nicht!)

Muss es aber nicht, ganz genau.

Es ist möglich, dass das Verbot Akzeptanz gefunden hat. Die Zahl der Mitführverstöße, wie es so schön heißt, ist zurückgegangen. Das ist eine positive Entwicklung, allerdings muss man sich auch vor Augen führen, dass pro Jahr mehr als 5000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei mit der Durchsetzung des Glasflaschenverbots und dem damit einhergehenden, separat beschlossenen, aber für dieselbe Region geltenden Waffenverbot beschäftigt sind. Das heißt, die intensiven Kontrollen an den U-Bahn-Eingängen und –Ausgängen und auf der Straße binden insgesamt 5000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei. Diese Zahl findet man im Übrigen in einer klitzekleinen Tabelle im Bericht über die Evaluation. Sie hat uns veranlasst, unseren Zusatzantrag zu formulieren. Ich freue mich, dass er an den Ausschuss überwiesen wird, denn ich glaube, dass es darum geht abzuwägen, ob der Einsatz von Personal bezogen auf das Ergebnis eigentlich verhältnismäßig ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Differenzierung des polizeilichen Aufwands zwischen der Durchsetzung des Waffenverbots und der Durchsetzung des Glasflaschenverbots findet nicht statt. Möglicherweise kann sie auch nicht stattfinden. Es lässt sich natürlich leider auch nicht herausfinden, ob nicht die gesteigerte Präsenz, das sehe ich anders als Herr Warnholz, auf den Straßen rund um die Reeperbahn insgesamt auch einen Rückgang der Gewaltvorfälle zur Folge hatte. Das wäre jedenfalls zu hoffen, denn wir wollen doch Präsenz auf den Straßen, damit die Straftaten zurückgehen.

Diese Differenzierung ist wichtig. Deswegen müssen wir den Senat sehr deutlich bitten, uns darzustellen, ob sich das weiter aufklären lässt. Der Grundrechtseingriff bleibt, und deswegen ist es

(Karl-Heinz Warnholz)

auch richtig, lediglich befristet diesem Antrag zuzustimmen. Wir müssen dieses Gesetz im Auge behalten, weil wir nicht leichtfertig mit unserer eigenen Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum umgehen können.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Ritter.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zur zweiten Jahreshälfte 2009 trat das Verbot des Mitführens und Verkaufens von Getränken in Glasbehältnissen auf dem Kiez in Kraft. Dieses Gesetz, wie Frau Möller richtig erwähnte, stellt einen Eingriff in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, Artikel 2 Grundgesetz, sowie in das der Berufsfreiheit, Artikel 12 Grundgesetz, dar. Um das, und auch das erwähnte Frau Möller, im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips abzumildern, hat der schwarz-grüne Senat damals das Auslaufen des Gesetzes nach vier Jahren und die Evaluation als Aufgabe ins Gesetz geschrieben. Wenn wir also jetzt auf diese Glasflaschenregelung schauen, dann müssen wir eine politische Bewertung der Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs vornehmen.

Ein Blick auf die Daten aus der Drucksache 20/ 4240 und 20/7100 zeigt: In den vergangenen fünf Jahren gab es relativ konstant circa 3000 Gewaltdelikte pro Jahr auf dem Kiez. Davon wurden zwei Drittel im öffentlichen Raum begangen, der Rest in Bars, Clubs und Discos. Den Löwenanteil mit knapp zwei Drittel der Taten stellt die sogenannte einfache Körperverletzung dar; es gab aber auch 700 bis 800 gefährliche Körperverletzungen. Fast alle Gewaltdelikte mit Glasflaschen, 85 bis knapp 130 pro Jahr, fielen und fallen in diese Kategorie. Diese Zahl ist nicht schön, und ich möchte sie auch auf keinen Fall verharmlosen, doch bei einem Schnitt von 80 000 Kiezbesuchern pro Wochenende, das entspricht 4 Millionen Besuchern im Jahr, ist das eine verhältnismäßig geringe Anzahl von Gewaltdelikten angesichts so vieler Menschen auf engem Raum. Hamburg ist eine vergleichsweise sichere Stadt; der Kiez ist ein vergleichsweise sicheres Vergnügungsviertel. Der Dank meiner Fraktion gilt zuvorderst all jenen Polizisten sowie BOD-Mitarbeitern, die dies mit ihrer Präsenz vor Ort ermöglichen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Zur Beurteilung des Beitrags oder Nichtbeitrags des Glasflaschenverbots zu diesem Erfolg muss man nun eine Reihe weiterer Zahlen kennen. Die Gesetzesevaluation hat gezeigt, dass es bei immerhin der Hälfte aller mit Glasflaschen begangenen Gewaltdelikten keine Verletzten gab, bleiben also noch 40 bis 50 tatsächlich Glasflaschenver

letzte pro Jahr. 40 Glasflaschenverletzte bei vier Millionen Kiezbesuchern entsprechen einem Verletzten pro 100 000 Kiezgäste.

(Wolfhard Ploog CDU: Sind 40 zu viel!)

Klar ist das immer noch einer zu viel und sind es auch 40 zu viel.

(Wolfhard Ploog CDU: Genau!)